Individualisierte Krebstherapien fürs Hirn

Der Trend zur Therapiestratifizierung anhand molekularer Marker macht auch vor Patienten mit Hirntumoren nicht Halt. Dabei werden die Grenzen klassischer Tumorentitäten zunehmend unscharf. Zum Kongressdossier "DKK 2014" Prof. Dr. Michael Weller von der Abteilung für Neurologie am Universitätsklinikum Zürich erläuterte auf dem DKK 2014 bei einem von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) ausgerichteten Symposium zur Neuroonkologie am Beispiel von Patienten mit anaplastischen Gliomen den Wandel der Therapieprinzipien in der Neuroonkologie. Die Bestimmung eines chromosomalen Markers, der 1p/19q Codeletion, stehe hier mittlerweile diagnostisch an vorderer Stelle. Welche Therapie für Patienten mit Codeletion optimal ist, darüber könne im Einzelfall diskutiert werden, so Weller. „Klar ist aber, dass die alleinige Bestrahlung bei diesen Patienten heute nicht mehr der Standard ist.“ Gliom und Glioblastom: Molekularer Marker lässt die Grenzen verwischen Bei Patienten mit anaplastischem Gliom ohne 1p/19q Codeletion könnte künftig eine weitere molekulare Analyse wegweisend werden, nämlich die Ermittlung des Mutationsstatus der Isocitrat-Dehydrogenase (IDH). In Zürich wird diese Bestimmung bereits bei vielen Patienten durchgeführt. „Langfristig denke ich, dass wir Gliompatienten mit IDH-Wildtyp eher wie Glioblastompatienten behandeln werden“, so Weller. Dies sei allerdings noch etwas kontrovers. Praktisch bedeuten würde dieses Vorgehen, dass IDH-Wildtyp-Patienten mit anaplastischem Gliom eine weitere molekulare Analyse benötigen, nämlich – in Analogie zur Glioblastomtherapie – die Bestimmung des MGMT-Methylierungsstatus. Von ihm hängt dann ab, ob eine alleinige Radiotherapie oder eine Behandlung mit Temozolomid empfohlen wird. Alternativ könnte auch die Bestimmung des IDH-Mutationsstatus am Anfang stehen. Eine Analyse der 1p/19q Codeletion wäre dann vor allem bei Patienten mit mutiertem IDH relevant, während Patienten mit Wildtyp-IDH von vornherein in Richtung Glioblastom-Therapieschema „wandern“. All das seien allerdings vorerst nur Konzepte, die durch Studien oder Register untermauert werden müssten, so Weller. Welche Bedeutung hat die Immuntherapie? Sowohl beim Glioblastom als auch beim Gliom werden derzeit Immuntherapien als mögliche Ergänzung des therapeutischen Armentariums in klinischen Studien evaluiert. Und auch hier geht heute kaum noch etwas ohne vorherige Stratifizierung der Patienten. Weller nannte beispielhaft die ACT IV-Studie, in der die Vakzine Rindopepimut als Add-on zu Temozolomid bei Glioblastompatienten evaluiert wird, die eine EGFRvIII-Mutation aufweisen. An dieser Studie sollen 440 Patienten aus 200 Zentren in der ganzen Welt teilnehmen. Prof. Dr. Wolfgang Wick von der Abteilung Neuroonkologie der Universität Heidelberg ergänzte Wellers Ausführungen um immunotherapeutische Konzepte beim Gliom im Stadium II/III. So sei bekannt, dass etwa jeder fünfte Patient mit dieser Art von Gliom und einer IDH1-Mutation eine spezifische T-Zell-Antwort gegen das mutierte Protein aufweise. Aufbauend auf dieser Beobachtung werden derzeit Studien geplant, bei denen Patienten mit Hilfe einer therapeutischen Vakzine gezielt gegen dieses Antigen immunisiert werden. „In Heidelberg konnte in einem humanisierten Mausmodell bereits gezeigt werden, dass eine solche Immuntherapie menschliche Tumore am Wachsen hindern kann“, so Wick. Noch einen Schritt weiter gehen bisher vor allem beim Glioblastom diskutierte Therapiekonzepte, die auf eine personalisierte Immuntherapie abzielen. Dabei werden potenziell mit einer Vakzine adressierbare Tumorantigene patientenindividuell ermittelt. Auf Basis dieser Profile könnte dann eine individuell maßgeschneiderte Tumorimpfung erfolgen. DKK 2014: Das Programm und weitere Informationen auf der Kongress-Homepage www.dkk2014.de! ×

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