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21.02.2020 | DKK 2020 | Kongressbericht | Nachrichten

Versorgung in Deutschland

Psychoonkologisches Screening: Selbst an Spitzenzentren nicht optimal

verfasst von: Dr. Nicola Siegmund-Schultze

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Durch Malignome ausgelöste Depressionen können über viele Jahre bestehen. Daher sollten Krebspatienten mehrfach und auch längere Zeit nach der Diagnose auf den Bedarf für eine psychoonkologische Betreuung untersucht werden. Noch aber fehlen Kriterien für geeignete Screeningintervalle.

Ein bis zwei Drittel der Krebspatienten fühlen sich akut nach der Diagnose psychisch stark belastet. Die Häufigkeit einer hohen Belastung variiert in Abhängigkeit von der Versorgungsform, von der Art des Tumors, aber auch von Alter, Geschlecht und den sozialen Rahmenbedingungen der Patienten. Über alle Krebsentitäten und Versorgungsformen hinweg liegt die Prävalenz in Deutschland bei 52 Prozent, berichtete Prof. Dr. Anja Mehnert-Theuerkauf vom Universitätsklinikum Leipzig beim 34. Deutschen Krebskongress in Berlin. Damit liege Deutschland im internationalen Durchschnitt. Dieser betrage 30 bis 60 Prozent – je nach Versorgungsform (ambulant, stationär) und nach der Intensität des Screenings.

Es sei ein großer gesundheitspolitischer Fortschritt, dass in Deutschland das Screening auf einen Bedarf an psychoonkologischer Beratung oder Betreuung als obligater Bestandteil der Versorgung durchgesetzt worden sei, hieß es bei einer Veranstaltung über psychosoziales Screening. Dennoch gebe es eine große Heterogenität in der Umsetzung.

So sind in einer Analyse an deutschen Organschwerpunktzentren nur bei jedem vierten Patienten (24,9 %) die Ergebnisse eines psychoonkologischen Screenings dokumentiert, berichtete Prof. Dr. Peter Herschbach von der Universitätsklinik München Campus Innenstadt. Knapp 43 Prozent der Patienten seien als „belastet“ eingestuft worden und 71 Prozent aus dieser Gruppe hätten eine Beratung erhalten. „Wir wissen nicht, ob ein großer Teil der Krebspatienten nicht gescreent oder das Ergebnis lediglich nicht dokumentiert wird“, sagte Herschbach. „Hier gibt es Wissenslücken, die wir versuchen sollten, durch Register zu schließen“, so der Vortragende.

Auch eine Untersuchung an 13 onkologischen Spitzenzentren (Comprehensive Cancer Centers, CCC), die in der psychoonkologischen Versorgung ebenso wie in anderen Bereichen von Diagnostik, Therapie und Nachsorge Vorbildfunktion haben sollten, ergab: Lediglich 28,4 Prozent der Patienten nahm eine psychoonkologische Beratung in der Akutphase in Anspruch, nach sechs und zwölf Monaten waren es allerdings jeweils 45 und 41 Prozent, so Prof. Dr. Joachim Weis vom Universitätsklinikum Freiburg.

Der Beratungsbedarf war in mehreren Analysen deutscher Zentren bei jüngeren Patienten (< 65 Jahre) größer als bei älteren, bei Frauen höher als bei Männern, bei der Diagnose von Mamma-, Bronchial-und Viszeraltumoren höher als bei anderen Tumorformen wie urogenitalen oder dermalen Malignomen, in fortgeschrittenen Krankheitsstadien größer als bei Tumoren in frühen Stadien und bei Berufstätigen höher als bei Patienten, die nicht erwerbstätig oder berentet sind.

Aus Parametern wie diesen lasse sich möglicherweise ein Kriterienkatalog dafür erstellen, wie gezielter als bisher schwer belastete Patienten von weniger belasteten zu unterscheiden seien, so die Diskussion. Denn es sei unklar, in welchen Abständen nach Diagnose und mit welchen Schwerpunkten ein psychoonkologisches Screening erfolgen sollte. So könnten aktuellen Studien zufolge krankheitsassoziierte Depressionen selbst mehr als 10 oder 20 Jahre nach Diagnose fortbestehen.

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