Stellschrauben für eine bessere Prognose bei Pankreaskrebs

Krebskranke mit einem Pankreaskarzinom haben immer noch eine schlechte Prognose. Aber das konsequente Anstreben einer R0-Resektion und die multimodale Therapie können das Überleben deutlich verbessern, betont ein Chirurg beim Krebskongress. „Der Einzige, der das Pankreaskarzinom heilen kann, ist der Chirurg“, sagt Professor Markus W. Büchler. Der Ärztliche Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Universität Heidelberg stellt aber auch klar: Jedes Pankreaskarzinom, das operiert wird, sollte auch adjuvant behandelt werden. Wenn das nicht möglich sei, liege das auch am Chirurgen: Zu häufig verhinderten Komplikationen, dass die adjuvante Therapie zeitnah beginnen kann. Gute Ergebnisse in der chirurgischen Behandlung des Pankreaskarzinoms setzen eine große Erfahrung voraus. „Meiner Erfahrung nach müssen Sie mindestens 100 bis 200 Whipple-Operationen persönlich durchführen und nochmal 100 oder 200 onkologische Whipple-Operationen, um diese Eingriffe gut zu machen.“ Beim Deutschen Krebskongress in Berlin konstatierte Büchler, dass zehn bis 15 Whipple-Operationen pro Jahr nicht ausreichen. In Heidelberg würden pro Monat 60 bis 80 dieser Eingriffe durchgeführt. Die Mortalität liegt dort bei Pankreasresektionen bei 2,9 Prozent. Das ist wesentlich weniger als die 10,1 Prozent, die für ganz Deutschland berichtet wurden – viel zu viel, findet Büchler und betont: „Man sollte die Pankreaschirurgie zentralisieren.“ Freies „Triangle“ Für die onkologische Qualität der Operation ist ein tumorfreies Dreieck zwischen Truncus coeliacus, Pfortader und Vena mesenterica superior am Ende der Resektion entscheidend, denn dort entstehen die meisten Lokalrezidive. Das ist chirurgisch anspruchsvoll. „Der Pankreaschirurg ist heute auch Gefäßchirurg“, erläuterte Büchler in Berlin – für eine R0-Resektion müssen häufig Gefäße rekonstruiert werden. Die neue R0-Klassifikation in der Gastroenterologie, die einen Resektionsrand von mindestens 1 mm fordert, gelte auch für die Chirurgie des Pankreaskarzinoms, stellte er klar. Die retrospektive Auswertung der Daten von 561 Patientinnen und Patienten mit Adenokarzinom des Pankreas, die zwischen 2006 und 2012 in Heidelberg operiert wurden, belege, dass bei Erreichen einer solchen R0-Resektion ein medianes Gesamtüberleben von 40 Monaten möglich ist und die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate bei 40 Prozent liegt – immer natürlich zusammen mit einer anschließenden adjuvanten Therapie. „Diese Zahlen kann man mit dem Patienten vor der Op besprechen“, so Büchler. R0 ist auch Ziel beim linksseitigen Karzinom R0 muss auch das Ziel beim linksseitigen Pankreaskarzinom sein. Das wurde lange als Karzinom mit besonders schlechter Prognose angesehen. Schafft man aber eine R0-Resektion mit einem Sicherheitsabstand von mindestens 1 mm, kann hier nach Daten der Heidelberger Klinik ein medianes Gesamtüberleben von 60 Monaten und eine 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate von 50 Prozent erreicht werden. „Es ist nicht ganz so schlimm“, sagte Büchler. „Wir haben Instrumente, um etwas zu verändern.“ Bei lokal fortgeschrittenen Tumoren kommt eine neoadjuvante Therapie mit FOLFIRINOX (Kombination aus FOL: Folinsäure (Leucovorin), F: 5-Fluorouracil (als Dauerinfusion), IRIN: Irinotecan, OX: Oxaliplatin) infrage. Ein Teil der Karzinome wird dann resektabel. Die Bildgebung kann nach der neoadjuvanten Chemotherapie einen fortbestehenden Tumor vortäuschen, der aber tatsächlich aus totem Tumorgewebe mit überschießender Bildung von Bindegewebe besteht. Wichtig zur Beurteilung des Ansprechens ist daher die Normalisierung des Markers CA19-9 nach der neoadjuvanten Therapie, betonte Büchler. Was tun bei multiplen Metastasen? Die neoadjuvante Therapie ist auch eine Option bei multiplen Metastasen. Bei einigen Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom lässt sich so eine Resektabilität mit M0-Status herstellen und das resultierte in einer Heidelberger Kohorte von 173 Patientinnen und Patienten in einem medianen Gesamtüberleben von 25,5 Monaten. Auch hier war die adjuvante Chemotherapie wichtig – dann lag das mediane Gesamtüberleben bei 29,0 Monaten, ohne bei 14,8 Monaten. Bei grenzwertig resektablem Pankreaskarzinom führte in der ESPAC-5-Studie die multimodale Therapie mit neoadjuvanter Therapie, Resektion und adjuvanter Chemotherapie zu einer 12-Monats-Überlebensrate von 84 Prozent bei Einsatz von mit FOLFIRINOX und von 79 Prozent bei Chemotherapie mit Gemcitabin/Capecitabin. Personalisierung anhand einer Gensignatur In den Studien ESPAC 6 und 7 wird eine weitere Personalisierung der Pankreaskarzinomtherapie über das individuell angepasste chirurgische Vorgehen hinaus angestrebt. Nachdem zielgerichtete Therapien beim Pankreaskarzinom enttäuscht haben, erfolgt die Personalisierung dabei anhand einer Gensignatur, die das Ansprechen auf die neoadjuvante und/oder adjuvante Gemcitabintherapie voraussagt, berichtete Büchler. Sein Resümee: Das Pankreaskarzinom ist immer noch eine deprimierende Erkrankung, aber es gibt doch Lichtblicke. Empfehlung der Redaktion Deutscher Krebskongress Dossier zum DKK 2022 Im CityCube Berlin dreht sich vom 13. bis 16. November 2022 alles um die Krebsmedizin: „Schnittstellen zwischen Innovation und Versorgung“ lautet das Motto des 35. Deutschen Krebskongresses (DKK). Wir berichten tagesaktuell von der größten onkologischen Fachtagung in Deutschland. News, Interviews, Diskussionen und Veranstaltungshinweise sammelt unser Kongressdossier. basierend auf: 35. Deutscher Krebskongress vom 13.–16. November 2022 in Berlin; Plenar Gastrointestinale Tumoren II,15.11.2022 Dieser Kongressbericht ist Teil der Medienkooperation zwischen Springer Medizin und der Deutschen Krebsgesellschaft / der Deutschen Krebshilfe im Rahmen des DKK 2022. Quelle: Ärzte Zeitung

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