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28.10.2021 | DKOU 2021 | Nachrichten

Von NSAR bis Opioid

Welche Medikamente wirken bei Rückenschmerz?

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

Medikamente bei Rückenschmerzen sollte man nur nach genauer Indikationsstellung und unter Berücksichtigung individueller Faktoren auswählen. Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), Prof. Bernd Kladny, fasste die wichtigsten Leitlinienempfehlungen zusammen.

Beim Thema Rückenschmerz lässt sich laut Prof. Dr. Bernd Kladny, Herzogenaurach, über eines nicht diskutieren: „Wenn ein Betroffener sagt, er hat Schmerzen, sind diese auch vorhanden.“ Man müsse akzeptieren, dass Schmerzen ein subjektives Erlebnis sind. Dementsprechend gehören sie behandelt. Für den Einsatz einer medikamentösen Schmerztherapie gilt nach Kladny allerdings der Grundsatz: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) fasste Kladny die wichtigsten Einsatzgebiete für die verschiedenen Gruppen von Schmerzmitteln zusammen.

Am häufigsten: der Nozizeptorschmerz

Ein in der Orthopädie sehr häufiger Fall ist der Nozizeptorschmerz. Dieser kann im Rücken z. B. vom einem gebrochenen Wirbelkörper herrühren, von den Facettengelenken oder dem Kapselbandapparat. Ein akuter Schmerz weist nach Kladny in erster Linie auf eine Gewebeschädigung hin. Auslöser für Rückenschmerzen könne aber auch eine Entzündung in der Gegend von Nozizeptoren sein. „Das gibt uns die Chance, einen Bandscheibenvorfall medikamentös zu behandeln, wenn die Schmerzen entzündlich verursacht sind.“ In all diesen Fällen seien peripher wirksame NSAR mit ihrer gleichzeitig analgetischen und antiphlogistischen Wirkung sinnvoll.

Die Auswahl des Präparats sollte man vom individuellen Risiko des Patienten abhängig machen, wobei vor allem auf Magen-Darm-Erkrankungen, Herzinsuffizienz oder KHK sowie ausgeprägte Nieren- und Leberschäden zu achten ist. Generell warnte Kladny vor der intramuskulären Verabreichung von NSAR: Wegen der Nekrosegefahr sei das „obsolet“. Auch Paracetamol, welches bei Rückenschmerzen lange Zeit Goldstandard war, werde hierfür grundsätzlich nicht mehr empfohlen.

Wenn NSAR nicht infrage kommen

Besteht eine Kontraindikation für NSAR, kann als Nichtopioidanalgetikum z. B. Metamizol (Novaminsulfon) zum Einsatz kommen, allerdings, so Kladny, „so kurzzeitig wie möglich und in der niedrigsten wirksamen Dosierung“. Hier benötige man bekanntermaßen eine besondere Form der Risikoaufklärung, vor allem im Hinblick auf die mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:30.000 auftretende Agranulozytose. „Sie müssen den Patienten darauf aufmerksam machen, dass er mit Novaminsulfon sofort aufhören muss, wenn er z. B. Fieber und Halsschmerzen kriegt oder Veränderungen der Schleimhäute im Sinne einer Stomatitis.“ Auch bei Leberschäden sollte man mit dem Medikament sehr zurückhaltend sein. Und schließlich sollte man daran denken, dass Metamizol den plättchenhemmenden Effekt von niedrig dosierter Azetylsalizylsäure (ASS) aufheben kann. Bei Patienten, die ASS zur Kardioprotektion einnehmen, empfiehlt sich daher ein Mindestabstand von 30 Minuten.

Bei Opioiden Therapieerfolg dokumentieren!

Nach dem WHO-Stufenschema können bei fehlendem Ansprechen von NSAR auch Opioide verwendet werden, und zwar sowohl bei akuten als auch bei chronischen Kreuzschmerzen. Wichtig ist nach Kladny jedoch die regelmäßige Evaluation bzw. der „dokumentierte Erfolg“. Ein Opioid weiter zu verabreichen, obwohl sich der Patient unverändert auf einem hohen Schmerzniveau befinde, mache „überhaupt keinen Sinn“. Das gilt dem Orthopäden zufolge vor allem für transdermale Systeme („Schmerzpflaster“). Diese sollten gerade bei nicht spezifischen Kreuzschmerzen nur in Ausnahmefällen (z. B. bei Schluckbeschwerden oder einer Magenerkrankung) zum Einsatz kommen.  

Lumbale Radikulopathie: Steroide, ja oder nein?

Ein Einsatzgebiet für retardierte Opioide ist ferner die lumbale Radikulopathie, ebenfalls nach Ausschöpfung von NSAR. Ergänzend können laut Kladny ggf. Muskelrelaxanzien gegeben werden. Antidepressiva oder Antikonvulsiva kämen hinzu, wenn sich ein Übergang von einem akuten zu einem chronischen Geschehen abzeichne. Weniger gut sei hier die Datenlage für orale Kortikosteroide. Gemäß der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie könne jedoch die orale Gabe von 50 bis 100 mg Prednisolon pro Tag zu einer Funktionsverbesserung führen.

Neuropathischer Schmerz: Auf die Auswahl kommt es an!

Zwischen den verschiedenen Klassen von Antikonvulsiva differenzieren muss man, wie Kladny betonte, beim neuropathischen Schmerz: Während Substanzen, die auf die neuronalen Kalziumkanäle wirken (Gabapentin, Pregabalin), die Mittel der ersten Wahl für diese Indikation darstellen, liegt z. B. für Carbamazepin mit seiner Wirkung auf Natriumkanäle nur geringe Evidenz vor.

Unter den Antidepressiva sind bei neuropathischen Schmerzen trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin und auch der SSNRI Duloxetin wirksam, obwohl Letzterer nur für die diabetische Polyneuropathie zugelassen ist. Setze man ihn dennoch bei Patienten mit Kreuzschmerzen ein, so Kladny, sei eine besondere Aufklärung erforderlich.

Cannabis nur in „verzweifelten Fällen“

Cannabisbasierte Arzneimittel schließlich werden wegen ihres geringen Effekts bei Rückenschmerzen und der hohen Nebenwirkungsrate generell nicht empfohlen. Der Orthopäde sieht sie höchstens in „ausgeprägten, verzweifelten Fällen“ als gerechtfertigt an, als individueller Therapieversuch oder Drittlinientherapie. „Der Hype, der zurzeit um Cannabis gemacht wird, auch von Patientenseite, ist von der Evidenzlage her nicht zu unterstützen.“

Der Orthopäde machte deutlich, dass man vor allem chronische Schmerzen nicht einfach nur mit einem Medikament behandeln könne. Die Therapie erfordere ein „biopsychosoziales Verständnis“, hier könnten Medikamente nur Teil eines multimodalen Gesamtkonzepts sein.

Basierend auf: Vortrag von Bernd Kladny, Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU), 26. bis 29. Oktober 2021, Berlin/online

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