Infekt im Kunstgelenk? Diese Tests helfen bei der Diagnostik!

Die Rate infizierter Gelenkimplantate nimmt zu. Experten wie Prof. Dieter C. Wirtz, Bonn, gehen davon aus, dass diese bald häufiger sein werden als aseptische Lockerungen. Auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) erklärte Wirtz, welche Routineuntersuchungen am Bonner Klinikum bei der Abklärung eines periprothetischen Infekts zum Einsatz kommen und warum der „heiße Draht“ zur Mikrobiologie besonders wichtig ist. Wenn nach dem Einbau einer Prothese das betreffende Gelenk schmerzt, muss nach Einschätzung von Experten immer ein Infekt abgeklärt werden. Nach Univ.-Prof. Dieter Christian Wirtz vom Universitätsklinikum Bonn ist die Situation klar, wenn zusätzlich zum Schmerz eine putride Sekretion, eine Fistel oder gar freiliegende Prothesenanteile erkennbar sind. Fehlten solche eindeutigen Zeichen, werde es dagegen oft schwierig. Eine allgemein akzeptierte Definition für das Vorliegen einer periprothetischen Infektion gebe es bislang nicht, sagte Wirtz auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU). In Deutschland sei eine AWMF-Leitlinie zum Thema „angedacht“, zu rechnen sei damit allerdings nicht vor 2025. In Bonn orientiert man sich gegenwärtig an einem Konsensus, den die Fachgesellschaft MSIS (MusculoSkeletal Infection Society) verabschiedet hat (Tabelle). Wichtig sei es vor allem, Anzeichen einer Sepsis nicht zu übersehen. Fallen die bekannten SIRS-Kriterien mit klinischen Infektzeichen zusammen, ist Wirtz zufolge eine notfallmäßige Op. unerlässlich. CRP: akut oder chronisch? Zum „State of the art“ der Infektabklärung zählt laut Wirtz nach wie vor das CRP – trotz relativ geringer Sensitivität und Spezifität (63% bzw. knapp 70%). Bei den Werten müsse man zwischen akuter und chronischer Situation unterscheiden: Innerhalb von 90 Tagen nach Implantation (Akutphase): > 100 mg/l, in der chronischen Infektsituation und beim Spätinfekt: > 10 mg/l. Die Genauigkeit lasse sich erhöhen, indem man weitere Parameter hinzunehme, z. B. das IL-6. Allerdings, so Wirtz: „Für den Nachweis einer Infektion reicht das nicht aus.“ Im klinischen Alltag sollte man dennoch auf die Bestimmung von Zytokinen und Immunfaktoren verzichten, hierfür habe man in eigenen Studien keinen Zusatznutzen gefunden. Einig ist man sich laut Wirtz, dass das native Röntgen „sehr gute Hinweise auf einen möglichen Infekt“ liefern könne, in diesem Fall seien meist „blasige Lysen“ um den entsprechenden Teil des Kunstgelenks zu erkennen. Dagegen habe sich die PET-CT als wenig hilfreich für die Abklärung erwiesen, ebenso die Skelettszintigrafie. Eine Ausnahme bilde die Tc-Leukozytenszintigrafie, allerdings nur in speziellen Fällen und dann auch nur zum Infektausschluss (bei negativem Ergebnis). Synoviadiagnostik: Das müssen Sie beim Versand beachten! Dem Experten zufolge sollte man jedes mutmaßlich infizierte Gelenk punktieren, und zwar „unter streng sterilen Kautelen“. Dies sollte laut Wirtz ohne Lokalanästhesie erfolgen, um ein „Verschleppen“ der Diagnostik zu vermeiden. „Am besten machen Sie eine Stichinzision mit einer sterilen Nadel, damit Sie keinen Stanzzylinder erhalten.“ Mit der Synovia lässt Wirtz als erstes eine Zellzählung durchführen. Der von den Fachgesellschaften geforderte Leukozytengrenzwert von > 3000/µl (neutrophile Granulozyten > 80%) gelte allerdings nicht für den Frühinfekt. Innerhalb der ersten 90 Tage nach dem Eingriff sei vielmehr ein Grenzwert von > 10.000/µl zu fordern. Blutkulturflaschen aus der Pädiatrie Ein wichtiger Praxistipp für die mikrobiologische Diagnostik aus dem Punktat: „Wenn Sie den Versand nativ, mit Spritzenröhrchen machen, muss der Transport sehr schnell gehen!“ Also nicht in den Blutkulturinkubator legen, das verfälsche die Ergebnisse. Alternativ könne man Blutkulturflaschen verwenden, das Problem seien hier jedoch die erforderlichen Mengen. „An der Hüfte werden Sie wahrscheinlich keine 10 ml rausbekommen.“ Die Lösung: „Peds-Flaschen“ aus der Pädiatrie. Hier werden nur 2 bis 3 ml benötigt, um einen sauberen Nachweis zu führen. Für den Fall einer Punctio sicca oder bei negativem mikrobiologischem Ergebnis empfahl Wirtz eine Arthroskopie mit Gewebeproben. Ein „absolutes Must“ sei dabei die Entnahme von mindestens fünf Proben, die dann über 14 Tage bebrütet werden müssten. Nur so würden auch langsam wachsende Bakterien (z. B. Cutibacterium acnes) erfasst. Aus mikrobiologischer Sicht nicht geeignet seien dagegen Abstriche; der Nachweis „aus diesem Nylon- oder Filzknäuel“ gestalte sich viel schwieriger. Ausgebaute Prothesen gehören in die Sonikation! Auch bei ausgebauter Prothese sollten mindestens fünf Biopsien für die mikrobiologische und histopathologische Diagnostik entnommen und nach Homogenisierung 14 Tage bebrütet werden, betonte Wirtz. Und: „Das Implantat gehört aus meiner Sicht in die Sonikation!“ Mit dem Ultraschallbad könne man Bakterien lösen, die nicht im Punktat, sondern im Biofilm sitzen. Für Gewebeproben liege die Sensitivität bei 61%, für die Sonikatflüssigkeit dagegen bei fast 80%. Sonikatproben brächten außerdem etwa doppelt so schnell ein positives Ergebnis. „Das macht, wenn man die Prothese ausbaut, sehr viel Sinn.“ Basierend auf: Vortrag von D. Wirtz, Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU), Berlin, 25.–28. Oktober 2022 MSIS-Kriterien für das Vorliegen einer periprothetischen Gelenkinfektion* Hauptkriterien (mindestens 1): Mit der Prothese kommunizierende Fistel Kulturnachweis aus zwei separat entnommenen Gewebe- oder Flüssigkeitsproben Nebenkriterien (vier aus sechs): Erhöhte BSG oder CRP Erhöhte Zellzahl in der Synovialflüssigkeit Erhöhter Anteil an neutrophilen Granulozyten Eiter im Gelenk Isolation von Mikroorganismen aus Gewebs- oder Flüssigkeitskultur Mehr als fünf Neutrophile pro Gesichtsfeld in fünf Hauptgesichtsfeldern (400-fache Vergrößerung) *Nach: Gazendam A et al. Curr Rev Musculoskelet Med 2022;15:219–229

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