Zerebrale Insulinresistenz als therapeutisches Target?

Was Lange unbekannt war: Das Gehirn verfügt über Insulinrezeptoren und spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes und Fettleibigkeit. Um den Details auf die Spur zu kommen, untersuchte M. Heni*, Tübingen, Insulinresistenz und Insulinwirkung im Gehirn. Nun zeichnen sich erste Therapieansätze ab. Die Gehirne übergewichtiger Patienten weisen eine Insulinresistenz auf, die sich möglicherweise behandeln lässt – mit vielerlei günstigen Effekten. Heni verwies auf zwei kleinere Studien zur Wirkung von Sport und von Empagliflozin auf die zerebrale Insulinresistenz. Der Einfluss von Sport wurde bei 21 übergewichtigen oder adipösen Personen (mittleres Alter: 31 Jahre) mit zentralnervöser Insulinresistenz geprüft. Sie führten über acht Wochen dreimal wöchentlich ein 60-minütiges strukturiertes begleitetes Training durch. Während dieser Zeit nahmen die Probanden zwar nicht an Gewicht ab, aber die Insulinsensitivität im Gehirn änderte sich. Es reagierte wie das Gehirn von schlanken Personen, so Heni. Empagliflozin verbessert Hirnaktivität Auch mit dem SGLT-2-Inhibitor Empagliflozin ist bei Patienten mit gestörter Glukosetoleranz ein günstiger Effekt auf die Insulinantwort zu erwarten, wie eine randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Phase-2-Studie zeigte. Bei 40 Patienten mit Prädiabetes, die über acht Wochen täglich 25 mg Empagliflozin erhielten, besserte sich die Insulinresistenz im Hypothalamus bei den meisten Probanden. Sprich die Wirkung von Insulin besserte die Gehirnaktivität. Um die Insulinempfindlichkeit des Gehirns zu prüfen, wurde Insulin per Nasenspray appliziert, das so direkt in das Gehirn gelangt. Die per MRT bestimmte Fettverteilung zeigte eine Reduktion des viszeralen Fetts. Fazit: Während Placebo keinen Einfluss auf die Insulinwirkungen im Gehirn hat, verbessert Empagliflozin die Wirkung des Hormons auf die Gehirnaktivität signifikant. Einfluss auf die Kognition Doch damit nicht genug: Die Insulinresistenz im Gehirn bleibt nicht ohne Folgen - auch für die kognitiven Fähigkeiten, erläuterte Heni. Über einen Beobachtungszeitraum von sechs Jahren kam es bei Patienten mit niedriger Insulinsensitivität zu einem deutlich stärkeren Abfall kognitiver Fähigkeiten als bei Patienten mit hoher Insulinsensitivität, gemessen anhand des CERAD-Summenscores. Das bedeutet: Die Behandlung von Patienten mit Diabetes mit Verbesserung der Insulinsensitivität im Gehirn hat möglicherweise auch das Potential den kognitiven Verfall zu verlangsamen. Die Bedeutung von zerebralem Insulin scheint, aber noch viel Frühzeitiger zu beginnen. Das zeigen Untersuchungen zu den Folgen eines Gestationsdiabetes auf die fetale Hirnaktivität. Das Ergebnis: Hat die Schwangere einen Gestationsdiabetes entwickelt, ist die Latenz zu einer fetalen Hirnantwort länger als bei einer nicht-diabetischen Stoffwechsellage der Mutter. Sprich: Die fetale Hirnantwort scheint vom mütterlichen Stoffwechsel beeinflusst zu werden. Möglicherweise komme es zu einer Prägung des fetalen Stoffwechsels, die Konsequenzen für das spätere Diabetes- und Übergewichtsrisiko des Kindes haben kann. * Professor Dr. Martin Heni erhielt auf dem EASD-Kongress den Minkowski-Preis der „European Association for the Study of Diabetes e.V.” (EASD). Der Endokrinologe und Diabetologe vom Universitätsklinikum Ulm wurde für seine wissenschaftliche Arbeit zu den Wechselwirkungen zwischen Gehirn, Glukosestoffwechsel und Fettgewebe geehrt. basierend auf: EASD Annual Meeting 2022, 22. September 2022; 57th Minkowski Lecture “The insulinresistent brain: impact on the whole body metabolism and body fat distribution” Alle Beiträge vom Kongress finden Sie im EASD 2022-Dossier.

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