Immunmodulatoren im indirekten Vergleich

Eine MS-Therapie besser mit Dimethylfumarat oder Teriflunomid beginnen? Direkte Vergleichsstudien gibt es nicht, Datenbanken deuten auf eine ähnliche Wirksamkeit. Allerdings hängt dies davon ab, welche Datenbanken analysiert werden. Inzwischen haben Ärzte beim Start einer MS-Therapie die Qual der Wahl: Als immunmodulatorische Basistherapie bei leicht bis moderat aktiver MS stehen neben injizierbaren Interferonen und Glatirameracetat auch die oralen Wirkstoffe Dimethylfumarat (DMF) und Teriflunomid zur Verfügung. Die Wirksamkeit wird von Experten zumeist als vergleichbar bewertet, allerdings liegen solchen Einschätzungen keine belastbaren Daten zugrunde, da es keine direkten Vergleichsstudien gibt und wohl auch nie geben wird. Gewisse Hinweise können große Patientenregister liefern, werden Wirksamkeit und Verträglichkeit bei MS-Kranken mit ähnlichen Eigenschaften verglichen, etwa über ein Propensity-Score-Matching. Dennoch sind solche Verfahren oft nur eine schwache Krücke für direkte Vergleichsstudien, da die Register viele Eigenschaften und Gründe für die jeweilige Therapieentscheidung nicht erfassen. Deutlich wurde dies auch auf dem Kongress der europäischen MS-Gesellschaft ECTRIMS in Berlin: Hier kamen Forscher auf Basis unterschiedlicher Register zu abweichenden Schlussfolgerungen. Vergleich zwischen Teriflunomid und DMF Dr. David-Axel Laplaud von der Klinik in Nantes stellte auf dem Kongress eine Auswertung des französischen OFSEP*-Registers vor. Ein Team um den Neurologen fand Angaben zu knapp 1800 MS-Patienten, die zwischen 2014 und 2016 eine Therapie mit Teriflunomid oder DMF begonnen hatten und einen EDSS-Wert unter 5,5 Punkten aufwiesen. Berücksichtigt wurden nur Patienten mit kranialem MRT in den Monaten vor und nach der Therapie sowie solche, die noch keine hochwirksamen MRT-Therapeutika bekommen hatten. Empfehlung der Redaktion Highlights vom ECTRIMS-Kongress 2018 Das European Committee for Treatment and research in multiple sclerosis (ECTRIMS) traf sich zu seinem Kongress 2018 in Berlin. Themen waren u. a. frühe kognitive Probleme und Fatigue bei MS sowie die Effekte einer autologen Stammzelltransplantation als Erstbehandlung. Alle Berichte finden Sie gesammelt in unserem Kongressdossier. Insgesamt waren Patienten mit Teriflunomid im Schnitt drei Jahre älter als diejenigen mit DMF (41 versus 38 Jahre) und auch schon etwas länger krank (im Mittel 8,4 versus 7,8 Jahre), litten in den Jahren vor Therapiebeginn aber etwas seltener unter MS-Schüben. Für das Propensity-Score-Matching berücksichtigten die Forscher nach einem Jahr 835 Patienten und nach zwei Jahren noch 755 Erkrankte. Diese unterschieden sich nicht signifikant beim Alter, der Krankheitsdauer und dem EDSS-Wert zum Therapiebeginn, auch hatten ähnlich viele – etwas mehr als die Hälfte – zuvor schon Immunmodulatoren erhalten, dies waren primär injizierbare Arzneien. Bei der Schubzahl und den MRT-Läsionen vor Therapiebeginn gab es kaum Unterschiede. Wie sich zeigte, hatten nach einem Jahr 20,5% der Patienten mit Teriflunomid und 19,6% derer mit DMF neue Schübe erlitten, die Differenz war nicht signifikant. Ein ähnliches Bild ergab sich bei der Zahl neuer T2-Läsionen oder der Behinderungsprogression, auch hier fanden die Forscher nur kleine und nicht signifikante Differenzen. Unter Teriflunomid wurde die Therapie rund 18% häufiger aufgrund mangelnder Wirksamkeit abgebrochen als bei einer Behandlung mit DMF, allerdings war auch diese Differenz nicht signifikant. Jedoch gab es unter DMF 37% häufiger Therapieabbrüche aufgrund von Intoleranzen, und dieser Unterschied erwies sich als signifikant. Nach zwei Jahren waren unter beiden Medikamenten ähnlich viele Patienten schubfrei und frei von neuen Behinderungen. Unter DMF gab es jedoch 45% weniger Therapieabbrüche aufgrund mangelnder Wirksamkeit, auch wurden zu 40% seltener neue T2-Läsionen beobachtet als mit Teriflunomid, dafür kam es rund 40% häufiger zu Therapieabbrüchen aufgrund von Intoleranzen, erläuterte Laplaud. All diese Differenzen erwiesen sich als signifikant. DMF kann nach diesen Daten zumindest mittelfristig bei der Wirksamkeit etwas punkten, Teriflunomid bei der Verträglichkeit. Einfluss durch Schwangerschaften? Deutliche Unterschiede bei der Schubrate offenbarte jedoch die Analyse des nationalen dänischen MS-Registers (DMSR). Sie bezog sich auf rund 2200 MS-Kranke, von denen etwa zwei Drittel eine Therapie mit Teriflunomid und ein Drittel mit DMF begonnen hatten. Die Patienten waren zum Therapiebeginn im Schnitt 41 Jahre alt und seit knapp sieben Jahren an MS erkrankt, erläuterte Dr. Mathias Buron vom Reichskrankenhaus in Kopenhagen. Wurden wiederum MS-Kranke mit ähnlichen Eigenschaften verglichen, betrug die jährliche Schubrate unter Teriflunomid 0,16, mit DMF hingegen 0,09. Sie lag damit signifikant um 42% niedriger. Auch Therapieabbrüche aufgrund mangelnder Wirksamkeit wurden mit DMF nur etwa halb so oft beobachtet (10,2 versus 22,1%). Im Gegensatz zur französischen Analyse gab es unter DMF jedoch nicht vermehrt Therapieabbrüche wegen Intoleranzen (bei 16,2 versus 17,4%). Neue Behinderungen traten in beiden Gruppen ähnlich häufig auf. Nach diesen Daten wäre DMF bei vergleichbarer Verträglichkeit also deutlich wirksamer. Buron wies jedoch auf zwei wesentliche Einschränkungen der Analyse hin: Zum einen lagen keine MRT-Daten vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginns vor, zum anderen wird in Dänemark primär Teriflunomid empfohlen, es sei denn, betroffene Frauen planen eine Schwangerschaft. Es könnte also sein, dass Patienten mit DMF eine radiologisch weniger aktive MS hatten als solche mit Teriflunomid oder der zusätzliche Schutzeffekt einer Schwangerschaft sich zugunsten von DMF ausgewirkt hat. Indirekter Vergleich zwischen DMF und Fingolimod In einem weiteren indirekten Vergleich konnte sich DMF gegen Fingolimod behaupten. Letzteres steht in einigen Ländern auch zur Primärtherapie zur Verfügung. Daten aus dem eigenen MS-Zentrum präsentierte Dr. Lucia Moiola von der Klinik San Raffaele in Mailand. Knapp 800 MS-Patienten wurden in der Klinik zwischen 2011 und 2017 auf eines der beiden Medikamente eingestellt, nach dem Propensity-Score-Matching ließen sich Angaben zu insgesamt 550 Patienten mit ähnlichen Eigenschaften auswerten. Die Betroffenen waren im Schnitt 38 Jahre alt und seit fast zehn Jahren erkrankt, der EDSS-Wert betrug bei Therapiebeginn 2,1 Punkte. Radiologisch gelang das Matching jedoch kaum: Patienten mit Fingolimod hatten zu Beginn mehr als doppelt so viele neue T2-Läsionen wie Patienten mit DMF – ein Hinweis auf eine aktivere MS. Im Laufe von fast zwei Jahren zeigten sich praktisch keine Unterschiede bei der Schubrate (jährlich 0,1 Schübe), ebenso wenig beim EDSS-Wert oder der MRT-Aktivität. Patienten mit Fingolimod blieben zwar etwas häufiger frei von jeglicher Krankheitsaktivität (NEDA-3-Kriterium), aber auch hier war der Unterschied nicht signifikant. Lediglich bei der Zeit bis zum Therapieabbruch zeigte sich ein Vorteil für Fingolimod – unter DMF wurde die Behandlung signifikant häufiger beendet. Entscheidendes Manko bei dem Vergleich dürfte jedoch die radiologisch erhöhte Krankheitsaktivität zu Beginn der Fingolimodtherapie sein. Hier könnte also ein Indikationsbias insofern vorliegen, als Patienten mit aktiver MS bevorzugt auf Fingolimod eingestellt worden waren. *OFSEP: Observatoire Français de la Sclérose en Plaques Quelle: 34th Congress oft the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS), Berlin, 10-12.10.2018. Free Communications 4: Treatment.

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