Stammzelltherapie stoppt hochaggressive MS

Je früher, desto wirksamer – auch bei der autologen Stammzelltransplantation: Die MS-Aktivität lässt sich wohl komplett unterbinden, wenn die Methode als First-line-Therapie eingesetzt wird. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die autologe Stammzelltransplantation wird in der Regel als Ultima Ratio nur solchen MS-Kranken angeboten, bei denen alle anderen Optionen versagt haben, die also trotz Behandlung mit Immunmodulatoren und Immunsuppressiva weiter Schübe und Behinderungen entwickeln. Dabei hat sich gezeigt, dass die Krankheitsaktivität bei den meisten Patienten zunächst komplett zurückgeht, bei vielen nach einigen Jahren aber wiederkehrt. In einer vor drei Jahren veröffentlichten Analyse mit über 100 Patienten erlitt die Hälfte innerhalb von fünf Jahren neue Schübe oder Behinderungen, das betraf vor allem ältere Patienten mit chronisch-progredientem Verlauf. Bei jüngeren Patienten mit schubförmigem Verlauf scheint das Verfahren wesentlich nachhaltiger zu wirken, darauf deutet eine kleine Untersuchung mit 24 Patienten, die über sieben Jahre hinweg größtenteils von einem erneuten Aufflackern der Erkrankung verschont blieben. Empfehlung der Redaktion Highlights vom ECTRIMS-Kongress 2018 Das European Committee for Treatment and research in multiple sclerosis (ECTRIMS) traf sich zu seinem Kongress 2018 in Berlin. Themen waren u. a. frühe kognitive Probleme und Fatigue bei MS sowie die Effekte einer autologen Stammzelltransplantation als Erstbehandlung. Alle Berichte finden Sie gesammelt in unserem Kongressdossier. Was aber, wenn Ärzte das Verfahren schon zur First-line-Behandlung einsetzen? In solchen Fällen wurde bislang keine erneute MS-Aktivität mehr beobachtet – und das teilweise über zehn Jahre hinweg. Darauf hat Dr. Joyuptal Das vom Neuroforschungszentrum in Sheffield, Großbritannien, auf dem Kongress der europäischen MS-Gesellschaft ECTRIMS in Berlin hingewiesen. Retrospektive Analyse zu 20 Patienten Der Neurologe präsentierte Resultate einer retrospektiven Analyse zu 20 Patienten aus fünf MS-Zentren. Alle hatten die Stammzelltransplantation aufgrund eines extrem aggressiven Krankheitsverlaufs erhalten. Sie waren im Schnitt erst 28 Jahre alt und trugen die MS-Diagnose seit fünf Monaten, hatten dennoch bereits einen mittleren EDSS-Wert von 6,5 Punkten erreicht. Bei diesem Wert können Patienten ohne Stöcke und Krücken kaum noch gehen. Ein Patient war bereits bettlägerig und stand mit einem EDSS-Wert von 9,5 Punkten kurz vor dem Tod. Bei allen Patienten zerstörten die Ärzte das Immunsystem durch einen myeloablativen Cocktail und bauten es anschließend mit zuvor entnommenen patienteneigenen hämatopoetischen Stammzellen wieder auf. Keine neuen Schübe Nach im Median 30 Monaten Nachbeobachtungszeit hatte keiner dieser Patienten neue Schübe entwickelt. Drei zeigten nach sechs Monaten noch neue T2-Läsionen, in späteren Untersuchungen wurde jedoch bei keinem der Patienten irgendein Zeichen einer Krankheitsaktivität beobachtet. Stattdessen ging der Behinderungsgrad drastisch zurück, der EDSS-Wert lag nach den zuletzt vorgenommenen Untersuchungen im Median nur noch bei 2,0 Punkten. Therapiebedingte Mortalität deutlich gesunken Der EDSS-Wert sank zumeist in den ersten sechs bis zwölf Monaten nach der Therapie, bei zwei Patienten auch noch zwei bis vier Jahre später, und der zuvor bettlägerige Patient war mit einem EDSS-Wert von 6,5 immerhin wieder in der Lage, mit Krücken zu gehen. Nur ein MS-Kranker erreichte keine EDSS-Verbesserung. Bei einem Patienten liegt die Therapie mittlerweile zehn, bei einem weiteren sieben Jahre zurück. Auch diese beiden sind bislang frei von jeglicher MS-Aktivität. Ein Problem ist natürlich die hohe Toxizität des Verfahrens. Noch vor der Jahrhundertwende waren Sterberaten von 5–10 Prozent keine Seltenheit. Inzwischen sei die therapiebedingte Mortalität deutlich gesunken, sagte Joyuptal. Von weltweit 500 MS-Kranken, die zwischen 2010 und 2016 eine autologe Stammzelltransplantation erhalten hatten, seien lediglich drei an der Behandlung gestorben. Das Sterberisiko dürfte damit inzwischen unter 1 Prozent liegen. Dies könnte Ärzte ermutigen, früher als bisher an die Stammzelltherapie zu denken. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie gut klappt die autologe Stammzelltransplantation als Erstbehandlung bei Patienten mit hochaggressiver MS? Antwort: Eine Analyse deutet auf einen kompletten Stopp der Krankheitsaktivität über viele Jahre hinweg. Bedeutung: Eine frühe Stammzelltransplantation kann die MS mittel- bis langfristig stoppen. Einschränkung: Resultate liegen erst zu 20 Patienten vor. basierend auf: 34th Congress of the European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS), Berlin, 10-12.10.2018. Quelle: Ärzte Zeitung

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