Die CT-Angiographie (CTA) ist in den aktualisierten Richtlinien zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalles als ergänzendes apparatives Untersuchungsverfahren zum Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes zugelassen worden. Für die Durchführung der CTA ist ein Standardprotokoll festgelegt worden. Die Auswertung der CTA muss durch Ärzte für Radiologie mit mehrjähriger neuroradiologischer Erfahrung, möglichst durch Radiologen mit dem „Schwerpunkt Neuroradiologie“ erfolgen. Hinsichtlich der Beurteilung der CTA ist das sog. „stasis filling“, die langsam progrediente Ausbreitung des Kontrastmittels in den intrakraniellen Arterien bei sistierender zerebraler Zirkulation, zu berücksichtigen.
Einleitung
Die neuen Richtlinien zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms sind am 06.07.2015 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht worden [1]. Diese nun vierte Richtlinienfortschreibung legt in Erfüllung des gesetzlichen Auftrags nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TPG (Transplantationsgesetz) den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Regeln zur Feststellung des Todes nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TPG und die Verfahrensregeln zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG einschließlich der dazu jeweils erforderlichen ärztlichen Qualifikation fest. Der bisher verwendete Ausdruck „Hirntod“ wurde durch die medizinisch-wissenschaftlich präzisere Bezeichnung „irreversibler Hirnfunktionsausfall“ ersetzt [1]. Eine wesentliche Neuerung besteht in der Zulassung der CT-Angiographie als weiteres apparatives Verfahren zur Feststellung des zerebralen Zirkulationsstillstandes. Dieser ist häufig Ursache des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls. Ist im Rahmen der Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms der zerebrale Zirkulationsstillstand nachgewiesen worden, sind potentiell reversible Ursachen der klinischen Ausfallsymptome ausgeschlossen. Damit kann die Irreversibilität des Hirnfunktionsausfalls ohne Wartezeit und Verlaufsuntersuchung festgestellt werden [1]. Weitere zugelassene Verfahren sind die Doppler-/Duplexsonographie und die Perfusionsszintigraphie. Die Indikationsstellung zur selektiven arteriellen Angiographie (DSA) erfordert wie bei den bisher gültigen Leitlinien [2] die Möglichkeit einer therapeutischen Konsequenz.
Wie ist die CTA zur Feststellung des zerebralen Zirkulationsstillstandes einzusetzen und zu interpretieren?
Die CT-Angiographie ist – wie in den neuen Richtlinien festgelegt – standardisiert durchzuführen (s. Protokoll in Tab. 1). Dies entspricht auch den Empfehlungen eines Cochrane Reviews zu diesem Thema [3]. Das CTA-Protokoll wurde mit dem Ziel der maximalen Sicherheit erstellt und basiert auf den Parametern der bisher größten deutschen Studie zum Einsatz der CTA zur Feststellung des zerebralen Zirkulationsstillstandes [4]. Die Bewertung erfolgt auch unter Berücksichtigung der Akzeptanz durch die anfordernden Ärzte und die Angehörigen der betroffenen Patienten sehr konservativ [1]. Die Beurteilung der CT- und CTA-Aufnahmen muss durch Ärzte für Radiologie mit mehrjähriger neuroradiologischer Erfahrung, besser durch Radiologen mit dem „Schwerpunkt Neuroradiologie“ erfolgen. Bei exakter Umsetzung des Standardprotokolls kann diese Beurteilung auch von externen Spezialisten mit nachgewiesener Qualifikation durchgeführt werden.
Anzeige
Tab. 1
Die folgenden Angaben sind nur für Erwachsene validiert, für Personen unter 18 Jahren sind die Literaturdaten bisher nicht ausreichend!
CTA-Protokoll zur Beurteilung des zerebralen Zirkulationsstillstandes [1]
Voraussetzungen
Protokollierte klinische Ausfallsymptome im Rahmen der Diagnostik des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms
mittlerer arterieller Blutdruck über 60 mm Hg
Nativ-CT
Kippung der Gantry parallel zur Orbitomeatallinie. CT-Aufnahmen von Schädelbasis bis Vertex mit 120 kV, 170 mA; rekonstruierte axiale Aufnahmen mit max. 5 mm-Schichtdicke
CT-Angiographie
Intravenöse Gabe von 65 ml Kontrastmittel (hochkonzentriert) mittels Druckinfusionsspritze, gefolgt von 30 ml isotonischer Kochsalzlösung, Förderrate jeweils 3,5 ml/sek; der Start des Spiral-Scans von HWK 6 bis zum Vertex erfolgt automatisch 5 Sekunden nach dem Erreichen von mindestens 150 Hounsfield Einheiten (HU) in der A. carotis communis (Bolus-Tracking). 120 kV; 200 mA; der Tischvorschub beträgt: 4 cm/sek
Anschließende Rekonstruktion axialer Aufnahmen mit 2 mm-Schichtdicke; CT-Aufnahmen bei Geräten mit dem sog. Volumen-Scan (von HWK 6 bis Vertex) sind mit einer Zeitverzögerung von 15 Sekunden automatisch über Bolus-Tracking zu starten
Befunde bei zerebralem Zirkulationsstillstand
Keine Kontrastierung der M1-Segmente der Aa. cerebri mediae, der A1-Segmente der Aa. cerebri anteriores, der A. basilaris, der P1-Segmente der Aa. cerebri posteriores. Stasis-filling in V4-Segmenten der A. vertebralis, in der PICA (A. cerebelli inferior posterior) und der distalen A. carotis interna kann auftreten (in Befund aufnehmen)
Gute Kontrastierung beider Aa. carotides communes, der Aa. carotides externae und ihrer peripheren Äste
Qualitätskontrolle! Nachweis einer kräftigen Kontrastierung der Aa. temporales superficiales; dieser Indikator für die korrekte Kontrastmittelgabe ist bei allen Untersuchungen sorgfältig zu prüfen (s. Abb. 1 und 2)!
×
×
Die Indikation zur CTA ist gerechtfertigt, wenn diese zur Klärung der Qualität der zerebralen Durchblutung durchgeführt wird. Wie bei jeder Gabe von Kontrastmitteln, sind die bekannten Vorsichtsmaßnahmen zum Schutze des Patienten einzuhalten.
Anzeige
Der zu prüfende zerebrale Zirkulationsstillstand tritt ein, wenn der intrakranielle Druck über dem arteriellen Mitteldruck liegt. In der Folge sistiert die metabolische Versorgung des Gehirns. Die Zuverlässigkeit der CT-Angiographie zur Erfassung des zerebralen Zirkulationsstillstandes wurde erstmals 1998 in einer größeren Studie von Dupas et al. [5] bestätigt. Auf diesen Ergebnissen basierend wurde die CTA zuerst in Frankreich, später in weiteren Ländern für die Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalles (international übliche Bezeichnung „brain death“) zugelassen. Bei einer Cochrane-Analyse [3] dieser und folgender Studien [4, 6‐13] wurde eine Sensitivität von 85 % ermittelt, bei vorbestehendem Hirnfunktionsausfall einen zerebralen Zirkulationsstillstand nachzuweisen. Der fehlende Nachweis bei 15 % der Patienten war im Wesentlichen auf traumatische oder iatrogene Eröffnungen der Kalotte zurückzuführen. Unter diesen Bedingungen kann ein Anstieg des intrakraniellen Druckes über den arteriellen Mitteldruck verhindert werden. War mittels CTA ein zerebraler Zirkulationsstillstand dokumentiert worden, wurde auch der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms bestätigt.
Die erheblichen Erfolge der interventionellen Therapie des Schlaganfalls [15, 16] haben u. a. dazu beigetragen, dass die CT-Angiographie in Deutschland flächendeckend zur Dokumentation eines noch persistierenden Gefäßverschlusses eingesetzt wird. Im Gegensatz zum thrombotischen Verschluss beim Schlaganfall kommt es bei einem pathologischen Anstieg des intrakraniellen Druckes jedoch nicht zu einem Gefäßverschluss, sondern zu einem Druck-bedingt verhinderten Einstrom von Blut in den intrakraniellen Raum. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand von der intravenösen Kontrastmittelgabe kann das sog. „stasis filling“ auftreten als eine langsam progrediente Ausbreitung des Kontrastmittels in den intrakraniellen Arterien, zunächst intradural in den Aa. carotides internae und Aa. vertebrales sowie davon abgehenden intraduralen Arterien (PICA). Dies ist von einer zerebralen Durchblutung zu unterscheiden. Die Arbeitsgruppe von Sawicki et al. [17] hat diese zeitabhängige Kontrastmittelausbreitung intensiv mittels zusätzlicher Perfusionsmessungen untersucht. Als Ergebnis zeigte sich bei klinischen Zeichen des irreversiblen Hirnfunktionsausfalles und fehlender Kontrastierung der peripheren Großhirnarterien eine vollständig fehlende Perfusion, das heißt ein vollständiger zerebraler Zirkulationsstillstand. Bestätigt durch Studien von Welschehold und Mitarbeitern [18] sollte aufgrund des Stasis-Filling auf die zusätzliche Durchführung einer „venösen“ CTA verzichtet werden.
Entsprechend den Auswertekriterien des Standardprotokolls sollten zur Feststellung des zerebralen Zirkulationsstillstandes – bei guter Kontrastierung der A. carotis communis, der A. carotis externa und der A. vertebralis beidseits – keine Kontrastierungen der A1-Segmente der A. cerebri anterior, der M1-Segmente der A. cerebri media, der P1-Segmente der A. cerebri posterior beidseits oder der A. basilaris nachgewiesen werden. Sind Kontrastierungen in diesen Gefäßabschnitten erkennbar, ist der zerebrale Zirkulationsstillstand nach den aktuell gültigen Richtlinien nicht zweifelsfrei nachgewiesen (s. Abb. 3a). Dann ist eine weitere apparative Untersuchung (EEG, evozierte Potentiale, Doppler-/Duplexsonographie, Perfusionsszintigraphie, CT-Angiographie) oder eine zweite klinische Verlaufsbeurteilung nach den vorgeschriebenen Wartezeiten durchzuführen [1]. Bei großen offenen Schädel-Hirn-Verletzungen und vereinzelt bei sekundären Hirnschädigungen kommt es, wenn der intrakranielle Druck nicht über den mittleren arteriellen Druck ansteigen kann, nicht zu einem zerebralen Zirkulationsstillstand. In diesen Fällen ist die Irreversibilität des Hirnfunktionsausfalls entweder durch klinische Verlaufsuntersuchungen nach den normierten Wartezeiten oder durch neurophysiologische Befunde nachzuweisen [1].
×
Open Access Dieser Artikel unterliegt den Bedingungen der Creative Commons Attribution License. Dadurch sind die Nutzung, Verteilung und Reproduktion erlaubt, sofern der/die Originalautor/en und die Quelle angegeben sind.
Mit e.Med Neurologie & Psychiatrie erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen der Fachgebiete, den Premium-Inhalten der dazugehörigen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten Zeitschrift Ihrer Wahl.
Bis 11. April 2024 bestellen und im ersten Jahr 50 % sparen!
Mit e.Med Neurologie erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen des Fachgebietes, den Premium-Inhalten der neurologischen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten Neurologie-Zeitschrift Ihrer Wahl.
Bis 11. April 2024 bestellen und im ersten Jahr 50 % sparen!
Mit e.Med Radiologie erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen des Fachgebietes Radiologie, den Premium-Inhalten der radiologischen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten Radiologie-Zeitschrift Ihrer Wahl.
Bis 11. April 2024 bestellen und im ersten Jahr 50 % sparen!