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Erschienen in: Der Gynäkologe 5/2020

27.03.2020 | Medizinrecht

Elternschaft nach Inanspruchnahme einer Leihmutter

verfasst von: Prof. Dr. Eva Schumann

Erschienen in: Die Gynäkologie | Ausgabe 5/2020

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Auszug

Zunehmend müssen sich deutsche Gerichte mit der Problematik grenzüberschreitender Leihmutterschaften beschäftigen. Das im Ausland geborene Kind wird regelmäßig nach der dort geltenden Rechtsordnung den Personen rechtlich zugeordnet, die die Leihmutter beauftragt haben. Mit der Rückkehr nach Deutschland stellt sich dann die Frage, ob die im Ausland begründete Elternschaft auch im Inland anerkannt werden kann. Die Voraussetzungen für eine solche Anerkennung sind zwar in den letzten Jahren unter dem Einfluss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) durch den Bundesgerichtshof (BGH) konkretisiert worden. Noch immer sind aber viele Fragen offen, sodass nach wie vor Rechtsunsicherheit besteht. …
Fußnoten
1
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Dezember 2015 zu dem Jahresbericht über Menschenrechte und Demokratie in der Welt 2014 und zur Politik der Europäischen Union in diesem Bereich (2015/2229(INI)), Nr. 115. (http://​www.​europarl.​europa.​eu/​sides/​getDoc.​do?​type=​TA&​reference=​P8-TA-2015-0470&​language=​DE&​ring=​A8-2015-0344).
 
2
Dazu Dethloff (2018), 58 f. mit Hinweis darauf, dass teilweise Aufwandsentschädigungen für die Leihmutter vorgesehen sind.
 
3
Unter „intendierten Eltern“ werden die Personen verstanden, die die Leihmutter mit der Austragung eines Kindes beauftragen und nach der Geburt die rechtlich-soziale Elternstellung anstreben. Diese können, müssen aber nicht mit dem Kind genetisch verwandt sein. Sind die intendierten Eltern nicht mit dem Kind genetisch verwandt, sollten sie als „Wunscheltern“ bezeichnet werden. Im juristischen Diskurs wird hingegen häufig der Begriff „Wunscheltern“ synonym zu „intendierte Eltern“ verwendet.
 
4
Dazu Dethloff (2018), 59.
 
5
Hingegen sieht Griechenland, das die Leihmutterschaft unter engen Voraussetzungen zulässt, eine Zuordnung des Kindes zu den intendierten Eltern bereits mit der Geburt vor. Dazu Diel (2014), 138 f.
 
6
Dazu insgesamt Reuß (2018), 433 f., 446 f.; Diel (2014), 136 ff.; Dethloff (2014), 923 ff.; dies. (2018), 55 ff.; Duden (2015), 8 f. In diesen Werken und Beiträgen wird auch auf die Rechtslage in etlichen Nicht-EU-Staaten eingegangen (einschließlich der Voraussetzungen für die Durchführung einer Leihmutterschaft, wie z. B. des Erfordernisses einer vorherigen gerichtlichen Genehmigung, des Bestehens einer Ehe zwischen den intendierten Eltern, des Vorliegens einer medizinischen Indikation, der genetischen Abstammung von den intendierten Eltern, eines Wohnsitzes im Inland usw.).
 
7
Das Gesetz spricht zwar von „Ersatzmutter“ (auch im AdVermiG); in der juristischen Literatur hat sich jedoch der Begriff „Leihmutter“ durchgesetzt.
 
8
Die Vermittlung von entsprechenden Adressen im Ausland ist nach § 13b S. 2 AdVermiG strafbar. Bei Durchführung einer Hormonbehandlung in Deutschland kann eine strafbare Beihilfehandlung vorliegen (§§ 27, 9 II 2 StGB iVm den Tatbeständen des § 1 I Nr. 1, 2, 7, II ESchG), wenn die Behandlung dazu dient, der intendierten Mutter im Ausland Eizellen zu entnehmen, damit der Leihmutter ein mit diesen Eizellen gezeugter Embryo übertragen werden kann. Dazu Voss (2015), 45, 53; Conte (2013), 843 f.; KG MedR 2014, 498, 500 m. krit. Anm. Dorneck. Kritisch auch Magnus (2015), 57 ff.
 
9
Dazu insgesamt Reuß (2018), 431 f., und ausführlich Lammers (2017), 49 ff., 71 ff.
 
10
Einen solchen Fall schildert ein DIJuF-Rechtsgutachten vom 18.12.2018 (JAmt 2019, 17): Eine Frau hat sich in den USA einen Embryo übertragen lassen, der genetisch von ihrer Tochter und deren Ehemann abstammt. Anschließend sind alle Beteiligten wieder nach Deutschland zurückgekehrt und wollen, dass das Kind nach der Geburt den genetischen Eltern rechtlich zugeordnet wird.
 
11
BT-Drs. 13/4899, 82.
 
12
Nach einem Gutachten des EGMR zur Rechtslage in Frankreich liegt kein Verstoß gegen Art. 8 I EMRK vor, wenn die Elternschaft der intendierten Mutter nur im Wege einer Stiefkindadoption begründet werden kann. EGMR (Große Kammer v. 10.04.2019), Advisory opinion, Concerning the recognition in domestic law of a legal parent-child relationship between a child born through a gestational surrogacy arrangement abroad and the intended mother, Requested by the French Court of Cassation (Request no. P16-2018-001) (http://​hudoc.​echr.​coe.​int/​eng-press?​i=​003-6380685-8364782).
 
13
So etwa OLG Düsseldorf (17.03.2017) NZFam 2017, 404, und OLG München (12.02.2018) NJW-RR 2018, 516 m. Anm. Krause FamRB 2018, 229, jeweils im Fall einer Stiefkindadoption durch den eingetragenen Lebenspartner des Vaters. In beiden Fällen hatten die in erster Instanz zuständigen Familiengerichte die Anträge auf der Grundlage von § 1741 I 2 BGB zurückgewiesen.
 
14
Dazu Dethloff (2014), 930 f.; Lammers (2017), 63 ff.; OLG München NJW-RR 2018, 516, 517 m. krit. Anm. Eckebert NZFam 2018, 286; OLG Düsseldorf NZFam 2017, 404, 405 f. m. krit. Anm. Biermann.
 
15
AG Frankfurt a. M. (09.04.2018) GesR 2019, 151 f.
 
16
Dem Antrag der Mutter auf Stiefkindadoption wurde vom OLG Frankfurt a. M. (28.02.2019) BeckRS 2019, 3286 gemäß § 1741 I 1 BGB stattgegeben.
 
17
So kann etwa im US-Bundesstaat Kalifornien die mit dem Leihmutterschaftsvertrag begründete rechtliche Elternschaft der intendierten Eltern durch eine gerichtliche Feststellungsentscheidung vor Ort bestätigt werden. Dazu BGH (10.02.2014) NJW 2015, 479 f.; Diel (2014), 140 f.
 
18
So beispielsweise in der Ukraine; dazu OLG Celle (22.05.2017) NZFam 2017, 658.
 
19
EGMR (26.05.2014 – Mennesson/Frankreich und Labassee/Frankreich) FamRZ 2014, 2115 m. Anm. Frank.
 
20
Eine Verletzung der Rechte des Kindes konnte der EGMR nicht prüfen, da diese nicht geltend gemacht war. Dazu Duden (2018), 138 f.
 
21
Dem Kinderhandel nahe kommen dabei solche Konstellationen der Leihmutterschaft, bei denen das Kind mit den Wunscheltern nicht genetisch verwandt ist, sondern beispielsweise von der Leihmutter und deren Partner abstammt. Zu verschiedenen Konstellationen der Leihmutterschaft Schumann (2012), 168 ff.
 
22
Dazu insgesamt EGMR Große Kammer (24.01.2017 – Paradiso und Campanelli/Italien) NJW 2017, 941, 943, 945. Zust. Thomale, IPRax 2017, 583 ff.
 
23
Löhnig (2017), 546, 548.
 
24
BGH NJW 2015, 479, 481 m. zust. Anm. Suhr, Der Gynäkologe 2015, 473 ff. Bestätigt durch BGH (05.09.2018) FamRZ 2018, 1846, 1847 m. zust. Anm. Reuß.
 
25
BGH NJW 2015, 479, 481 f. Der BGH ging dabei über die Entscheidung des EGMR hinaus, weil er auch die rechtliche Elternschaft des Lebenspartners des Vaters anerkannt hat, während sich die Entscheidung des EGMR nur auf die Anerkennung der rechtlichen Elternschaft des genetischen Vaters bezog.
 
26
BGH NJW 2015, 479, 482 f. Ähnlich BGH FamRZ 2018, 1846, 1847. Vgl. auch Reuß (2018), 439 f.
 
27
Dazu BT-Drs. 7/3061, 37 f.; BT-Drs. 18/2654, 28.
 
28
BGH FamRZ 2018, 1846, 1848; BGH NJW 2015, 479, 482. Dazu insgesamt Duden (2018), 139 ff.
 
29
BGH NJW 2015, 479, 483 f.; BGH FamRZ 2018, 1846, 1848.
 
30
BGH NJW 2015, 479, 483.
 
31
Krit. dazu Dethloff (2014), 926: „Einem Kind zu generalpräventiven Zwecken die rechtlichen Eltern zu nehmen, macht es vielmehr zu einem Objekt staatlichen Handelns und verstößt somit gegen seine Menschenwürde“. Zur Staatenlosigkeit, ebd., 928.
 
32
Dazu Frie (2018), 97 ff.
 
33
Während das OLG Celle (NZFam 2017, 658, 659 m. zust. Anm. Biermann; krit. Gomille, StAZ 2017, 321) davon ausging, dass die Eintragung der intendierten Mutter in das ukrainische Geburtenregister durch das Standesamt eine anerkennungsfähige Entscheidung iSd § 108 FamFG sei, lehnte das OLG München (12.10.2017, NZFam 2018, 36 m. krit. Anm. Löhnig) dies ab.
 
34
BGH (20.03.2019) FamRZ 2019, 890 und 892 m. Anm. von Bary.
 
35
Dazu auch Dethloff (2014), 929 f.
 
36
BGH FamRZ 2019, 890, 892 und 892, 893 f.
 
37
BGH FamRZ 2019, 892, 894 = NJW 2019, 1605, 1607 f. m. krit. Anm. Löhnig.
 
38
So auch Frie (2018), 102.
 
39
Trotz der klaren Vorgaben des BGH wird eine ausländische Gerichtsentscheidung zur Elternschaft nicht immer anerkannt; etwa AG Wuppertal (03.11.2017) BeckRS 2017, 151889, mit zweifelhafter Begründung. Eine Anerkennung erfolgte erst in zweiter Instanz; OLG Düsseldorf (28.02.2018) NJW-RR 2018, 1351 f.
 
40
Ähnlich Dethloff (2014), 931. Vgl. aber auch den Beschluss zur Leihmutterschaft auf dem 71. Deutschen Juristentag 2016 (Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Essen 2016, Bd. II/1: Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse, hg. von der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, 2017, P 66): „Ist eine Leihmutterschaft im Ausland nach den dort geltenden Regeln legal durchgeführt worden, ist die nach dem Recht des Geburtslandes etablierte Elternschaft der Wunscheltern im Inland – im Allgemeinen – zu akzeptieren“.
 
41
Vgl. auch den Vorschlag von Helms (2015), 60 ff., 64.
 
42
Zu diesem und weiteren Problemen Schumann (2012), 192 ff., 197 ff. mwN.
 
43
Zu entsprechenden Bemühungen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht (HCCH): https://​www.​hcch.​net/​de/​projects/​legislative-projects/​parentage-surrogacy.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Elternschaft nach Inanspruchnahme einer Leihmutter
verfasst von
Prof. Dr. Eva Schumann
Publikationsdatum
27.03.2020
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Gynäkologie / Ausgabe 5/2020
Print ISSN: 2731-7102
Elektronische ISSN: 2731-7110
DOI
https://doi.org/10.1007/s00129-020-04586-3

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