Die atraumatische Humeruskopfnekrose ist nach dem Femurkopf die zweithäufigste atraumatische Knochennekrose des Menschen. Ihre Häufigkeit wird auf etwa 2–3 Fälle pro 100.000 Personen und pro Jahr geschätzt. Man unterscheidet die idiopathische Form von der sekundären Humeruskopfnekrose, wobei die posttraumatischen Nekroseformen eine spezielle Entität darstellen. Das klinische Bild dieser Erkrankung ist sehr uneinheitlich und von uncharakteristischen Schmerzen sowohl bei der Bewegung als auch in Ruhe und in der Nacht gekennzeichnet. In der Diagnostik kommt der Bildgebung, insbesondere den Schichtbildverfahren wie CT und MRT, große Bedeutung zu. Nach Cruess (1985) wird die Erkrankung in 5 Stadien eingeteilt. Im Stadium 1 und 2 bleibt die Kopfkontur erhalten, im Stadium 3 und 4 bricht der Knochen im Nekrosebezirk zunehmend ein, im Stadium 5 ist die Pfanne mitbeteiligt. Therapeutisch kommen neben konservativen Therapieansätzen gelenkerhaltende operative Therapieoptionen sowie unterschiedliche Formen des Gelenkersatzes zur Anwendung, zu berücksichtigen sind die Beschwerden des Patienten und das Stadium der Erkrankung. Der Gelenkerhalt steht und fällt mit der Integrität der Anatomie. Durch die heutigen modernen Bildgebungsverfahren kann mittels Röntgen, CT und MRT in aller Regel das Stadium der Erkrankung mit Beteiligung von Knorpel, Knochen und Weichteilen sicher diagnostiziert werden. Problematisch ist das Abwägen der unterschiedlichen Therapieverfahren. Die weit fortgeschrittenen und komplexen Fälle mit Destruktion des Glenoids und Rotatorenmanschetteninsuffizienz müssen mit einer inversen Prothese versorgt werden.
Die atraumatische Humeruskopfnekrose ist nach dem Femurkopf die zweithäufigste atraumatische Knochennekrose des Menschen (Cruess 1985). Ihre Häufigkeit wird in einer aktuellen Studie im Vereinigten Königreich auf 1,4–3 Fälle pro 100.000 Personen und pro Jahr geschätzt (Cooper et al. 2010).
Jede Humeruskopfnekrose ist durch den Untergang von Knochengewebe im Humeruskopf definiert, der infolge einer anhaltenden oder wiederkehrenden Störung der lokalen Durchblutung auftritt. Dies gilt vor allem für die sekundären Formen, die eine große, heterogene Gruppe bilden. Hiervon zu unterscheiden ist die primäre oder idiopathische Form, bei der die Humeruskopfnekrose spontan auftritt und deren Ursache letztlich ungeklärt bleibt.
Die relative Häufigkeit dieser idiopathischen Form wurde in einer Arbeit von Hattrup und Cofield (Hattrup und Cofield 1999) auf 16 % aller Nekrosen am Humeruskopf geschätzt. Sie nimmt tendenziell ab, weil aufgrund zunehmender Erkenntnisse immer mehr Humeruskopfnekrosen doch einer oder mehreren Ursachen zugeordnet werden können (Hasan und Romeo 2002). Dies erklärt die uneinheitlichen Angaben zu Häufigkeiten. Eine weitere Ursache dafür sind unterschiedliche Patientenkollektive, die untersucht werden, und die Formen der Humeruskopfnekrose, an denen die Patienten leiden. Jede Forschergruppe unterliegt einer starken Vorselektion, je nachdem, wo die betroffenen Patienten leben und ob beispielsweise posttraumatische oder genetisch bedingte Nekroseformen untersucht werden.
Die posttraumatischen Humeruskopfnekrosen sind häufig. Besonders bei den höhergradigen 3- und 4-Fragmentfrakturen, aber auch bei den 2-Fragmentfrakturen im anatomischen Hals muss mit einem hohen Anteil an Humeruskopfnekrosen gerechnet werden. Sie brauchen sehr lange, unter Umständen viele Jahre, bis sie im Röntgenbild erkennbar werden. Dies ist ein weiterer Grund, warum unterschiedliche Häufigkeiten beschrieben werden: Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens nimmt mit der Länge der Nachuntersuchungszeit zu.
Posttraumatische Humeruskopfnekrosen treten auch nach konservativer Therapie auf, was die Bedeutung des unfallbedingten Schadens und damit die Bedeutung der Frakturmorphologie unterstreicht (Abb. 1). Die eingeschlagene Therapie hat aber ebenfalls einen starken Einfluss. Die Knochenfragmente sind durch die Fraktur und eine eventuelle Reposition und Osteosynthese verändert und weniger gut durchblutet. Der Übergang zwischen einer intakten Kalotte, einer frakturbedingten Sklerosierung und einer Teil- bzw. Totalnekrose ist fließend und manchmal schwer einzuschätzen. Nach einer 3-Fragmentfraktur kommt es in bis zu 25 % zu Teil- und Totalnekrosen, nach einer 4-Fragmentfraktur in bis zu 77 % (Patel et al. 2015).
Abb. 1
a-c Proximale Humerusfraktur: konservative Behandlung, Entwicklung einer Humeruskopfnekrose Stadium 4 nach Cruess: a frische Fraktur, b nach 9 Wochen, c nach 15 Monaten
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Andere Formen der sekundären Humeruskopfnekrose sind vor allem toxisch bzw. medikamentös bedingt. Hier sind vor allem Steroide zu nennen (Cruess 1976). In der bereits erwähnten Studie von Hattrup und Cofield (Hattrup und Cofield 1999) fanden sich bei 127 Humeruskopfnekrosen 41 % kortisoninduziert und 36 % mit posttraumatischer Ursache. Sekundäre Nekrosen entwickeln sich beispielsweise auch nach einem Morbus Cushing, einem Lupus erythematodes oder bei rheumatischen Erkrankungen, die allerdings häufig mit Kortison behandelt werden, sodass der Zusammenhang nicht eindeutig ist.
Bei den kortisoninduzierten Nekroseformen ist schwer vorauszusehen, welche Patienten betroffen sind und welche nicht. In einer prospektiven Studie von Patienten mit einer hoch dosierten systemischen Kortisontherapie entwickelten weniger als 5 % eine Osteonekrose (Wing et al. 1998). Andererseits traten auch nach einer hochdosierten Kurzzeit-Kortisontherapie Osteonekrosen auf (Taylor 1984), und beunruhigender Weise sogar nach der intraartikulären Injektion von Kortison (Laroche et al. 1990). Dabei schwankt die Dauer zwischen der Gabe von Kortison und dem Auftreten von Symptomen in einer großen Studie zwischen 6 und 18 Monaten (Cruess 1978) (Abb. 2a-d).
Abb. 2
a-d 18-jährige Patientin mit ALL und hochdosierter Kortison- und Chemotherapie mit Entwicklung einer Humeruskopfnekrose beidseits (Stadium 4 nach Cruess), zusätzlich wegen Hüftkopfnekrose beidseits mit Hüft-TEP’s versorgt: a rechts Röntgen nativ, b rechts MRT, c links Röntgen nativ, d links MRT
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Eine in Deutschland eher seltene, weltweit aber die häufigste Ursache für Humeruskopfnekrosen sind die Sichelzellanämie und ähnliche Hämoglobinopathien, die in südlichen Ländern aufgrund genetischer Zusammenhänge wesentlich häufiger sind (David et al. 1993; L’Insalata et al. 1996). Die Sichelzellanämie ist eine autosomal-rezessive Erkrankung, bei der ein fehlproduziertes Hämoglobin bei der Deoxygenierung polymerisiert. Die Erythrozyten verformen sich sichelartig und verursachen Mikroembolien. Zusätzlich verlangsamt der reaktiv erhöhte Hämatokrit den Blutfluss, was Thrombosen fördert. Die betroffenen Patienten entwickeln zu etwa 5 % eine Humeruskopfnekrose (Milner et al. 1993). Bei zwei Dritteln der Patienten tritt sie beidseitig auf.
Dies trifft für alle systemischen Formen der Humeruskopfnekrose, also auch für die kortisonbedingten, zu. Deshalb sind atraumatische Humeruskopfnekrosen häufig mit Knochennekrosen an anderen Körperstellen vergesellschaftet, beispielsweise am Femurkopf. Das gemeinschaftliche Auftreten ist sogar häufiger als das isolierte (L’Insalata et al. 1996).
Pathogenese
Hungerford (1981) teilt die Humeruskopfnekrosen topologisch nach dem Ort des Geschehens in 4 Typen ein: Im Knochengewebe, aber außerhalb der Gefäße, in den Knochenarterien, in den Arterien außerhalb des Humeruskopfes und in den Venen außerhalb des Humeruskopfes. Mankin (1992) beschreibt 4 Mechanismen, die für die Humeruskopfnekrose verantwortlich sind: Gefäßunterbrechung, Schaden oder Kompression der Arterienwand, Thrombose bzw. Embolie und venöse Stauung.
Einteilungen der Humeruskopfnekrosen nach Hungerford und Mankin
Unabhängig von der Ursache der Durchblutungsstörung ist die Nekrose vor allem dann von klinischer Bedeutung, wenn sie wie häufig unter der superozentralen Gelenkfläche auftritt. Kommt es hier zu einzelnen subchondralen Osteonekrosen, können sie unter der mechanischen Belastung einbrechen. Die juxtaglenoidale Gelenkfläche kann dann lokal kollabieren. Zusätzlich können osteochondrale Fragmente aus der Gelenkfläche ausbrechen. Selbst wenn sich der subchondrale Knochen im weiteren Verlauf wieder stabilisiert, verbleibt eine Inkongruenz der Gelenkfläche, die eine sekundäre Glenohumeralarthrose begünstigt.
Das beste Beispiel für die erste Gruppe in der Einteilung nach Mankin (1992) ist die posttraumatische Humeruskopfnekrose. Sie entsteht, weil die Blutgefäße, die den Humeruskopf ernähren, von der Fraktur oder Luxation abgerissen werden. Der Humeruskopf wird von den Aa. circumflexa anterior und posterior versorgt, die ihn auf Höhe des chirurgischen Halses umgeben. Der anterolaterale, wesentliche Teil der Durchblutung kommt aus einer aufsteigenden Arterie, die lateral des Sulcus bicipitalis verläuft und beide Tuberkula und einen großen Teil des Humeruskopfes ernährt (Gerber et al. 1990). Diese Arterie setzt sich im Knochen als A. arcuata fort (Laing 1956), die ausgeprägt mäandert. Zusätzliche posteromediale Gefäße aus der A. circumflexa posterior versorgen den posterokranialen Anteil des Humeruskopfes.
Bei einer Humeruskopffraktur werden in Abhängigkeit vom Verlauf der Frakturlinien und dem Ausmaß der Verschiebung der Knochenfragmente mehr oder weniger große Anteile der beschriebenen Gefäße bzw. ihrer intraossären Äste durchtrennt. Die Gefahr einer Minderperfusion der Humeruskopfkalotte nimmt dabei zu, je mehr sich die Fraktur dem anatomischen Hals des Humeruskopfes und damit der Kalotte annähert. Die meisten Humeruskopfnekrosen entstehen deshalb nach 4-Fragmentfrakturen, bei denen beide Tuberkula von der Kalotte getrennt werden. Ein zusätzlicher Schaden entsteht, falls durch die Reposition oder die Osteosynthese die Gefäße weiter geschädigt, unterbrochen oder beispielsweise durch Cerclagen unterbunden werden.
Nach Brooks et al. (1993) hängt das Ausmaß der Restperfusion der Kalotte davon ab, ob das Kalottenfragment mit einem mehr oder weniger großen metaphysären Keil verbunden bleibt, über den posteromediale Gefäße in den Knochen einstrahlen. Sobald die Fraktur genau auf der Höhe des anatomischen Halses verläuft und die Kalotte vollständig von der Metaphyse isoliert ist, werden auch diese posteromedialen Gefäße durchtrennt. Das Risiko einer posttraumatischen Nekrose steigt dann erheblich an.
Bei der zweiten Gruppe nach Mankin bewirken direkte Schädigungen der Gefäßwand die sekundäre Humeruskopfnekrose. Beispielsweise werden solche Schäden durch eine Vaskulitis, eine Bestrahlung oder durch Chemotherapeutika verursacht.
Den größten Anteil an der Gruppe 3 nach Mankin haben die Folgen einer langanhaltenden Kortisoneinnahme. Nach den Ergebnissen tierexperimenteller Studien werden 2 Mechanismen diskutiert: Einerseits eine Volumenzunahme intraossärer Fettzellen mit erhöhtem intraossärem Druck (Cushner und Friedman 1997). Wahrscheinlicher ist aber, dass der erhöhte Kortisonspiegel den Fettstoffwechsel in der Leber verändert, was zu fettinduzierten Mikroembolien in den subchondralen Gefäßen führt. Eine ähnliche Pathogenese wird bei angeborenen Störungen des Fettstoffwechsels und bei chronischem Alkoholismus angenommen, dessen zerstörerische Wirkung von einem gleichzeitigen Nikotinkonsum noch verstärkt wird (Matsuo et al. 1988). Das Nikotin wirkt dabei vermutlich über lokale Vasospasmen.
Auch bei vielen anderen Formen der sekundären Humeruskopfnekrosen wird die Durchblutung durch Mikroembolien beeinträchtigt. Diese gehen von den unterschiedlichsten Mechanismen aus. Bei der Gicht sind es Uratkristalle, die sich aufgrund des unzureichenden Harnstoffwechsels bilden. Bei der Sichelzellanämie sind es Mikroembolien, durch die pathologisch verformten Erythrozyten, und bei der Dekompressionserkrankung der Taucher (Caisson-Erkrankung) sind es viele kleine Stickstoffbläschen, die sich aufgrund des plötzlich verminderten Umgebungsdrucks im Blut bilden, die Gefäße verstopfen und Mikroinfarkte im Knochen verursachen.
Bei der vierten Gruppe nach Mankin führt eine Zunahme des venösen Drucks zu einer Minderperfusion, sobald der Druck in den Arteriolen erreicht bzw. übertroffen wird.
Nicht alle sekundären Humeruskopfnekrosen lassen sich nach Mankin einteilen. Ein Beispiel ist der Morbus Gaucher, eine autosomal-rezessive lysosomale Speichererkrankung, die durch eine Unterfunktion der β-Glukosidase verursacht wird. In den Gaucher-Zellen des retikuloendothelialen Systems sammeln sich deshalb Lipide an und erhöhen den intraossären Druck, weshalb die kapillare Durchblutung abnimmt. Dies ist ein typisches Beispiel für einen Typ 1 in der Einteilung nach Hungerford (1981).
Diagnostische Kriterien für die Indikationsstellung, inklusive spezifischer Bildgebung
Diagnostische Kriterien
Typische Beschwerden der häufig noch jungen Patienten mit einer Humeruskopfnekrose im Alter von 30–50 Jahren (Hasan und Romeo 2002) sind der Bewegungsschmerz und in geringerem Umfang auch der Nachtschmerz. Bei bestimmten Bewegungen können pathologische, schmerzhafte Click-Phänomene auftreten, die von störenden osteochondralen Fragmenten oder freien Gelenkkörpern verursacht werden. Meist handelt es sich um einen tiefen, schlecht lokalisierbaren Schmerz, der zum Ellenbogen ausstrahlen kann. Die Beschwerden sind häufig so stark, dass sie Überkopfbewegungen oder sogar eine gewöhnliche Tätigkeit behindern.
Für die Indikationsstellung zu jeder Therapie muss deshalb mit einer sorgfältigen klinischen Untersuchung der aktuelle aktive Bewegungsumfang der betroffenen Schulter bestimmt werden. Er ist praktisch immer kleiner als der passive Bewegungsumfang, der lange erhalten bleiben kann. Die Grenzen der konservativen Therapie ergeben sich dennoch weniger aus der eingeschränkten Beweglichkeit, mit der Patienten manchmal erstaunlich gut zurechtkommen, als aus der Schmerzhaftigkeit und damit der Notwendigkeit einer anhaltenden medikamentösen Schmerztherapie. Umgekehrt kann die schmerzarme Einsteifung einer Schulter dazu führen, dass die Diagnose erst sehr spät gestellt wird, was die Chancen der konservativen Therapie vermindert.
Spezifische Bildgebung
Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Therapieplanung sind sehr gute Röntgenbilder. Nur mit einer guten True-a.p.-Aufnahme und einer axillären Projektion kann die Form der zentralen Kalotte und die Weite des verbliebenen Gelenkspalts verlässlich eingeordnet werden. Wichtig sind auch Röntgenbilder der Gegenschulter, um hier nicht ein frühes Nekrosestadium zu verpassen, das einer konservativen Therapie weit besser zugänglich ist.
Sobald ein operatives Vorgehen in Betracht kommt, ist die dritte Voraussetzung ein natives Computertomogramm der betroffenen Schulter, um den Humeruskopf und die Nekrosezone 3-dimensional einzusehen. Vor allem ist die CT aber wichtig, um den Zustand der Pfanne beurteilen zu können. Dies betrifft sowohl die Stärke des Knorpels als auch die Neigung der Pfanne. Die Qualität des verbliebenen Knorpels ist intraoperativ mit dem freien Auge kaum einzuschätzen, weshalb die Entscheidung für oder gegen einen Pfannenersatz präoperativ fallen sollte, wenn man sich nicht auf eine Arthroskopie zu Beginn des Eingriffs verlassen will. Die Retroversion der Pfanne weicht bei einer Humeruskopfnekrose nur selten von der Norm ab. Dennoch ist es wichtig, dies sicher zu wissen.
Eine MRT der Schulter kann die CT in dieser Hinsicht nur teilweise ersetzen. Allerdings lässt sich in der MRT der sog. Nekrosewinkel bestimmen, der vom Zentrum des Humeruskopfes ausgeht und die Nekrosezone einschließt (Sakai et al. 2008). Ein Kollaps der Nekrose trat bei den 46 Patienten dieser Studie nur bei Werten des Nekrosewinkels von über 90 Grad auf und war dann aber mit 90 % sehr wahrscheinlich.
Ein Szintigramm ist sinnvoll, um neben einem bekannten Nekroseherd nach weiteren Nekrosen in anderen Gelenken zu fanden, die klinisch stumm sind. Dies ist wichtig, weil dann eine frühzeitige Therapie möglich wird, die für die weitere Prognose dieser Gelenke entscheidend sein kann.
Klassifikation
Nach der klassischen Arbeit von Cruess (1985) werden die Humeruskopfnekrosen in Anlehnung an die Klassifikation von Femurkopfnekrosen von Arlet und Ficat in 5 Gruppen eingeteilt. Diese Einteilung erfolgt nach radiologischen Kriterien (Abb. 3):
Abb. 3
a-h Klassifikation nach Cruess: Darstellung der Humeruskopfnekrose-Stadien im Schema sowie Beispiele im nativen Röntgenbild und im MRT a Schematische Darstellung (aus Ambacher et al. 2010), b Stadium 1 im nativen Röntgenbild, c Stadium 1 in der MRT, d Stadium 2 im nativen Röntgenbild, e Stadium 2 in der MRT, f Stadium 3 im nativen Röntgenbild, g Stadium 4 im nativen Röntgenbild, h Stadium 5 im nativen Röntgenbild
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Stadium 1: In diesem Stadium sind die konventionellen Röntgenbilder völlig unauffällig und zeigen keine Veränderungen. Die Diagnose einer Durchblutungsstörung ist deshalb nur szintigrafisch oder kernspintomografisch zu stellen. Im Szintigramm, das nur bei begründetem Verdacht sinnvoll ist, zeigt sich in Abhängigkeit vom Stoffwechsel eine Mehr- oder Minderanreicherung. Wesentlich häufiger als mit einem Szintigramm werden heutzutage radiologisch nicht erklärbare Beschwerden mit einem Kernspintomogramm abgeklärt. Bei einer Nekrose im Stadium 1 ist das Knochenmarksignal in der T1-Wichtung vermindert.
Stadium 2: Im Röntgen zeigt sich eine Mischung aus lokal verminderten und sklerosierten Knochenbälkchen und typischerweise ein sklerotischer Randsaum um eine subchondrale Lysezone. Die Form der Gelenkfläche bleibt dabei erhalten. Im Kernspintomogramm findet sich neben dem in der T1-Wichtung verminderten Knochenmarksignal zusätzlich in der T2-Wichtung eine durch das begleitende Spongiosaödem verursachte Signalverstärkung.
Stadium 3: Im Stadium 3 bricht der Knochen im Nekrosebezirk lokal ein. Die Gelenkfläche kann deshalb etwas abgeflacht sein, die Knorpeloberfläche bleibt aber normalerweise intakt. Dies erklärt, warum sich im Röntgen ein sog. Sichelphänomen zeigt. Im Kernspintomogramm ist das Signal wie im Stadium 2 im Nekrosebezirk in der T1-Wichtung vermindert und in der T2-Wichtung vermehrt. Nach Mitchell et al. (1987) findet sich typischerweise eine „Doppellinie“ im Bereich des Nekrosebezirks.
Stadium 4: In den Röntgenbildern stellt sich die von der Nekrose ausgehende Abflachung und Entrundung des Humeruskopfes dar, wobei die unter der Nekrose liegenden Bezirke sklerosiert sind. Osteochondrale Fragmente können ausbrechen. Die Pfanne ist noch nicht betroffen.
Stadium 5: Die Humeruskopfnekrose hat zur sekundären Beteiligung der Pfanne geführt, sodass beide Gelenkpartner von der nekroseinduzierten Glenohumeralarthrose betroffen sind.
Möglichkeiten der konservativen Therapie
Die Therapie der Humeruskopfnekrose hängt davon ab, wie lange ein Patient an Beschwerden leidet, wie stark sie sind und wie sie sich im zeitlichen Verlauf entwickeln. Besonders wichtig ist der Schmerzmittelbedarf, der für die Indikation zum Gelenkersatz bedeutender ist als das Cruess-Stadium 3–5. In den Stadien 1–3 kommen alternative Operationsverfahren in Betracht (Abschn. 4 und 5). In allen Cruess-Stadien ist aber eine – teils ergänzende – konservative Therapie möglich und sinnvoll.
Die Chancen einer konservativen Therapie sind sehr gut, solange der Nekroseherd mechanisch stabil bleibt. Zusätzlich ist es bei der posttraumatischen Nekrose wichtig, dass die Tuberkula erhalten sind und an richtiger Stelle stehen (Gerber et al. 1998). Bei einer alleinigen Humeruskopfnekrose war bei 13 Patienten die Beweglichkeit gut und die Schulter nur bei 38 % der Patienten schmerzhaft. Bei der Kombination einer Nekrose mit einer Fehlstellung der Tuberkula war aber bei 12 Patienten die Beweglichkeit schlecht und die Schulter bei 84 % der Patienten schmerzhaft.
Die konservative Therapie stützt sich auf mindestens 4 Prinzipien:
Erstens auf eine adäquate Schmerzbehandlung und das medikamentöse Zurückdrängen der begleitenden Entzündungsprozesse. Dies kann beispielsweise mit intraartikulären Injektionen von Kortison oder besser einem Hyaluronsäure-Präparat erfolgen, mit nichtsteroidalen Antiphlogistika, mit oralen Schmerzmitteln oder mit einer Akupunktur. Die intraartikuläre Gabe von Kortison ist kritisch zu sehen, weil sie das Fortschreiten der Nekrose begünstigen kann (Abschn. 1).
Zweitens ist ebenfalls bei allen Patienten eine geeignete Physiotherapie angezeigt, welche die verbliebene Beweglichkeit erhält und die muskuläre Koordination stärkt.
Drittens ist nur bei den sekundären Formen der Humeruskopfnekrose eine Therapie der Grunderkrankung anzustreben, sofern dies möglich ist. Diese Therapie dient gegebenenfalls sowohl der Begrenzung der bereits eingetretenen Schäden als auch der Sekundärprophylaxe der (noch) nicht betroffenen Gelenke. Hier kommt beispielsweise in Betracht, die Kortisontherapie einer entzündlichen Systemerkrankung zu beenden oder umzustellen, eine Fettstoffwechselstörung oder die Gicht zu behandeln und den Alkohol- und Nikotinkonsum einzudämmen.
Viertens kommt wiederum bei allen Patienten in Betracht, eine durchblutungsfördernde oder das Sauerstoffangebot im Blut erhöhende Therapie durchzuführen. Die Durchblutung kann mit rheologisch wirksamen Medikamenten verbessert werden. Der Sauerstoffpartialdruck lässt sich ganz einfach mit einer intermittierenden Sauerstoffgabe in der Atemluft verbessern oder noch besser mit einer hyperbaren Sauerstofftherapie in einer Druckkammer, wie sie auch bei peripheren Durchblutungsstörungen bzw. Gewebsnekrosen durchgeführt wird. Dies ist allerdings zeit- und kostenaufwendig.
Problematisch ist dabei, dass der Erfolg einer solchen durchblutungsfördernden bzw. den Sauerstoffpartialdruck verbessernden Therapie der Humeruskopfnekrose erst langfristig eintritt und nicht mit Studien belegt ist. Kurzfristig werden die Beschwerden der Patienten kaum gebessert. Dies gilt auch für jede Therapie einer systemischen Grunderkrankung. Mit der Therapie der Grunderkrankung wird aber die Ursache der Humeruskopfnekrose angegangen, was den Patienten unmittelbar einleuchtet und ihre Compliance stärkt.
Gelenkerhaltende operative Therapieoptionen
Die Indikation zur Operation ist gerade bei der Humeruskopfnekrose erschwert, da die Erkrankung oft nicht erkannt und ausreichend diagnostiziert wird. Weiterhin ist ein großer Anteil der Patienten beschwerdefrei oder zumindest beschwerdearm. Es sollte deshalb noch einmal auf die Bedeutung eines Knochenszintigramms sowie einer Kernspintomografie hingewiesen werden. Auch eine zusätzliche CT-Untersuchung zur Abklärung der knöchernen Situation ist hilfreich zur Beurteilung einer OP-Indikation.
Im Fokus steht jedoch der Patient, der in der Regel durch Schmerzen, Funktionsverlust und Kraftminderung eingeschränkt ist. Wenn auch die konservative Therapie keinen Erfolg brachte, ist die Indikation zur Operation gegeben, wobei die ungünstigen Ergebnisse der konservativen Therapie oft ein primäres operatives Vorgehen nahelegen. Selbstverständlich sollte dies individuell mit dem Patienten besprochen werden. Hierbei gilt es auch, das Alter, den Gesundheitszustand, die soziale Situation sowie die vorliegenden Lebensumstände zu berücksichtigen.
Die gelenkerhaltende operative Therapie hat ein intaktes Gelenk bei erhaltener Knorpeloberfläche zur Voraussetzung. Dies ist im Stadium 1 und 2 nach Cruess gegeben.
Als mögliche Therapiemaßnahmen sind die Arthroskopie, die Dekompression und die Knochentransplantation zu nennen.
Die Arthroskopie erlaubt es, auch als diagnostische Maßnahme den Gelenkstatus sowie den Gelenkknorpel ergänzend zur präoperativen Diagnostik noch einmal abschließend zu beurteilen. Hierbei können auch der Rotatorenmanschettenstatus einschließlich Pulley, lange Bizepssehne und Bizepssehnenanker bewertet und ein möglicher Einfluss auf die Beschwerdesymptomatik abgegrenzt werden. Beim arthroskopischen Debridement können freie Gelenkkörper entfernt werden, der Gelenkknorpel kann geglättet, eine begleitende Synovitis beseitigt werden. Oben angedeutete Begleitpathologien können endoskopisch adressiert werden.
Aufgrund der genannten Vorteile der Arthroskopie ist eine alleinige operative Dekompression nicht zu empfehlen. Es wird hierbei perkutan oder mittels einer Mini-Inzision der Nekroseherd unter Bildwandlerkontrolle angebohrt. Diese Maßnahme dient dazu, den intraossären Druck zu entlasten und durch die Anregung der lokalen Durchblutung den Nekroseherd zu stabilisieren.
Ob hier auch die Bildung neuer Blutgefäße angeregt wird, ist umstritten. Voraussetzung für eine erfolgreiche Anbohrung ist ein stabiler Nekroseherd bei erhaltener Knorpeloberfläche (Abb. 4).
Abb. 4
a-c Stadium 1 nach Cruess: a Röntgen nativ, b MRT, c perkutane Core-Dekompression
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Als dritter gelenkerhaltender operativer Therapieansatz wird der Nekroseherd nicht nur dekomprimiert, sondern auch entfernt und durch eine Knochentransplantation stabilisiert. Ein relativ einfaches Verfahren ist hierbei den Herd transdiaphysär zu dekomprimieren und mit autologer Beckenkammspongiosa aufzufüllen.
Es werden aber auch sehr aufwendige gefäßgestielte und vaskularisierte Knochentransplantationen beschrieben. Die Ergebnisse (Abschn. 5) sind jedoch sehr uneinheitlich und verhindern einen kurz- bis mittelfristigen notwendigen Gelenkersatz häufig nicht.
Operative Techniken und praktische Aspekte des Gelenkersatzes
In aller Regel ist in den Stadien 3–5 nach Cruess ein gelenkerhaltender Eingriff nicht mehr möglich.
Im Stadium 3 bricht zwar der Knochen im Nekroseherd ein. Die knorpelige Gelenkoberfläche bleibt jedoch noch häufig intakt. Hier ist im Rahmen der operativen Therapie eine diagnostische Arthroskopie sinnvoll, um letztlich zwischen Gelenkerhalt oder Gelenkersatz zu differenzieren (Abb. 5).
Abb. 5
a-d Stadium 3 nach Cruess, 3-mal voroperiert. a, b Röntgen nativ in 2 Ebenen. c, d Postoperativ Röntgen nativ in 2 Ebenen nach Kopfersatz
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Im Stadium 4 ist der Gelenkknorpel am Humeruskopf eingebrochen oder abgelöst. Der Humeruskopf ist entrundet und wird deformiert. Schreitet dieser Prozess fort, wird die Gelenkpfanne im Stadium 5 von der arthrotischen Veränderung miterfasst und muss bei der Operation zusätzlich endoprothetisch versorgt werden.
Liegt ein umschriebener Nekroseherd vor, ist es möglich, diesen mit einem partiellen Oberflächenimplantat zu ersetzen. Je nach Hersteller ist dies offen, mini-open oder komplett endoskopisch durchführbar. Gerade der rein arthroskopische partielle Gelenkersatz bietet auf elegante Weise die Möglichkeit, nur den fokalen humeralen Defekt zu überbrücken. Die funktionelle Anatomie bleibt unangetastet, was natürlich einer raschen passiven und aktiven funktionellen Nachbehandlung entgegenkommt. Das unter dem Nekroseherd gelegene Knochenareal muss suffizient sein, um dem zementfreien Implantat einen ausreichenden Primärsitz zu verleihen. Es lassen sich Defekte bis etwa 25 mm Durchmesser ersetzen. Der Eingriff ist technisch anspruchsvoll und muss gut geplant sein. Entscheidend ist die absolut übergangslose Einpassung des Implantats in die bestehende Knorpeloberfläche des Humeruskopfes, um keine unnötige Reibe- oder Fehlbelastung zu erzeugen. Es wurden Fälle beschrieben, bei denen es durch minimale Fehlimplantationen innerhalb kürzester Zeit, d. h. in wenigen Monaten, zur Destruktion des gesamten Gelenkes und damit zur Revision mit Implantation einer Totalendoprothese kam. Dies ist gerade für junge Patienten eine sehr ungünstige und vermeidbare Komplikation (Abb. 6).
Abb. 6
a-d Stadium 3 nach Cruess. a Röntgen nativ. b MRT. c Intraoperativer arthroskopischer Befund. d Röntgen nativ 36 Monate nach partiellem Oberflächenersatz
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Im Stadium 4 nach Cruess ist durch die Nekrose die Gelenkoberfläche des Humeruskopfes kollabiert und muss entsprechend ersetzt werden. Stadium 4 stellt mithin die klassische Indikation für eine Hemiprothese dar, denn in diesem Stadium betrifft die Erkrankung nur die humerale Seite. Das Glenoid ist gesund und unauffällig. Neben einem reinen Oberflächenersatz kommt hier auch eine Kopfprothese mit und ohne Schaft in Frage.
Bei alleinigem Oberflächenersatz muss ein suffizientes subchondrales Knochenlager vorliegen, um das zementfreie Implantat sicher verankern zu können. Dies ist bei der avaskulären Nekrosesituation meist nicht gegeben und verhindert eine knöcherne Inkorporation. Die Faustregel, dass für einen Oberflächenersatz 60 % der Knochensubstanz erhalten sein sollte, ist schwer zu beurteilen und auch von der Vitalität her schwer einzuschätzen. Ein weiterer Nachteil dieser Implantate ist das kugelige runde Design, das nicht zum anatomischen eiförmigen Humeruskopf passt. Der Humeruskopf weist einen signifikanten höheren superior-inferioren Durchmesser auf, als anterior-posterior. Dies bedeutet, dass die Anatomie dem Implantat angepasst werden muss, was in Zeiten der 5. Generation von Schulterendoprothesen als großer Nachteil angesehen wird. Zudem wird berichtet, dass eine ideale Implantation eines scheinbaren simplen Implantats sehr schwierig ist und häufig nicht erreicht wird. Postoperativ lässt sich das Einheilungsverhalten dieser Prothesen radiologisch kaum beurteilen. Das Implantat überdeckt seine Auflagefläche. Frühlockerungen können nur durch eine schmerzhafte Funktionsstörung differenzialdiagnostisch vermutet werden. Dies begründet den Rückgang der Verwendung des reinen Oberflächenersatzes und muss in diesem Zusammenhang als sehr kritisch eingestuft werden.
Für die Versorgung der Typ-4-Läsionen ist der Kopfersatz mit oder ohne Schaft der goldene Standard. Dabei hängt die Wahl eines Implantats wiederum im Wesentlichen von der epiphysären Knochenqualität ab. Der reine Kopf- bzw. Kalottenersatz wird zementfrei implantiert. Die ehemalige Gelenkfläche lässt sich anatomisch rekonstruieren. Bei der Operation ist das Glenoid, falls erforderlich, sehr gut erreichbar und zur Präparation hervorragend zugänglich. Eine spätere Revision ist gut durchführbar und technisch nicht zu anspruchsvoll (Abb. 7).
Abb. 7
a, b Stadium 4 nach Cruess. a Röntgen nativ. b Röntgen nativ nach Kopfersatz
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Im Zweifelsfall ist jedoch der Kopfersatz mit Schaft indiziert. Auch hier ist bei den modernen Implantaten eine zementfreie Verankerung möglich und die anatomische Rekonstruktion der Gelenkfläche, unter Berücksichtigung des medialen und posterioren Offset. Die Hemiendoprothesen haben eine besondere Komplikation, die sich möglicherweise durch die biologische Inkompatibilität des ersetzten Kopfes gegenüber der natürlichen Pfanne erklärt – die sekundäre Glenoiderosion. Sie stellt eine häufige Ursache für neu auftretende Beschwerden und eine Indikation zur Revision und Konversion zur Totalendoprothese dar.
Um dies zu vermeiden, wurden Pyrocarbon-Köpfe entwickelt. Es handelt sich hierbei um einen in der Medizin lange bekannten und verwandten Werkstoff. Er wurde aufgrund seiner hohen Biokompatibilität bereits in den 1960er-Jahren bei künstlichen Herzklappen benutzt. Als Implantat auf orthopädischem Gebiet wurde er bei den Fingergelenken mit Erfolg eingesetzt. Pyrocarbon zeichnet sich durch einen niedrigen Friktionskoeffizienten aus. Es hat ein ähnliches Elastizitätsmodul wie Knochen, weist nahezu keinen Abrieb auf und produziert keine Gelenkpartikel. Es scheint sich als prädestiniert zur Verwendung als Hemiendoprothese herauszustellen. Langzeitbeobachtungen sind jedoch noch nicht erhältlich (Abb. 8 und 9).
Abb. 8
Pyrocarbonkopf. (Mit freundl. Genehmigung der Fa. Tornier/Wright)
Abb. 9
a-f Beispiel Pyrocarbonkopfersatz bei Stadium 4 nach Cruess. a Intraopertive Humeruskopfnekrose mit Knorpelablösung. b Intakte Pfannenverhältnisse. c Nach Kalottenresektion. d Nach Pyrocarbonkopf-Implantation. e Röntgen nativ a.-p. postoperativ. f Röntgen nativ axial postoperativ
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Im Stadium 5 nach Cruess mit Pfannenbeteiligung sollte einer Totalendoprothese der Vorzug gegeben werden. Hier gelten die gleichen Kriterien wie bei der primären Arthrose (Abb. 10 und 11).
Abb. 10
a-c Stadium 5 nach Cruess mit Kopf- und Pfannenbeteiligung in der CT. a a.-p.-Rekonstruktion in der CT. b Pfannenaufsicht mit subchondraler Zyste. c Axiale Schicht in der CT
Abb. 11
a-b Stadium 5 nach Cruess. a Röntgen nativ a.-p., b Röntgen nativ a.-p. postoperativ nach TEP
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Sollte bei der Humeruskopfnekrose die seltene Kombination mit einem Rotatorenmanschettendefekt vorliegen, ist die Indikation zur reversen Schulterendoprothese gegeben.
Bei der posttraumatischen und postoperativen Humeruskopfnekrose gilt es die weichteiligen und knöchernen Veränderungen zusätzlich zu den oben genannten Überlegungen mit einzubeziehen. Es bestehen häufig schwere dia- und metaphysäre Deformitäten, die eine Schaftprothese nicht einbringen lassen. Hier ist der Kalottenersatz das Implantat der Wahl.
Vernarbungen, Verwachsungen und Verklebungen bedürfen einer speziellen Präparation, um eine gute Funktion wieder zu erlangen. Bei schwerer Muskelatrophie der Rotatorenmanschette, gepaart mit erheblichen Kontrakturen, ist die primäre Verwendung einer reversen Schulterendoprothese zu empfehlen (Abb. 12).
Abb. 12
a-d Posttraumatische Nekrose, Stadium 5 nach Cruess mit Rotatorenmanschetteninsuffizienz. a Röntgen nativ präoperativ. b CT präoperativ. c MRT präoperativ. d Röntgen nativ postoperativ RSA
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Bei der Planung der Operation ist ein sorgfältig erhobener klinischer Befund maßgebend. Die aktive und passive Beweglichkeit erlaubt Rückschlüsse auf Kontrakturen und den Status der Rotatorenmanschette. Gerade bei postoperativen bzw. posttraumatischen Zuständen ist die Funktion sehr stark eingeschränkt und bedarf eines umfangreichen Release während der Operation. Für die Implantatwahl ist die Bildgebung von entscheidender Bedeutung. Native Röntgenbilder a.-p. und axial geben Auskunft über das Ausmaß der Nekrose und die Zentrierung des Gelenkes. Die MRT zeigt den Knochenstoffwechsel und das Areal der Avaskularität sehr gut an. Außerdem lassen sich die Rotatorenmanschette und deren Muskelstatus genau beurteilen. Die CT ergänzt die knöcherne Diagnostik bezüglich Deformitäten, Zysten, Sklerosen und der Gelenkstellung in superior-inferiorer als auch in anterior-posteriorer Ausrichtung. Bei der Humeruskopfnekrose liegen jedoch selten B-Glenoide oder signifikante Dezentrierungen vor. Weiterhin bieten mittlerweile die meisten Firmen hervorragende Planungsmodule für die CT an und machen die ungenauen und veralteten Planungsschablonen für das native Röntgenbild unnötig.
Sollte präoperativ noch ein Rest an diagnostischer Unsicherheit und therapeutischer Konsequenz bestehen, empfiehlt sich eine diagnostische Arthroskopie. Auch bei der Humeruskopfnekrose ist der delto-pectorale Zugang der Goldstandard. Beim Zugang sind die Kriterien von der Identifikation des N. axillaris bis zu dessen Darstellung und möglichen Freipräparation nicht unterschiedlich zur primären Omarthrose oder Revisionsendoprothetik. Dies gilt auch für die Rotatorenmanschette, insbesondere bei der Behandlung des M. subscapularis. Bei der Kopfpräparation ist auf die Präparation des subchondralen bzw. epiphysären Knochens exaktes Augenmerk zu legen, da hier die avaskuläre Zone liegt und die Inkorporation des Implantats erfolgen soll. Besonders schwierig sind die Sklerosezonen unterhalb der Nekrose, insbesondere auch bei den posttraumatischen Situationen. Hier ist die intraoperative Verwendung eines Bildwandlers zu empfehlen, um Fehlbohrungen, Fehlpräparation und Fehlimplantation zu vermeiden. Dies gilt insbesondere auch bei der Verwendung von Schaftprothesen bei deformierten und/oder sklerosierten Markräumen. Als hilfreich hat sich hier die Verwendung von Kirschner-Drähten bewährt. Diese können unter Bildwandlerkontrolle eingebracht und gegebenenfalls mit Markraumbohrern überbohrt werden, sodass das Implantationsinstrumentarium sicher eingesetzt werden kann. Meist wird man in solchen Situationen jedoch versuchen eine schaftlose Kopfendoprothese zu implantieren. Dies ist technisch bedeutend einfacher und unabhängig von der metaphysären und diaphysären Fehlstellung.
Postoperative Nachbehandlung
Die Nachbehandlung ist abhängig von der Operationstechnik, von den verwendeten Implantaten und von der Weichteilsituation, insbesondere vom Status der Rotatorenmanschette. Besondere Berücksichtigung bedarf die Mobilisation und die Refixation des M. subscapularis. Eine Subskapularis-Insuffizienz ist bei anatomischen Endoprothesen eine folgenschwere Komplikation, die sich weder konservativ noch operativ vernünftig lösen lässt.
Ziel ist eine frühfunktionelle Nachbehandlung mit zeitgerechter Wiederherstellung von Funktion und Kraft.
Bei den arthroskopischen Eingriffen bleibt die funktionelle Anatomie unberührt, sodass eine zügige passive und aktive physiotherapeutische Rehabilitation durchgeführt werden kann. Es bietet sich dennoch ein Gilchrist-Verband für die ersten 1–2 Wochen an, Limit ist der Schmerz. Ansonsten kann die Funktion in allen Ebenen rasch wieder erreicht werden. Die unmittelbare Nachbehandlung sollte nach 4–6 Wochen abgeschlossen sein: danach Stabilisation der Kraft und Wiederaufnahme beruflicher, körperlicher und sportlicher Tätigkeiten.
Bei den endoprothetischen Versorgungen kann weitestgehend ein einheitliches Nachbehandlungsregime verfolgt werden. Individuelle Unterschiede ergeben sich durch die Qualität der Subskapularis-Rekonstruktion und das Ausmaß der Weichteilmobilisation, Release und eventuellen Neurolysen. Dies wird häufig bei posttraumatischen Fällen zu berücksichtigen sein. Eine Ruhigstellung mittels Orthese (Gilchrist/Abduktionskissen mit 15° Abduktion) ist für 2–4 Wochen zu empfehlen. Die primäre passive und aktive Beweglichkeit der angrenzenden Gelenke, Ellenbogen, Handgelenk und Fingergelenke ist frei und ohne Einschränkungen.
In den ersten beiden postoperativen Wochen kommen detonisierende Maßnahmen zur Anwendung. Im Vordergrund steht hier die manuelle Lymphdrainage. Das Schultergelenk wird passiv und schmerzorientiert mobilisiert. Dazu kommen Pendelübungen und Haltungskorrektur. Limit ist eine Flexion von 90°, Abduktion 60°, Innenrotation 90° und Außenrotation 10°.
Von der 3.–6. postoperativen Woche wird die Orthese abtrainiert. Es erfolgt ein Übergang zu aktiv-assistierten Übungen bei leichter Kräftigung der Skapula-Stabilisatoren (M. serratus anterior, M. trapezius). Limit ist eine Flexion von 100°, Abduktion 90°, Innenrotation 90° und Außenrotation 10°.
Von der 7.–12. postoperativen Woche erfolgt die aktive Krankengymnastik mit Erreichen eines weitgehend vollen und endgradigen passiven und aktiven Bewegungsumfanges. Immer sollte die Schmerzgrenze beachtet werden. In den Vordergrund rücken dann zunehmend stabilisierende und zentrierende Übungen, bei leichter isometrischer Kräftigung; Koordinations- und Stabilisationsübungen, Haltungskorrektur, Einüben täglicher Aktivitäten.
Nach 3 Monaten postoperativ sollte die erlernte aktive Beweglichkeit stabilisiert und erhalten werden. Das Hauptaugenmerk liegt dann bei Hinzugewinn von Kraft, unterstützt durch Krankengymnastik am Gerät.
Nach 6 Monaten sollte über eine Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten entschieden werden.
Klinische Kontrollen erfolgen zur Überprüfung der Wundheilung. Sechs Wochen postoperativ kann die Integrität des Subskapularis durch eine Sonografie bewertet werden und das Gelenk zur Erweiterung des aktiven Bewegungsumfanges freigegeben werden. Weitere klinische Kontrollen sind nach 12 Wochen, 6 und 12 Monaten zu empfehlen; danach im Jahresintervall. Röntgenkontrollen erfolgen postoperativ, nach 6 Wochen und 12 Monaten.
In den seltenen Fällen einer reversen Schulterprothese gelten die gleichen Kriterien wie bei der Defektarthropathie (Kap. „Defektarthropathie“).
Ergebnisse konservativer und operativer Therapiemaßnahmen
Die Ergebnisse der konservativen Therapie entsprechen im Wesentlichen dem natürlichen Verlauf der Erkrankung, da hier nur die Symptome der Patienten behandelt werden, aber außer bei hyperbarer Sauerstofftherapie keine Behandlung oder Beeinflussung der Nekrose an sich stattfindet. Bei Patienten mit asymptomatischem Stadium 1 oder 2 kann in 74 % mit Symptomen und in 54 % mit einem Kopfkollaps gerechnet werden, bei symptomatischen Patienten in 82 % mit einem Kopfkollaps. Der Zeitraum von der Diagnosestellung bis zum Kollaps betrug bei asymptomatischen Patienten jedoch 10 Jahre und bei symptomatischen Patienten 3 Jahre (Hernigou et al. 2010).
Im Gegensatz zur konservativen Therapie wird bei kopferhaltenden Maßnahmen der Nekroseherd chirurgisch behandelt. Ziel ist es hierbei, die Nekrose auszuheilen oder zumindest deren Fortschreiten zu verhindern. Kopferhaltende Therapieformen werden vor allem im Stadium 1 und 2 eingesetzt, in dem der Gelenkknorpel des Humeruskopfes noch erhalten ist. Es finden sich jedoch auch Literaturstellen, wo diese Therapie sogar bis ins Stadium 3 und 4 angewandt wurde. Dies stellt aus unserer Sicht keine vernünftige Indikation dar.
Die retrograde Anbohrung, ob radiologisch oder arthroskopisch kontrolliert, wird prinzipiell im Stadium 1 und 2 angewandt. Mont et al. hatten 1993 noch ohne präoperative MRT-Diagnostik oder arthroskopische Gelenkkontrolle bildwandlergestützte Dekompressionen durchgeführt. Dabei konnten sie bei 70 % gute klinische Resultate erzielen, wenn auch bei 4 Patienten mit radiologischer Progression. Im Stadium 4 musste bei 5 von 6 Patienten im Verlauf eine Endoprothese implantiert werden. Daher empfehlen die Autoren in diesen Fällen eine Hemiendoprothese. Harreld et al. (2009) konnten mit einem nur 3 mm dicken Bohrer durch perkutane Anbohrungen bei 25 von 26 Patienten ein Fortschreiten der Nekrose verhindern. Im Kontrast dazu beobachteten Kennon et al. (2016) einen Kopfkollaps bei 88 % der im Stadium 1 oder 2 operierten Patienten, obwohl sie die von Harreld et al. (2009) beschriebene Technik verwendeten. Ob die zusätzliche angewandte Ultraschalltherapie die viel schlechteren Ergebnisse begünstigt haben könnte, lassen die Autoren offen.
Makihara et al. (2017) berichteten über 5 Fälle, bei welchen im Stadium 3 oder 4 mit Röntgenunterstützung der Defekt angebohrt und danach mit Knochenmark aus dem Beckenkamm aufgefüllt wurde. Bei Grad 3 zeigten sich trotz teilweise radiologisch fortschreitender Erkrankung klinisch gute Ergebnisse, während bei Grad 4 sekundär eine Prothese notwendig wurde.
Zur Knochenspanimplantation wurde von Nakagawa et al. (1999) eine kombinierte arthroskopische und offene Methode mit arthroskopischem Debridement der eingebrochenen Zone (Grad 3 am Humeruskopf) und anschließender retrograder Auffüllung mit Spongiosa aus dem Beckenkamm veröffentlicht. In weiteren Arbeiten wurden ein synthetisches Graft (Steffensmeier et al. 2016) oder Fibula Strut Allografts (Galloway et al. 2013) erfolgreich eingesetzt. Zusammenfassend handelt es sich jedoch bei den Knochenspanimplantationen jeweils um geringe Fallzahlen bei geringem Follow-up. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich und können nur als mögliche Therapieform mit unsicherem Behandlungsergebnis angegeben werden.
Bei bereits eingebrochenem Knorpel, also Stadium 3 und 4, kommen auch arthroskopische Techniken mit Entfernung freier Dissekate und Debridement der Nekrosezone zum Einsatz. Im Wesentlichen sind hier nur Kasuistiken publiziert, wobei die Ergebnisse trotz des resultierenden Gelenkdefekts auch über Jahre hinaus klinisch stabil erschienen (Hardy et al. 2000). Vor allem bei rezidivierenden Einklemmungserscheinungen ist dies ein erfolgreiches Verfahren zur Beseitigung solcher Symptome.
Teilendoprothesen werden bei umschriebenen Knorpeldefekten im Stadium 3 und 4 nach Cruess eingesetzt. Definitionsgemäß darf hier das Glenoid noch nicht von der Arthrose betroffen sein. In den USA werden auch osteochondrale Allografts erfolgreich als partieller Kopfersatz verwendet. Diese Versorgungsmöglichkeit steht in Deutschland nicht zur Verfügung. Hier konnten Riff et al. (2017) bei 11 von 20 Patienten nach 39 Monaten gute Ergebnisse nachweisen.
Uribe und Botto-van Bemden (2009) berichteten bei 12 Patienten mit Stadium 3 und 4 mit einem Follow-up von 30 Monaten über eine Verbesserung im Constant-Score von 23 auf 62 Punkte. Der einzige Patient im Stadium 5 hatte allerdings nur eine Verbesserung von 13 Punkten im Constant-Score auf einen Wert von 32 Punkten. Auch Sweet et al. (2015) erreichten bei 20 behandelten Schultern 75 % gute und sehr gute Ergebnisse. Im Gegensatz dazu konnten Delaney et al. (2014) bei 39 Patienten, die mit einer Hemi-Cap versorgt wurden, nur bei isolierter Kopfnekrose und ohne Voroperation gute klinische Ergebnisse erzielen. Sie empfahlen den Einsatz auf ein Stadium 3 und ohne weitere Begleitpathologien zu beschränken.
Die Möglichkeit eine Teilendoprothese arthroskopisch einzubringen und somit den Subskapularis nicht ablösen zu müssen, ist vor allem für kleinere Grad-3-Nekrosen eine elegante Möglichkeit den Nekrosebezirk zu beseitigen und mit dem Implantat die Kontur des Humeruskopfes wieder herzustellen. Bei kleineren Nekrosen bis zu etwa 25 mm ist diese Technik eine gute Alternative, jedoch sehr anspruchsvoll. Anderl et al. (2015) berichteten bei 11 Patienten über eine Verbesserung im Constant-Score von 55 auf 87 Punkte nach 2 Jahren. Allerdings mussten sich auch 3 Patienten (27 %) einer Revision unterziehen. Es fehlen hier jedoch weitere signifikante Untersuchungen, insbesondere mit einem Langzeitergebnis. Die Möglichkeit eine Teilendoprothese arthroskopisch ohne Ablösung des Subskapularis einzubringen, ist jedoch durchaus im Einzelfall indiziert und in der Strategie des Behandlungsregimes zu berücksichtigen. Leider wurde das Implantat aufgrund geringer Stückzahlen vom Markt genommen. Es gibt jedoch Alternativen des Teilgelenkersatzes, allerdings nicht in endoskopischer Technik.
Die Humeruskopfnekrose schien lange Zeit die ideale Indikation für eine Oberflächenersatzendoprothese zu sein. Raiss et al. (2009) berichteten bei 17 Patienten bei Stadium 3 und 4 über gute Kurzzeitergebnisse mit einer Verbesserung im Constant-Score von 34 % auf 75 %. Aufgrund der oben beschriebenen Probleme dieser Implantate sind diese jedoch inzwischen nur noch eine seltene Indikation bei der Humeruskopfnekrose, zumal sich hier die Vorteile schaftfreier Schulterkopfendoprothesen durchgesetzt haben. Diese schaftfreien metaphysär verankerten Implantate eignen sich in idealer Weise zur Behandlung der Kopfnekrose. Leider gibt es bisher keine, nur auf Nekrosefälle fokussierte Publikationen. Die bisher publizierten allgemeinen kurz- und mittelfristigen Daten sind sehr vielversprechend und entsprechen zumindest den Ergebnissen von Schaftprothesen. Collin et al. (2017) konnten im kurzfristigen Verlauf einen Constant-Score von durchschnittlich 69 erreichen. Langzeitergebnisse stehen allerdings noch aus.
Die klassische anatomische Schulterprothese als Hemiendoprothese mit Schaft, speziell im Stadium 4, ist am weitesten verbreitet mit den längsten Nachuntersuchungszeiten. Schoch et al. (2016) konnten eine 20-Jahres-Überlebensrate von 87 % bei den nichttraumatischen Nekrosen und eine 15-Jahres-Überlebensrate von 79,5 % bei den posttraumatischen Nekrosen feststellen. Als essenziell für eine langandauernde gute Funktion wird ein intaktes Glenoid mit gutem Knorpel hervorgehoben. Bei Patienten mit Sichelzellanämie scheint aber die Schmerzreduktion postoperativ nur bei 2 von 7 Patienten ausreichend zu sein (Lau et al. 2007).
Beim Pyrocarbon stehen bislang nur 2 Implantate zur Verfügung. Zum einen eine Standard-Kurzschaftprothese mit der Möglichkeit einen Pyrocarbonkopf einzusetzen, zum anderen ein Implantat, das als Pyrocarbon-Interpositionsarthroplastik bezeichnet werden kann. Beim sog. Pyrocarbonkopf konnte in einer Multicenterstudie eine sehr gute Verbesserung des Constant-Scores von 31 auf 75 Punkte bei geringer radiologisch nachweisbarer Glenoiderosion aufgezeigt werden. Allerdings betrug der Follow-up durchschnittlich nur 2 Jahre (Garret et al. 2019). In einer weiteren Arbeit konnten ebenso sehr gute Ergebnisse für die Pyrocarbon-Hemiprothese im Kurzzeitverlauf dokumentiert werden (Kleim et al. 2021). Eine Veröffentlichung zur Pyrocarbon-Interpositionsarthroplastik erreichte bei 12 Patienten mit einem Follow-up von 2 Jahren einen Constant-Score von 73 Punkten (Garret et al. 2017).
Die Implantation von Totalendoprothesen ist im Stadium 5 nach Cruess bei zusätzlicher Glenoidbeteiligung indiziert. Schoch et al. (2016) konnten aus ihren Ergebnissen eine 20-Jahres-Überlebensrate von 79 % bei Patienten mit nichttraumatischer Genese der Nekrose und eine 15-Jahres-Überlebensrate von 83 % bei posttraumatischer Nekrose feststellen. Im Vergleich zu Hemiendoprothesen schnitten die Totalendoprothesen bei den posttraumatischen Nekrosen klinisch besser ab, während es bei den nichttraumatischen Fällen umgekehrt war. In großen Studien von Langzeitergebnissen nach Totalprothesen sind die Ergebnisse bei den Humeruskopfnekrosen mit denen bei der primären Omarthrose vergleichbar.
In seltenen Fällen ist auch bei der Humeruskopfnekrose, beispielsweise begleitet von großen nicht rekonstruierbaren Rotatorenmanschettenrupturen, die primäre Indikation zur inversen Schulterendoprothese gegeben. Baulot et al. (1999) konnten hierbei mit einer inversen Prothese den Constant-Score von 21 auf 60 verbessern.
Komplikationen und Komplikationsmanagement, inklusive Revisionsstrategien
Die häufigste Komplikation der konservativen Therapie der Humeruskopfnekrose ist das Fortschreiten der Nekrose mit Einbruch und Kollaps des Humeruskopfes. Hält dieser Zustand länger an, wird auch das Glenoid von der Erkrankung mitbetroffen und zerstört. Diese Komplikation spiegelt den natürlichen Verlauf der Erkrankung wider.
Bei Patienten mit Kortison-induzierter Nekrose im Stadium 1 und 2 kann bei 82 % der Patienten mit Symptomen und bei 54 % bei symptomlosen Patienten mit einem Kopfkollaps gerechnet werden. Der Zeitraum von Diagnosestellung bis zum Kollaps beträgt bei asymptomatischen Patienten durchschnittlich 10 Jahre und bei symptomatischen Patienten 3 Jahre. 74 % der initial symptomlosen Personen werden im Verlauf von 10 Jahren symptomatisch (Hernigou et al. 2010).
Leider gibt es keine Daten, aus denen hervorgeht, wann und bei wem eine Nekrose auch am Glenoid entsteht. Nachdem aber in den Studien mit größeren Fallzahlen im Verlauf nicht über ein Auftreten nach Stadium 1 oder 2 berichtet wird, kann man davon ausgehen, dass bei Diagnosestellung in einem frühen Stadium innerhalb der ersten Jahre nicht damit gerechnet werden muss. Die Hauptkomplikation der kopferhaltenden Therapiemaßnahmen ist das Versagen der Behandlungsmaßnahme und das Fortschreiten der Nekrose, analog zur konservativen Therapie. Komplikationen der retrograden Anbohrung sind Drahtperforationen des Gelenkknorpels oder Verletzungen des N. axillaris. Weitere Komplikationen entsprechen den allgemeinen einer arthroskopischen Operation an der Schulter.
Für Teilendoprothesen des Humeruskopfes gibt es nur wenige Publikationen, da nur selten eine Indikation für ein solches Verfahren vorliegt. Die Teilendoprothesen werden im Wesentlichen auch nur für umschriebene Humeruskopfnekrosen bis zu einem Durchmesser von 25 mm eingesetzt. Komplikationen können eine Lockerung oder ein Einsinken der Teilprothese sein. Hier ist in der Literatur nur 1 Fall beschrieben (Anderl et al. 2015). Die Teilprothese kann auf der Glenoidseite zur Erosion des Glenoids mit zunehmendem Abrieb des Gelenkknorpels und zur sekundären Glenoidarthrose führen. Uribe und Botto-van Bemden (2009) berichten über keine chirurgischen Komplikationen bei 12 Patienten. Nach einem Follow-up von 30 Monaten zeigten sich für die Hemi-Cap keine Lockerungen oder Wanderungen des Implantats. Delaney et al. (2014) mussten das Implantat bei 15 % der Patienten innerhalb der ersten 17 Monate revidieren und weiteren 10 % der Patienten eine Revision anraten.
Bei der arthroskopischen Implantation eines partiellen Kopfersatzes kann intraoperativ eine Verletzung des gegenüberliegenden Gelenkknorpels am Glenoid, des Labrums oder von Sehnen erfolgen, da alle Operationsschritte intraartikulär erfolgen. Anderl et al. (2015) beschrieben jedoch keine intraoperativen Komplikationen. Zugangsbedingt ist der N. axillaris in seinem Verlauf in Gefahr. Weiterhin kann es zu Arrosionen der Glenoidgelenkfläche mit zunehmender Abnutzung des Gelenkknorpels kommen. Eine substantielle Schwächung des Glenoidknochens ist allerdings nur bei einer Pan-Omarthrose zu erwarten. Auch bei den Teilprothesen besteht die Komplikationsgefahr einer Lockerung. Anderl et al. (2015) beschrieben eine Lockerung einer solchen Partialprothese bereits nach 3 Monaten.
Bei den Hemiprothesen ist die Erosion der glenoidalen Gelenkfläche die Hauptkomplikation. Im mittelfristigen und vor allem im Langzeitverlauf kann hier durchaus ein relevanter Substanzverlust des Glenoidknochens entstehen (Werner et al. 2017). Vor allem bei asymmetrischer Druckverteilung durch einen nicht zentrierten Humeruskopf kommt es häufig zu dorsalen Glenoiddefekten vom Typ B2 und B3 nach Walch. Im Wesentlichen entsprechen die Komplikationen nach Hemiendoprothesen denen nach bei primärer Omarthrose.
Die Hauptkomplikationen von Totalendoprothesen sind Prothesenlockerungen oder sekundäre Rotatorenmanschettenläsionen. Insgesamt unterscheiden sich hier die Lockerungsraten nicht von denen bei TEP-Implantation nach primärer Omarthrose oder Implantation von inversen Endoprothesen bei Defektarthropathie.
Fazit für die Praxis
Durch die heutigen modernen Bildgebungsverfahren kann mittels Röntgen, CT und MRT in aller Regel das Stadium der Erkrankung mit Befall von Knorpel, Knochen und Weichteilen sicher diagnostiziert werden. Nach wie vor sollten beim Stadium 1 und 2 mit erhaltenem Gelenkknorpel kopferhaltende Maßnahmen durchgeführten werden. Die arthroskopisch assistierte, retrograde Anbohrung kann in vielen Fällen das Fortschreiten der Erkrankung verzögern oder verhindern und ist in diesen Fällen zu empfehlen. Zusatzmaßnahmen wie Knochenmarktransplantationen oder Spaneinbolzungen sind beschrieben, jedoch von ihrer Wertigkeit umstritten und unklar. Im Stadium 3 sind kopferhaltende Maßnahmen sehr kritisch zu indizieren, da sich hier meist das Fortschreiten nicht mehr aufhalten lässt. Hier kann in Abhängigkeit von der Ausdehnung der Nekrose eine Implantation einer Teilprothese mit guten Ergebnissen empfohlen werden. Im Stadium 4 bei erhaltenem Knorpel auf der Glenoidseite ist die schaftlose Kopfprothese die Therapie der Wahl. Inwieweit neue Oberflächenmaterialien wie Pyrocarbon die Langzeitergebnisse verbessern werden, muss noch abgewartet werden. Die ersten Ergebnisse sind jedoch sehr ermutigend.
Im Stadium 5 mit Beteiligung des Glenoids und intakter Rotatorenmanschette ist die anatomische Totalendoprothese die Therapie der Wahl. Gerade bei posttraumatischen Nekrosen mit ausgeprägtem Weichteilschaden und Insuffizienz der Rotatorenmanschette sollte die primäre Indikation zur inversen Endoprothese großzügig gestellt werden. (Abb. 13)
Abb. 13
Modifizierter Algorithmus Schulterschmerz, nach Hasan und Romeo 2002
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