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AE-Manual der Endoprothetik
Info
Verfasst von:
Andreas Prescher
Publiziert am: 12.01.2022

Knieendoprothetik: Anatomie des Kniegelenks

Für die operativen Maßnahmen der Kniechirurgie ist die komplexe Anatomie und Biomechanik der Kniegelenke von entscheidender Bedeutung. Der vorgelegte Beitrag versucht in knapper Form die wichtigsten anatomischen und topografischen Gegebenheiten darzustellen und zu illustrieren. Besonderes Gewicht wird dabei auf die Knochenstrukturen mit ihren Varietäten gelegt. Auch der Bandapparat wird ausführlich behandelt. Abgerundet wird die Darstellung durch die Besprechung der Meniski, der Bursen und der Leitungsbahnen. Zu den einzelnen Themen wird relevante, weiterführende Literatur angegeben.
In der Kniegelenkchirurgie ist die Anatomie der Schlüssel zum Erfolg(D.C. Hughston)

Einführung

Das Kniegelenk ist schon seit langer Zeit intensiv unter anatomischen, funktionellen und entwicklungsgeschichtlichen Gesichtspunkten bearbeitet worden. Trotzdem sind bis heute noch nicht alle Details hinreichend verstanden und geklärt. Als klassische Arbeiten, die sozusagen das Fundament der späteren Forschungen und Darstellungen legten, sei zum einen die „Anatomie der Gehwerkzeuge“ der Gebrüder Weber aus dem Jahre 1836 genannt und zum anderen die Monografie von Robert „Über die Anatomie und Mechanik des Kniegelenkes“ aus dem Jahre 1855. Eine gute Übersicht über die weitere sehr spannende Entwicklung der anatomisch-physiologischen Forschungen zum Kniegelenk geben Wetz und Jacob (2001).
Das Kniegelenk ist das größte Gelenk des menschlichen Körpers und weist zwei Freiheitsgrade auf: Es kann gestreckt und gebeugt werden und zusätzlich kann in der Beugeposition noch eine axiale Längsrotation ausgeführt werden. Damit erfüllt das Kniegelenk zwei konträre Anforderungen: Es muss in der Streckstellung eine hohe Stabilität gewährleisten und die Teilkörpergewichte tragen. Zusätzlich muss es in der Beugestellung gut beweglich sein, um dem Fuß den nötigen Verkehrsraum zur Verfügung zu stellen. Um diesen Anforderungen zu genügen, ist ein kompliziertes Gelenk entstanden, das als typisches Beispiel für ein zusammengesetztes Gelenk, eine Articulatio composita, gelten kann. Es besteht aus einer Articulatio femorotibialis und einer Articulatio femoropatellaris. Die Articulatio femorotibialis wird durch die Einfügung der Meniski noch weiter untergliedert in eine Articulatio meniscofemoralis und eine Articulatio meniscotibialis. Weiterhin kann das Kniegelenk als typische Articulatio bicondylaris angesehen werden, in der zwei räumlich voneinander getrennte Gelenke immer zusammenspielen. Bezüglich der Mechanik sind Scharnierbewegung und Rotation konstruktiv miteinander vereinigt, sodass es sich beim Kniegelenk um einen Trochoginglymus, ein Drehgleitgelenk, handelt.

Knöcherne Strukturen

Femur

Das Femur läuft distal in zwei Gelenkrollen, Condylus medialis et lateralis, aus, die ventral durch die sattelförmige Facies patellaris, das Gleitlager für die Patella, miteinander verbunden werden. Dabei wird die Facies patellaris durch eine Linea condylopatellaris medialis bzw. lateralis von den Kondylengelenkflächen getrennt. Der laterale Anteil der Facies patellaris reicht weiter nach proximal als der mediale. Die Femurtrochlea zeigt im Bereich des Patellagleitlagers nur selten eine symmetrische Ausprägung (Euplasie). Vielmehr kommt hier häufig eine Hypoplasie der medialen Kondylenwange vor. Die unterschiedlichen Ausprägungen können nach Gschwend und Bischofsberger (1971) klassifiziert werden und stehen in engem Zusammenhang mit der Ausformung der Gelenkflächen der Patellarückseite. Die größte Knorpeldicke findet sich auf der lateralen Kondylenwange (Putz et al. 1987). Dorsal werden die beiden Kondyli durch die tiefe, knorpelfreie Fossa intercondylaris voneinander geschieden. Die Fossa intercondylaris stellt nicht nur einen Raum zur Aufnahme der Kreuzbänder dar, sondern dient auch der Stabilisierung des Kniegelenks in der Streckstellung. In der Streckstellung verzahnt sich nämlich die Eminentia intercondylaris der Tibia innerhalb der Fossa (Abb. 1a), sodass keine Rotationsbewegungen oder Seitenverschiebungen möglich werden. Diese Bewegungen werden erst in der Beugestellung wieder freigegeben (Abb. 1b). Im Bereich des Daches der Fossa intercondylaris befinden sich mehrere großkalibrige Foramina nutricia, die sich auch radiologisch manifestieren können (Abb. 1b). Der kompakte Knochen des Daches der Fossa intercondylaris stellt in der seitlichen Projektion das morphologische Korrelat der Blumensaatlinie dar (Abb. 2), die als wichtige Orientierungslinie und Landmarke dient. Im vorderen Abschnitt liegt lateral eine flache Rinnenbildung, in die sich das vordere Kreuzband bei der Extensionsstellung einlagert (Grant 1962). Diese Rinne wird klinisch auch gerne als Notch bezeichnet (Abb. 3). Der mediale, kräftigere Kondylus reicht bei unphysiologischerweise vertikal orientiertem Femur ca. 1–2 cm tiefer herab als der laterale. Seitlich oberhalb der beiden Kondylen findet sich jeweils eine prominente, aufgeraute Knochenpartie, der Epicondylus medialis bzw. lateralis. Auf dem Epicondylus medialis muss noch des Tuberculum adductorium erwähnt werden, das der Insertion der Hauptsehne des M. adductor magnus dient. In der Umgebung des Tuberculum adductorium finden sich bei Kindern und Jugendlichen oft Knochenirregularitäten, sog. tug lesions, die nicht mit malignen Prozessen verwechselt werden dürfen (Barnes und Gwinn 1974). Für die biomechanische Analyse des Kniegelenks sind die Krümmungsverhältnisse der Femurkondylen von besonderer Bedeutung. Prinzipiell liegen am distalen Femurende bikonvexe Gelenkflächen vor, d. h., es besteht sowohl eine Krümmung in der Sagittalebene als auch in der Frontalebene. Die sagittale Krümmung wird aus kleinen Kreisbögen zusammengesetzt, deren Radien von hinten nach vorne zunehmen, weshalb die sagittale Krümmung von vorne nach hinten allmählich zunimmt, bis der dorsale Abschnitt schließlich fast einem Kreisbogen entspricht. Es handelt sich somit um eine typische Spirale, wie es schon die Gebrüder Weber und Weber (1836) festgestellt hatten. Sehr genaue Vermessungen der Krümmungsverhältnisse liegen von Bugnion (1892) vor. Die Oberflächenkontur entspricht in der Sagittalebene einer Randkurve mit unterschiedlichen Krümmungsradien. Die Krümmungsmittelpunkte aller Gelenkflächenteilstrecken bilden die Evolute. Als Evolvente hingegen wird die Randkurve der Gelenkoberfläche bezeichnet. Medialer und lateraler Kondylus unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer sagittalen Krümmung, sondern auch in morphologischen Details. So läuft die Gelenkfläche des medialen Kondylus dorsal in eine kleine, nach kranial gerichtete, zungenförmige Ausziehung aus, wohingegen die Gelenkfläche des lateralen Kondylus in einer fast geraden Linie endet (Abb. 4). Auch die seitlichen Konturen unterscheiden sich, z. B. in der Lage der Grenzrinne (Ravelli 1949). Weiter ist die Stellung der Oberschenkelrollen zueinander von Bedeutung. Nach dorsal zeigen sie eine geringe Divergenz, wodurch der Breitendurchmesser des Kniegelenks hinten größer wird. Auch stehen sie nicht parallel zueinander, sondern geneigt, sodass die Außenränder tiefer stehen als die Innenränder der Rollen. Im distalen Femurende sollte zur Geburt ein Knochenkern, der Beclard’sche Kern, vorhanden sein (Reifezeichen!). Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen zeigt die Profilaufnahme eine dreieckige Aufhellung im vorderen Bereich der distalen Femurepiphyse, die als Ludloff’scher Fleck bezeichnet wird und zur regulären Anatomie gehört. Die distale Epiphysenfuge verschließt sich um das 20. Lebensjahr.

Tibia

Das proximale Tibiaende, der sog. Tibiakopf, wird von einem Condylus lateralis und einem Condylus medialis gebildet. Die obere Fläche, das Tibiaplateau, weist eine mediale und eine laterale, jeweils eiförmige Gelenkfläche auf, die durch die Eminentia intercondylaris voneinander getrennt werden. Die proximalen Gelenkflächen der Tibia passen wegen ihrer geringen Konkavität schlecht zu den Femurrollen (Fick 1904) und meistens liegt die laterale Gelenkfläche etwas höher. Da sich die Gelenkflächen auf die Tuberkula der Eminentia intercondylaris erstrecken, erhalten sie eine leicht konkave, von lateral nach medial zunehmende Höhlung, wobei die Knorpelbedeckung im Bereich der Tuberkula dicker ist als im peripheren, von den Meniski bedeckten Randsaum. Vor der Eminentia intercondylaris befindet sich die Area intercondylaris anterior, dahinter die Area intercondylaris posterior. Die Eminentia intercondylaris selbst besteht aus zwei nebeneinander gelegenen Knochenhöckern, dem Tuberculum intercondylare mediale bzw. laterale. Nach den Untersuchungen von Bauer (1931) werden drei Ausprägungen der Eminentia intercondylaris beschrieben:
  • Typ I: mediales Tuberkulum höher als laterales (62 %),
  • Typ II: beide Tuberkula gleich hoch (30 %),
  • Typ III: laterales Tuberkulum höher als mediales (8 %).
Die Eminentia intercondylaris ist ein sehr effektiver knöcherner Stabilisator (s. oben). Ventral am proximalen Tibiaende liegt die mächtige Tuberositas tibiae, die der Insertion des Lig. patellae dient. Etwas lateral kann ein weiterer, schwach ausgebildeter Knochenhöcker gesehen werden, der als Tuberculum tractus iliotibialis Gerdy bezeichnet wird und der der Befestigung des Tractus iliotibialis (Maissiat’scher Streifen) dient. An der hinteren seitlichen Fläche der Tibia befindet sich die Gelenkfacette für die Anlagerung der Fibula. Da sich die Fibula ursprünglich auch an der Bildung des Kniegelenks beteiligt hat, besteht als historischer Rest dieser Entwicklung häufig eine Kommunikation zwischen dem Kniegelenk und der Articulatio tibiofibularis proximalis. Das Tibiaplateau ist um ca. 9° nach dorsal geneigt (Retroversio tibiae), außerdem liegen die Gelenkkörper dorsal der Tibiaschaftachse, was als Retropositio bezeichnet wird. Der Knochenkern der proximalen Tibiaepiphyse erscheint am Ende des 10. Fetalmonats. Der Apophysenkern der Tuberositas tibiae tritt um das 12. Lebensjahr herum auf und verschmilzt dann mit der proximalen Epiphyse. Die proximale Epiphysenfuge fusioniert zwischen dem 19. und 21. Lebensjahr. In manchen Fällen kann ein Tuberculum intercondylicum tertium bzw. quartum beobachtet werden (Ravelli 1949). Das Tuberculum intercondylicum tertium (Abb. 5), auf das Politzer und Pick (1937) erstmalig aufmerksam machten, liegt im Bereich der Area intercondylaris anterior und kommt in ca. 3 % vor (Ravelli 1949). Das seltenere (ca. 1,1 %), von Wichtl (1941) erstmalig nachgewiesene, Tuberculum intercondylicum quartum liegt im Bereich der Area intercondylaris posterior.

Patella

Die Patella stellt das größte, in die Sehne des M. quadriceps femoris eingelagerte Sesambein des menschlichen Körpers dar und weist eine dreieckige Gestalt auf. Kranial liegt die Basis patellae, kaudal der Apex patellae. Auf der Facies anterior patellae können zarte Knochenrinnen gesehen werden, in denen die Sehnenfasern der Quadrizepssehne verlaufen und über Sharpey’sche Fasern auch im Knochen verankert sind. Kommt es zur Ossifikation dieser Fasern (Fibroostose), so entstehen die sehr häufig im Bereich der Patellabasis, aber auch im Bereich der Patellaspitze zu beobachtenden Patellazähne (oberer und unterer Patellasporn; Abb. 6a). Auch werden auf der Facies anterior immer wieder feine Foramina nutricia beobachtet, die für die Blutgefäßversorgung der Kniescheibe wichtig sind (Abb. 6e). Die dorsale Seite der Patella weist nur oberhalb des Apex patellae eine Gelenkfläche auf, sodass die Rückseite des Apex frei bleibt und nur von einer sehr dünnen Kompaktalamelle überkleidet wird. Hier treten ernährende Gefäße in die untere Partie der Patella ein. Die Gelenkfläche der Patella wird durch einen senkrechten Knochenfirst in eine mediale und eine laterale Gelenkfacette unterteilt. In der Regel ist die mediale Facette kleiner als die laterale. Immer ist die Patella medial dicker als lateral. Die beiden Gelenkflächen der Facies posterior patellae sind gegeneinander geneigt und bilden somit den Patellaöffnungswinkel, der ca. 120–140° beträgt. Insbesondere bei langen Patellaformen kann zentral eine schwache Eindellung beobachtete werden: die Haglund’sche Delle (Abb. 6b). Am medialen Rand biegt die Gelenkfläche oft in eine sagittale, kleine zusätzliche Gelenkrandfacette um, die als Odd-Facette („zusätzliche“ Facette) bezeichnet wird (Abb. 6c). Je nach Ausprägung der medialen und der lateralen Gelenkfacetten, werden unterschiedliche Patellatypen definiert, die nach Wiberg (1941) und Baumgartl (1964) eingeteilt werden können (Abb. 7). Diese Klassifikation basiert auf der Patellamorphologie, wie sie sich in der Defile-Aufnahme darstellt. Auch die seitliche Profilaufnahme der Patella kann zur Einteilung der außerordentlich variablen Patellaform verwendet werden (Hepp 1983). Hin und wieder bestehen an der Patella isolierte Knochenpartien, sodass eine Patella bipartita oder multipartita vorliegt. Am häufigsten findet sich ein persistierender eigenständiger Knochenkern an der lateralen Seite der Patella (Abb. 6d). Auch die Spitze des Apex patellae kann isoliert sein (Abb. 6e). Befindet sich auf der lateralen Seite eine Einmuldung, in der jedoch kein isolierter Knochenkern liegt, so wird von einer Patella emarginata (Abb. 6f) gesprochen. Diese Entität wurde von Kempson (1902) erstmals beschrieben und der Terminus „Emargination“ eingeführt. Eine genaue und originelle Untersuchung zur Erklärung der Patella bipartita und der Emargination legte Olbrich (1950) vor. In der knorpelig präformierten Kniescheibe entwickeln sich im 3.–4. Lebensjahr mehrere Knochenkerne, die zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr synostotisch miteinander verschmelzen. Die Entwicklung der Patella zeigt zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr einen starken Geschlechtsdimorphismus (Hellmer 1935, 1941). Die Patella ist eine für das Kniegelenk sehr wichtige Struktur, die die Wirksamkeit der Quadrizepssehne steigert und die Gelenkbelastung verringert (Kapandji 2006).

Fabella

Im Caput laterale des M. gastrocnemius kommt in 16,3 % (Hessen 1946) ein rundlich-ovales Sesambein vor, das als Fabella (Böhnchen) oder Sesamum genus superius laterale bezeichnet wird. In 63–85 % besteht Doppelseitigkeit. Das Auftreten der Fabella hängt stark von Herkunft, Alter und Geschlecht der Individuen ab (Berthaume und Bull 2020). In der Regel kann die Fabella wegen fehlender Ossifikation nicht vor dem 12.–15. Lebensjahr festgestellt werden. Die laterale Fabella wird durch einen langen, oberflächlichen Bandzug, dem Lig. fabellofibulare Vallois, (Abb. 9a) am Fibulaköpfchen befestigt. Selten kann auch im medialen Ursprungskopf des M. gastrocnemius eine Fabella auftreten und als besondere Rarität muss das simultane mediale und laterale Vorhandensein gewertet werden (Kremser 1930), das jedoch bei vielen Tieren (Ratten, Kaninchen und Fleischfressern) die Regel ist. In der vergleichenden Anatomie werden die Fabellae auch als Ossa vesaliana bezeichnet. Die klinische Bedeutung der Fabella besteht in der Verwechslung mit einem freien Gelenkkörper oder einer traumatischen Knochenabsprengung. Bei starker Überstreckung des Kniegelenkes kann es auch zu einem Querbruch der Fabella kommen.

Gelenkkapsel

Stratum fibrosum

Die Gelenkkapsel des Kniegelenks weist, was Fick (1904) eindrücklich betont, wie üblich zwei Schichten, das Stratum fibrosum und das Stratum synoviale, auf. Das Stratum fibrosum inseriert ca. 1 cm neben der Knorpel-Knochen-Grenze des Femurs und der Tibia und umschließt das gesamte Kniegelenk, wobei es an der die Fossa intercondylaris dorsokranial begrenzenden Linea intercondylaris inseriert. Dadurch überspannt es die Fossa als stark gestraffte kollagenfaserige Platte, die von Blutgefäßen (A./V. media genus) perforiert wird. Seitlich ist das Stratum fibrosum mit den Meniskusbasen fest verwachsen. Lateral und medial ist das Stratum fibrosum kräftig verstärkt, sodass hier oft von einem medialen und einem lateralen Kapselband gesprochen wird.

Stratum synoviale

Das Stratum synoviale ist im anterioren, medialen und lateralen Bereich an der Knochen-Knorpel-Grenze des Femurs und des Tibiakopfs befestigt. Dorsal schiebt es sich zwischen die beiden Gelenkfacetten des Tibiaplateaus und umfasst die Area intercondylaris anterior. Dadurch wird der Kreuzbandkomplex ebenfalls umgriffen und gelangt in eine extraartikuläre (extrasynoviale) Lage zwischen Stratum synoviale und fibrosum. Am Femur liegt die Befestigungslinie in der Fossa intercondylaris, an den dorsalen und lateralen Knorpelrändern der Kondylen und an den Seitenrändern der Facies patellaris. Im Bereich der distalen Femurvorderfläche wird ein mächtiges Fettpolster überkleidet (Abb. 9). Unterhalb der Patella schiebt sich zwischen das Stratum fibrosum und das Stratum synoviale ein pyramidenförmiger Fettkörper. Dieser verformbare Körper wird als Corpus adiposum infrapatellare Hoffa (Abb. 9 und 11) bezeichnet und weist an seiner Oberfläche zwei von den Patellaseitenrändern herablaufende zottenförmige Fettfalten auf, die Plicae alares. Ist die mediale Plica alaris besonders prominent ausgebildet, wird sie auch als Plica parapatellaris medialis bezeichnet und kann Ursache eines Plicasyndroms werden. Mediosagittal geht vom Hoffa’schen Fettkörper eine variabel gestaltete Synovialfalte aus, die sich dem vorderen Kreuzband anlegt und in der Fossa intercondylaris angeheftet ist. Bei kräftiger Ausprägung darf diese gefäßführende Plica synovialis infrapatellaris (Rudimentum septi genus) arthroskopisch nicht mit dem vorderen Kreuzband selbst verwechselt werden. Bei dieser Falte handelt es sich um ein weitgehend funktionsloses, entwicklungsgeschichtliches Relikt der ehemaligen Trennwand des Kniegelenks.

Cavum articulare

Der außerordentlich geräumige Gelenkraum des Kniegelenks erstreckt sich bis ca. 3 cm unter die Strecksehne, wobei dieser Bereich als oberer Rezessus des Kniegelenks bezeichnet wird. Von diesem wird in den meisten Fällen durch eine zirkuläre oder halbmondförmige Wulstbildung, die Plica suprapatellaris, ein Recessus suprapatellaris abgesetzt, der sich von einer ursprünglich nicht mit dem Kniegelenk kommunizierenden Bursa, der Bursa suprapatellaris, ableitet. Oft werden die beiden auf unterschiedliche Weise entstehenden Räume nomenklatorisch nicht unterschieden und nur von einem Recessus suprapatellaris gesprochen. Der Recessus suprapatellaris ist funktionell außerordentlich bedeutsam, da hier das für die Kniebeugung über 90° so wichtige Reservematerial zur Verfügung gestellt wird (sog. Entrollfunktion; Müller 1982). Distal des Ursprungsfeldes des M. vastus intermedius entspringen noch einzelne Muskelfasern von der Femurvorderfläche, die im proximalen Scheitelbereich des Recessus suprapatellaris inserieren und die als M. articularis genus bezeichnet werden. Dieser Muskel unterstützt das Offenhalten des Rezessus und beugt seiner Obliteration vor. Von Bedeutung ist der Recessus subpopliteus, der sich unter die Sehne des M. popliteus schiebt und in ca. 14 % der Fälle mit dem Gelenkraum der Articulatio tibiofibularis in Kontakt steht. An den Seitenrändern der Patella finden sich die variabel ausgebildeten rinnenförmigen Recessus parapatellares.
Die Gelenkkapsel des Kniegelenks wird durch kräftige Bänder verstärkt, sodass bei weitgehend fehlender Knochenführung eine ausgeprägte Bandführung entsteht. Der Kapsel-Band-Apparat des Kniegelenks kann am besten nach topografischen Gesichtspunkten untergliedert werden, sodass ein vorderer, medialer, lateraler, hinterer und zentraler Bandkomplex zu beschreiben ist.

Bandapparat

Vorderer Bandkomplex (sog. Streckapparat)

Der Streckapparat (Abb. 8) umfasst neben der Patella folgende ligamentäre Strukturen:
1.
Tendo m. quadricipitis und Lig. patellae,
 
2.
Retinaculum patellae longitudinale mediale bzw. laterale,
 
3.
Retinaculum patellae transversale mediale bzw. laterale,
 
4.
Ligg. patellomeniscalia.
 
Diese Strukturen des vorderen Bandapparates sind stratigrafisch geordnet und in drei Lagen organisiert: Oberflächlich-zentral liegt die Sehne des M. quadriceps femoris, die über die Patella hinweg zieht, um dann als Lig. patellae an der Tuberositas tibiae zu inserieren. Medial und lateral zieht ein Faserkontingent dieser Sehne seitlich an der Patella vorbei zur Tibia. Diese Faserzüge werden als Retinaculum patellae mediale bzw. laterale (Reservestreckapparat) bezeichnet. Unter diesen Strukturen werden quer oder schräg verlaufende kollagene Faserzüge angetroffen, die in ihrer Gesamtheit das mediale bzw. laterale Retinaculum transversale bilden. Im Einzelnen werden, je nach Insertion, verschiedene Anteile beschrieben. Befestigen die Faserzüge die Patella am Femur, so werden sie als mediales bzw. laterales Lig. patellofemorale bezeichnet. Insbesondere das Lig. patellofemorale mediale ist funktionell wichtig, da es die laterale Dislokation der Patella verhindert. Schräge Faserzüge, die sowohl medial als auch lateral zur Tibia ziehen, werden als Lig. patellotibiale mediale bzw. laterale benannt und sichern die Kniescheibe ebenfalls gegenüber seitlichen Verschiebungen. Unter diesen queren Retinakula werden weitere schräge Faserzüge beobachtet, die von der Patella an die Vorderhörner der Meniski ziehen oder sich von den Ligg. patellotibialia abspalten. Diese, sowohl medial als auch lateral ausgeprägten Ligg. patellomeniscalia, dienen der Bewegung der Meniski bei Streckung und Rotation.

Seitenbandapparat

Der Seitenbandapparat (Abb. 9) besteht aus einem einfach strukturierten Lig. collaterale laterale (fibulare; Außenband) und einem komplizierten, aus mehreren Komponenten zusammengesetzten Lig. collaterale mediale (tibiale; Innenband). Beide Kollateralbänder sichern das Kniegelenk in der Frontalebene, d. h. ein seitliches Aufklappen des Kniegelenks wird verhindert. Die Bänder sind in maximaler Streckstellung, also nach der Schlussrotation, am stärksten gespannt und in Beugeposition entspannt, wodurch die Rotation freigegeben wird. Die Außenrotation wird dann allerdings durch die Seitenbänder auch beschränkt. Bei seitlicher Betrachtung überkreuzen sich laterales und mediales Kollateralband spitzwinkelig. Das laterale Kollateralband ist deutlich kürzer als das mediale.

Ligamentum collaterale laterale

Das laterale Seitenband (Abb. 9a) ist eine unkomplizierte, fast drehrunde Struktur, die kranial vom Epicondylus lateralis femoris entspringt und kaudal an der lateralen und anterioren Partie des Caput fibulae inseriert. Durch diese Insertion wird der gesamte Bandzug nach lateral vom Gelenk abgerückt und nimmt keine Verbindung zum lateralen Meniskus und der lateralen Gelenkkapsel auf. Vielmehr entsteht unter dem Lig. collaterale laterale ein Raum, durch den die im Sulcus popliteus des Femurs eingelagerte Ursprungssehne des M. popliteus zieht. Die verbleibenden Partien werden durch ein lockeres, fetthaltiges Bindegewebe und manchmal von Schleimbeuteln ausgefüllt. Da der Epicondylus lateralis deutlich nach anterior versetzt ist, resultiert bei gestrecktem Knie eine leicht schräge Verlaufsrichtung des Bandes von kranioventral nach posterokaudal. Im dorsalen Bereich findet sich oft eine weitere Kapselverstärkung, die als Lig. collaterale laterale posterius bezeichnet worden ist (von Meyer 1853; Abschn. 4.3).

Ligamentum collaterale mediale

Beim Lig. collaterale mediale (Abb. 9b) handelt es sich um einen breitflächigen, komplizierten Bandkomplex, der vom Epicondylus medialis femoris entspringt und dann schräg über das Kniegelenk hinweg zur Tibia zieht. Hier inseriert der Bandzug ventral des Margo medialis an der Facies medialis tibiae hinter der Insertion der Sehnen des Pes anserinus superficialis. Hervorzuheben ist die schräge Streichrichtung des Bandes (15–20° zur Achse der Tibia) in Streckstellung. Am Lig. collaterale mediale können unterschiedliche Abschnitte unterschieden werden: Der breite Bandstreifen lässt einen vorderen und einen hinteren Abschnitt erkennen. Die vordere Partie zeigt parallele kollagene Fasern, die der Gelenkkapsel (dem mittleren Abschnitt des sog. medialen Kapselbandes) nur locker aufliegen. Da diese beiden Strukturen gegeneinander verschieblich sein müssen, ist zwischen ihnen in der Regel eine Bursa ligamentum collateralis tibialis ausgebildet. Es muss besonders darauf hingewiesen werden, dass in diesem vorderen Segment keine Verbindung zum Meniskus besteht. Die hintere Partie wird auch als Lig. collaterale tibiale posterius bezeichnet und lässt sich in einen oberflächlichen und einen tiefen Anteil unterscheiden. Der superfizielle Anteil ist parallelfaserig strukturiert und inseriert ebenfalls an der Tibia, wohingegen im tiefen Anteil kurze Faserzüge vorherrschen. Diese ziehen zum einen schräg vom Femur zur Meniskusbasis und zum anderen von der Tibia zur Meniskusbasis. Diese Fasersysteme werden auch als Lig. meniscofemorale und Lig. meniscotibiale (Lig. coronarium) bezeichnet. Die tiefen Anteile sind untrennbar in die Gelenkkapsel integriert und werden ungenau auch „mediales Kapselband“ genannt. Dorsal geht das Lig. collaterale tibiale posterius kontinuierlich in das von Hughston und Eilers (1973) sehr detailliert beschriebene „posterior oblique ligament“ (hinteres Schrägband) über. Es verwundert nicht, wenn bei der komplizierten Struktur des medialen Bandkomplexes nomenklatorische Schwierigkeiten auftreten. So bezeichnen Hughston und Eilers (1973) nur den vorderen, dem medialen Kapselband lose aufliegenden Anteil als Lig. collaterale mediale. Den gesamten hinteren, aus dem Bereich des Tuberculum adductorium entspringenden Anteil nennen sie „hinteres Schrägband“ und unterscheiden hier drei Insertionsarme: zentraler (tibialer) Zügel, oberer (kapsulärer) Zügel und unterer (distaler) Zügel. Hierbei entspricht der untere (distale) Zügel dem Lig. collaterale tibiale posterius und der zentrale (tibiale) Zügel den Ligg. meniscofemorale bzw. meniscotibiale. Bei Verwendung dieser Begriffe besteht das „hintere Schrägband“ dann nur aus dem Faserzügel, der in die dorsale Gelenkkapsel einstrahlt und mit dem Lig. popliteum obliquum in Verbindung steht. Für die Funktion des Kniegelenks, insbesondere die Stabilisierung und die Meniskusprotektion bei Beugung ist das „hintere Schrägband“ von entscheidender Bedeutung. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass die derzeit gültigen Terminologia Anatomica (1998) nur ein sehr eingeschränktes Repertoire an Begriffen bietet, das für die ausführliche anatomische Beschreibung des Knies bei weitem nicht ausreicht. Es wurden mittlerweile zahlreiche Begriffe eingeführt, die jedoch oftmals von unterschiedlichen Autoren differierend verwendet werden oder deren exakte Definition man vermeidet. Diese Definitions- und Nomenklaturproblematik kann hier nur angerissen werden. Sie bedarf aber einer sorgfältigen Klärung, um Missverständnisse, oberflächlich-unscharfe Beschreibungen und Fehlinterpretationen zu vermeiden.

Hinterer Bandapparat

Die Dorsalseite des Kniegelenks wird durch sehr kräftige Bandstrukturen verstärkt und ist in Streckstellung angespannt. Hierdurch wird eine Überstreckung wirkungsvoll verhindert und ein wesentlicher Beitrag zur Seitenstabilisierung geliefert. Der hintere Bandapparat (Abb. 10) ist eine recht komplizierte Anordnung von Bändern und Muskeln, wobei die Bänder zum Teil als Insertions- oder Ursprungsstrukturen von Muskeln angesehen werden müssen. Im Einzelnen werden beschrieben:
1.
mediale und laterale Polkappe,
 
2.
Tendo m. semimembranosi mit Pes anserinus profundus,
 
3.
Lig. popliteum obliquum,
 
4.
M. popliteus,
 
5.
Lig. popliteum arcuatum.
 
Kranial liegen über beiden Kondylenrollen Kapselverstärkungen, die als mediale und laterale Polkappe bezeichnet werden. Diese Polkappen unterfüttern die beiden Ursprungsköpfe des M. gastrocnemius, die hier mit der Gelenkkapsel fest verwachsen sind, was zu einer zusätzlichen Verstärkung führt. Eine ganz wichtige Rolle spielt die Insertion des M. semimembranosus, dessen Sehne den Pes anserinus profundus als Insertionsstruktur ausbildet und der die posteromediale Ecke des Kniegelenks besetzt und dominiert. Aus diesem Grunde hat sich auch der Begriff des Semimembranosusecks eingebürgert. Es müssen fünf verschiedene Insertionszügel beschrieben werden:
1.
zur Medialseite des medialen Tibiakondylus,
 
2.
zur Dorsalseite des medialen Tibiakondylus,
 
3.
das Lig. popliteum obliquum,
 
4.
Verbindung zum hinteren Schrägband und zum medialen Meniskus und
 
5.
zur Aponeurose des M. popliteus und zur dorsalen Fläche der Tibia.
 
Ein großer Teil der Sehnenfasern des M. semimembranosus bildet das schräg über die Gelenkhinterwand ziehende Lig. popliteum obliquum. Dieses Band beginnt an der lateralen Seite der mit der Kniegelenkkapsel verwachsenen Sehne des M. semimembranosus und zieht schräg ansteigend zur lateralen Polkappe unter den M. plantaris und den lateralen Kopf des M. gastrocnemius. Ist eine laterale Fabella ausgebildet, fassen Fasern auch an diesem Sesambein Fuß. Der Bandzug wird oft von dorsal in das Kniegelenk eintretenden Gefäßen perforiert. Die dorsolaterale Ecke des Kniegelenks wird im Wesentlichen vom M. popliteus gesichert: das Popliteuseck. Dieser Muskel entspringt mit einer kräftigen Sehne aus dem Sulcus popliteus des lateralen Femurkondylus und zusätzlich mit einer breiten, flachen Sehnenplatte vom Lig. popliteum arcuatum. Sein Muskelbauch inseriert auf der dorsalen Fläche der Tibia oberhalb der Linea m. solei. Die breitsehnige Verbindung zum Arkuatumkomplex ist funktionell bedeutsam, da sie stabilisierend und dynamisierend auf diese Bandstrukturen wirkt. Auf der lateralen Seite ist das Lig. popliteum arcuatum ausgebildet, das vom Apex capitis fibulae entspringt und sich dann in zwei Zügel aufteilt: Der laterale, auch als Lig. popliteofibulare bezeichnete, verbindet sich mit der Popliteussehne. Oftmals laufen auch Fasern weiter nach kranial und inserieren in der lateralen Polkappe und an der evtl. vorhandenen Fabella. Diese Fasern werden auch als Retinaculum ligament arcuati (Lig. collaterale laterale posterius) bezeichnet. Ist eine Fabella vorhanden, entspricht dieser Bandzug dem Lig. fabellofibulare (Lig. de Vallois). Der mediale Zügel hingegen bildet die typische bogenförmige Arkade, verbindet sich mit dem Lig. popliteum obliquum und läuft dann an der dorsalen Tibiafläche aus, wobei Verbindungen zum Hinterhorn des Außenmeniskus bestehen. Unter der namensgebenden Arkade tritt die Sehne des M. popliteus in die Gelenkkapsel des Kniegelenks ein. Für die funktionelle Betrachtung werden oftmals dorsale und mediale bzw. laterale Strukturen zusammengefasst, sodass von posterolateralen und posteromedialen Strukturen gesprochen wird. Eine genaue Analyse der funktionellen Gegebenheiten all dieser Gebilde liefern Müller (1982) und Petersen et al. (2006).

Zentraler Bandkomplex (Ligg. cruciata, sog. Binnenbänder)

Der sog. Binnenbandapparat (Abb. 11) wird von den beiden extrasynovial, größtenteils in der Fossa intercondylaris des Femurs gelegenen, ca. 3,8 cm (Girgis et al. 1975) bis 4 cm (Fick 1904) langen, schräg verlaufenden Kreuzbändern gebildet: dem Lig. cruciatum anterius und posterius. Genaue Daten zu den Abmessungen der Bänder stellt Kummer (2005) zusammen. Die beiden Bänder sind keine wirklichen Binnenraumbänder, sondern müssen als Verstärkungszüge der Kapselhinterwand (Fick 1904) aufgefasst werden. Diese Verstärkungszüge springen allerdings stark prominent in den Gelenkraum vor, sodass der Eindruck von intraartikulären Strukturen hervorgerufen wird. Sie werden nur vorn und seitlich vom Stratum synoviale eingehüllt, wohingegen dorsal das Stratum fibrosum liegt. Da sie von intraartikulär erreichbar sind, hat es sich in der Klinik jedoch eingebürgert, von einer „intraartikulären“ Lage zu sprechen (Tillmann und Petersen 2000). Wegen der herausragenden Stabilisierungsfunktion der beiden Kreuzbänder hat die Lyoner Schule für beide Bänder zusammen auch den Begriff des „Pivot central“ geprägt. Da sich beide Bänder tatsächlich wie ein X überkreuzen, besteht der Name Ligg. cruciata zu Recht. Zwischen den beiden Bändern befindet sich oft ein kleiner Schleimbeutel, die Bursa intercruciata (Fick 1904). In den Kreuzbändern liegen Mechanorezeptoren und freie Nervenendigungen (Schultz et al. 1984; Schutte et al. 1987; Zimny et al. 1986) und bedingen eine propriozeptive Funktion der Kreuzbänder, deren Bedeutung für die Steuerung der Kniebewegungen stark angenommen wird, aber die noch nicht sicher bewiesen ist (Kummer 2005). Zum zentralen Bandkomplex können noch zwei Bandzüge gerechnet werden, die sich dem hinteren Kreuzband anlagern: Lig. meniscofemorale anterius (Humphrey) und Lig. meniscofemorale posterius (Weitbrecht, Wrisberg oder Robert).

Lig. cruciatum anterius

Das Lig. cruciatum anterius (Abb. 11) entspringt von der medialen, hinteren Partie der Innenfläche des Condylus lateralis in einem ca. 2,3 cm hohen, nach ventral geneigtem Kreissegment (Girgis et al. 1975) und inseriert in der Area intercondylaris anterior, sodass eine schräge, von hinten lateral nach vorne medial gerichtete Streichrichtung besteht. Dabei zeigt das etwas abgeplattete Band eine leichte Verdrillung, sodass die untere Bandpartie nach vorn oben sieht, die obere jedoch nach lateral. Die vorderen Fasern sind länger als die hinteren, da sie kranial am Femur inserieren, wohingegen die kurzen hinteren Fasern mehr kaudal am Femur ansetzen (Kummer und Yamamoto 1988). Nach Girgis et al. (1975) besteht eine regelmäßige Insertion von Fasern des vorderen Kreuzbandes am Vorderhorn des lateralen Meniskus. Das vordere Kreuzband wird nach den Untersuchungen von Rudolf Fick (1911) in zwei nicht voneinander trennbare funktionell-anatomische Faserbündel aufgeteilt: Pars anteromedialis und Pars posterolateralis, wobei manche Autoren auch noch eine Pars intermedia einführen (Wagner und Schabus 1982; s. Abb. 11). Die Spannungszustände in den verschiedenen Funktionslagen des Kniegelenkes zeigt Tab. 1. Die Reißfestigkeit des vorderen Kreuzbandes beträgt 1725 N (Engebretsen u. Lewis 1996). Nach den Untersuchungen von Petersen und Tillmann (1996) zeigt das vordere Kreuzband ca. 5–10 mm oberhalb der tibialen Insertion eine Faserknorpeleinlagerung. Dieser Bereich liegt topografisch in „Grant’s notch“, die hier in Streckstellung wie ein Hypomochlion wirkt. Dadurch entsteht eine Situation mit wechselnder Druck- und Schubbeanspruchung, die die Entstehung von Faserknorpel erklärt (Tillmann und Schünke 1991). Die Gefäßversorgung des vorderen Kreuzbandes erfolgt im kranialen Anteil aus der A. genus media und in den kaudalen Partien aus den Aa. inferiores medialis et lateralis genus. Die Gefäße dringen mit horizontalen Ästen in das Kreuzband ein und verlaufen dann parallel zu den Kollagenfibrillenbündeln (Arnoczky 1983). Nach Petersen und Tillmann (1996) hat das Band im Bereich der Faserknorpeleinlagerung eine weitgehend avaskuläre Zone. Es ist bemerkenswert, dass von den Knocheninsertionen aus kaum eine nennenswerte Blutgefäßversorgung des Bandes erfolgt (Marshall et al. 1979).
Tab. 1
Funktionszustände der Ligg. Cruciata (nach Fick 1911)
Bänder
Streckung
Beugung
Lig. cruciatum anterior
  
Anteriomediales und intermediäres Bündel
Gespannt
Schlaff
Posterolaterales Bündel
Schlaff
Gespannt
Lig. cruciatum posterior
  
Anterolaterales Bündel
Schlaff
Gespannt
Posterolaterales Bündel
Gespannt
Schlaff

Ligamentum cruciatum posterius

Das Lig. cruciatum posterius (Abb. 11) entspringt fächerförmig in einem 3,2 cm langen, horizontal orientierten dorsalen Kreissegment von der lateralen Fläche des Condylus medialis und zieht schräg nach hinten lateral, um in der Area intercondylaris posterior zu inserieren. Es ist wichtig, dass ein kräftiger Anteil des Bandes über die Hinterkante der Tibia streicht, um an der dorsalen Tibiafläche Fuß zu fassen. Es besteht weiterhin eine regelmäßig vorkommende Faserverbindung zum Hinterhorn des Außenmeniskus (Girgis et al. 1975), die von den meniskofemoralen Ligamenten unterschieden werden muss. Eine Verbindung zum medialen Meniskus liegt nicht vor. Das hintere Kreuzband lässt im Gegensatz zum vorderen nur zwei nicht voneinander trennbare Bündel erkennen, die nach Fick (1911) als anterolaterales und als posteromediales Bündel bezeichnet werden. Bei den unterschiedlichen Funktionsstellungen des Kniegelenkes ergeben sich die Spannungsverhältnisse der Tab. 1. Die Reißfestigkeit wird für diese beiden Bündel deutlich unterschiedlich angegeben: für das anterolaterale mit 1494 N und für das posteromediale mit 242 N (Race und Amis 1994). Einige Autoren unterscheiden mehr als drei Faserbündel (z. B. Mommersteeg et al. 1995). Detaillierte Angaben zur Mikromorphologie des hinteren Kreuzbandes werden von Petersen und Tillmann (2000) mitgeteilt. Die Blutgefäßversorgung des hinteren Kreuzbandes erfolgt kranial ebenfalls aus der A. genus media und kaudal aus den Aa. inferiores medialis et lateralis genus. Ähnlich wie im vorderen Kreuzband kommt auch im hinteren eine faserknorpelige Zone im mittleren Drittel des Bandes vor und bedingt hier eine weitgehend avaskuläre Zone (Petersen und Tillmann 1999). In engem Zusammenhang mit dem hinteren Kreuzband liegen die beiden meniskofemoralen Bänder, das Lig. meniscofemorale anterius (Humphrey) und das Lig. meniscofemorale posterius (Weitbrecht, Wrisberg oder Robert; Abb. 11). Das Humphrey’sche Band zieht vom Hinterhorn des Außenmeniskus parallel und vor dem hinteren Kreuzband zur lateralen Fläche des medialen Kondylus. Das Lig. meniscofemorale posterius zieht ebenfalls vom Hinterhorn des Außenmeniskus zur lateralen Fläche des Condylus medialis, liegt dabei jedoch hinter dem Lig. cruciatum posterius. Über die Häufigkeit der Bänder besteht in der Literatur keine Einigkeit. Nach den Untersuchungen von Heller und Langman (1964) trat ein meniskofemorales Band in 71 % (140 Fällen) auf. Davon entfielen 35 % auf das posteriore, 36 % auf das anteriore. Bei 6 % der Fälle waren beide Bänder vorhanden. Nach Kummer (2005) sollen in 50 % der Fälle beide Bänder gemeinsam vorkommen. Bei 100 untersuchten Knien fand dieser Autor nie ein Gelenk ohne ein Lig. meniscofemorale. In einer neueren Untersuchung von Niess et al. (2000) an 122 Kniegelenken konnten die Bänder in 96 % nachgewiesen werden (82 % Wrisberg und 58 % Humphrey). Zusätzlich konnten diese Autoren zeigen, dass das hintere Band eine große Variationsbreite zeigt und drei wohl definierte Typen unterscheiden lässt.

Meniski

Die Inkongruenzen der Gelenkflächen werden durch die eingelagerten, im Querschnitt keilförmigen Meniski ausgeglichen. Bei den Meniski handelt es sich um faserknorpelige Halbscheiben, an denen ein vorderes Horn, ein Meniskuskörper und ein hinteres Horn unterschieden werden können (Abb. 10). Während die Meniski beim 1-jährigen Kind noch vollständig vaskularisiert sind, weisen sie beim Erwachsenen nur noch im äußeren Bereich (1,5–2 mm) Blutgefäße auf, die von der Gelenkkapsel her eintreten, sodass die inneren Partien, insbesondere die Meniskusschneide, avaskulär sind (Scapinelli 1968; Petersen und Tillmann 1995). Die ligamentären Abschnitte der Meniskushörner sind sehr gut vaskularisiert, wohingegen die chondralen Ansatzstrukturen an der Tibia avaskulär sind (Tillmann und Petersen 2000). Der Meniskus darf nicht als homogener Faserknorpel angesehen werden. Vielmehr besteht der Meniskus aus verschiedenen Lagen von unterschiedlich angeordneten Materialien und Fasersystemen, sodass eine Art Sperrholzbau resultiert. Detaillierte Untersuchungen zum Feinbau und zur Faserarchitektur der Meniski finden sich bei Petersen und Tillmann (1998). Der mediale und der laterale Meniskus weisen eine unterschiedliche Gestalt auf:
  • Meniscus medialis: sichelförmig, sein Vorderhorn wird über ein kurzes, aber kräftiges Band an der Area intercondylaris anterior befestigt. Sein Hinterhorn in gleicher Weise in der Area intercondylaris posterior.
  • Meniscus lateralis: kreisförmig, sodass die beiden Meniskushörner im Bereich der Eminentia intercondylaris dicht beieinander zu liegen kommen. Die Vorderhörner werden durch das Lig. transversum genus miteinander verbunden.
Da die Meniski axial belastet werden, würden sie ohne dieses Band seitlich aus dem Gelenkspalt herausgedrückt. Nach einer neueren Untersuchung (Muhle et al. 2000) wirkt sich das Lig. transversum genus restriktiv auf die posteriore Translationsbewegung des Vorderhorns des Innenmeniskus aus und soll deshalb auch einen Einfluss auf die Entstehung von Innenmeniskusschäden haben können. Das sehr variable Band, das oftmals vernachlässigt wird, stellt also einen wichtigen Faktor für die Meniskuslage dar. Es ist in MRT-Aufnahmen darstellbar und wird vom Hoffa’schen Fettkörper allseitig umschlossen. Die Meniski nehmen wichtige funktionelle Aufgaben wahr, die schlagwortartig zusammengefasst werden können:
1.
transportable Gelenkpfanne,
 
2.
Ausgleich von Inkongruenzen,
 
3.
gleichmäßige Druckverteilung,
 
4.
Hemmschuhwirkung.
 
Diese Einzelfunktionen lassen sich auch zusammenfassend dahingehend beschreiben, dass die Meniski die Lastaufnahmefläche vergrößern und gleichzeitig der Gelenkresultierenden einen erheblich größeren Spielraum ermöglichen (Kummer 1987). Wichtig ist, dass die Meniski bei allen Bewegungen des Kniegelenks ebenfalls bewegt werden. Bei der Streckung werden sie über die meniskopatellären Bänder nach vorne gezogen. Bei der Beugung durch Faserverbindungen mit dem M. semimembranosus und dem M. popliteus nach hinten. Bei der Innenrotation bewegt sich der Außenmeniskus nach hinten und der Innenmeniskus nach vorne. Bei der Außenrotation ist das umgekehrte Verhalten zu beobachten. Es muss noch festgestellt werden, dass die Meniskusbewegungen bei den Rotationsbewegungen des Kniegelenks weitgehend scheinbare Bewegungen sind, da das Tibiaplateau unter den Meniski weggedreht wird. Dies führt zu hohen Belastungen an den knöchernen Insertionspunkten der Meniski. Der größte Kontakt zum Femur besteht in der Streckstellung und wird beim Übergang in die Beugestellung immer weiter aufgehoben. Bei vollständiger Beugung findet schließlich nur noch ein sehr geringer Kontakt im hinteren Bereich statt. Eine wichtige Differenzierungsstörung stellt der Scheibenmeniskus, Meniscus disciformis, dar, der in den Formenkreis der Meniskusdysplasien gehört (Ficat 1962).

Bursen

Im Bereich des Kniegelenks kommen verschiedene Schleimbeutel vor. Im Einzelnen werden folgende Bursen beschrieben.

Ventrale Bursen

1.
Bursa subcutanea praepatellaris: liegt direkt unter der Haut vor der Kniescheibe.
 
2.
Bursa subfascialis praepatellaris: liegt unter der über die Patella hinwegziehenden Faszie.
 
3.
Bursa subtendinea praepatellaris: liegt im oberen Patellabereich unter der Quadrizepssehne.
 
4.
Bursa subcutanea tuberositatis tibiae: liegt direkt unter der Haut und vor der Tuberositas tibiae. Diese Bursa wird bei knienden Berufen am stärksten beansprucht.
 
5.
Bursa subcutanea infrapatellaris: liegt unter der Haut und vor dem Lig. patellae.
 
6.
Bursa infrapatellaris profunda: liegt dorsal hinter dem Lig. patellae und kann hin und wieder mit dem Kniegelenk kommunizieren.
 

Dorsale Bursen

1.
Bursa subtendinea m. gastrocnemii lateralis: liegt unter dem lateralen Ursprungskopf des M. gastrocnemius, ist fakultativ und kommuniziert meistens nicht mit dem Kniegelenk.
 
2.
Bursa subtendinea m. gastrocnemii medialis: liegt unter dem medialen Ursprungskopf des M. gastrocnemius und kommuniziert meistens mit der Kniegelenkshöhle.
 
3.
Bursa m. semimembranosi: liegt zwischen dem Pes anserinus profundus und der hinteren Schienbeinkante. Verschmelzen Bursa subtendinea m. gastrocnemii medialis und Bursa m. semimembranosi miteinander, so entsteht die geräumige Bursa gastrocnemiosemimembranosa, die den Spaltraum zwischen dem M. semimembranosus und dem Caput mediale des M. gastrocnemius ausfüllt. Sie kann über die Bursa subtendinea m. gastrocnemii medialis oder auch eigenständig ebenfalls eine Kommunikation mit der Kniegelenkshöhle aufweisen. Die Bursa gastrocnemiosemimembranosa kann durch Übertritt von Synovialflüssigkeit aus dem Kniegelenk gefüllt werden, wobei sich ein Ventilmechanismus bemerkbar machen kann, der ein Zurückströmen der Flüssigkeit verhindert (Jayson und Dixon 1970). Es resultiert eine prall gefüllte, sich vergrößernde Bursa, die nach dem Londoner Chirurgen William Morrant Baker (1839–1896) als „Baker-Zyste“ bezeichnet wird, obwohl sie bereits 1840 von Adams und 1845 und 1846 von Wenzel Gruber beschrieben wurde.
 

Seitliche Bursen

1.
Bursa subtendinea m. bicipitis femoris inferior: liegt zwischen der distalen Bizepssehne und dem Lig. collaterale laterale.
 
2.
Bursa m. poplitei: Sie umscheidet die Ursprungssehne des M. popliteus und öffnet sich beim Eintritt der Sehne in den Kniegelenksraum trichterartig in diesen. Deshalb ist sie besser als Recessus subpopliteus zu bezeichnen.
 
3.
Bursa subtendinea m. sartorii: liegt im Bereich des Pes anserinus superficialis zwischen der oberflächlichen Sehne des M. sartorius und den tiefer gelegenen Sehnen der Mm. gracilis und semitendinosus.
 
4.
Bursa anserina: liegt zwischen Pes anserinus superficialis und Lig. collaterale mediale. Sie kann hin und wieder mit der Bursa subtendinea m. gastrocnemii medialis kommunizieren.
 
5.
Bursa ligamenti collateralis tibialis: liegt zwischen Lig. collaterale mediale und medialem Kapselband.
 

Leitungsbahnen des Kniegelenks

Arterien des Kniegelenks allgemein

Nachdem die A. femoralis den Hiatus adductorius passiert hat und in die Fossa poplitea eingetreten ist, wird sie als A. poplitea bezeichnet. Die A. poplitea gibt in der Fossa poplitea fünf Äste ab, die für die Versorgung des Kniegelenkes wichtig sind:
1.
A. superior lateralis genus,
 
2.
A. superior medialis genus,
 
3.
A. media genus,
 
4.
A. inferior lateralis genus und
 
5.
A. inferior medialis genus.
 
Rückläufig gelangen die Aa. recurrens tibialis anterior und posterior zum Kniegelenk. All diese Gefäße stehen durch zahlreiche Anastomosen miteinander in Verbindung und bilden ein ausgedehntes periartikuläres Gefäßnetz, das Rete articulare genus. Dieses Gefäßnetz besteht aus sehr zahlreichen, aber dünnkalibrigen, zarten Gefäßen, die insbesondere die Gelenkkapsel des Kniegelenks versorgen. Für einen effizienten Kollateralkreislauf bei Ausfall der A. poplitea kann das Rete articulare nicht sorgen. Die Aa. superiores genus ziehen oberhalb der Femurepikondylen, die sie mit zahlreichen Rr. nutricii versorgen, nach ventral und münden hier in das Rete articulare genus. Die A. media genus perforiert die dorsale Wand der Gelenkkapsel und zieht in die Fossa intercondylaris, wo sie den kranialen Abschnitt des Kreuzbandkomplexes versorgt und Rr. nutricii (Rr. intercondylares) in das Dach der Fossa intercondylaris abgibt. Auch das proximale Tibiaende wird versorgt, und zwar über einen Ast, der an der Rückseite des vorderen Kreuzbandes herabläuft und sich direkt vor der Eminentia intercondylaris aufzweigt, um sowohl den lateralen als auch den medialen Condylus tibiae zu erreichen. Ein Endast der A. media genus zieht in eine Synovialscheide eingebettet nach vorne zur Versorgung des Hoffa’schen Fettkörpers (Lang und Wachsmuth 1972). Die Aa. inferiores genus entspringen direkt unterhalb des Kniegelenkspaltes. Die A. inferior medialis genus zieht dann, bedeckt vom Lig. collaterale mediale nach vorne und mündet in das Rete articulare, wohingegen die laterale oberhalb des Caput fibulae und unter dem Lig. collaterale laterale zum Rete verläuft. Beide inferioren Gefäße geben Äste in die Fossa intercondylaris ab, die die kaudalen Abschnitte der Kreuzbänder versorgen. An der Speisung des Rete articulare genus beteiligt sich noch die A. genus descendens, die kurz oberhalb des Hiatus adductorius aus der A. femoralis entspringt. Dieses Gefäß perforiert die Membrana vastoadductoria und verläuft zusammen mit dem N. saphenus distalwärts. Dabei werden dann Rr. articulares abgegeben, die medialseitig ins Rete articulare eintreten. An der Versorgung des Kniegelenks beteiligen sich noch zwei Äste der A. tibialis anterior. Bevor diese durch die Membrana interossea cruris tritt, gibt sie die inkonstante, kleine A. recurrens tibialis posterior ab. Direkt nach dem Durchtritt durch die Membran entspringt die A. recurrens tibialis anterior, die dann den M. tibialis anterior perforiert und ins Rete articulare mündet. Die Aa. recurrentes tibiae versorgen die Articulatio tibiofibularis, den Condylus lateralis tibiae und vordere Kniegelenkspartien. Der R. circumflexus fibularis, aus der A. tibialis posterior entspringend, wendet sich um das Fibulaköpfchen nach ventral und mündet hier ebenfalls in das Rete articulare ein. Schließlich kann der R. descendens der A. circumflexa femoris lateralis bis in den Bereich des Kniegelenkes herabreichen und sich an der Speisung des Rete articulare genus beteiligen. Eine sehr detaillierte Analyse der Blutversorgung des Kniegelenkes stammt von Scapinelli (1968).

Blutgefäßversorgung der Patella

Von besonderer klinischer Bedeutung ist die Blutgefäßversorgung der Patella, die von dem feinmaschigen Rete patellae, einer Unterabteilung des Rete articulare genus, sichergestellt wird (Kirschner et al. 1997). Die Zerstörung dieses Versorgungsweges ist mit einer hohen Rate postoperativer Komplikationen, wie Knorpeldegeneration und Stressfraktur der Patella belastet (Slater et al. 1991). Die komplizierte Angioarchitektur der Patella kann nach den Untersuchungen von Kirschner et al. (1997) folgendermaßen geschildert werden: Im Bereich der Vorderseite der Patella befindet sich ein arterieller Gefäßkranz (A. circularis, peripatelläre Ringanastomose), in den von allen vier Ecken speisende Gefäße eintreten: oben lateral: A. superior lateralis genus; unten lateral: A. inferior lateralis genus; oben medial: A. genus descendens; unten medial: A. inferior medialis genus. Zusätzlich findet zwischen diesen beiden medialen Zuflüssen eine weitere Speisung des Rete patellae durch die A. superior medialis genus statt. Auf der lateralen Seite kann sich auch die A. recurrens tibialis anterior an der Versorgung des Gefäßnetzes beteiligen. Das auf der Vorderseite der Patella liegende Gefäßnetz gibt nun kleine Nutrizialarterien in die Patella hinein ab. Die untere Hälfte der Patella empfängt zusätzlich Gefäße, die in die Rückfläche des Apex patellae eintreten, und die ebenfalls aus der peripatellären Ringanastomose stammen. Somit besitzt die untere Patellahälfte eine bessere Blutversorgung als die obere, was sich bei der Heilung von Patellafrakturen auswirken kann (Scapinelli 1967). Die Seitenränder, die Basis und die eigentliche Patellaspitze zeigen keinen Eintritt von Blutgefäßen.

Nerven

Bei der Nervenversorgung des Kniegelenks muss zwischen der Hautinnervation und der eigentlichen Gelenkinnervation unterschieden werden.

Hautinnervation

Die sehr variable sensible Versorgung der Haut erfolgt aus den Segmenten L3 und L4. Im lateralen oberen Bereich versorgen die Ausläufer des N. cutaneus femoris lateralis und im medialen die Rr. cutanei femoris anteriores des N. femoralis die Haut des Kniegelenks. Auf der medialen Seite bis zum Gelenkspalt des Kniegelenks ist der R. cutaneus n. obturatorii zu nennen. Weiterhin beteiligt sich auf der Medialseite des Gelenks der N. saphenus ausgiebig an der Versorgung der Haut. Insbesondere gibt er hier den R. infrapatellaris ab, der in ca. 70 % den M. sartorius perforiert (Lang und Wachsmuth 1972) und dann unterhalb der Patella nach vorne in den Bereich der Tuberositas tibiae zieht. Insgesamt fällt auf, dass die wichtigsten Nerven zur Innervation der Haut auf der medialen Seite zwischen Condylus medialis femoris und Tuberositas tibiae verlaufen, sodass das Verletzungsrisiko für sensible Nerven auf der lateralen Seite deutlich geringer ist. Wird der mediale Zugang gewählt, muss unbedingt auf die Äste des N. saphenus geachtet werden, um Sensibilitätsausfälle zu vermeiden und um die Bildung der hier sehr unangenehmen Amputationsneurome zu verhindern. Eine Übersicht über die unterschiedlichen Innervationsmuster der Haut des Kniegelenks geben Lang und Wachsmuth (1972).

Gelenkinnervation

Die Versorgung des eigentlichen Kniegelenks erfolgt nah dem Hilton’schen Gesetz von allen Nerven, die auch Muskeln versorgen, die das Kniegelenk bewegen. In der Regel zweigen in diesem Sinne von den entsprechenden Muskelästen Rr. articulares ab, die zur Gelenkkapsel und zum Bandapparat ziehen. Insbesondere sind hier zu nennen:
1.
Rr. articulares aus den Muskelästen für den M. vastus medialis, intermedius und lateralis. Diese Nerven gehören zum N. femoralis und treten kraniomedial, kranial und kraniolateral an das Kniegelenk heran.
 
2.
Rr. articulares des N. tibialis. Diese drei Äste lagern sich den Gefäßen (A. superior medialis genus, A. inferior medialis genus und A. media genus) an und ziehen mit diesen Gefäßen zum Kniegelenk. Sie bilden dann ein ausgedehntes Geflecht zur Versorgung des gesamten medialen Bereiches und des hier liegenden Bandapparates. Insbesondere der mit der A. media genus verlaufende Ast versorgt auch noch dorsale Kapselpartien und den Kreuzbandkomplex.
 
3.
Rr. articulares aus dem N. peroneus communis. Wie auf der medialen Seite werden auch hier drei Äste abgegeben, die mit den Gefäßen (A. superior lateralis, A. inferior lateralis und A. recurrens tibialis anterior) verlaufen. Auch hier wird ein ausgedehnter Gelenkplexus formiert, der die laterale Gelenkkapsel und die Bandstrukturen versorgt. Zusätzlich wird auch die Articulatio tibiofibularis aus diesen Quellen innerviert.
 
4.
R. articularis aus dem R. posterius des N. obturatorius. Dieser Nerv tritt mediokranial an das Kniegelenk heran, die Innervation ist sehr variabel.
 

Fazit für die Praxis

Die detaillierte Kenntnis der komplexen Anatomie des Kniegelenks ist eine Conditio sine qua non für eine erfolgreiche Kniechirurgie. Ein wirklich profundes und sicheres Wissen bezüglich der Topografie, der Formeigentümlichkeiten der Strukturen und der Varietäten kann nur durch die ständige und immer wiederholte Tätigkeit am Objekt erlangt werden. Somit muss festgestellt werden, dass die Arbeit am Präparat mit einer detaillierten Darstellung und Erarbeitung der einzelnen Strukturen der Königsweg ist. Der vorgelegte Text kann hierfür ein Wegweiser sein.
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