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AE-Manual der Endoprothetik
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Publiziert am: 14.06.2022

Knieendoprothetik: Operation der bi/trikondylären Oberflächenersatzprothese

Verfasst von: Karl-Dieter Heller, Georg Matziolis und Herbert Röhrig
Im folgenden Kapitel wird die Technik der Primärimplantation eines bikondylären Oberflächenersatzes beschrieben. Dies beinhaltet die Lagerung und Abdeckung, den operativen Zugang und die konventionelle Instrumentation. Es werden die unterschiedlichen Techniken der Implantatpositionierung unter Berücksichtigung von posteriorem Offset und Gelenklinie gegenübergestellt. Die Releasetechniken für das Varus- und Valgusknie werden dargestellt. Abschließend werden die verschiedenen Optionen des Patellamanagements beleuchtet.

Lagerung und Abdeckung

Bei der Knieendoprothesenimplantation ist ein häufiger Lagewechsel von Streckung und Beugung bei den einzelnen Operationsschnitten notwendig. Die Beweglichkeit der Extremität muss gewährleistet sein. Bewährt hat sich die Lagerung mit einer Rolle zum Aufstellen des Beines in 90° unter Verwendung einer Seitenstütze. Wird eine Blutsperre verwendet, muss sie ausreichend proximal angelegt werden, um nach Abwaschen und Abdecken ein ausreichend großes steriles Feld zu erhalten. Darüber hinaus muss darauf geachtet werden, dass keine Desinfektionslösung in die Blutsperre läuft, da dies zu Verletzungen der Haut führen kann.
Zur Abdeckung werden heute standardisierte Sets, Textil- oder Einmalpapierabdeckungen verwendet (Abb. 1). Diese haben den Vorteil, dass sie mit integrierten Klebestreifen eine sichere, unverrutschbare Fixation gewährleisten und steriles Arbeiten sicher möglich ist.
Der Fuß selbst muss als Orientierungspunkt so abgedeckt werden, dass die Malleolengabel und der Fuß gut palpabel bleiben. Das Verwenden von Inzisionsfolien bleibt optional, da keine signifikanten Vorteile bekannt sind. Weiterhin kann die Markierung des Hüftmittelpunktes präoperativ hilfreich sein. Hierzu kann eine handelsübliche EKG-Klebeelektrode verwandt werden, die unter BV-Verwendung über dem Hüftkopfzentrum aufgeklebt werden. So markiert, kann intraoperativ die mechanische Beinachse ohne BV überprüft werden.

OP-Technik

OP-Zugänge

Für die Implantation von Knieendoprothesen gilt der mediane Hautschnitt als Standard. Er erfolgt wie angezeichnet von ca. 2 Querfingern proximal des oberen Patellapols bis zum oberen Anteil der Tuberositas tibiae (Abb. 2).
Subkutan wird das mediale Retinakulum dargestellt und medial parapatellar das Knie eröffnet. Die Inzision läuft von der distalen Tuberositas tibiae bis zum Vastus-medialis-Ansatz, der parapatellar durchtrennt und der Schnitt dann in die Quadrizepssehne verlängert wird (Abb. 3).
Die Patella kann dann weggeklappt und muss nicht evertiert werden. Hierdurch soll eine höhergradige Schädigung des Streckapparates vermieden und nachfolgend eine bessere Streckkraft gewährleistet werden (Abb. 4).
Der sicherlich am häufigsten verwandte minimalinvasive Zugang ist der Midvastuszugang (Laskin et al. 2004) (Abb. 5). Dieser auch VMO-Snip genannte Zugang beginnt 1–2 cm medial der Patella und wird bis proximal der Tuberositas tibiae geführt (Bonutti et al. 2003). Der Zugang wird dann nach proximal nicht bis in den proximalen Bereich der Quadrizepssehne geführt, sondern der Vastus medialis wird im Faserverlauf gespalten. Hierdurch sind in Streckung die kranialen, in Beugung die distalen Gelenkanteile zugänglich.
Eine Prothesenimplantation ist bei diesem Zugang nur mit speziellen Hebeln und verkleinerten Schnittblöcken möglich. Aufgrund der deutlich reduzierten Übersicht eignet sich dieser Zugang nur für den erfahrenen Chirurgen. Optimalerweise findet bei dieser OP-Technik die Lagerung des Beines in einem Beinhalter statt (Abb. 6).
Ein weiterer minimiert invasiver Zugang ist der Subvastuszugang. Dieser unterscheidet sich vom Midvastuszugang dadurch, dass der Schnitt unterhalb und nicht im Vastus medialis nach medial geführt und somit der Muskel nicht verletzt wird (Abb. 7).
Insgesamt scheint durch die minimiert invasiven Zugänge lediglich die Zugangsmorbidität etwas gesenkt zu werden. Als Nachteil hat sich eine schwierigere Weichteilbalancierung und ein schwierigeres Implantatalignment gezeigt (Lüring et al. 2005; Cushner et al. 2005). Für die minimalinvasiven Zugänge sind entsprechend verkleinerte Instrumentarien notwendig. Schwieriger wird die Situation, wenn Voroperationen bereits erhebliche Narbenbildung am Kniegelenk hinterlassen haben. Diese Narben sind gegebenenfalls in die Hautinzision mit zu integrieren, um Nekrosen des Integuments zu vermeiden. Entscheidet man sich für die quadrizepsschonenden Techniken, so liegt der Hautschnitt parapatellar medial. In maximal vernarbten Situationen kann eine Osteotomie der Tuberositas tibiae durchgeführt werden, falls eine Dislokation der Patella schwierig zu bewerkstelligen ist (Cushner et al. 2005). Hiermit gewinnt man die notwendige Übersicht, ohne eine unkontrollierte Schädigung des Streckapparates zu riskieren. Zum Schutz der Seitenbänder werden kurze Hohmann-Hebel medial und lateral um das Tibiaplateau eingebracht. Größere Osteophyten an der Patella sollten nun abgetragen werden, um die Exposition zu erleichtern.

Femur first

Bei der Femur-first-Technik beginnt man meist mit der distalen femoralen Resektion, es kann aber auch mit der Tibiaresektion gestartet werden. Entscheidend ist nicht die Reihenfolge (wenngleich dies der Name der Technik suggeriert), sondern dass die Resektionen von Femur und Tibia unabhängig voneinander und ohne Berücksichtigung von Beuge- und Streckspalt durchgeführt werden.
Die distale Resektion erfolgt senkrecht zur mechanischen Achse. Hierzu wird ein Stab intramedullär eingeführt (Abb. 8) und der Winkel zwischen anatomischer und mechanischer Femurachse am Instrumentarium eingestellt (Abb. 9). Dieser Winkel muss zuvor auf einer Ganzbeinaufnahme oder alternativ einer Röntgen-a.-p.-Aufnahme des gesamten Femurs bestimmt werden und liegt in der Regel zwischen 4° und 7°.
Bei extraartikulären Deformitäten, Hüftpathologien oder asiatischen Patienten kann der Winkel jedoch auch zwischen 0° und 10° liegen. Decken die Instrumente nur einen eingeschränkten Bereich ab, kann durch Verschiebung des Eintrittspunktes des intramedullären Stabes dieser erweitert werden. Dies muss ebenfalls präoperativ geplant werden. Die meisten Instrumentarien geben eine Standardresektionshöhe vor, die der Dicke des gewählten Implantates entspricht. Es gilt das Prinzip, genau so viel Knochen zu resezieren, wie später durch das Implantat ersetzt wird. Aufgrund der physiologischen Gelenkkippung (lateraler distaler Femurwinkel, LDFA) werden die Resektate des medialen und lateralen distalen Kondylus meist unterschiedlich dick sein. Das dickere Resektat der beiden sollte zusammen mit der Sägeblattdicke die Implantatdicke ergeben. Dies kann mit einem Messschieber kontrolliert werden.
Die Größe des Femurs wird – wie in der präoperativen Planung auch – zwischen der posterioren Kondylenachse und der anterioren Kortikalis mit einem entsprechenden Instrument bestimmt. Liegt die gemessene Größe zwischen zwei Implantatgrößen, muss man sich zwischen dem größeren (Upsizing) und dem kleineren (Downsizing) Implantat entscheiden. Neben der Wahl zwischen Up- und Downsizing, muss in einem solchen Fall auch entschieden werden, ob die Höhe der posterioren Kondylen rekonstruiert werden soll (sog. posteriores Offset) oder die Höhe des anterioren Kompartiments zwischen Trochlea und Patella. Im ersten Fall erfolgt eine sog. posteriore Referenzierung, d. h., dass das posteriore Offset erhalten bleibt und beim Upsizing das Femurschild anterior übersteht und beim Downsizing das Femur anterior genotcht wird. Im zweiten Fall wird ein anteriorer Überstand oder Notching vermieden, das posteriore Offset jedoch verkleinert (Downsizing) oder aber vergrößert (Upsizing).
Dem strikten Prinzip der Femur-first-Technik folgend, soll das posteriore Offset rekonstruiert werden und Veränderungen des anterioren Kompartiments werden hingenommen. Da sowohl das posteriore Offset als auch das anteriore Kompartiment (strecknahes patellofemorales Gelenk) funktionell relevant sind, kann jedoch keine evidenzbasierte Empfehlung für oder wider ein Vorgehen gegeben werden. Als ungünstig haben sich gezeigt eine Verkleinerung des posterioren Offsets um mehr als 2 mm und ein anteriores Notching oder aber ein anteriorer Überstand um mehr als 2 mm.
Die Rotation des Femurteils wird bei der Femur-first-Technik allein anhand knöcherner Landmarken eingestellt. Dies sind die posterioren Kondylenachse, die chirurgische Epikondylenachse und die sog. Whiteside-Line.
A
Landmarke posteriore Kondylenachse: Dabei sollte das Femurteil 3° außenrotiert zu den präarthrotischen posterioren Kondylen eingestellt werden. In der Praxis ergeben sich dadurch folgende Werte:
  • Erhaltener Knorpel des posterioren Femurs medial und lateral (Standardfall): 3° (Abb. 10),
  • posteromediale Gonarthrose (schwere Varusarthrose ohne vorderes Kreuzband (VKB)): 0°,
  • posterolaterale Gonarthrose (Valgusgonarthrose mit VKB): 6°.
Dysplasien des distalen und posterioren Femurs mit deutlich differenten Krümmungsradien des medialen und lateralen Kondylus stellen Kontraindikationen zur Verwendung dieser Landmarke dar, da die Referenz durch die Dysplasie pathologisch verändert ist und zu Fehlbestimmungen der Komponentenrotation führt.
 
B
Landmarke chirurgische Epikondylenachse: Die chirurgische Epikondylenachse ist eine gedachte Achse zwischen dem meist gut tastbaren lateralen Epikondylus als femoraler Bandansatz des Außenbandkomplexes und den schlechter palpablen medialen Epikondylen. Diese entsprechen den femoralen Ansätzen des oberflächlichen und tiefen Innenbandkomplexes und können voneinander getrennt sein, eine breite Fläche bilden oder aber auch nur in einem Epikondylus verschmolzen sein. Im ersten Fall wird der Sulkus zwischen den beiden getrennten medialen Seitenbandansätzen gewählt, in allen anderen Fällen die Mitte der palpablen medialen Erhöhung.
Das Femurteil sollte parallel zur chirurgischen Epikondylenachse eingestellt werden. Die intraoperative Bestimmung der chirurgischen Epikondylenachse ist jedoch äußerst ungenau (Jerosch et al. 2002).
 
C
Landmarke Whiteside-Line: Die Whiteside-Line ist eigentlich keine Linie, sondern eine gedachte Symmetrieebene durch die Trochlea, die das distale Femur medial und lateral spiegelt (Arima et al. 1995). Auf dieser Ebene liegt der distalste Punkt der Trochlea sowie das Hüftkopfzentrum. Sie wird darüber hinaus durch die tiefsten Punkte der Trochlea definiert. Sie kann mit einem Elektrokauter auf dem Knorpel der Trochlea eingezeichnet werden. Das Femurteil sollte senkrecht zur Whiteside-Line eingestellt werden. Bei Vorliegen einer Trochleadysplasie ist die Identifikation der Whiteside-Line erschwert und fehleranfällig.
 
Da alle knöchernen Landmarken fehlerbehaftet sind, sollte in Abhängigkeit der vorliegenden Gegebenheiten eine gewichtete Mittelung zwischen diesen Landmarken erfolgen (Tab. 1).
Tab. 1
In die Mittelung einzuschließende Landmarke (+) und zu ignorierende Landmarke(−)
 
Posteriore Kondylenachse
Chirurgische Epikondylenachse
Whiteside-Line
Normale Anatomie
+
+
+
Dysplasie distaler/posteriorer Femur
+
+
Trochleadysplasie
+
+
Schlecht palpable Epikondylen
+
+
Nach Abschluss der femoralen Resektionen wird das Probeteil aufgesetzt und auf Passgenauigkeit geprüft. Dann werden posteriore Osteophyten am Probeimplantat mit einem Meißel entlanggehend abgetragen, um ein Impingement bei Beugung zu verhindern (Abb. 11).
Nach fertiger femoraler Präparation erfolgt die Tibiapräparation. Für die Darstellung der Tibia existieren verschiedene Hebel (Retraktoren), die das ventrale Luxieren der Tibia erleichtern und durch ihr Design im Sägevorgang das hintere Kreuzband und die Gefäß-Nerven-Straße schützen.
Nun erfolgt eine anatomische Resektion der Tibia mit einem intra- oder extramedullären Instrumentarium (Abb. 12).
Ziel ist es, die präarthrotische Gelenkhöhe zu rekonstruieren. Bei der Varusarthrose erfolgt daher die Orientierung am lateralen Kompartiment, bei der Valgusarthrose am medialen Kompartiment. Aufgrund der physiologischen Schräge der Gelenkebene (medialer proximaler Tibiawinkel MPTA von im Schnitt 87°) bedeutet das bei einer Mindestinlayhöhe von 10 mm und Erhalt des hinteren Kreuzbandes (CR-Implantat):
  • Varusarthrose: 10 mm Resektion, gemessen vom intakten lateralen Knorpel,
  • Valgusarthrose: 8 mm Resektion, gemessen vom intakten medialen Knorpel.
Bei geplanter Resektion des hinteren Kreuzbandes (PS- oder ultrakongruentes Implantat) ist eine um 2 mm geringere Resektionshöhe indiziert, da durch die Resektion des hinteren Kreuzbandes Beuge- und Streckspalt um 2 mm weiter werden(Baldini et al. 2010; Matziolis und Perka 2010), d. h.:
  • Varusarthrose: 8 mm Resektion, gemessen vom intakten lateralen Knorpel,
  • Valgusarthrose: 6 mm Resektion, gemessen vom intakten medialen Knorpel.
Die Resektion der Tibia erfolgt in der Frontalebene senkrecht zur mechanischen Achse der Tibia. Diese geht vom Zentrum des Tibiaplateaus bis zum Zentrum des oberen Sprunggelenks. In der Sagittalebene wird ein posteriorer Slope eingestellt, der abhängig vom verwendeten Implantat zwischen 0° und 7° beträgt. Dieser wird meist in der Operationsanleitung des verwendeten Implantates empfohlen, da er vom Design der Prothese – insbesondere des Tibiateils und Inlays – abhängig ist. Im Zweifel sollte der Hersteller des Implantates zu dem korrekten Slope befragt werden.
Die korrekte Resektion der Tibia sollte mittels Peilstäben kontrolliert werden. Hierzu bieten praktisch alle Instrumentarien die Möglichkeit, die Achse sowohl frontal als auch sagittal zu kontrollieren (Abb. 13).
Nach Resektion von distalem Femur und der Tibia sollte ein Spacer eingeführt werden und die Streckbarkeit des Gelenkes getestet werden. Ist der Spalt selbst für den kleinsten Spacer zu eng, können auch die Resektionsflächen händisch aufeinandergestellt werden. Bei diesem Test soll nicht der Streckspalt überprüft werden, sondern die Summe aus tibialem Slope und Flexion des Femurteils. Ein geringes Streckdefizit von 5° ist allein schon aufgrund der Antekurvation des Femurs bei diesem Test normal, bis zu 10° sind bei bewusst gewähltem posterioren Slope der Tibia von >3° akzeptabel. Über 10° Streckdefizit deuten jedoch auf einen zu hohen tibialen Slope oder aber eine zu starke Flexion des Femurteils hin und sollten korrigiert werden.
Die Rotation des Tibiateils wird entsprechend knöcherner Landmarken oder durch sog. Einlaufen bestimmt. Als knöcherne Landmarken hat sich die sog. Akagi-Linie bewährt (Akagi et al. 2004). Diese verläuft vom tibialen Ansatz des hinteren Kreuzbandes bis zum medialen Drittel der Tuberositas tibiae. Das Tibiateil sollte in Richtung dieser Linie rotiert werden. Eine Orientierung an der Crista anterior tibiae, der Malleolengabel und dem 2. Mittelfußstrahl in 90° Flexion des Fußes ist prinzipiell auch möglich. Diese Landmarken bergen aber die Gefahr von Torsionsfehlern der Tibia. Da diese klinisch nur ungenau erfasst werden können und in der Regel kein präoperatives CT der Tibia vorliegt, ist die Orientierung an gelenknahen Landmarken zu empfehlen.
Alternativ kann die Rotation des Tibiateils auch funktionell bestimmt werden. Dazu wird die femorale Probekomponente implantiert und das Tibiateil wird beweglich auf die Tibia geschoben. Beim Durchbewegen des Kniegelenks mit reponierter Patella rotiert sich das Tibiateil so, dass es über den Bewegungsumfang am besten zur femoralen Komponente passt. Hier muss darauf geachtet werden, dass die Probekomponente der Tibia tatsächlich frei beweglich ist und nicht durch Weichteile oder Knochen an der selbstständigen Einstellung der Rotation behindert wird.
Es sollte berücksichtigt werden, dass die Einstellung der Tibiarotation nach Resektion der Tibia mit einem posterioren Slope zu einer varischen oder valgischen Verkippung der Tibia im Bereich weniger Grade führen kann. Dies tritt auf, wenn die Resektionslehre der Tibia weit von der späteren Rotationsausrichtung der Komponente abwich und ein relevanter posteriorer Slope (>3°) eingestellt wurde. Ansonsten ist dieser Effekt vernachlässigbar.
Nun werden der Beuge- und Streckspalt mit Spacern oder Bandspannern in Höhe und Symmetrie bestimmt und mittels Weichteilrelease ausgeglichen. Ziel ist dabei eine mediolaterale Symmetrie beider Spalten. Die Höhe des Beugespaltes sollte der normalen Weichteilspannung folgend 2 mm höher sein als die des Streckspaltes. Alternativ kann der Beugespalt mit weniger Kraft auf dieselbe Höhe wie der Streckspalt aufgespannt werden (respektive ein Spacer derselben Höhe kann mit weniger Kraft in den Beugespalt als in den Streckspalt eingebracht werden).

Tibia first

Die Tibia-first-Technik unterscheidet sich in den Zielen nicht von der Femur-first-Technik: zur mechanischen Achse senkrechte Resektionen von Femur- und Tibiateil, symmetrischer Beuge- und Streckspalt und Beugespalt 2 mm höher als Streckspalt. Die Art, diese Ziele zu erreichen, ist jedoch verschieden und damit gegebenenfalls auch die resultierende Größe und Positionierung der Implantate.
Bei der Tibia-first-Technik erfolgt zunächst die Resektion der Tibia nach exakt demselben Prinzip wie bei der Femur-first- Technik. Der nächste Schritt ist nun jedoch das Weichteilrelease. Da noch keine femoralen Resektionen zu diesem Zeitpunkt erfolgt sind, muss der Operateur abschätzen, ob überhaupt, welche Strukturen und wie ausgedehnt das Release erfolgen soll. Nun wird die Größe des Femurteils – ähnlich der Femur-first-Technik – zwischen posteriorer Kondylenebene und anteriorer Kortikalis bestimmt. Als nächstes wird die Rotation des Femurteils über ein Instrument eingestellt, welches den Beugespalt in 90° Flexion zwischen der Tibiafläche und dem Instrument aufspannt. Dadurch wird ein symmetrischer Beugespalt produziert, der die Höhe des kleinsten Inlays besitzt. Es erfolgt die posteriore und anteriore Resektion des Femurs. Nach Entfernung der Resektate wird der tatsächlich geschnittene Beugespalt mit einem Spacer auf Symmetrie und Höhe erneut überprüft. Die Höhe dieses Beugespaltes wird nun auf den Streckspalt übertragen. Dazu wird das Kniegelenk gestreckt und zwischen der Tibiafläche und einem Instrument zur distalen Femurresektion ein Spacer eingebracht. Die distale Femurresektion wird nun soweit nach proximal und distal verschoben, dass der resultierende Streckspalt dem gegebenen Beugespalt in seiner Höhe entspricht. Nach Resektion des distalen Femurs werden abschließend die femoralen Schrägschnitte durchgeführt.
Durch diesen Ansatz wird gewährleistet, dass in jedem Fall ein symmetrischer Beugespalt resultiert, der in seiner Höhe dem Streckspalt entspricht. Davon unberührt ist jedoch die Symmetrie des Streckspaltes. Liegt hier eine ausgeprägte Asymmetrie vor, war das Weichteilrelease nicht ausreichend und es muss entweder ein weiteres Release durchgeführt werden oder aber das Femurteil wird bewusst für einige Grad ins Varus oder Valgus positioniert. Ein Weichteilrelease in dieser Phase birgt das Risiko, dass es auch den Beugespalt betrifft und damit seine Symmetrie verlorengeht. Eine leicht varische Positionierung des Femurteils (<3°) wird von den meisten Operateuren zur Lösung einer Streckspaltasymmetrie akzeptiert, eine valgische hingegen aufgrund der Kosmetik abgelehnt.
Die Einstellung der Rotation der Tibia erfolgt nach demselben Prinzip wie bei der Femur-first-Technik.

Extension gap first

Die Extension-gap-first-Technik versucht die Vorteile der Femur- und der Tibia-first-Technik zu vereinen und wird zunehmend als Kompromiss zwischen den beiden Extremen populär. Bei dieser Technik erfolgt identisch zur Femur-first-Technik zunächst die Resektion der Tibia und des distalen Femurs. Danach wird der durch die in der Höhe anatomischen, im Winkel mechanischen Resektionen produzierte Streckspalt mittels Weichteilrelease zur Symmetrie gebracht. Ist ein symmetrischer Streckspalt erreicht, wird unterstellt, dass die Weichteile ausreichend adressiert wurden und es wird die Rotation des Femurteils – identisch zur Tibia-first-Technik – mit einem Instrument so eingestellt, dass ein symmetrischer Beugespalt entsteht. Auch hier wird die Größe des Femurs anatomisch bestimmt und das passendste Femurteil, den genannten Kriterien (Abschn. 2.2) folgend, gewählt. Nun erfolgen die 4 Resektionen des Femurs (anterior, posterior, 2 Schrägschnitte).
Dieser Ansatz garantiert einen symmetrischen Beuge- und Streckspalt. Die Gleichheit zwischen der Höhe des Streckspaltes und eines um 2 mm weiteren Beugespaltes wird nicht durch Releasetechniken, sondern durch das Ausmaß der posterioren Femurresektion und damit durch die Änderung des posterioren Offsets erzielt. Dies geschieht durch Upsizing, Downsizing und Translation der femoralen Komponente.

Weichteilbalancierung

Zahlreiche Autoren betrachten den Einbau einer Knie-Totalendoprothese nicht so sehr als Knochenoperation, sondern halten die Behandlung der Weichteile für wesentlich wichtiger. Das Ziel besteht darin, einen symmetrischen Streck- und Beugespalt zu generieren, sodass eine normale kreuzbanderhaltende Prothese verwendet werden kann.
Die Weichteilbalancierung soll den Streck- und Beugespalt in gleicher Weite herstellen, um eine symmetrische Bandspannung während des kompletten Streck- und Beugeablaufes des Kniegelenkes zu generieren.
Hierzu ist ein weiter unten noch zu erläuterndes stufenweises Vorgehen bis zur Ausbalancierung, insbesondere bei schweren Achsabweichungen im Varus- oder Valgussinne notwendig.
Das Überprüfen des Streck- und Beugespaltes gelingt mit entsprechenden Spacerblöcken, die zu den Standardinstrumentarien gehören, oder mit Bandspannungsmessgeräten, die eine noch höhere Genauigkeit bedingen, da hier die ligamentären Strukturen zusätzlich gedehnt werden.
Neben den Kollateralbändern spielen das hintere Kreuzband und die Popliteussehne eine wesentliche Rolle, diese bedingen ein gehöriges Maß an Stabilität. Es scheint ratsam, bei einem sehr kontrakten hinteren Kreuzband, verbunden mit einem Streckdefizit von über 15°, dieses zu resezieren und eine teilgekoppelte Posterior-stabilized-Prothese zu verwenden. Es ist nachgewiesen, dass das frühzeitige Opfern der Popliteussehne zu einer deutlichen lateralen Instabilität führt.
Die Weichteilbalancierung soll im Weiteren für auch extreme Achsabweichungen erläutert und dargestellt werden. Bei Verwendung einer ungekoppelten Knieendoprothese ist die Symmetrie des Streck- und Beugespaltes und damit das komplett symmetrische Bandalignment von großer Bedeutung. Instabilitäten sind mittlerweile der Hauptrevisionsgrund, gefolgt von Infekten und femoropatellaren Problemen. Das Vorhandensein eines modularen Kniesystems ist bei der Durchführung extremer Bandreleases von unverzichtbarer Bedeutung, da prinzipiell auch eine iatrogene Bandschädigung auftreten kann, die mit einer CR- oder PS-Prothese dann nicht mehr versorgt werden kann. Folglich sind dann gekoppelte Prothesen, wie Condylar Constrained oder Rotating Hinge notwendig.
Der Literatur zu entnehmen ist, dass perfekt balancierte Kniegelenke eine größere Sicherheit beim Laufen und eine bessere Propriozeption bieten (Attfield et al. 1996; Jerosch 2015).
Für die häufigere Varusdeformität ist ein innenseitiger, meist tibialer Knochenverlust verantwortlich. Eine konsekutive Kontraktur des inneren Kollateralbandes ist die Folge. Im Falle einer Valgusdeformität findet sich der Knochenverlust in der überwiegenden Anzahl der Knie im Bereich der lateralen, meist eher dorsalen Femurkondyle und die Kontraktur betrifft das laterale Kollateralband.
Von einer fixierten Deformität spricht man dann, wenn die Kontraktur im Rahmen der Narkoseuntersuchung nicht ganz ausgeglichen werden kann. Das alleinig knöcherne Adressieren dieser Kontrakturen würde zu einer über die erlaubte Norm hinaus bestehenden Achsabweichung führen, die letztendlich einen deutlichen Einfluss auf das Operationsergebnis hätte.
Länger bestehende Achsabweichungen führen zu Folgekontrakturen, so ist die Varusfehlstellung häufig mit einer Flexionskontraktur vergesellschaftet und die schwere Valgusfehlstellung oft mit einer Außenrotation der Tibia, an die sich die Weichteile anpassen (Jerosch 2015).

Release der schweren fixierten Varusdeformität

Eine varus- oder valgusfixierte schwere Deformität bedingt in den allermeisten Fällen eine Kontraktur auf der konvexen und eine Dehnung auf der konkaven Seite. So ist eine Varusdeformität oft mit einer Dehnung des lateralen Kapselbandapparates vergesellschaftet und eine Valgusdeformität oft mit einer Kontraktur des lateralen Kollateralbandapparates und einer Dehnung des medialen Kollateralbandapparates, was es dringend zu adressieren gilt.
Im Vordergrund steht insbesondere bei der Varusdeformität zunächst einmal das vollständige Abtragen aller Osteophyten im Bereich des Femurs und der Tibia. Zum Aufheben der Varuskontraktur wird das mediale Seitenband, zunächst die tiefe Schicht im Bereich des medialen Tibiakopfes bis zur posteromedialen Ecke vom Tibiakopf abgelöst. Dies kann bei schweren Kontrakturen subperiostal mittels Raspatorium deutlich Richtung Tibiametaphyse erweitert werden, somit kann man hier stadienhaft releasen (Whiteside 2004). Zu bedenken ist immer auch ein Release der posterioren Kapsel. Hier spielen insbesondere auch die dorsalen Osteophyten des Femurs eine entscheidende Rolle.
Das Release der dorsalen Kapsel sowie des Kapselbandapparates kann entweder mit einem Raspatorium oder mit einem gebogenen Meißel in unmittelbarem Knochenkontakt erfolgen.
Bei persistierender Varuskontraktur, insbesondere auch in Verbindung mit einem Streckdefizit, muss über das Release bis hin zum Durchtrennen des hinteren Kreuzbandes und dem Wechsel auf eine Posterior-stabilized-Prothese nachgedacht werden. Der Einfluss des Kreuzbandreleases auf den Beugespalt ist hierbei jedoch zu beachten, dieser wird in Relation zum Streckspalt weiter.
Zusätzlich kann noch als abschließende Maßnahme eine subperiostale Ablösung der Insertionsstellen des Pes anserinus erfolgen, die dann tendenziell nach proximal gleiten. Jerosch und Heisel weisen darauf hin, dass eine deutlich fixierte Varusdeformität oft mit einer lateralen Subluxation der Tibia auf dem Femur assoziiert ist (Jerosch 2015). Dies werde durch eine Kontraktur des M. popliteus verursacht, der dann möglicherweise tenotomiert werden müsse.

Fixierte Valgusdeformität

Ähnlich wie beim kontrakten Varusknie ist auch beim kontrakten Valgusknie ein stadienhaftes Release notwendig. Die fixierte Valgusdeformität wird häufig durch eine Patellalateralisierung aufgrund des oft drittgradigen X-Beines und eine tibiale Außenrotation begleitet, selten liegen auch entsprechende Deformitäten vor.
Eine philosophische Frage bei der Adressierung der schweren Valgusdeformität ist die Wahl des Zugangsweges. Unbestrittenermaßen ist bei der Valgusdeformität der laterale Kapselbandapparat kontrakt, was die Patella oft lateralisiert und der mediale Kapselbandapparat aufgrund der Dehnung eher elongiert.
Es gibt bezogen auf den Zugang 2 Vorgehensweisen: Einerseits einen standardisierten parapatellaren medialen Zugang, der dann automatisch ein ausgedehntes stadienhaftes Release der lateralen Kapselbandstrukturen bedingt, oder aber einen lateralen Zugang mit Z-förmiger Verlängerung des Retinakulums und korrespondierenden lateralen Release. Letzteres Vorgehen wird von einem Autor (KDH) favorisiert, da einerseits durch den Zugangsbereich bereits releast wird, zum anderen die elongierten medialen Strukturen nicht noch weiter gelockert werden. Es kann über diesen Zugang hervorragend eine Z-Plastik des lateralen Retinakulums durchgeführt werden und der Hoffa hier zur Rekonstruktion desselben mit einbezogen werden. Bewährt hat sich bei dieser Vorgehensweise bei asymmetrischen tibialen Resektionsblöcken, den Block der Gegenseite zu nehmen, da das Sägen dann vereinfacht wird. Zu beachten ist bei der knöchernen Adressierung die hypotrophe laterale Femurkondyle, sodass bei der Rotationsausrichtung des Femurs dorsolateral häufig eine, sofern das System dies zulässt, Unterlegscheibe gewählt wird, oder ein Abstand zwischen lateralem dorsalen Femurkondylus und der Resektionsschablone für den 4-in-1-Block gewahrt werden sollte.
Der laterale Zugang wird auch von Aurich et al. empfohlen (Aurich et al. 2017). Auch Stehlik mit Mitarbeiter favorisieren ein stadienhaftes laterales Release, auch sie beschreiben die Dissektion in einen oberflächlichen und einen tiefen Anteil im Bereich des lateralen Retinakulums und sehen hier durch versetztes Vernähen in Form einer Art Z-Plastik die Möglichkeit, die Strukturen des lateralen Retinakulums zu entspannen (Stehlík et al. 2006).
Des Weiteren empfehlen sie nun in stadienhafter Manier:
1.
eine Stichelung des Tractus iliotibialis 5 cm oberhalb des Ansatzes im Sinne eines „pie crustings“,
 
2.
ein subperiostales Release des Lig. iliotibiale am Tuberculum gerdii,
 
3.
ein ausgedehntes Release der posterolateralen Kapsel,
 
4.
ein subperiostales Release des femoralen Ansatzes des lateralen Kollateralbandes und eine Dissektion des M. popliteus,
 
5.
sofern dies nicht ausreichend ist, ein Release des lateralen Ansatzes des M. gastrocnemius lateralis.
 
Die Erfahrung zeigt, dass bei schweren Genua valga der laterale Verschluss nicht hundertprozentig wasserdicht ist, sodass hier häufiger einmal kleine Hämatome und Schwellungen im Bereich des lateralen Tibiakopfes entstehen.
Lange und Haas weisen auf die Wichtigkeit der Standardisierung und des stadienhaften Vorgehens hin (Lange und Haas 2017). Der N. peroneus kann durch das strukturierte laterale Release geschont werden. Eine noch zu erwähnende Modifikation des lateralen Release ist die sagittale Gleitosteotomie des lateralen Condylus femoris, auch Briard’s Osteotomie genannt. Analog zu Bremer und Mitarbeiter liegt das Ziel dieser Maßnahme in einer Distalisierung und gegebenenfalls Dorsalisierung des Ansatzes des lateralen Kollateralbandes und der Popliteussehne (Bremer et al. 2012). Diese Gleitosteotomie, die dann nach Ausgleich der Kontraktur mit 2 Schrauben oder ähnlichen Fixationsmechanismen wieder reinseriert werden kann, kann dann knöchern wieder einheilen. Sie sahen in ihrem Patientenkollektiv keine Konversionsnotwendigkeit in eine teil- oder vollgekoppelte Prothese.
Conjeski und Scuderi bestätigen die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens und beschreiben ihre diesbezüglichen Ergebnisse als sehr positiv (Conjeski und Scuderi 2018). Burdin weist in einem Vortrag darauf hin, dass alle Releasemaßnahmen, in welcher Reihenfolge auch immer, mehr Laxizität in Knieflexion als in Extension bedingen würden. Seiner Aussage nach gäbe es keinen internationalen Konsens bezüglich der Sequenz der Technik.
Whiteside adressiert in seiner beeindruckenden Monografie bezüglich der Bandreleasetechniken zwischen einer Kontraktur nur in Flexion, in Flexion und Extension sowie nur in Extension (Whiteside 2004). Liegt eine Kontraktur größtenteils in der Flexion vor, dann sollte vornehmlich das laterale Kollateralband am femoralen Ansatz subperiostal releast werden. Wenn zusätzlich eine Kontraktur in Innenrotation vorliegt, dann wäre die Poplitussehne zu releasen. In dieser Situation sollten weder der Tractus iliotibialis noch die dorsale Kapsel releast werden, da diese beiden diese Situation nicht adressieren.
Liegt eine Kontraktur in Extension vor, sollten das laterale Kollateralband und die Popliteussehne intakt bleiben und das iliotibiale Band releast werden. Sollte dies nicht ausreichen, ist auch die laterale posteriore Kapsel zu releasen.
Liegt eine kombinierte Kontraktur vor, so müssen, da hauptverantwortlich, das laterale Kollateralband und die Popliteussehne releast werden. Reicht dies nicht, müssen zusätzlich der Tractus iliotibialis und die laterale posteriore Kapsel verlängert werden.

Knöchernes Spaltenmanagement

Bei der Femur-first- und Extension-gap-first-Technik resultiert auch bei korrekter Operationsdurchführung eine Ungleichheit zwischen Beuge- und Streckspalt. Zunächst sollten typische technische Fehler durch Kontrolle ausgeschlossen werden:
  • posteriorer Slope der Tibia zu hoch/zu niedrig,
  • zu starke Flexion/Extension des Femurs,
  • distale Resektion des Femurs zu viel/zu wenig,
  • Tibiaresektion zu viel/zu wenig.
Je früher dieses Problem auffällt, umso leichter kann es durch ein sog. knöchernes Spaltenmanagement behoben werden. Dies ist der entscheidende Vorteil, auch bei der Femur-first-Technik mit der tibialen Resektion zu beginnen.
Das Prinzip des knöchernen Spaltenmanagements ist es, den Beuge- und Streckspalt mit femoraler Komponente und PE-Inlay zu füllen. Die Änderung der Inlayhöhe beeinflusst in exakt demselben Ausmaß beide Spalten. Eine distale Nachresektion des Femurs vergrößert allein den Streckspalt, eine distale Augmentation (oder eben geringere primäre Resektion) des Femurs verringert den Streckspalt. Der Beugespalt wird durch eine Verkleinerung des posterioren Offsets durch Downsizing des Femurs vergrößert und durch Upsizing verkleinert, wenn die Komponente an der anterioren Kortikalis referenziert wird. Eine kleine Einschränkung bei diesen rein geometrischen Überlegungen ist die Tatsache, dass durch Änderung des posterioren Offsets neben dem Beugespalt auch die posteriore Kapsel in Streckung beeinflusst wird, sodass Änderungen der Größe des Femurteils auch einen geringen Einfluss auf die Streckung haben.
Es gibt zu jeder denkbaren Kombination aus Beuge- und Streckspaltdiskrepanz immer zwei Lösungen (Tab. 2). Sie unterscheiden sich in der Praktikabilität und im Ergebnis der Gelenklinie in Relation zur Tibia. Hier ist bei Vorliegen einer Patella baja die weniger praktikable Lösung zu überdenken.
Tab. 2
Vorgehen bei Beuge und Streckspaltdiskrepanz1
 
Streckspalt
Eng
Gut
Weit
Beugespalt
Eng
Tibia nachresezieren(*)
Tibia nachresezieren + Femur distal augmentieren
Femur distal augmentieren + Tibia nachresezieren
Femur distal + posterior nachresezieren
Femur posterior nachresezieren (*)
Femur posterior nachresezieren + höheres Inlay (*)
Gut
Tibia nachresezieren + Femur posterior nachresezieren
/
Femur distal augmentieren (*)
Femur distal nachresezieren (*)
Femur posterior nachresezieren + höheres Inlay
Weit
Tibia nachresezieren + Femur posterior augmentieren
Femur posterior augmentieren
Femur distal + posterior augmentieren
Femur distal nachresezieren + höheres Inlay (*)
Femur distal nachresezieren + höheres Inlay (*)
Höheres Inlay (*)
1Posteriore Nachresektion des Femurs bedeutet, dass das Femur entweder nach anterior transliert wird und dadurch anterior übersteht oder aber eine Größe kleiner gewählt wird, um einen anterioren Überstand zu vermeiden. Posteriore Augmentation des Femurs bedeutet, dass das Femur entweder nach posterior transliert wird und damit ein anteriores Notching resultiert oder aber eine Größe größer gewählt wird, um ein Notching zu verhindern. Bei normalem Patellastand kann die praktisch einfachere Lösung (mit * gekennzeichnet) gewählt werden. Bei vorbestehender Patella baja ist die Lösung zu bevorzugen, die die tibiale Gelenklinie distalisiert (kursiv)

Gelenklinie des Femurs

Die Gelenklinie des Femurs sollte bestmöglich rekonstruiert werden, um biomechanische Konflikte zu vermeiden. Wird das Gelenk über die Bandstrukturen geführt, kommt es bei einer Proximalisierung der femoralen Gelenklinie durch vermehrte distale Resektion zu einer Instabilität in mittleren Beugegraden (sog. Midflexionsinstabilität). Wird die Gelenklinie hingegen durch eine verminderte distale Femurresektion distalisiert, ist das Gelenk trotz ausbalanciertem Beuge- und Streckspalt in Midflexion zu straff.
Insbesondere bei Erhalt des hinteren Kreuzbandes (CR-Prothese) sind Verschiebungen der femoralen Gelenklinie von mehr als 2 mm kritisch, bei Resektion des hinteren Kreuzbandes sollten 4 mm Verschiebung der Gelenklinie nicht überschritten werden.
Ist eine darüberhinausgehende Verschiebung unvermeidlich, sind aus den oben genannten Gründen teilgekoppelte Implantate indiziert.

Umgang mit der Patella

Laut Endoprothesenregister Deutschland 2016 (EPRD) wird in 89,7 % aller primären Kniegelenke kein Retropatellarersatz implantiert. Burnett und Bourne stellten in einer tabellarischen Übersicht 15 aktuelle Studien bezüglich des Vergleichs Patellaersatz versus Nichtersatz gegenüber (Burnett und Bourne 2004). Während in 6 Studien die Kniescheiben mit Retropatellarersatz bessere Ergebnisse aufweisen, finden sich in 7 weiteren Studien keine Unterschiede. In 2 Studien sind keine eindeutigen Aussagen zu treffen. Es zeigte jedoch keine Studie eine klare Überlegenheit der nicht endoprothetisch versorgten Kniescheibe.
Nizard et al. führten eine Meta-Analyse basierend auf 12 randomisierten kontrollierten Studien zwischen 1966 und 2003, welche Retropatellarersatz und Nichtersatz verglichen, durch (Nizard et al. 2005). Sie konnten anhand der Auswertung dieser Studien herausarbeiten, dass die Knie mit Retropatellarersatz bessere Ergebnisse und ein geringeres Risiko für Re-Operationen und vordere Knieschmerzen beim Treppensteigen aufwiesen, dies, obwohl sowohl der Knee Society Function Score und der HSS-Score keine Unterschiede aufwiesen. Die Autoren mahnen jedoch dieses Ergebnis nicht überzubewerten, da die einzelnen Studien deutlich inhomogene Rahmenbedingungen aufwiesen.
Tanzer et al. sowie Freeman et al. belegen eine Reduktion der femoropatellaren Komplikationen nach Knieendoprothetik aufgrund der anatomisch konzipierten Gleitrinne in der Femurkomponente (Tanzer et al. 2001; Freeman et al. 1989). Gegen den Patellarückflächenersatz wird angeführt, dass die originäre Kniescheibe physiologischer und anatomischer sei, als der Patellarückflächenersatz, was letztendlich nur bei einer gesunden Kniescheibe gelte. Probleme wie Tilt und Overstuffing treten seltener auf, wenn die Patella belassen wird. Die Hauptargumente gegen den Retropatellarersatz sind die berichteten höheren Komplikationsraten, bedingt durch Patellafraktur, Patelladislokation, Schädigung des Streckapparates und aseptische Osteonekrose (Clayton und Thirupathi 1982; Gomes et al. 1988; Healy et al. 1995; Hozack et al. 1988; Leblanc 1989; Lynch et al. 1987; Mochizuki und Schurman 1979; Rand 1990). Als weitere Komplikationen werden aufgeführt der Verschleiß der retropatellaren Komponente, die Lockerung und das Patella-clunk-Syndrom (Gomes et al. 1988; Beight et al. 1994; Hozack et al. 1989; Bourne et al. 1995).
Für den Patellarückflächenersatz spricht, dass der möglicherweise noch gesunde Patellarückflächenknorpel aufgrund des Knorpel-Metall-Kontaktes degeneriert (Barrack und Wolfe 2000; Boyd et al. 1993; Kajino et al. 1997; Soudry et al. 1986; Brick und Scott 1988). Ein wesentlicher Aspekt ist, dass nachgewiesenermaßen die Revisionsraten ohne Patellarückflächenersatz bei nahezu 50 % lägen (Gomes et al. 1988; Barrack und Wolfe 2000; Castro et al. 1997). Auch Dennis weist insbesondere bezogen auf den vorderen Knieschmerz und die Re-Operationsraten auf die Überlegenheit des Retropatellarersatzes hin (Dennis 2006).
Einen tabellarischen Versuch der differenzierten Indikationsstellung Pro oder Kontra Patellarückflächenersatz publizierte Schröder-Boersch (Schroeder-Boersch 1998).
Differenzierte Indikationsstellung Pro oder Kontra Patellarückflächenersatz (mod. nach Schroeder-Boersch (1998))
A.
Für den Rückflächenersatz
  • Schwere Retropatellararthrose mit starker Formveränderung
  • Präoperativ starke retropatellare Schmerzen
  • Schwierige Balancierung der Patella im femoralen Gleitlager
  • Gute knöcherne Substanz der Patella
 
B.
Gegen den Rückflächenersatz
  • Wenig Retropatellararthrose ohne erhebliche Formveränderung
  • Störung der Patelladurchblutung z. B. durch ausgedehntes laterales Release
  • Guter zentraler Verlauf der nativen Patella
  • Schlechte Knochenqualität, z. B. bei rheumatoider Arthritis
  • Jüngerer Patient mit hohem Aktivitätsniveau
 
Risikofaktoren für retropatellare Komplikationen sind (Bellemans et al. 2005):
  • ausgeprägte Femuropatellararthrose,
  • adipöse Patienten,
  • Valgusdeformität,
  • posttraumatische Arthrose,
  • nach Tibiakopfumstellungsosteotomie.
Im Falle der posttraumatischen Arthrose sowie nach Tibiakopfumstellungsosteotomie liegt dies meist an einer Patella baja, welche ein Impingement zwischen Patella und Tibiaonlay oder eine Instabilität der Patella bewirkt. Bezüglich des Zugangsweges konnte nachgewiesen werden, dass im Falle eines Mid- oder Subvastuszuganges die Rate an lateralen Retikulumspaltungen geringer war (Dalury und Jiranek 1999; Parentis et al. 1999; White et al. 1999).
Bezüglich der Frage, ob Inset- oder Inlay- oder Onlay-Patella, konnten Rosenstein und Mitarbeiter (2007) nachweisen, dass die Inlaypatella um 25 % höhere Scherkräfte toleriert als die Onlaypatella. Im Rahmen einer retrospektiven Studie zeigten Rand und Gustilo (1996) eine geringere Komplikationsrate mit der Inlaypatella.

Vorgehen ohne Retropatellarersatz

Das wesentliche Ziel ist ein optimales Gleiten im neuen Gleitlager des Femurschildes. Dieses Gleiten soll spannungsarm und mit symmetrischer Lastverteilung auf die Patellarückfläche erfolgen. Die optimale Positionierung der Femur- und Tibiakomponente, in Anbetracht aller möglichen Rotationsfehler, sei vorausgesetzt. Auch die Positionierung der Femurkomponente und der Tibiakomponente in mediolateraler Richtung sollte optimal erfolgen.
Der Vorteil des Verzichtes auf den Retropatellarersatz liegt insbesondere in der Vermeidung von Komplikationen. Ungeachtet dessen muss aber die Patella in ihrer Einstellung und in ihrem Gleitverhalten der Femurkomponente angepasst werden. Hierzu bedient man sich üblicherweise zweier Techniken, die kurz Erläuterung finden sollten.

Partielle Facettektomie

Die partielle Patellektomie oder partielle Facettektomie der lateralen Patellafacette wird durchgeführt mit dem Ziel, den lateralen Tilt der Patella zu neutralisieren und eine Kongruenz zur Femurkondyle zu erreichen (Pagenstert et al. 2014). Ursprünglich stammt diese Technik aus der Behandlung der schweren Retropatellararthrose im Sinne der lateralen Facettektomie. Hier wurde bereits durch diese Technik eine klinische Verbesserung bewiesen.
Zhang et al. konnten belegen, dass die partielle laterale Facettektomie bei dem nichtimplantierten Rückflächenersatz zu einer Spannungsreduktion im Bereich des lateralen Retinakulums und einem verbesserten Match in Bezug auf die femorale Komponente führte (Zhang et al. 2012). Diese Technik soll langfristig eine progrediente außenseitige retropatellare Arthrose vermeiden. Lackstein et al. sehen in dieser partiellen lateralen Facettektomie eine wesentliche Alternative zum lateralen Release im Sinne des Managementes des Patellar Maltrackings (Lakstein et al. 2014). Die Technik sollte so angewendet werden, dass die evertierte Patella nach entsprechender Darstellung und Abtragung der Osteophyten mit einem dünnen Sägeblatt lateral in einem etwa 45°-Winkel zur Rückfläche der Patella facettektomiert wird (Abb. 14).
Die Größe des resezierten Anteiles orientiert sich an der Form der Patella. Viele hier zu versorgende Kniescheiben haben in der zu osteotomierenden Region bereits einen beginnenden Osteophyten oder eine beginnende Krümmungsveränderung, die typischerweise die Patella nach lateral zieht bzw. sie dort hält. In Abhängigkeit von diesem Befund sollte die Lokalisation der Facettektomie gewählt werden. Ziel soll es sein, den Druck zu vermindern und das Gleitverhalten zu optimieren. Entsprechend sollte auch die Form der Patella nach der Facettektomie sein, somit ist bei einer quer-ovalen Patella üblicherweise mehr Knochen zu resezieren als bei einer runden Patella.

Patelladenervation

Eine üblicherweise häufig angewendete Methode zur Prävention des postoperativen vorderen Knieschmerzes ist die Patelladenervation (Abb. 15). Ziel dieser Maßnahme ist die elektrothermische Zerstörung der die Patella versorgenden Nervenenden nach Abtragen aller Osteophyten. Hierzu wird mit dem Elektrokauter das umgebende synoviale und Fettgewebe bis auf die Sehnen- und Retinakulumstrukturen herunter durchtrennt, dies unmittelbar am Knochen. Hierdurch soll die Innervation unterbunden und der postoperative Schmerz reduziert werden.
Maralcan et al. weisen in ihrer anatomischen Arbeit darauf hin, dass nur 2 Nerven überhaupt eine nervale Versorgung der Patella ermöglichen (Maralcan et al. 2005). Diese beiden Nerven kommen jeweils aus dem Bereich des M. vastus medialis und des M. vastus lateralis und erreichen hierüber im superomedialen und superolateralen Aspekt den patellaren Knochen.
In einer retrospektiv vergleichenden Studie konnte kein Vorteil der Patelladenervation belegt werden (Gupta et al. 2010). Ähnliche Ergebnisse zeigten Junbergen et al. in einer früheren Studie (van Jonbergen et al. 2011). Binnen der ersten 12 Monate reduzierte die Patelladenervation in einer randomisierten Studie peripatelläre Schmerzen. In einer Folgeuntersuchung derselben Patienten 3,7 Jahre später konnte dieser Effekt jedoch nicht mehr gezeigt werden (van Jonbergen et al. 2014). Ungeachtet dessen findet die Denervierung der Patella weite Verbreitung.

Patellaersatz

Sollte man sich für einen Retropatellarersatz entscheiden, so sind 3 wesentliche Punkte zu beachten:
1.
die Stärke der Resektion,
 
2.
die Ausrichtung der Patellakomponente auf der originären Patella,
 
3.
die Ausrichtung der Patellakomponente in Relation zur Patellavorderfläche.
 
Des Weiteren gibt es verschiedene Techniken des Retropatellarersatzes, die im Wesentlichen die Resektion betreffen. So spricht man einerseits von Onlay- und andererseits von Inlaytechniken (Abb. 16).
Es gibt Hersteller, die beide Varianten vorhalten, aber auch Hersteller, die nur Onlay-Varianten anbieten. Auch die Instrumentarien zur Resektion und Vorbereitung für den Patellarückflächenersatz sind unterschiedlich. Dies kann einerseits mit Fräsen durchgeführt werden, die planparallel zur Vorderfläche ausgerichtet werden, sodass dann auch ein knöcherner Rand verbleibt, der bei der One-peg-Inlaytechnik erhalten werden muss, der aber auch die Onlay-Technik insofern unterstützt, dass er die Patellakomponente auf der Patella stabilisiert. Andere Firmen bieten zangenförmige Schablonen an, die eine planparallel zur Vorderfläche durchgeführte Resektion ermöglichen sollen. Der jeweilige Operateur sollte die Technik anwenden, die ihm einerseits zur Verfügung steht, an der er andererseits aber auch erprobt ist, um eine optimale Ausrichtung und Orientierung des Rückflächenersatzes auf der Patella zu ermöglichen.
Die Schablonen müssen die Möglichkeit der Dickenmessung beinhalten, damit man nicht zu viel von der originären Patella abträgt. Der Retropatellarersatz ist üblicherweise in einer Dicke von etwa 8 mm im Portfolio, es gibt auch Firmen, die dünnere Patellen anbieten. Danach sollte sich die Höhe der Resektion orientieren. Üblicherweise ist bei einer degenerierten Patella der laterale Anteil deutlich stärker abgerieben als der mediale Anteil. Dieses beinhaltet automatisch eine notwendige asymmetrische Resektion der Patella und hier liegt die Kunst, dies umzusetzen. Es ist eine Ausrichtung an der Vorderfläche der Kniescheibe somit unverzichtbar. Es sollte darauf geachtet werden, dass bei einer mittleren Dicke der Standard-Patella von 23–25 mm auch nur so viel Knochen reseziert wird, wie durch die Patella wieder ersetzt wird. Es verbleibt also in der Norm eine Dicke von etwa 15–17 mm, in die dann mit weiteren Schablonen die Verankerungsstifte der Patella einzementiert werden. Üblicherweise haben die verschiedenen Anbieter hier 3 , selten auch mal nur 1 Peg, der hier mit zementiert wird.
Die Positionierung der Patella hängt in entscheidendem Maße von der Form derselben ab. Handelt es sich um eine querovale Patella, so wird empfohlen, diese tendenziell eher zu medialisieren, da die Patella an sich zu einer Lateralisierung neigt. Diesem Zustand würde dann durch eine Medialisierung des Onlays entsprochen. Man kann dann additiv auch noch bei zu großem lateralen Überstand eine partielle Facettektomie durchführen.
Eine weitere Maßnahme zur Druckreduktion wird natürlich durch die Dimension der ventralen Femurresektion bestimmt. Es gibt Femora, bei denen ein durchaus hoher Knochenanteil ventral abgetragen werden kann, um auf der ventralen Femurkortikalis zu landen. Dies entlastet einerseits den Kapselbandapparat, kann aber andererseits auch, sofern dann auch noch an der Patella zu viel abgetragen wird, zu einer femoropatellaren Instabilität geringen bis mittleren Ausmaßes mit entsprechenden Beschwerden führen.
Eine weitere Technik, die auf die optimierte Zentrierung der Patella abzielt, ist das sog. laterale Release. Eine Technik, die früher relativ häufig angewandt wurde, mit modernen Implantaten in der eigenen Wahrnehmung aber nahezu aufgegeben wurde. Ausnahme hierfür ist sicherlich das schwere Valgusknie, was eine chronisch lateral subluxierte Patella generiert. Sollte ein laterales Release durchgeführt werden, so kann dies kulissenhaft derart durchgeführt werden, dass der laterale Knieanteil dennoch verschlossen werden kann. Des Weiteren sollte beim Release auf die patellaversorgenden Gefäße geachtet werden. Insbesondere im oberen Wundpol ist die laterale Arterie zu erhalten.

Sekundäre Patellaersatz

Alle Studien, die den sekundären Retropatellarersatz bei primär nicht ersetzter Patellagleitfläche auswerten, kommen zu dem Ergebnis, dass auch nach Durchführen eines sekundären Retropatellarersatzes nicht davon ausgegangen werden kann, dass der vordere Knieschmerz beseitigt werden kann (Mockford und Beverland 2005; Muoneke et al. 2003). In der eigenen Studie entwickelten 30 % der revidierten Patienten Komplikationen und wurden nicht zufrieden. Die Autoren fassen zusammen, dass die Ergebnisse dieses Eingriffes als unvorhersehbar gedeutet werden sollten.
Bei allem Pro und Kontra bezogen auf den Retropatellarersatz muss bei jeder Indikationsstellung zum Retropatellarersatz berücksichtigt werden, dass es zu einer Lockerung des Retropatellarersatzes kommen kann, welche eine Revision notwendig macht. Die einmal bereits ausgedünnte Patella ist letztendlich schwerer mit einem erneuten Retropatellarersatz zu versorgen. Die Menge der Revisionen diesbezüglich ist limitiert, die Rückzugsmöglichkeiten sind gering und die Komplikationsraten in Bezug auf avaskuläre Nekrose und Patellafrakturen steigen. Dies sollte insbesondere bei der Versorgung jüngerer Patienten Berücksichtigung finden.
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass bevor die Indikation zum sekundären Patellarückflächenersatz gestellt wird, eine sehr konsequente Abklärung des operierten Kniegelenkes zu erfolgen hat. Ein isolierter Wechsel oder Einbau des Rückflächenersatzes sollte die Ausnahme sein und führt, wie oben beschrieben, auch nicht in allen Fällen zu einer gewünschten Beschwerdelinderung.

Alternative Alignmenttechniken

Neben dem dargestellten Goldstandard des mechanischen Alignments gibt es prinzipiell noch zwei weitere Möglichkeiten, die Implantate zu positionieren: das anatomische und das kinematische Alignment. Beim anatomischen Alignment werden der durchschnittliche LDFA und der MPTA rekonstruiert und die Tibia damit 3° varisch, das Femur 3° valgisch geschnitten. In der Summe resultiert wieder eine mechanisch gerade Beinachse. Auch das Ziel symmetrischer und gleichweiter Spalten entspricht ansonsten der klassischen Technik des mechanischen Alignments.
Im Gegensatz dazu verfolgt das kinematische Alignment das Ziel, der individuellen Geometrie des Femurs nahezukommen. Dies kann über unterschiedliche Landmarken erfolgen (transzylindrische Achse, posteriore Kondylenachse, transsphärische Achse). Letztlich folgt das femorale Alignment keinem Durchschnittswert, sondern wird individuell ausgerichtet und ist in der Regel etwas valgischer und etwas innenrotierter als beim mechanischen Alignment. Auch die Tibia wird individuell geplant und der präarthrotischen Situation oder aber der Bandspannung folgend ausgerichtet.
Die unterschiedlichen Ansätze verfolgen das Ziel einer physiologischeren Kinematik mit der Hoffnung besserer funktioneller und insbesondere subjektiv durch den Patienten als besser wahrgenommener Ergebnisse. Aufgrund der noch unzureichenden Datenlage bezüglich Langzeitergebnisse, Kontraindikationen, den zahlreichen gleichzeitig bestehenden Referenzen und OP-Techniken sowie der Fehleranfälligkeit, sollten sie jedoch nur nach sicherem Beherrschen der Standardtechnik des mechanischen Alignments genutzt werden.

Fazit für die Praxis

Die erfolgreiche Implantation einer Kniegelenktotalendoprothese beginnt mit der Planung, die neben der Bestimmung von Resektionswinkeln und Implantatgrößen insbesondere dazu dient, intraoperative Überraschungen zu vermeiden. Der operative Zugang sollte sicher beherrscht werden, eine ausreichende Übersicht und reproduzierbare Ergebnisse ermöglichen. Hier hat sich der medial parapatellare Zugang bewährt. Die Abfolge der Operationsschritte ergibt sich aus der präferierten Implantationstechnik (z. B. Femur first, Tibia first, Extension gap first). Ziel aller Techniken ist dabei ein balancierter Beuge- und Streckspalt. Hierzu muss manchmal ein Kompromiss aus anatomischer Gelenkrekonstruktion und Spaltenmanagement durch Veränderung von Implantatgröße und -positionierung gewählt werden. Darüber hinaus ist in einigen Fällen auch die Adressierung von Weichteilen durch Releasetechniken erforderlich. Ob die Patella ersetzt werden sollte, ist aufgrund des geringen durchschnittlichen Benefits kontrovers. Wird sie jedoch ersetzt, ist ihrer Präparation eine ebenso große Beachtung zu schenken, wie dem Femur und der Tibia.
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