Postoperative Maßnahmen und Ergebnisse: Mobilisation/Physiotherapie
Nach Implantation einer Totalendoprothese im Bereich des Hüftgelenkes ist eine Nachbehandlung erforderlich. Die Maßnahmen beginnen postoperativ im Krankenhaus und werden in der poststationären Phase in der Regel im Rahmen von ambulanter Physiotherapie oder ambulanter oder stationärer Rehabilitation fortgesetzt. Als Voraussetzung ist Rehabilitationsbedürftigkeit und -fähigkeit zu überprüfen. Es gibt standardisierte Inhalte, die sich nach vereinbarten Therapie- und Rehabilitationszielen ausrichten. Bewegungstherapie und Patientenschulung stellen zusammen mit der Hilfsmittelversorgung Schwerpunkte dar. Die Etablierung von Fast-Track-Verfahren wird die Notwendigkeit einer Nachbehandlung nicht ersetzen, aber Einfluss auf den zeitlichen Verlauf und die Inhalte haben.
Die Notwendigkeit einer Nachbehandlung nach Implantation einer Hüfttotalendoprothese mit Übungsbehandlung ist allgemein akzeptiert, da diese zu besseren Ergebnissen als der Spontanverlauf führt (Bandholm et al. 2018; Wu et al. 2019).
Es existieren international in der Literatur keine einheitlichen Protokolle hinsichtlich des Settings, der Inhalte und Frequenz der Durchführung therapeutischer Maßnahmen nach Hüftendoprothetik (Klugarova et al. 2016). Ein älterer Cochrane Review weist auf die niedrige Studienqualität hin, bewertet aber die Effektivität eines multidisziplinären Behandlungsprogramms infolge eines endoprothetischen Eingriffs an Hüft- oder Kniegelenk mit einer „silver level evidence“ (Khan et al. 2008). Internationale Studien legen nahe, dass eine ambulante Behandlung hinsichtlich der Wiedereinweisungsrate in Krankenhäuser und der Ergebnisqualität ebenso gut sei wie stationäre Rehabilitation (Cram et al. 2018). Allerdings sind internationale Studien aufgrund eines unterschiedlichen Verständnisses von Rehabilitation und den Unterschieden in den Gesundheitsversorgungssystemen nur sehr eingeschränkt auf Deutschland übertragbar. Hinzu kommt, dass in vergleichenden Studien häufig Patienten ausgeschlossen wurden, bei denen eine stationäre Rehabilitation medizinisch indiziert war oder bei denen der Versichertenstatus die Zuweisung zur stationären Rehabilitation beeinflusst hat (Naylor et al. 2019). Es kann sicher keine Standardlösung in der Nachbehandlung geben, sondern man wird den individuellen Gegebenheiten und Voraussetzungen jedes Patienten gerecht werden müssen (Bandholm et al. 2018).
Die Ergebnisse von ambulanter und stationärer Rehabilitation nach Hüftendoprothetik sind nur vergleichbar bei den Patienten, die prinzipiell die Voraussetzungen für die Durchführung einer ambulante Rehabilitation erfüllen.
Die Zuweisung zu einer Rehabilitation orientiert sich im Wesentlichen am generellen Gesundheitszustand, der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit, dem erreichten funktionellen Ergebnis sowie der Wohnsituation und den Möglichkeiten der sozialen Unterstützung in der häuslichen Umgebung (Westby et al. 2014). Ebenso beeinflussen zunehmendes Alter und Komorbiditäten sowie die Versorgung durch das familiäre Umfeld und die Erreichbarkeit von Rehabilitationseinrichtungen das Steuerungsverhalten im Hinblick auf das Rehabilitationssetting (Jankowiak et al. 2019).
Die Zuweisung zur Rehabilitation nach Hüftendoprothetik orientiert sich am generellen Gesundheitszustand, dem Alter, der Komorbidität, der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit, dem erreichten funktionellen Ergebnis, der Wohnsituation, der sozialen Unterstützung und den angestrebten Behandlungszielen.
Genaue Daten über Nachbehandlung und die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen nach der Implantation einer Totalendoprothese im Bereich des Hüftgelenkes in Deutschland sind in der Literatur selten zu finden. AOK-Versicherte erwerbsfähige Patienten mit einer Totalendoprothese im Bereich des Hüftgelenkes führten in ca. 82,6 % eine Anschlussrehabilitation durch, von denen 4,0 % eine ambulante Anschlussrehabilitation in Anspruch nahmen (Jankowiak et al. 2019). Die Gesundheitsberichterstattung des Bundes weist für das Jahr 2018 in den Diagnosedaten der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen mit mehr als 100 Betten ca. 119.000 Fälle mit Koxarthrose aus (GBE-Bund 2020). Diese sind im Wesentlichen bei der vorgegebenen Verschlüsselung als Nachbehandlung nach Implantation einer Hüftendoprothese zu verstehen. Rechnet man mit ca. 175.000 Hüftendoprothesen-Erstimplantationen bei degenerativen Veränderungen im selben Jahr (IQTIG 2019), die dieser Diagnose für den Bereich der Rehabilitation zugeordnet werden können, dann ist der Anteil, der eine Rehabilitation in Anspruch nimmt, mit ca. 65–70 % anzunehmen.
Moderne netzbasierte Verfahren unter dem Oberbegriff „Telerehabilitation“ könnten in Zukunft unter Umständen für ein geeignetes Patientenkollektiv das rehabilitativ-therapeutische Spektrum erweitern (Busso et al. 2020). Allerdings scheinen die Effekte im Bereich der Nachbehandlung nach Hüftendoprothetik noch nicht überzeugend (Wang et al. 2019).
Sofern eine physiotherapeutische Behandlung im ambulanten Setting mit der Verordnung von Physiotherapie als nicht möglich oder ausreichend erachtet wird, kann das komplexe Verfahren einer Rehabilitation eingeleitet werden. Dabei haben immer ambulante Rehabilitationsmaßnahmen Vorrang vor stationären Verfahren. Sofern Patienten für eine ambulante Rehabilitation geeignet sind, dürften auch die Ergebnisse beider Maßnahmen gleich sein, da sich auch die Behandlungsinhalte nicht wesentlich unterscheiden (Mahomed et al. 2008).
Für eine ambulante Rehabilitation muss der Patient ausreichend belastbar sein, das Therapiezentrum muss sich in zumutbarer Entfernung (einfach 30–45 Minuten mit den dem Patienten zur Verfügung stehenden Transportmöglichkeiten) befinden und die häusliche Versorgung muss sichergestellt sein. Sollten diese Voraussetzungen nicht gegeben sein, dann spricht dies ebenso wie ein erhöhter Pflegeaufwand, erhöhte Sturzgefährdung und behandlungsbedürftige Komorbiditäten für eine stationäre Rehabilitation. Dies trifft auch zu, wenn bezüglich Schmerz- und Wundmanagement sowie der Compliance des Patienten eine regelmäßige pflegerische und ärztliche Überwachung für erforderlich erachtet wird.
Als Kostenträger fungiert bei Patienten im erwerbsfähigen Alter die gesetzliche Rentenversicherung („Reha vor Rente“). Bei einer Gefährdung der Selbstversorgungsfähigkeit tritt die gesetzliche Krankenversicherung zur Vermeidung oder Verbesserung von Pflegebedürftigkeit („Reha vor Pflege“) als Kostenträger ein.
Voraussetzung für die Einleitung einer Rehabilitationsmaßnahme ist das Vorliegen von Rehabilitationsbedürftigkeit.
Rehabilitationsbedürftigkeit besteht entsprechend der Begutachtungsanleitung in der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes zu Vorsorge und Rehabilitation (MDS 2018), wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung
voraussichtlich nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivitäten vorliegen, durch die in absehbarer Zeit eine Beeinträchtigung der Teilhabe droht oder
Beeinträchtigungen der Teilhabe bereits bestehen (auch Pflegebedürftigkeit) und
über die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist.
Entsprechend des gesetzlichen Auftrages der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV 2017a) besteht Rehabilitationsbedürftigkeit, wenn die Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen erheblich gefährdet oder gemindert ist und ein umfassendes, multimodales, interdisziplinäres Rehabilitationskonzept im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe erforderlich ist, um den Betroffenen möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben einzugliedern und damit ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern.
Letztendlich handelt es sich bei Rehabilitation, verstanden als Management von Krankheits- und Verletzungsfolgen, medizinisch um einen fließenden Prozess, der im Krankenhaus beginnt und sich nahtlos nach der Entlassung aus dem Krankenhaus fortsetzt. Da es sich in Deutschland mit Ausnahme der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung aber bei Krankenhausbehandlung und Rehabilitation kostentechnisch und unter Umständen auch abrechnungstechnisch um unterschiedliche Bereiche handelt, besteht die Notwendigkeit der Abgrenzung der Leistungsbereiche. Deshalb fordert man für die Durchführung einer Anschlussrehabilitation als ganztägig ambulante oder stationäre Rehabilitation im unmittelbaren oder engen zeitlichen Zusammenhang mit einer stationärer Krankenhausbehandlung Rehabilitationsfähigkeit, die im Rahmen der Krankenbehandlung erreicht werden muss, bevor der Rehabilitationsprozess beginnen kann.
Für eine ausreichende Rehabilitationsfähigkeit (DRV 2017b) müssen die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden
1.
frühmobilisiert sein, insbesondere ohne fremde Hilfe essen, sich waschen und sich in der Einrichtung bewegen,
2.
für effektive rehabilitative Maßnahmen ausreichend belastbar sein,
3.
motiviert und aufgrund der geistigen Aufnahmefähigkeit und psychischen Verfassung in der Lage sein, aktiv bei der Rehabilitation mitzuarbeiten.
Rehabilitationsziele
Für die Festlegung der Notwendigkeit von Rehabilitation ist ebenso wie für die Festlegung der Rehabilitationsziele ein grundsätzliches Verständnis der Internationalen Klassifikation von Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF, International Classification of Functioning, Disability and Health) erforderlich (Abb. 1). Aus den Diagnosen lassen sich diese nicht ableiten. Erst die Betrachtung der Ebene der Körperfunktionen und -strukturen und der sich daraus ergebenden Einschränkungen der Aktivitäten und Teilhabe (Teilnahme am sozialen Leben) bilden unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren die Grundlage für Indikation zur Rehabilitation und der Festlegung der Rehabilitationsziele.
Abb. 1
Beispiel ICF nach Hüft-Endoprothese
×
Diese werden zu Beginn des Rehabilitationsprozesses mit dem Patienten besprochen und vereinbart. Dabei sollte es sich um realistisch erreichbare Vorgaben handeln, die allen am Rehabilitationsprozess Beteiligten zu kommunizieren sind. Die Begrenzung auf 5–7 Ziele ist sinnvoll. Es sollte sich um möglichst konkrete, messbare Vorgaben handeln. Beispielsweise sollte statt der Angabe „Verbesserung der Gehstrecke“ eine konkrete Strecke benannt werden, die der Patient erreichen will oder muss. Eingesetzt werden können ebenso Assessments unter Verwendung von Scores, um die Zielerreichung zu dokumentieren (z. B. WOMAC, EQ-5D, SF-12, Staffelstein-Score).
Wesentliche Rehabilitationsziele, entsprechend der ICF
1.
Somatischen Ebene (Körperfunktionen)
Schmerzreduktion (VAS, NRS) in Ruhe und bei Belastung
Verbesserung der Beweglichkeit (Neutral-Null)
Reduktion der Schwellung (Umfangsmaß)
Abschluss Wundheilung
Verbesserung Muskelkraft
2.
Funktional/funktionsbezogenen Ebene (Aktivitäten)
Verbesserung Gangbild
Kontrollierte Belastung
Verbesserung Transferleistung
Verbesserung der Gehstrecke mit und ohne Hilfsmittel (Meter, Kilometer)
Die Notwendigkeit und die Behandlungsinhalte einer Rehabilitation werden durch die individuell mit dem Patienten abzustimmenden Rehabilitations- und Therapieziele bestimmt.
Behandlungsstrategien
Rehabilitation stellt eine multiprofessionelle, interdisziplinäre Herausforderung im Team dar. Der Arzt als Leiter des Rehabilitationsteams verordnet und überwacht die erforderlichen therapeutischen Maßnahmen. Entsprechend der vereinbarten Therapieziele kommen nach endoprothetischem Ersatz des Hüftgelenkes aktive bewegungstherapeutische Verfahren zum Einsatz, die auch im Bewegungsbad erfolgen können. Weiterhin werden passive reaktive Therapieverfahren und Ergotherapie angewendet. Die Therapie erfolgt in Einzel- oder Gruppentherapie. Die ärztliche Behandlung hat die Schwerpunkte in der Überwachung der Wundheilung, der medikamentösen Therapie von Schmerzen, der Prophylaxe periartikulärer Weichteilverkalkungen und der Thromboseprophylaxe. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass bei der zunehmenden körperlichen Aktivierung die Effekte auf Nebenerkrankungen wie Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie und kardiale Erkrankungen überwacht werden müssen und dass es im Verlauf nicht selten Anpassungen der Einstellung dieser Nebenerkrankungen bedarf.
Frühe postoperative Phase im Akuthaus
In der ersten Phase nach einem Gelenkersatz im Bereich des Hüftgelenkes steht im Krankenhaus neben der Analgesie mit medikamentösen und physikalischen Maßnahmen die Frühmobilisation im Vordergrund, die wiederum wesentlicher Bestandteil der Thromboembolieprophylaxe ist.
Aufgrund der heute gebräuchlichen weichteilschonenden, minimalinvasiven Operationstechniken ist in der Regel eine schnelle Rehabilitation möglich, da wenig Muskulatur abgelöst wird. Dazu gehört das Aufstehen noch am Operationstag oder spätestens am Tag nach der Operation. Weitere Maßnahmen sind
Lagerung des operierten Beines beim Liegen in einer weichen Schaumstoffschiene in Neutralstellung beziehungsweise in leichter Abduktion und Hochlagerung,
Luxationsprophylaxe,
Training Transfer Liegen, Sitzen, Stehen,
Krankengymnastik mit passiver Bewegung und isometrischen Anspannungsübungen,
Belastung nach Maßgabe der Beschwerden und Vorgabe des Operateurs unter Verwendung von Gehwagen, Rollator oder Unterarmgehstützen,
Kältetherapie (Eisbeutel, Gelpackung) bis zu 4-mal täglich für 15–20 Minuten,
Entstauung unter Anwendung manueller Lymphdrainage und nachfolgender Kompressionstherapie (elastische Wicklung, Kompressionsstrümpfe),
Atemübungen, Kreislauftraining.
Voraussetzung für die Entlassung ist, dass der Patient soweit selbstständig ist, dass er das Bett ohne fremde Hilfe verlassen kann, sich auf einen Stuhl setzen und aufstehen kann, ohne fremde Hilfe, aber durchaus mit Hilfsmitteln 50–100 Meter gehen kann. Vollbelastung stellt keine zwingende Voraussetzung dar.
Postprimäre (poststationäre) Phase
Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ergeben sich abhängig von den Voraussetzungen und Gegebenheiten neben der ambulanten Behandlung die Einleitung einer ambulanten oder stationären Rehabilitation. Die Maßnahmen der frühen postoperativen Phase sind gegebenenfalls fortzusetzen. Die Inhalte, die im Folgenden unter den Ausführungen zum standardisierten Behandlungsplan gemacht werden, sind in verschiedener Intensität und Schwerpunktsetzung in der poststationären Phase zu adressieren.
Die Dauer der Nutzung von Unterarmgehstützen wird kontrovers diskutiert (Jerosch und Heisel 2010). Nahezu 90 % der Operateure erlauben auch bei unzementierten Hüftgelenken Vollbelastung (Berry und Bozic 2010). Gerade bei zementfrei eingebrachten Endoprothesen wird aber häufig trotz Möglichkeit der Vollbelastung die Verwendung von 2 Unterarmgehstützen für 6 Wochen postoperativ empfohlen, obwohl es dafür keine nachgewiesene Evidenz gibt (Hol et al. 2010). In jedem Fall muss für ein hilfsmittelfreies Gehen ein sicherer Gang bestehen und es darf keine Schwäche der Glutealmuskulatur vorliegen, d. h. der Einbeinstand muss sicher vorführbar sein. Möglich wäre bei einer Glutealschwäche die Benutzung einer Gehhilfe auf der kontralateralen Seite, um eine freie Hand zu haben, wobei aus Gründen der Gangsymmetrie und Sicherheit gerade für längere Wegstrecken und außerhalb des Hauses 2 Unterarmgehstützen der Vorzug zu geben ist. Nach 6 Wochen sollten die Unteramgehstützen sukzessiv abtrainiert werden in Abhängigkeit von Sicherheit und muskulärer Stabilisierung.
Späte ambulante Phase und regelmäßige Nachsorge
Auf die Notwendigkeit regelmäßiger Nachsorge wird generell in der Literatur verwiesen. Es fehlen allerdings klare Vorgaben für Frequenz und Intervalle. In der Regel wird bei einem normalen Verlauf 12 Wochen nach der Implantation einer Hüftendoprothese eine abschließende klinische und radiologische Kontrolle möglich sein. Die AE-Empfehlung (von Roth et al. 2020) empfiehlt weitere Röntgenkontrollen bei zementierten Hüftendoprothesen nach unauffälliger postoperativer Kontrolle und bei beschwerdefreien bzw. beschwerdearmen Patienten erst ab dem 5. postoperativen Jahr und dann in 2- bis 3-Jahresabständen. Zementfreie Endoprothesen sollten grundsätzlich 1 Jahr postoperativ radiologisch kontrolliert werden, dann entsprechend der Vorgabe für zementierte Prothesen. Bei neu eingeführten Prothesen ohne belastbare 5-Jahresdaten sollte eine jährliche radiologische Kontrolle in den ersten 5 Jahren erfolgen. Der Patient soll bei Entlassung die empfohlenen Vorgaben für Kontrollen mitgeteilt bekommen.
Krankenhausbehandlung und Rehabilitation als Management von Erkrankungs- und Operationsfolgen sind medizinisch in der Behandlung ein Gesamtprozess, der in Deutschland nur aufgrund potenziell unterschiedlicher Leistungsträger aufgeteilt wird.
Standardisierter Behandlungsplan
In der Nachbehandlung nach Hüftendoprothetik wird der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Körperfunktionen und -strukturen liegen, da sich hieraus die Verbesserung der Aktivitäten und Partizipation ergeben. Damit haben physio- und bewegungstherapeutische Verfahren einen hohen Stellenwert (Gottfried und Bork 2020). Festgelegte Standards (DRV 2020) in Deutschland beruhen im Wesentlichen auf einem Expertenkonsens (Müller et al. 2009; Gülich et al. 2010; Spieser et al. 2012). Die Vorgaben (Tab. 1) können auch außerhalb des Geltungsbereiches der Deutschen Rentenversicherung zur Orientierung für die Behandlungsplanung in der Rehabilitation dienen.
Tab. 1
Reha-Therapiestandards der Deutschen Rentenversicherung als Beispiel einer Behandlungsvorgabe eines Kostenträgers (aus Gottfried und Bork 2020, mit freundl. Genehmigung)
Leistungen zur sozialen und beruflichen Integration
mind. 45 Minuten pro Reha
mind. 60 %
11
Vorbereitung nachgehender Leistungen
mind. 15 Minuten pro Reha
mind. 80 %
Gemäß dem bio-psycho-sozialen Modell der Internationalen Klassifikation für Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) werden die Leistungen in ,,Evidenzbasierte Therapiemodule“ (ETM) eingeteilt und sowohl Mindestdauer als auch Mindestanteil beschrieben. In den einzelnen ETM sind Therapieleistungen sehr großer Varianz subsumiert. Diese werden jeweils aus einem Katalog Thera-peutischer Leistungen (KTL) kodiert, die Leistungserfassung kann für das interne und externe Quali-tätsmanagement herangezogen werden.
Krankengymnastik dient vornehmlich der Verbesserung der Beweglichkeit, der Muskelkräftigung, Verbesserung der Koordination, dem Training von Alltagsaktivitäten (Abb. 2 und 3) und der Gangschulung (Abb. 4). Krankengymnastik wird ergänzt durch Bewegungstherapie. Die Therapie kann einzeln oder in Gruppen erfolgen und ist auch im Bewegungsbad möglich. Bewegungstherapie kann in Form eines einfach ohne Geräte durchzuführenden Eigentrainingsprogramms erfolgen. Es stehen im Rahmen der medizinischen Trainingstherapie aber auch gerätegestützte Verfahren zur Verfügung. Gerade junge Patienten unter 65 Jahren scheinen von einem früh einsetzenden gezielten Krafttraining profitieren zu können (Husby et al. 2010; Winther et al. 2018). Nach sorgfältiger Unterweisung werden die Belastungsnormative (Gewicht, Wiederholungen, Sätze) für die jeweiligen Übungen festgelegt. In jedem Fall ist den Vorgaben des Operateurs Folge zu leisten. Luxationsgefährdende Übungseinheiten sind zu unterlassen. Schmerzen sind übungslimitierend. Die subjektive und objektive Sicherheit des Patienten hat immer Vorrang.
Abb. 2
Treppensteigen mit Gehstützen: treppabwärts mit operiertem Bein zuerst, treppaufwärts mit dem nichtoperierten Bein zuerst
Abb. 3
Aufheben eines Gegenstandes vom Boden durch Ausstellen des betroffenen Beines nach hinten
Abb. 4
Gehparcour Außenbereich
×
×
×
Der Einsatz von Kryotherapie (Gelkissen, Eisbeutel, Quark) wirkt abschwellend. Beim Vorliegen eines Lymphödems der betroffenen unteren Extremität (eindrückbare prätibiale Ödeme) ist der Einsatz manueller Lymphdrainage zur Entstauung mit nachfolgender Kompressionsbehandlung sinnvoll. Für den Einsatz von Continuous Passive Motion (CPM) gibt es streng genommen keine Evidenz. Diese wird aber vom Patienten häufig als angenehm und nützlich empfunden.
Eine aktive Durchbewegung des Gelenkes mit geringer Belastung kann auch am Fahrradergometer erfolgen, wobei die Belastung aufgrund der Kenntnis über die in vivo wirkenden Kräfte gerade in den ersten 6–12 Wochen streng limitiert werden sollte. Beim Fahrradergometer werden bereits beim Treten mit geringem Tretwiderstand von 40 W und einer Drehzahl von 60 U/min rund 50 % Belastung des Körpergewichtes im Hüftgelenk erreicht. Bei geringem Widerstand (40 W) und hoher Drehzahl von 100 U/min liegt die Belastung im Bereich des Hüftgelenkes in Höhe des Körpergewichtes. Besondere Aufmerksamkeit sollte dem Auf- und Absteigen zukommen, da dort Kräfte bis zum nahezu 3-fachen Körpergewicht gemessen wurden (Bergmann et al. 1989).
Gerade vor dem Hintergrund einer Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit ist sozialmedizinisch festzulegen, welches positive und negative Leistungsbild vorliegt. Das Training kann sich dann auch an den beruflichen Tätigkeiten ausrichten, wobei Abläufe und Belastungen im beruflichen Alltag simuliert und nachgestellt werden.
Zum Standard gehören neben Physiotherapie und Bewegungstherapie Patientenschulung und Gesundheitsbildung. Diesbezüglich ist besonders die Unterweisung in Maßnahmen zur Luxationsprophylaxe zu nennen. Die unter Ergotherapie aufgeführten Inhalte (Abschn. 9.1) bedürfen neben dem praktischen Training auch der theoretischen Unterweisung. Häufige Fragen, die es im Rahmen der Schulung zu adressieren gilt, sind Fragen nach prothesengerechtem Verhalten im Privatleben und im Beruf, insbesondere nach dem Liegen auf der Seite. Möglich ist das Liegen auf der nichtoperierten Seite ab der 2. Woche nach Unterweisung des Gebrauch eines Kissens zwischen den Beinen, auf der operierten Seite ab der 6. Woche postoperativ. Angaben zum Führen eines Autos variieren sehr stark zwischen 2 und 8 Wochen (Na et al. 2020) und hängen im Wesentlichen ab von der operierten Seite, Getriebeart und Schmerz. In Deutschland ist nach der Straßenverkehrsordnung der Fahrzeugführer verantwortlich. Selbsttätiges Autofahren ist ab der 6. postoperativen Woche anzuraten. Voraussetzung ist Schmerzfreiheit und ein hinkfreies Gehen ohne Hilfsmittel. Das Ein- und Aussteigen muss prothesengerecht beherrscht werden. Bei längerdauernder Gehbehinderung und der Notwendigkeit zum Führen eines Fahrzeuges ist der Kontakt mit einer Fahrschule oder dem TÜV anzuraten. Weiterhin gibt es Fragen nach der Ausübung sexueller Aktivitäten, bei denen luxationsgefährdende Stellungen in den ersten 3 Monaten vermieden werden müssen. Fragen der beruflichen Belastung werden im Rahmen der sozialmedizinischen Beurteilung erörtert. Die wichtigsten Hinweise zur Sportausübung sind in Abschn. 10 zusammengefasst.
Die Kerninhalte dieser grundsätzlichen Festlegungen zu den Inhalten der postoperativen Rehabilitationsphase entsprechen auch internationaler Konsensbildung (Westby et al. 2014).
Hilfsmittel, Tipps und Tricks
Ergotherapie
Der Schwerpunkt der Ergotherapie liegt auf der Unterstützung des Patienten bei der Wiedererlangung der Handlungsfähigkeit im Alltagsleben mit dem Ziel der größtmöglichen Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Dabei gibt es deutliche Überschneidungen mit dem Aufgabenbereich der Physiotherapie. Schwerpunkte der Ergotherapie nach Hüftendoprothetik liegen im Bereich
Alltagstraining (Benutzung von Verkehrsmitteln, Ein- und Aussteigen Auto (Abb. 5), Einkaufen),
Arbeitsplatzanpassung, Arbeitsplatztraining,
Hilfsmittelversorgung und -training.
Abb. 5
Alltagstraining Benutzung eines Fahrzeugs
×
Hilfsmittelversorgung
Das Gehen bedarf nach der Implantation einer Endoprothese im Bereich des Hüftgelenkes in der Regel der Verwendung von Gehhilfen (Rollator, Unterarmgehstützen). Dabei kann eine besondere Gestaltung im Griffbereich erforderlich werden (Weichpolsterung, anatomischer Griff). Ebenso sind bei Bedarf an den Unterseiten die Kapseln besonders zu gestalten. Bei der Gefahr des Wegrutschens der Unterarmgehstützen auf nassem, glatten Boden ist die Verwendung von Haftpuffern anzuraten. Im Winter können Krückenkapseln mit Spikes für den Außenbereich sinnvoll sein.
Nach Implantation einer Totalendoprothese im Bereich des Hüftgelenks bestehen Limitationen hinsichtlich des Bewegungsausmaßes. Damit verbunden sind Einschränkungen der Aktivitäten des täglichen Lebens. Zur Beschleunigung der Wiederherstellung der Eigenständigkeit und Optimierung der Aktivitäten des täglichen Lebens ist eine Hilfsmittelversorgung oft unumgänglich.
Beim Schuhwerk ist Schuhen mit Klettverschlüssen der Vorzug zu geben, da diese mit einem langen Schuhlöffel und einer Greifzange selbst vom Patienten angezogen werden können. Es besteht weiterhin die Möglichkeit des Einzugs von elastischen Schnürsenkeln. Um Stürze zu vermeiden, ist zu festem, stabilem Schuhwerk zu raten.
Für die Verwendung von Medizinischen Thromboseprophylaxestrümpfen (MTPS) wird in der einschlägigen S3-Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE) bei der bei uns weit verbreiteten medikamentösen Thromboseprohylaxe lediglich eine Kann-Empfehlung abgegeben (S3-Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE)). Allerdings sollten bei vermehrter Schwellneigung oder Lymphödem oberschenkellange Kompressionstrümpfen Anwendung finden. Der Kompressionsklasse II ist der Vorzug zu geben. Bei fehlender Compliance gegenüber Kompressionsstrümpfen der Kompressionsklasse II oder bei Problemen beim Anziehen ist die Verwendung von Antiemboliestrümpfen besser als keine Versorgung. Für beide Arten von Kompressionsstrümpfen gibt es Strumpfanziehhilfen, in deren Gebrauch der Patient eingewiesen werden muss. Diese Hilfsmittel existieren auch für das Anziehen von normalen Socken und Strümpfen und verhindern eine Beugung über 90 Grad.
Das Aufheben von Gegenständen und das Anziehen von Unterwäsche und Beinbekleidung wird dem Patienten selbstständig durch eine Greifzange („helfende Hand“) ermöglicht oder erleichtert. Ein Beratungsgespräch mit Demonstration verschiedener Ausführungen stellt sicher, dass die Versorgung auch den Bedürfnissen des Patienten entspricht.
Niedrige Toilettensitze mit einer Höhe von unter 50 cm sollten mit einer Toilettensitzerhöhung versehen werden, um eine Flexion von mehr als 90°Grad beim Toilettengang zu vermeiden. Sofern der Patient ohne Verwendung von Armlehnen nicht aus dem Sitzen aufstehen kann, ist an die Montage von Haltegriffen oder die Integration derselben in die Toilettensitzerhöhung zu denken. Das Duschen wird durch einen Duschhocker erheblich erleichtert, den es auch mit integrierten Stützgriffen gibt. Den prothesengerechten und sicheren Einstieg in eine Badewanne ermöglicht ein Badewannenbrett (Abb. 6). Damit ist auch das Duschen über der Badewanne im Sitzen durchführbar. Rutschfeste Bodenauflagen und Haltegriffe erhöhen bei Bedarf die Sicherheit. Nicht immer sind in der häuslichen Umgebung die Sitzmöbel auf das erhöhte Sitzen zur Luxationsprophylaxe ausgerichtet. Gerade bei hoch gewachsenen Patienten kann die Verordnung eines Arthrodesekissens oder eines Sitzkeiles erfolgen, um das Sitzen wesentlich zu erleichtern und einer Luxation entgegenzuwirken. Ein Abduktionskeil oder -kissen verhindert die Adduktion des operierten Beines im Liegen. Die Rotation wird hierdurch nicht beeinflusst. Diesen Zweck erfüllen Lagerungsschienen.
Abb. 6
Hilfsmittel Badewannenbrett – Verordnung und Training des Gebrauchs
×
Eine Beinlängendifferenz nach Hüfttotalendoprothese von 1 cm und weniger bedarf in der Regel keines Ausgleichs oder die Korrektur erfolgt durch Einlage eines Fersenkeiles oder Fersenpolsters auf der verkürzten Seite. Ein Beinlängenunterschied, der 1 cm überschreitet, bedarf in der Regel entsprechender orthopädieschuhtechnischer Maßnahmen in Form einer Sohlenerhöhung.
Orthetische Versorgung
Gerade bei fehlender Compliance und instabiler Situation kann in seltenen Fällen die temporäre Versorgung mit einer Hüftabduktionsbandage oder einer Antiluxationsorthese erforderlich werden. Es gibt konfektionierte Orthesen, die auch zur Nacht getragen werden können und lediglich für die Körperpflege unter Kontrolle abgenommen werden. Allerdings ist davon auszugehen, dass eine Abduktionsorthese den Patienten eher mahnt, als die Hüfte zu stabilisieren. Der Routineeinsatz zur Vermeidung einer Erstluxation scheint nicht gerechtfertigt (Murray et al. 2012). Die Versorgung mit einer Abduktionsorthese scheint auch eine Re-Dislokation nicht zuverlässig zu verhindern (Brennan et al. 2012), sodass diese Art der orthopädietechnischen Versorgung sicher besonders gelagerten Einzelfällen vorbehalten bleibt.
Wichtige ergänzende Maßnahmen
Die sozialmedizinische Beratung ist insbesondere bei der Frage der Rückkehr ins Berufsleben von besonderer Bedeutung. Dabei gilt es auch Aspekte des Schwerbehindertenrechtes zu berücksichtigen. Patienten fragen dies auch häufig nach. Der Grad der Behinderung (GdB) und der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) werden nach gleichen Grundsätzen bemessen. Beide Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass der GdS nur auf die Schädigungsfolgen (also kausal) und der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache (also final) bezogen ist. In den Anhaltspunkten (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2008) wird der GdB für eine einseitige Hüftendoprothese mit 20 angegeben, für eine beidseitige Hüftendoprothese mit 40. Allerdings sei darauf verwiesen, dass diese Werte im Rahmen einer Verordnung (Bundesgesetzblatt 2010) für den GdS auf 10 bei einseitiger Hüftendoprothese und 20 bei beidseitiger Endoprothese abgesenkt wurden.
Bezüglich der Beratung zur Sportausübung sollte in jedem Fall eine 3- bis 6-monatige Sportkarenz eingehalten werden. Es spricht aber nichts dagegen, dass in dieser Zeit ein bewegungstherapeutisches Programm auch mit gezieltem Einsatz von Krafttraining unter rehabilitativen Aspekten absolviert wird. Es besteht generell Einigkeit, dass High-impact-Sportarten, Sportarten mit hoher Rotationsbelastung und mit Verletzungs- und Sturzgefahr vermieden werden sollen (Schmitt-Sody et al. 2011). Dagegen wird generell zu Bewegung geraten und es gibt besonders geeignete Sportarten für Patienten mit Hüftendoprothesen.
Empfehlungen zu Sportarten bei Patienten mit Hüfttotalendoprothese (mod. nach Schmitt-Sody 2011, mit freundl. Genehmigung)
1.
Kontraindiziert
Abrupte Rotationsbewegungen
Extensive Adduktion (Scheren/Kreuzen der Beine)
Belastungsspitzen
2.
Besonders geeignet
Schwimmen (Kraulbeinschlag)
Radfahren
Wandern (Schuhwerk, Gehstock)
Walking, Nordic Walking
Aquajogging
Gymnastik
Rudern
Paddeln
Tanzen (kein Turniertanz)
3.
Bedingt geeignet
Skilanglauf
Golf (Schlagtechnik mit weniger Torsion in Knie- und Hüftgelenk)
Tennis (Vorerfahrung, Doppelspiel, Sandplätze)
Tischtennis
Kegeln, Bowling
Reiten
Alpiner Skilauf
Jogging
4.
Nicht empfehlenswert
Kampfsportarten
Ballsportarten
Leichtathletik
Geräteturnen
Eislaufen
Squash
Mountainbiking
Inlineskating
Fast Track
Im chirurgischen Gebiet begann die Einführung von Methoden zur Beschleunigung der Regeneration nach operativen Eingriffen und der Einführung standardisierter, evidenzbasierter Behandlungsprozesse zur Verbesserung der Qualität Ende des letzten Jahrtausends (Kehlet 1997). Diese sind heute unter den Begriffen Rapid Recovery, Fast Track und Enhanced Recovery bekannt und eingeführt. Die Etablierung von Fast-Track-Programmen bedarf einer intensiven multimodalen interdisziplinären Zusammenarbeit von Operateuren, Anästhesisten, Pflegepersonal und Physiotherapeuten. Neben den Veränderungen im Hinblick auf Vorbereitung, Durchführung der Operation und postoperative Versorgung werden prä- und postoperativ bereits zahlreiche rehabilitative Inhalte adressiert, die durch die Veränderung des anästhesiologischen und operativen Managements (Zugangsweg, Verzicht Drainage) begünstigt werden.
Rehabilitative Inhalte von Fast-Track-Programmen
Patientenschulung und ausführliche Aufklärung des Patienten über den Gesamtverlauf
Einbeziehung der Angehörigen und Bezugspersonen
Analyse erforderlicher Hilfsmittel, deren Verordnung und Schulung im Gebrauch
Definition der Ziele der Behandlung
Festlegung und Kommunikation einer klaren Zeitschiene
Frühmobilisation im Gehwagen, Rollator oder in Unterarmgehstützen
Beginn der Physiotherapie, auch in der Gruppe
Erlernen eines selbsttätig durchzuführenden Behandlungsprogramms
Die Etablierung von Fast-Track-Programmen dient nicht nur der frühzeitigen Entlassung mit Verkürzung der Verweildauer im Krankenhaus und der Erübrigung einer Rehabilitation. Je nachdem, welche Ziele erreicht werden sollen und welche Einschränkungen nach der ICF vor dem Hintergrund von Kontextfaktoren vorliegen, wird eine Rehabilitation nicht grundsätzlich überflüssig. Ein Vergleich zwischen der hüftendoprothetischen Versorgung zwischen den Niederlanden und Deutschland (Füssenich et al. 2019) zeigte nicht nur einen deutlich kürzeren Krankenhausaufenthalt (11,3 vs. 4,4 Tage), sondern auch eine niedrigere Inanspruchnahme stationärer Rehabilitation (72 % vs. 21 %). Allerdings stellt die sektorenübergreifende Zusammenarbeit von ambulantem System, stationärem Sektor und Rehabilitation bei den beschleunigten Abläufen und der erforderlichen Koordinierung noch eine große Herausforderung dar (Nöth et al. 2020). Befürchtungen, dass es bei zügigerer Entlassung ohne Weiterleitung in eine Rehabilitationseinrichtung zu einer erhöhten Rate an stationären Wiedereinweisungen kommt, haben sich in anderen Gesundheitssystemen nicht bewahrheitet (Cram et al. 2018). Ganz im Gegenteil sind bei einer stationären Rehabilitation nach Hüft- und Knieendoprothetik eine erhöhte Rate an Komplikationen beobachtet worden (Onggo et al. 2019). Dies lässt sich aber dadurch sehr gut erklären, dass es sich bei dem zur stationären Rehabilitation zugewiesenen Patientenklientel um ein selektioniertes Patientenklientel handelt. Sofern die Voraussetzungen gegeben sind, kann eine Entlassung nach Hause sicher erfolgen.
Fast track erübrigt nicht prinzipiell die Notwendigkeit einer Rehabilitation.
Für die Praxis
Die Implantation einer Totalendoprothese im Bereich des Hüftgelenkes erfordert eine Nachbehandlung. Diese ist individuell vor dem Hintergrund von Therapie- und Rehabilitationszielen des Patienten zu planen, aus denen sich die Therapieinhalte ableiten. Auf die Organisationsform haben der generelle Gesundheitszustand mit behandlungsbedürftigen Komorbiditäten, das Alter, die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit, das erreichte funktionelle Ergebnis, die Wohnsituation, die Möglichkeiten der sozialen Unterstützung in der häuslichen Umgebung durch das familiäre Umfeld sowie die Erreichbarkeit von Rehabilitationseinrichtungen Einfluss.
Literatur
Bandholm T, Wainwright TW, Kehlet H (2018) Rehabilitation strategies for optimisation of functional recovery after major joint replacement. J Exp Orthop 5:44CrossRef
Bergmann G, Rohlmann A, Graichen F (1989) In vivo Messung der Hüftgelenkbelastung. 1. Teil: Krankengymnastik. Z Orthop Ihre Grenzgeb 127:672–679CrossRef
Berry DJ, Bozic KJ (2010) Current practice patterns in primary hip and knee arthroplasty among members of the American Association of Hip and Knee Surgeons. J Arthroplast 25(6):2–4CrossRef
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