Primäre Hüftendoprothethik – OP-Technik: Oberflächenersatz des Hüftgelenkes
Aktuell sind die Versorgungszahlen mit einem Oberflächenersatz stark gesunken, weil die Gefahr metallassoziierter Nebenwirkungen besteht und alternative Werkstoffe (z. B. Keramik) noch nicht sicher etabliert sind. Bei einer entsprechenden Behandlung sind verfahrenstypische Indikationen und Risiken zu berücksichtigen. Die Operationstechnik erfordert eine hohe Präzision, um eine perfekte Pfannenposition zu erreichen und kein Notching des Schenkelhalses mit konsekutiver Frakturgefahr zu riskieren. In der Nachbehandlung wird neben regelmäßigen klinischen und röntgenologischen Kontrollen die Metallionen-Bestimmung empfohlen.
Oberflächenersatzprothesen weisen aufgrund des großen Kopfdurchmessers ein relativ geringes Luxationsrisiko auf und erlauben im Gegensatz zu schaftbasierten Prothesen eine sparsamere Knochenresektion am proximalen Femur. Deshalb wird auch heute noch eine möglicherweise günstigere Ausgangssituation für spätere femorale Revisionen immer wieder als Argument für ihre Überlegenheit gegenüber schaftbasierten Prothesen genannt (Girard und De Smet 2020; Van der Straeten 2020). Andere hypothetische Vorteile, vor allem bessere Langzeitergebnisse sowie überlegene Beweglichkeit und Funktion, sind umstritten. Zudem besteht bei Verwendung einer Metall-Metall-Gleitpaarung das grundsätzliche Risiko einer Freisetzung von Metallpartikeln, die zu erheblichen lokalen und systemischen Nebenwirkungen führen können (Reito et al. 2016; Hartmann et al. 2017). Deshalb sind die Versorgungszahlen mit metallischem Oberflächenersatz heute sehr gesunken und derzeit stehen auch noch keine ausreichend getesteten Alternativen aus anderen Werkstoffen (z. B. Keramik) zur Verfügung.
Wenn dennoch ein Oberflächenersatz durchgeführt wird, sind wesentliche Voraussetzungen für den Eingriff neben einer entsprechenden Patientenselektion die möglichst passgenaue Implantatwahl (Vermeidung überflüssiger Knochenresektion) und eine hochpräzise Operationstechnik. Femurkappen können zementiert oder zementfrei – meist mit einem mittigen Führungsstift – verankert werden. Auf azetabulärer Seite wird eine größenkompatible – und meist als Monoblock gefertigte – Pfanne in Press-fit-Technik eingebracht. Nach einigen Fehlschlägen und Marktrücknahmen sind derzeit nur noch wenige Implantatmodelle verfügbar.
Aufgrund potenzieller Metallfreisetzung werden metallische Oberflächenersatzprothesen heute kaum mehr verwendet. Die Anwendung von alternativen Werkstoffen hat sich noch nicht durchgesetzt.
Indikation
Grundsätzlich kann ein Oberflächenersatz bei männlichen Patienten mit fortgeschrittener Koxarthrose vor dem 65. Lebensjahr erfolgen, wenn gute anatomische Voraussetzungen bestehen (günstiges Verhältnis von Schenkelhals- und Kopfdurchmesser sowie ausreichend großer Kappendurchmesser ab 50 mm). In Einzelfällen führen wir den Oberflächenersatz durch, wenn Deformationen des proximalen Femurs oder die vorgängige osteosynthetische Versorgung einer Fraktur mit nicht entfernbarem Osteosynthesematerial eine Standardversorgung unmöglich macht (Abb. 1). Besteht ein Patient nach vorgängigem kontralateralem Oberflächenersatz für die Folgeversorgung ebenfalls auf dieser Maßnahme, sollte mittels Metallionen-Bestimmung eine Erhöhung ausgeschlossen sein.
Abb. 1
(a, b) Versorgung mit einer Oberflächenersatzprothese beim 68-jährigen Patienten mit nicht entfernbarem Marknagel nach Osteosynthese vor 35 Jahren: (a) präoperativ, (b) postoperativ
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Kontraindiziert ist ein Oberflächenersatz bei Vorliegen einer Nierenfunktionsstörung (Einschränkung der renalen Metallausscheidung) sowie bei Frauen im gebärfähigen Alter (Gefahr teratogener Schäden durch Metallprodukte). Auch ist der Eingriff nicht bei Patienten indiziert, die relevante Störungen des Knochenstoffwechsels oder eine ausgeprägte Zerstörung des Hüftkopfes (z. B. aseptische Femurkopfnekrose mit ausgedehntem Verlust vitalen Knochens) aufweisen. Bei bekannter Metallallergie ist das Verfahren ebenfalls nicht sinnvoll.
Operationsplanung
Beim Oberflächenersatz ist die präoperative Planung von sehr großer Bedeutung. Dazu gehören insbesondere:
Aufklärungsgespräch: Wegen der verfahrenstypischen Komplikationen (v. a. metallassoziierte Risiken und Schenkelhalsbruch in der frühen postoperativen Phase) benötigen Patienten vor der Entscheidung zum Oberflächenersatz sehr spezifische Informationen. Neben der Dokumentation allgemeiner Operationsrisiken beim Gelenkersatz ist deshalb die nachgewiesene Aufklärung über diese Probleme von besonderer Bedeutung.
Präoperative Röntgenplanung: Anhand einer Beckenübersichtsaufnahme sowie einer zweiten Ebene ist zusätzlich zur vorläufigen Größenauswahl der Prothesenkomponenten die gewünschte Ausrichtung der femuralen Kappe festzulegen. Im Vergleich zur physiologischen Schenkelhals-Schaft-Achse sollte in der Regel eine geringe Valgusstellung angestrebt werden. Mittels entsprechender Schablonen kann die optimale Positionierung von femoraler Kappe und Pfannenkomponente geprüft werden.
Operationstechnik
Die meisten Implantationen erfolgen über den postero-lateralen Zugang in Seitenlage. Nach Luxation des Hüftgelenkes und zirkulärer Durchtrennung der Gelenkkapsel (notwendig, um trotz erhaltenem Hüftkopf eine ausreichende Pfannenexposition sicherzustellen) erfolgt die Bestimmung des Schenkelhalsdurchmessers mit Hilfe eines Kallipers. Um die kleinstmögliche Kopfkomponente auswählen zu können, sollten zuvor Osteophyten, die nicht zur Stabilität beitragen, entfernt werden. Bei der Größenbestimmung muss darauf geachtet werden, dass einerseits die Schenkelhalskortikalis nicht tangiert wird (Gefahr des Notching) und andererseits der Kopf nach der Fräsung ein ausreichendes knöchernes Lager bildet. Mit der Festlegung auf eine entsprechende Kopfgröße wird auch die dazu korrespondierende Pfannengröße für die folgende Präparation des Azetabulum festgelegt. Die Fräsung des Azetabulum sowie die Implantation einer – in der Regel zementfreien – Monoblockpfanne entspricht dem Vorgehen bei konventioneller Endoprothetik. Beim Oberflächenersatz ist die korrekte Pfannenpositionierung (maximal 50°Grad Inklination und keine übermäßige Anteversion) zur Vermeidung von übermäßigem Metallabrieb von besonderer Bedeutung. Auch die Entfernung gegebenenfalls überstehender Osteophyten nach Einbringen der definitiven Pfanne ist wichtig, um einem Impingement vorzubeugen.
Bei der anschließenden Präparation des Hüftkopfes muss eine möglichst optimale Kappenposition angestrebt werden. Diese ist in der Regel charakterisiert durch eine milde Valgusstellung gegenüber der physiologischen Schenkelhalsachse sowie ausreichende Antetorsion und ventrales Offset. Ein Notching der Schenkelhalskortikalis ist zu vermeiden und eine möglichst zirkuläre knöcherne Stützung der Kappe sicherzustellen. Deshalb ist die achsgerechte Platzierung eines Führungsstabes im Schenkelhals wichtig, über den die anschließende Kopffräsung erfolgt. Dies wird in der Regel mithilfe implantatspezifischer Zentrierhilfen unterstützt (Abb. 2a), über die zunächst ein K-Draht und, nach entsprechender Prüfung mittels Tastbögen (Abb. 2b), der endgültige Führungsstab einzubringen sind (Abb. 2c). Vor der anschließenden Fräsung des Hüftkopfes (Abb. 2d) sollte eine intramedulläre Absaugung am Schenkelhals eingebracht werden, um die spätere Zementierung einer möglichst sauberen und nicht durch Blut kontaminierten Spongiosaoberfläche sicherzustellen. Eine um den Schenkelhals gelegte Abdeckung (Schutzfolie bzw. Bauchtuch) verhindert die Streuung von Fräsmehl sowie eine dadurch begünstigte Entstehung von heterotopen Ossifikationen. Bei Verwendung zementierter Kappen sollte vor Aufbringung die gefräste Fläche gegebenenfalls unter Zuhilfenahme einer Jet-Lavage penibel gesäubert werden (Abb. 2e). Gegebenenfalls vorliegende Zysten sind zu kurettieren und sklerosierte Areale anzubohren. Nach entsprechender Zementierung der Kappe und Entfernung von ausgetretenen Zementresten erfolgt die Reposition und der Wundverschluss.
Abb. 2
(a) Operationstechnik beim Oberflächenersatz mit Anlegen der Zentrierhilfe, (b) Prüfung des zirkumferenten Offset mittels Tastbögen nach K-Draht-Anlage, (c) Einbringen des Führungsstabs nach Anlegen einer Schutzfolie, (d) Fräsung des Hüftkopfes und (e) abschließender Säuberung der Kopfspongiosa
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Nachbehandlung
Die Nachbehandlung beim Oberflächenersatz (einschließlich perioperativer Antibiotikagabe, postoperativer Ossifikations- und Thromboseprophylaxe sowie Mobilisation) unterscheidet sich nicht wesentlich von der konventionellen Endoprothetik. Bis heute haben die Empfehlungen einer europäischen Konsensusinitiative Gültigkeit, nach der Kontrolluntersuchungen (regelmäßige klinische und röntgenologische Implantatprüfung) mit einer Metallionen-Bestimmung zumindest in den ersten 5 postoperativen Jahren zu kombinieren sind (Hannemann et al. 2013).
Komplikationen
Patienten müssen beim Oberflächenersatz über die gleichen allgemeinen Operationsrisiken wie in der konventionellen Endoprothetik aufgeklärt werden. Zusätzlich bestehen zwei spezifische Risiken:
Schenkelhalsbruch: Insbesondere in den ersten Wochen bzw. Monaten nach dem Eingriff kann es zu einer Fraktur des Schenkelhalses kommen, die meist den Wechsel auf ein stielbasiertes Implantat erforderlich macht. Zu diesem Risiko können vor allem ein intraoperativ (häufig unbemerktes) Notching am Schenkelhals oder eine Mikrofraktur bei gewaltsamer Fräsung bzw. Kappeneinbringung beitragen.
Metallassoziierte Nebenwirkungen: Aufgrund der durch Abrieb und Korrosion bedingten Freisetzung von Metallpartikeln kann es insbesondere zu lokalen Nebenwirkungen (ARMD, adverse reaction to metal debris) mit Entstehung von flüssigkeitsgefüllten Schleimbeuteln, Weichteilnekrosen (sog. Pseudotumoren) und Osteolysen kommen. Auch toxische Systemreaktionen (Schädigung innerer Organe bzw. des Nervensystems), Induktion einer Krebsentstehung und teratogene Schäden sind möglich, wobei die klinische Relevanz und insbesondere dafür notwendige Schwellenwerte einer Metallexposition noch umstritten sind.
Patienten sind neben allgemeinen Operationsrisken insbesondere auf die verfahrenstypischen Komplikationsmöglichkeiten beim Oberflächenersatz (Schenkelhalsbruch und metallassoziierte Nebenwirkungen) aufzuklären.
Fazit für die Praxis
Der Oberflächenersatz am Hüftgelenk ist wegen metallassoziierter Risiken heute kaum mehr indiziert. Keramische Alternativen sind in Entwicklung. Bei Durchführung eines Oberflächenersatzes ist die präoperative Planung und präzise Umsetzung intraoperativ von entscheidender Bedeutung. Bei Verwendung von metallischen Komponenten sind Patienten insbesondere über potenzielle Freisetzung von Metallpartikeln und damit verbundenen Risiken aufzuklären.
Literatur
Girard J, De Smet K (2020) Reproducing the proximal femur anatomy using hip resurfacing implants. In: Rivière C, Vendittoli PA (Hrsg) Personalized hip and knee joint replacement. Springer, Heidelberg
Hannemann F, Hartmann A, Schmitt J, Lützner J, Seidler A, Campbell P, Delaunay CP, Drexler H, Ettema HB, García-Cimbrelo E, Huberti H, Knahr K, Kunze J, Langton DJ, Lauer W, Learmonth I, Lohmann CH, , Morlock M, Wimmer MA, Zagra L, Günther KP. European multidisciplinary consensus statement on the use and monitoring of metal-on-metal bearings for total hip replacement and hip resurfacing. Orthop Traumatol Surg Res 2013; 99 (3):263–271CrossRef
Hartmann A, Kieback JD, Lützner J, Günther KP, Goronzy J (2017) Adverse reaction to metal debris in a consecutive series of DUROM™ hip resurfacing: pseudotumour incidence and metal ion concentration. Hip Int 27(4):343–348CrossRef
Reito A, Lainiala O, Elo P, Eskelinen A (2016) Prevalence of failure due to adverse reaction to metal debris in modern, medium and large diameter metal-on-metal hip replacements – the effect of novel screening methods: systematic review and metaregression analysis. PLoS One 11(3):e0147872. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0147872. eCollection 2016CrossRefPubMedPubMedCentral
Van Der Straeten C (2020) Hip resurfacing arthroplasty in young patients: international high-volume centres’ report on the outcome of 11,382 metal-on-metal hip resurfacing arthroplasties in patients 50 years at surgery. Hip Int. https://doi.org/10.1177/1120700020957354. Online ahead of print