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DiGeorge-Syndrom

Verfasst von: Heike Kaltofen, Dierk A. Vagts, Uta Emmig und Peter Biro
DiGeorge-Syndrom.
Synonyme
Mikrodeletionssyndrom 22q11; CATCH 22-Sy; DiGeorge-Sequenz (DGS); Sphrintzen-Sy; velo-kardio-faciales Sy; Monosomie 22q11; Sedlackova-Sy; Takao-Sy; kardio-faciales Syndrom Cayler
Oberbegriffe
Chromosomenanomalie.
Organe/Organsysteme
Herz, Gesichtsschädel, Thymus, Nebenschilddrüse.
Inzidenz
Häufigstes Mikrodeletionssyndrom. Häufigkeit ca. 1:5000, beide Geschlechter betroffen.
Ätiologie
Autosomal dominanter Erbgang. In >90 % der Fälle jedoch Neumutation mit Folge einer Mikrodeletion 22q11. Gestörte Entwicklung der 3. und 4. Kiemenbogentasche sowie der sich hieraus entwickelnden Organe, wie z. B. Herz, Aorta, Thymus, Nebenschilddrüsen, Zahnanlagen, Gaumen, Kehlkopf, Schlundmuskulatur, Ohren.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Zellweger-Sy, CHARGE-Sy, Opitz-G-Sy, Severe combined immunodeficiency (SCID), fetale Isotretinoin-Exposition aufgrund Akne-Therapie während der Schwangerschaft.

Symptome

Sehr hohe Varianz der phänotypischen Ausprägung, Multisystemerkrankung.
Hauptcharakteristika sind kongenitales Herzvitium, Gesichtsschädelfehlbildungen, Gaumenfehlbildung, Hypoparathyreoidismus (Tetanie, Hypokalzämie), T-Zell-Immundefizienz sowie leichte Entwicklungsverzögerung, psychische Auffälligkeiten.
Häufig zyanotische Herzfehler aufgrund von Fehlbildungen des Ausflusstrakts (z. B. Fallot-Tetralogie, Truncus arteriosus, Ventrikelseptumdefekt, Pulmonalatresie, unterbrochener Aortenbogen).
Gesichtsdysmorphie: breite und kurze Nase, dysplastische Ohren, Mikrognathie, Hypertelorismus, Gaumenfehlbildungen, velopharyngeale Insuffizienz.
Vergesellschaftet mit
Kehlkopffehlbildungen, kurze Trachea, subglottische Stenose, Tracheomalazie, gastrointestinale Motilitätsstörungen, Schluckstörungen, Schwerhörigkeit, näselnde Sprache, Sprachentwicklungsstörungen, Infektanfälligkeit, chronische otitis media, Schlafapnoe, Immunschwäche, Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege, Muskelkrämpfe, Krampfanfälle, Wirbelfehlbildungen, Klumpfuß, Strabismus, Hernien, Autoimmunerkrankungen, Thyreoiditis, idiopathische Thrombopenie, Arthritis, Ösophagusatresie, anorektale Fehlbildungen, Schizophrenie.
Therapie
Eine ursächliche Therapie ist nicht möglich, daher nur symptomatische Behandlung. Operative Korrektur des Herzvitiums sowie des Gaumens, Substitution von Kalzium und Vitamin D, Parathormon, Wachstumshormon, Antibiotika-Prophylaxe im Kleinkindalter, Immunglobulin, Thymustransplantation, Stammzelltransplantation, Physiotherapie, Logopädie.
Die Lebenserwartung ist weitgehend abhängig von der Schwere des Herzfehlers sowie des T-Zell- Immundefekts, wobei sie aufgrund der therapeutischen Möglichkeiten heute meist normal ist.

Anästhesierelevanz

Spezielle präoperative Abklärung
Säure-/Basenhaushalt, Serum-Kalziumkonzentration, Echokardiografie, EKG, Infektparameter, HNO-Spiegelbefund.
Wichtiges Monitoring
Basismonitoring, Kalziumspiegel, eventuell arterielle Kanülierung.
Vorgehen
Bei Vorliegen einer Hypokalzämie sollte der Kalzium-Spiegel durch Kalziumzufuhr bzw. Vitamin D präoperativ in den Normbereich gebracht werden, um tetanischen Krämpfen und kardialen Funktionsstörungen entgegenzuwirken.
Aufgrund der oben beschriebenen Dysmorphien der Atemwege ist mit erschwerter Maskenbeatmung und schwieriger endotrachealer Intubation zu rechnen. Es empfiehlt sich eine titrierte Narkoseeinleitung mit Erhaltung der Spontanatmung. Instrumente zur Sicherung des erschwerten Atemwegs (Videolaryngoskop/Bronchoskop) sollten vorgehalten werden. Eventuell erweitertes hämodynamisches Monitoring bei Vorliegen eines komplexeren Herzvitiums. Hyperventilation ist wegen der latenten Hypokalzämie zu vermeiden. Im Fall einer Bluttransfusion sollten nur bestrahlte Erythrozytenkonzentrate verwendet werden, um das Risiko einer Graft-versus-Host-Reaktion infolge eines T-Zell-Immundefekts zu minimieren. Postoperativ ist infolge von anatomisch bedingten sowie chronisch infektassoziierten respiratorischen Komplikationen eine eventuell verlängerte Beatmungszeit einzuplanen. Perioperativ kann eine therapiewürdige Hypokalzämie auftreten, insbesondere nach Bluttransfusionen. Das Risiko perioperativer Infektionen ist erhöht.
Cave
Erschwerte Intubation, Herzfehler, Hypokalzämie, Immundefizienz.
Weiterführende Literatur
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