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EEC-Syndrom (Ectrodactyly-ectodermal dysplasia-cleft lip/palate Syndrome)

Verfasst von: Dierk A. Vagts, Heike Kaltofen, Uta Emmig und Peter Biro
EEC-Syndrom (Ectrodactyly-ectodermal dysplasia-cleft lip/palate syndrome).
Synonyme
Anhydrosis hypotrichotica; hypohidrotische ektodermale Dysplasie; Christ-Siemens-Syndrom; Anhidrosis congenitalis; Polydysplasie ectodermique; Guilford-Sy; Jacquetsches Sy; Christ-Siemens-Touraine-Sy; Gesichts-Hand-Fuß-Spalten-Sy; kongenitale anhidrotische ektodermale Dysplasie; engl. „ectrodactyly ectodermal dysplasia“ und „clefting syndrome“
Oberbegriffe
Ektodermaldysplasie (ED), Dysmorphie, kraniomandibulofaziale Missbildung.
Organe/Organsysteme
Oberkiefer, Unterkiefer, Gesichtsschädel, Extremitäten, Sinnesorgane, Herz, Haut, ZNS, Nieren, Urogenitaltrakt, Atemwege, Zähne, Nägel, Schweißdrüsen.
Inzidenz
Genaue Prävalenz ist nicht bekannt. Bis 2017 wurden etwas mehr als 300 Fälle beschrieben. Die hypohidrotische ektodermale Dysplasie (Christ-Siemens-Touraine-Sy, HED) ist die häufigste Form mit einer Inzidenz von 1–9:100.000; Jungen sind bei dieser Form mehr betroffen als Mädchen. Für das EEC-Sy sind derzeit in Deutschland weniger als 20 Fälle bekannt.
Ätiologie
Kongenital mit autosomal-dominantem und X-chromosomalem Erbgang mit variabler phänotypischer Ausprägung, selten auch rezessiv. Ein sporadisches Auftreten ohne familiäre Anamnese wurde ebenfalls beschrieben. Daraus resultiert eine Gruppe vererbter Störungen ektrodermaler Strukturen, von denen bisher mehr als 150 Formen beschrieben worden sind. Die Abgrenzung der einzelnen Varianten geschieht heute durch den Nachweis der beteiligten Gene.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte vergesellschaftete ED: Hay-Wells-Sy (= Ankyloblepharon-Ektodermaldysplasie-Clefting-Sy = AEC-Sy), Ectrodactyly-ectodermal-dysplasia-clefting-(EEC-)Sy, Rapp-Hodgkin-Sy, Berndorfer-Sy, F-Sy, Grauhan-Sy, Goltz-Gorlin-Sy, hypohydrotisches Onychodentodysplasie-Sy, Ito-Sy, DLS-Sy, Cockayne-Sy, Marshall-Sy, Naegeli-Sy I, XTE-Sy, Helweg-Larsen-Sy. Kieferbogen-Ss wie: Franceschetti-Sy I, Goldenhar-Sy, Hallermann-Sy, Wildervanck-Sy I und II, Ullrich-Feichtiger-Sy, Ullrich-Fremerey-Dohna-Sy, okulodentodigitales Sy, okulootovertebrales Sy, iridodentales Sy, dentofaziales Sy, Rubinstein-Sy, Lejeune-Sy, Russel-Sy I, Dutescu-Grivu-Fleischer-Peters-Sy, François-Sy III, Rutherford-Sy, Lenz-Sy.

Symptome

Trias: Ektrodaktylie (Spalthand, Syndaktylie, Klinodaktylie, Spaltfuß, Klumpfuß), Ektodermaldysplasie (zarte, dünne, atrophische Haut, helle Behaarung, spärliche Augenbrauen und Wimpern, Zahnanomalien, Hypohidrose oder Anhidrose, verminderte Speichelproduktion), Spaltbildungen (ein- oder doppelseitige Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte).
Außerdem: Augensymptome (Blepharitis, Konjunktivitis, Keratitis, Fotophobie beim EEC-Sy), Tränenganganomalien, Ankyloblepharon beim AEC-Sy, Ohrmuscheldysplasie, Taubheit, raue Stimme, Oligophrenie (nicht obligat), Urogenitaldysmorphien (Hypospadie), Nieren- bzw. Harnwegsanomalien (Nierenaplasie, Doppelnieren, Hydronephrose), Herzvitien.
Vergesellschaftet mit
Malnutrition, hochgradige Verletzlichkeit der Haut, häufig respiratorische Infekte durch vermindertes Flimmerepithel in der Schleimhaut der Atemwege, Asthma, Fieber durch eingeschränkte Temperaturregulation,
Fallot-Tetralogie (bisher 1 Fall bekannt).
Therapie
Häufig kommt es zu Operationen, um diverse Missbildungen zu korrigieren, v. a. frühzeitige Korrektur der Gesichtsspalten im Säuglingsalter, in erster Linie zur besseren Ernährung und sekundär aus kosmetischer Indikation.

Anästhesierelevanz

Die extreme Vielfalt der Missbildungen und Funktionsstörungen erfordert eine individuelle Anpassung der perioperativen Maßnahmen. Typische Probleme ergeben sich v. a. aus den Gesichtsdysmorphien, die regelmäßig Intubationsschwierigkeiten verursachen, den respiratorischen Infekten sowie der Anhidrose oder Hypohidrose, die mit einer Temperaturregulationsstörung einhergehen.
Spezielle präoperative Abklärung
Erfassung der Missbildungen und ihrer funktionellen Auswirkungen (Echokardiografie, Sonografie, Nierenfunktionsparameter, Thoraxröntgenaufnahme).
Wichtiges Monitoring
Pulsoxymetrie, Kapnographie, Herz-Kreislauf-Überwachung (je nach kardialer Beteiligung), kontinuierliche Temperaturmessung.
Vorgehen
Zur Prämedikation eignen sich Benzodiazepine oral. Keine Vagolytika, ferner sollten subkutane Injektionen vermieden werden. Die anfangs nicht gut gedeihenden Patienten sollten adäquat rehydriert werden, gelegentlich ist auch mit einem Blutzuckerabfall zu rechnen. Die Haut und v. a. die Augen sind sehr verletzlich und müssen sorgfältig geschützt werden.
Wegen der zu erwartenden schwierigen Intubation sollte die Möglichkeit zur unmittelbaren fiberoptischen Intubation des narkotisierten Kindes oder zur fiberoptischen Wachintubation beim Erwachsenen erwogen werden. Die laryngoskopische Einstellung der Glottis gelingt besser, wenn man die Spalte in der oberen Zahnreihe mit einer gefalteten Kompresse überbrückt.
Bei der Wahl des Anästhesieverfahrens gibt es keine speziellen Einschränkungen. Zu bedenken ist, dass reine Inhalationsnarkosen mit hoch dosierten volatilen Anästhetika über eine generalisierte Vasoplegie zu gesteigerten Wärmeverlusten führen.
Cave
Atropin (und andere Vagolytika), Temperaturentgleisung, Hypoglykämie, Lagerungsschäden. Neugeborene mit ED sollten nicht in den Brutkasten gelegt werden.
Weiterführende Literatur
Sharma D, Kumar C, Bhalerao S et al (2015) Ectodermal dysplasia, cleft lip, and palate (EEC syndrome) with Tetralogy of Fallot: a very rare combination. Front Pediatr 16:51. https://​doi.​org/​10.​3389/​fped.​2015.​00051CrossRef
Wójcicki P, Koźlik MJ, Wójcicka K (2016) Genetic factors in selected complex congenital malformations with cleft defect. Adv Clin Exp Med 25:977–987. https://​doi.​org/​10.​17219/​acem/​61911CrossRefPubMed
Wojcicki P, Wysocki M, Wojcicka K (2010) Ectrodactylyectodermal dysplasia-clefting syndrome – plastic surgeons considerations. J Craniofac Surg 21:1388–1392CrossRef