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Fruktoseintoleranz

Verfasst von: Heike Kaltofen, Dierk A. Vagts, Uta Emmig und Peter Biro
Fruktoseintoleranz.
Synonyme
Hereditäre Fruktose-Unverträglichkeit; Fruktosämie; Fruktosemalabsorptions-Sy
Oberbegriffe
Enzymopathie (Anenzymie), Hypoglykämie-Ss, Melliturie-Ss, Stoffwechselkrankheit, Idiosynkrasie, Fehlinfusion (iatrogen).
Organe/Organsysteme
Leber, Fruktose- bzw. Kohlenhydratstoffwechsel.
Inzidenz
1:20.000.
Ätiologie
Hereditär mit autosomal-rezessivem Erbgang. Bei homozygoten Merkmalsträgern besteht ein Ausfall der Aldolase B, wodurch der Fruktoseabbau blockiert ist. Dies führt zur Intoxikation mit Fruktose-1-phosphat mit nachfolgender Hypoglykämie aufgrund einer Hemmung der Glykogenolyse und Gluconeogenese. Außerdem führt eine Hemmung der Synthese von Struktur- und Funktionsproteinen zu Zellschädigungen insbesondere von Nierentubuluszellen und Hepatozyten.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Andere Melliturie-Ss, benigne Fruktosurie (Lävulosurie), Galaktoseintoleranz, Glykogenose Typ I, bakterielle Erkrankungen (Sepsis, Lues), Zytomegalie, Mononukleose, Hepatitis und andere Virusinfektionen, Hyperinsulinismus und andere Hypoglykämie-Ss, Methylalkoholintoxikation.

Symptome

Außerhalb der Anästhesie und Intensivtherapie gibt es nur sehr diskrete anamnestische Hinweise: Abneigung gegen fruktosehaltige Speisen (Obst), auffälliges Fehlen von Karies. Bei konsequenter Meidung von Fructose-Zufuhr sind keine relevanten Spätschäden zu erwarten.
Symptome der chronischen Intoxikation: Anorexie, Vomitus, Gedeihstörungen (Dystrophie), Wachstumsstörungen, psychomotorische Retardierung, Hepatomegalie, Leberfunktionsstörungen (Ödeme, Aszites, Gerinnungsstörungen), Nierenfunktionsstörungen.
Symptome der akuten Intoxikation: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Schock (Hypotonie, Tachykardie, Kreislaufzentralisation), Leberversagen, Nierenversagen, Hypoglykämie, metabolische Azidose, Bewusstseinsstörung, Koma.
Labor: Hypoglykämie, Laktatanstieg, metabolische Azidose, Phosphatabfall, pathologische Leberparameter und Gerinnungswerte (DIC), Kreatininanstieg, Fruktosämie, Fruktosurie.
Erkrankungsnachweis mittels Fruktosebelastungstest.

Anästhesierelevanz

Für den anästhesiologischen Alltag ist die Fruktoseintoleranz dann von Bedeutung, wenn im Rahmen der Behandlung Glukoseaustauschstoffe zur Anwendung kommen. Das können Infusionslösungen, parenterale oder enterale Ernährung oder auch Trägerlösungen für Medikamente sein. Cave: Einsatz von sorbithaltigen Spüllösungen bei transurethralen Eingriffen sowie Hysteroskopien. Die Gefahr einer (teils letal verlaufenden) Unverträglichkeitsepisode ergibt sich vor allem, wenn im Rahmen einer parenteralen Ernährung Fruktose oder Sorbit zugeführt werden. In eingeschränktem Maße gilt dies auch für Xylit, das teilweise auch in den Pentosephosphatzyklus eingeht. Als Trägerlösungen für Medikamente sind diese Substanzen obsolet. Eine generelle Kontraindikation gegen Glukoseaustauschstoffe ist daraus nicht abzuleiten, da sie eine sinnvolle Ernährungstherapie bei Glukoseverwertungsstörungen sowie bei Azidoseneigung und hohen Kaliumverlusten (sekundärer Hyperaldosteronismus) ermöglichen. Als Osmotherapeutikum zur Hirndrucksenkung kann Mannitol eingesetzt werden.
Ein anamnestischer Ausschluss einer Fruktoseintoleranz ist generell nicht möglich bei Säuglingen, Kleinkindern oder Personen, bei denen eine Anamnese nicht erhoben werden kann (z. B. bei Bewusstlosigkeit, psychiatrischen Erkrankungen, Fremdsprachigkeit, sonstigen Komunikationsproblemen). Der Verdacht auf eine Erkrankung kann bei Erwachsenen mit einem Belastungstest verifiziert werden.
Vorgehen
Im Fall einer akuten Unverträglichkeitsreaktion (z. B. nach versehentlicher Substratzufuhr) sofortiges Beenden der Infusion und symptomatische Therapie: Schockbehandlung, Maßnahmen zur Protektion der vitalen Organfunktionen und kontinuierliche Glukosezufuhr unter engmaschiger Kontrolle der Blutzuckerwerte. Eine Koagulopathie (disseminierte intravasale Gerinnung, Thrombozytopenie) muss frühzeitig therapiert werden: FFP, Fibrinogen, ggf. AT-III. Normalisierung des Säure-Basen- und Wasser-Elektrolyt-Haushalts und Sicherstellung einer ausreichenden Nierenfunktion.
Ein letaler Ausgang ist bei Überschreitung einer Fruktosedosis von 30 g/h zu erwarten.
Bescheinigung ausstellen und Blutsverwandte untersuchen bzw. aufklären.
Cave
Hypoglykämie, Glukoseaustauschstoffe: Fruktose, Sorbit, Xylit, Saccharose.
Weiterführende Literatur
Curran BJ, Havill JH (2002) Hepatic and renal failure associated with amiodarone infusion in a patient with hereditary fructose intolerance. Crit Care Resusc 4:112–115PubMed
Fauth U, Halmagyi M (1991) Ätiologie, Pathophysiologie und klinische Bedeutung der hereditären Fruktoseintoleranz. Infusionstherapie 18:213–222PubMed
Fleisher LA (2005) Anesthesia and uncommon diseases, 5. Aufl. Saunders, Philadelphia, S 167–168
Wong D (2005) Hereditary fructose intolerance. Mol Genet Metab 85:165–167CrossRef