Anästhesie bei seltenen Erkrankungen
Info
Verfasst von:
Heike Kaltofen, Uta Emmig, Dierk A. Vagts und Peter Biro
Publiziert am: 26.03.2018

Kawasaki-Syndrom

Kawasaki-Syndrom.
Synonyme
Kawasaki-Fieber; mukokutanes Lymphknoten-Sy
Oberbegriffe
Autoimmunerkrankungen, Vaskulitiden.
Organe/Organsysteme
Herz, Gefäßsystem, Multisystemerkrankung.
Inzidenz
25 (Nordamerika), 243 (Japan)/100.000 Kinder, fast ausschließlich Kinder unter 5 Jahre. Häufigste Ursache für erworbene Herzerkrankungen in der Kindheit.
Ätiologie
Systemische Inflammation mittelgroßer Arterien, Befall verschiedener Gewebe und Organe während der akut febrilen Phase. Die initiale nekrotisierende Arteriitis führt über eine chronische Inflammation zu einer luminalen myofibroblastischen Proliferation mit der Folge von Gefäßstenosen und insbesondere Aneurysmabildung. In erster Linie sind die Koronararterien betroffen. Das auslösende Antigen ist noch unbekannt, eine genetische Prädisposition gilt als wahrscheinlich. Der Verlauf ist meist selbstlimitierend.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Vaskulitiden anderer Genese, Moyamoya-Sy, Viruserkrankungen, toxisches Schocksyndrom (Staphylokokken, Streptokokken), Stevens-Johnson-Sy, Leptospirose.

Symptome

Manifestation der Erkrankung mit mehrere Tage bestehendem Fieber, Konjunktivalinjektion, Exanthem, Erythem und Schwellung von Händen und Füßen, zervikaler Lymphadenopathie. Inflammation der Koronararterien, Hepatitis, interstitielle Pneumonitis, aseptische Meningitis, abdominale Beschwerden. Weitere unspezifische Entzündungszeichen sind Rhinitis, Konjunktivitis, Gingivitis. Ferner „Lacklippen“, Palmar- oder Plantarerythem, Arthralgien.
Die Erkrankung verursacht regelhaft eine Myokarditis, gelegentlich mit Perikarderguss. Eine Behandlung mit Gammaglobulin i.v. und Aspirin während der ersten 10 Tage der Erkrankung reduziert deutlich das Risiko für die Bildung von Koronaraneurysmen, die bei 25 % der nicht behandelten Patienten auftreten.
Spätkomplikationen im Erwachsenenalter: Erweiterung der Aortenwurzel, diastolische Dysfunktion, Ausbildung einer Myokardfibrose, die mit ventrikulären Arrhythmien einhergehen kann.
Labor
Anämie, Leukozytose mit Linksverschiebung, Thrombozytose (>500.000/μl) ab der 2. Woche und Transaminasenanstieg, CRP-Erhöhung.
Vergesellschaftet mit
Das Kawasaki-Syndrom wurde mehrfach bei an Aids erkrankten Patienten beschrieben.
Therapie
Gammaglobulin intravenös, Therapieversuche mit hoch dosiert Kortison, Infliximab (monoklonale Antikörper, die gegen TNFα gerichtet sind) oder Cyclosporin, wenn kein Erfolg mit Gammaglobulin. Antithrombotische Prophylaxe mit Acetylsalicylsäure , Heparin bzw. Cumarinderivaten.

Anästhesierelevanz

Eine anästhesiologische Betreuung im Rahmen der akuten Erkrankung kann für eine Herzkatheteruntersuchung oder auch eine Lymphknotenbiopsie erforderlich sein. Die veränderte Gefäßstruktur kann zu einem Myokardinfarkt durch Thrombose oder Embolie führen. Es besteht die Gefahr des plötzlichen Herztodes durch ventrikuläre Arrhythmien.
Nach der durchgemachten Erkrankung können weiterhin relevante Wandveränderungen der Koronargefäße bestehen.
Spezielle präoperative Abklärung
Genaue Anamneseerhebung mit Fokussierung auf den Herz-/Gefäßstatus. 12-Kanal-EKG, eventuell ausgedehnte kardiologische Diagnostik mit der Frage nach Aneurysmen oder Thrombosen der Koronararterien. Gerinnungsstatus und Abklärung einer eventuell erforderlichen Antikoagulation, evtl. Umstellung einer Antikoagulation mit Kumarinderivaten auf Heparin.
Wichtiges Monitoring
EKG mit ST-Segmentanalyse, invasive Blutdruckmessung, Elektrolytstatus. In Abhängigkeit vom Ausmaß der kardialen Dysfunktion und der Größe des Eingriffs erweitertes hämodynamisches Monitoring (transösophageale Herzechokardiografie, PiCCO®-Monitor, Nahinfrarotspektroskopie), Troponinbestimmung.
Vorgehen
Für die anästhesiologische Betreuung der meist pädiatrischen Patienten gelten die gleichen Grundsätze wie für die Betreuung von an koronarer Herzkrankheit erkrankten Patienten. Eine plötzliche Verminderung der peripheren Sauerstoffversorgung ist unbedingt zu vermeiden. Bei Durchführung einer Allgemeinanästhesie ist die negativ-inotrope Wirkung von Hypnotika und Inhalationsanästhetika zu beachten. Eine sedierende Prämedikation bietet eine gute Stressabschirmung und führt zu einer Reduktion des Anästhetikumbedarfs. Wichtigstes Ziel muss die Optimierung des myokardialen Sauerstoffangebots sein.
Cave
Hohes Risiko für plötzlich auftretende Tachyarrhythmien. Anästhesiedurchführung in ca. 15 % der Fälle bei bis dato noch nicht diagnostiziertem Kawasaki-Sy!
Weiterführende Literatur
Imai Y, Sunagawa K, Ayusawa M et al (2006) A fatal case of ruptured giant coronary artery aneurysm. Eur J Pediatr 165:130–133CrossRefPubMed
McCrindle B, Rowley A, Newburger A et al (2017) Diagnosis, treatment and long-term management of Kawasaki`s disease: a scientific statement for health professionals from the American Heart Association. Circulation 135(17):e927–e999CrossRefPubMed
Morrison JE, Anderson M, Chan KC, Pietra B, Zuk J, Gnadinger P (2005) A 15-year review of children with Kawasaki’s syndrome having general anesthesia or deep sedation. Pediatr Anesth 15:1053–1058