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King-Denborough-Syndrom

Verfasst von: Heike Kaltofen, Dierk A. Vagts, Uta Emmig und Peter Biro
King-Denborough-Syndrom.
Synonym
Koussef-Nichols-Sy
Oberbegriffe
Maligne-Hyperthermie-assoziierte Myopathie, Dysmorphie.
Organe/Organsysteme
Muskelzellmembran, Muskulatur, Bewegungsapparat, Skelettsystem.
Inzidenz
Sehr selten, bisher wurden nur wenige Einzelfälle beschrieben.
Ätiologie
Kongenital, genetisch heterogenes Syndrom, vorwiegend autosomal-dominanter Erbgang, aber auch autosomal-rezessiver Erbgang möglich. Die Erkrankung scheint eine komplexe Sonderform der MH zu sein. In einigen Fällen wurden Karyotypanomalien beobachtet.
Mutationen im Ryanodin-Rezeptor-Gen (RYR 1) sind häufig vorhanden, aber nicht zwingend assoziiert.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Maligne Hyperthermie, malignes neuroleptisches Sy, Zentralfibrillenmyopathie („central core disease“), akute febrile Katatonie, zentral-anticholinerges Sy, Hyperthyreose, Tetanie, Enzephalopathien, Broadbent-Sy, Ombredanne-Sy, Irritations-Sy des Mesodienzephalons, malignes Dopa-Entzugs-Sy (bei Sistieren der medikamentösen Parkinson-Therapie), verschiedene Dysmorphie-Ss, v. a. Kieferbogen-Ss, Myopathie-Ss (vorwiegend Myotonien), Noonan-Sy.

Symptome

Trias: maligne Hyperthermie, Skelettdeformitäten, Myopathie.
Fakultative Symptome: Minderwuchs, Wirbelsäulenanomalien (v. a. Skoliose), Blepharoptose, Mikrognathie, antimongoloide Lidfalte, Ohrmuscheldysplasie, muskuläre Hypotonie.
Labor
Wie bei MH ist die CK sporadisch erhöht, Koffein-Halothan-Test positiv.
Vergesellschaftet mit
Muskelhypertonie, Hyperreflexie, Kryptorchismus, Trichterbrust.

Anästhesierelevanz

Die Problemstellung entspricht weitgehend derjenigen bei MH und bei Myopathien. Darüber hinaus ist bei Gesichtsdysmorphien mit Intubationsschwierigkeiten zu rechnen.
Die Symptomatik des MH-Anfalls: Hyperkapnie, Hyperthermie (>1 °C/h; Hyperpyrexie), Tachykardie, Arrhythmien, Tachypnoe, Zyanose, Schwitzen, respiratorische und metabolische Azidose, Muskelrigor (v. a. der Kaumuskulatur, Masseterspasmus, Trismus), starke Fibrillation nach Succinylcholin, Myoglobinämie, Rhabdomyolyse, Myoglobinurie, CK-Erhöhung, Verbrauchskoagulopathie, Gerinnungsstörung, akutes Nierenversagen.
Wichtiges Monitoring
Kontinuierliche Temperaturmessung, Kapnographie, Pulsoxymetrie, Blutgasanalysen, Säure-Basen-Status, neuromuskuläres Monitoring.
Vorgehen
Eine stressmindernde anxiolytisch-sedative Prämedikation mit kurzwirksamen Benzodiazepinen (z. B. Midazolam p.o.) oder Dexmedetomidin kann vorteilhaft sein, allerdings muss eine erhöhte Sensitivität bezüglich respiratorischer Komplikationen berücksichtigt werden und eine kontinuierliche Überwachung gewährleistet sein. Sofern keine Kontraindikationen für Regionalanästhesien vorliegen, sollten diese bevorzugt werden. Bei Allgemeinanästhesien ist mit Intubationsschwierigkeiten zu rechnen. Aus diesem Grunde sollte geeignetes Material für die Sicherung erschwert zugänglicher Atemwege verfügbar sein. Volatile Anästhetika und Succinylcholin sind absolut kontraindiziert. Es besteht ein verringerter Bedarf an nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien, so dass diese vorsichtig unter neuromuskulärem Monitoring dosiert werden sollten, falls ihr Einsatz notwendig ist. Bei erhöhtem Muskeltonus bzw. Vorliegen einer Myotonie sollten keine Cholinesterasehemmer zur Antagonisierung nichtdepolarisierender Relaxanzien gegeben werden. Sugammadex kann nach Gabe von Rocuronium eine geeignete Alternative sein.
Der Nutzen einer medikamentösen MH-Prophylaxe ist umstritten. Zur intravenösen Prophylaxe mit Dantrolen wird eine Dosierung von 2,5 mg/kg empfohlen.
Über die erfolgreiche geburtshilfliche Epiduralanästhesie einer Patientin wurde berichtet. Dabei war zeitweilig eine beatmungspflichtige Ateminsuffizienz aufgetreten.
Vorgehen beim MH-Anfall: Triggersubstanzen stoppen, FIO2 = 1,0 Ventilation steigern, bis Normokapnie erreicht ist, Anästhesieschläuche wechseln und Verdampfer entfernen, Frischgasfluss >10 l/min. Den Patienten unter kontinuierlicher Temperaturkontrolle mit allen verfügbaren Mitteln kühlen (Oberflächenkühlung, kalte Infusionslösungen, Magen-, Blasen- und Peritonealspülung, Hämofiltration, medikamentöse Vasodilatation.
Dantrolengabe i.v.: 2,5 mg/kg über 5 min. Weiterführung der Dantrolengabe in 5-minütigen Abständen, bis die Symptomatik abgeklungen ist. Die Dantrolentherapie sollte mit 5–10 mg/kg/ 24 Std weitergeführt werden. Weitere Maßnahmen sind: Korrektur des Säure-Basen-Haushalts und forcierte Diurese, Behandlung der Verbrauchskoagulopathie.
Adäquate Überwachung und Behandlung auch auf postoperative Phase ausdehnen.
Hinweis
Patienten aufklären und Blutsverwandte informieren (ggf. Koffein-Halothan-Kontrakturtest veranlassen) und Bescheinigung über MH-Prävalenz ausstellen.
Cave
alle MH-Triggersubstanzen: Succinylcholin, volatile Anästhetika, Cholinesterasehemmer.
Weiterführende Literatur
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Heytens L, Martin JJ, Van De Kleft E, Bossaert LL (1992) In vitro contracture tests in patients with various neuromuscular diseases. Br J Anaesth 68:72–75CrossRefPubMed
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