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Larsen-Syndrom

Verfasst von: Heike Kaltofen, Dierk A. Vagts, Uta Emmig und Peter Biro
Larsen-Syndrom.
Synonyme
Arthrodigitales Sy; Gelenkdysplasie-Zylinderfinger-Sy
Oberbegriffe
Osteochondrodysplasien, kongenitale Gelenkluxationen.
Organe/Organsysteme
Gelenke, Gesichtsschädel, Skelett, Bindegewebe, Bewegungsapparat.
Inzidenz
Wird bei ca. 1:100.000 vermutet. Gleichmäßige Geschlechtsverteilung.
Ätiologie
Kongenital. Eine Vererbung wird angenommen, vermutlich mit autosomal-dominantem Erbmodus oder möglicherweise auch als autosomal-rezessive Neumutation im FLNB-Gen, welches für Filamin-B kodiert. Es wird eine Fehlentwicklung und Unreife von Kollagenfasern im gesamten Bewegungsapparat als gewebespezifische Ursache vermutet. Feststellbar sind Ossifikationsstörungen im Bereich der Epiphysenkerne und atypische Ossifikationszentren.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Verschiedene Zwergwuchs-Ss, Rotter-Erb-Sy, Guérin-Stern-Sy, otopalatodigitales Sy, Parrot-Sy, Marfan-Sy, Maroteaux-Malamut-Sy, Marshall-Sy, Kniest-Sy, Ehlers-Danlos-Sy, Aarskog-Sy, Robinow-Silverman-Smith-Sy, Turner-Kieser-Sy, uveoarthrochondrales Sy, Arthroophthalmopathie-Sy, rezidivierende Polychondritis, Chondrodysplasie.

Symptome

Hypertelorismus, eingesunkene Nasenwurzel, vorstehende Stirn, quadratische Gesichtsform, Spaltbildungen (LKG-Spalte), Dysplasien der großen Gelenke, Pes equinovarus, Wirbelsäulenanomalien (v. a. missgebildete Wirbelkörper im HWS-Bereich), zylinderförmige Finger. In der Regel liegt keine Beeinträchtigung der Intelligenz vor.
Vergesellschaftet mit
Laryngo-Tracheomalazie, subglottische Stenosierung, Schwerhörigkeit, Spina bifida cervicalis, Wirbelsäulendeformitäten (zervikale Kyphose), zervikale Myelopathie, disproportionierter Minderwuchs, Atemstörungen im Säuglingsalter, Wundheilungsstörungen, hohe atlantookzipitale Subluxations- und Tetraplegiegefahr. Gelegentlich wurden Herzvitien, Erweiterung der Aorta und mentale Retardierung beobachtet.
Therapie
Orthopädische Korrekturoperationen.

Anästhesierelevanz

Spezielle präoperative Abklärung
Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule zur Beurteilung der Beweglichkeit und Stabilität, zum Ausschluss einer Verengung des Spinalkanals und der Atemwege.
Wichtiges Monitoring
Pulsoxymetrie, Kapnographie.
Vorgehen
Anästhesieerfahrungen beim Larsen-Sy sind spärlich. Meist handelt es sich um pädiatrische Fälle, selten jedoch können auch Erwachsene betroffen sein (bisher 4 Fälle weltweit).
In einem Fall wird über erhebliche Intubationsschwierigkeiten berichtet (kurzer Hals und anteriorer Larynx), bei anderen Fällen gab es damit keine Probleme. Generell sollten Vorkehrungen für Atemwegsprobleme getroffen werden. Alternative Intubations- und Beatmungstechniken sollten ohne ausgeprägte oder forcierte Reklination der HWS durchgeführt werden. Bei HWS-bedingten Bewegungseinschränkungen empfiehlt sich die Verwendung von Larynxmasken oder die elektive fiberoptische Intubation des wachen bzw. analgosedierten Patienten. Bei guter HWS-Beweglichkeit wird die Anwendung einer sog. Inline-Stabilisierung empfohlen, um eine atlantookzipitale Subluxation zu vermeiden.
In einem Fall wurde über eine subglottische Verengung berichtet, die post extubationem zu Atmungsschwierigkeiten führte und sich erst nach systemischer Kortikosteroidmedikation besserte. Es ist auch ein plötzlicher und irreversibler Herzstillstand bei einem Kind während einer Wirbelsäulenoperation in Sevoflurananästhesie beschrieben worden. Es wird vermutet, dass es sich um eine syndromassoziierte kardiale Problematik gehandelt hat. Die Autoren empfehlen, große Eingriffe dieser Art bei Larsen-Sy nicht durchzuführen.
Ein weiterer Fallbericht weist auf ein mögliches Risiko für maligne Hyperthermie hin, da bei einem 2-jährigen Kind nach einer 6-stündigen Narkose mit Halothan und Isofluran die typischen klinischen Zeichen einer malignen Hyperthermie aufgetreten waren. Ein gesicherter Nachweis konnte aus logistischen Gründen nicht geführt werden. Die Therapie mit Dantrolen und supportiven Maßnahmen war erfolgreich. Diese Erfahrungen sind dennoch nicht konklusiv, da auch einige unproblematische Anästhesien mit Sevofluran beschrieben worden sind.
Bei einer kleinwüchsigen Erwachsenen (36 kg, 130 cm) wurde erfolgreich eine Epiduralanästhesie für eine Kaiserschnittentbindung angewendet.
Insbesondere im Säuglings- und Kleinkindesalter wird von einer gewissen Neigung zu spontanen Atemstörungen berichtet, die eine längere postoperative Überwachung der Atmungsfunktion erfordern. Generell wird die Verwendung kurzwirksamer Substanzen empfohlen.
Cave
Atlantookzipitale Subluxation, Halsmarkeinklemmung, Anästhetikaüberhang. Atemwegskomplikationen.
Weiterführende Literatur
Chritchley LAH, Chan L (2003) General anaesthesia in a child with Larsen syndrome. Anaesth Intensive Care 31:217–220
Ghaffaripour S, Ghahramaninejad F, Shahbazi SH (2009) Malignent hyperthermia in Larsen syndrome. Paediatr Anaesth 19:927–928CrossRefPubMed
Malik P, Choudhry DK (2002) Larsen syndrome and its anaesthetic considerations. Paediatr Anaesth 12:632–636CrossRefPubMed
Morishima T, Sobue K, Tanaka S, So M, Arima H, Ando H, Katsuya H (2004) Sevoflurane for general anaesthetic management in a patient with Larsen syndrome. Paediatr Anaesth 14:194–195CrossRefPubMed
Saricaoğlu F, Dal D (2004) Cardiac arrest in a patient with Larsen syndrome under sevoflurane anesthesia. Pediatr Anesth 14:889CrossRef