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Leigh-Syndrom

Verfasst von: Heike Kaltofen, Dierk A. Vagts, Uta Emmig und Peter Biro
Leigh-Syndrom.
Synonyme
Engl. „Leigh’s syndrome“; LS; Morbus Leigh; subakute nekrotisierende Enzephalomyelopathie
Oberbegriffe
Neurodegenerative Erkrankungen, Mitochondriopathie.
Organe/Organsysteme
Nervensystem, Bewegungsapparat, Muskulatur.
Inzidenz
1:40.000 mit Androtropie der X-chromosomalen Variante. Auf den Färöer-Inseln tritt eine Variante mit einer Inzidenz von 1:1.700 bei einer Trägerfrequenz von 1:33 auf. Die Zahl der betroffenen Erwachsenen ist sehr klein, da die mittlere Lebenserwartung mit ca. 5 Jahren sehr kurz ist.
Ätiologie
Kongenital mit mitochondrial-(maternell), autosomal- oder X-chromosomal-rezessivem Erbgang. Es liegt eine Störung der mitochondrialen Atmungskettenenzyme mit Beeinträchtigung des Energiestoffwechsels vor, bei welchem die Komplexe I, II, IV, oder V des Koenzyms Q oder der Pyruvatdehydrogenase betroffen sind, insbesondere auch die Cytochrom-C-Oxidase. In der Folge kommt es zu progredientem Zelluntergang in Geweben mit hohem Energiebedarf, insbesondere im zentralen Nervensystem.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen

Symptome

Die Symptomatik bei der subakut nekrotisierenden Enzephalomyelopathie ist sehr variabel und unter anderem von der betroffenen Hirnregion abhängig. Schon im 1. Lebensjahr können viele der folgenden Symptome vorkommen: epileptische Anfälle, Muskelschwäche und -spastizität, Paresen, Hypotonie (in einigen Fällen auch Hypertonie im Sinne eines entkoppelten vegetativen Nervensystems), Dysphagie, Nystagmus, Augenmuskellähmung, zentrale Atemstörungen, rezidivierende Aspirationen, Entwicklungsverzögerung, Lethargie, Hypoglykämie.
Diagnose neurologisch und mittels Nachweis von erhöhten Laktat- und Pyruvatkonzentrationen im Blut. Bildgebende Verfahren des Gehirns zeigen fokale nekrotisierende Läsionen in den Basalganglien, im Diencephalon, Kleinhirn und Hirnstamm.
Nicht-neurologische Symptome sind Dysmorphien, Hypertrichosis, Minderwuchs, Kardiomyopathie.
Vergesellschaftet mit
Krampfneigung, Affektlabilität, verminderte Impulskontrolle, progredienter Verlust von bereits erreichter Entwicklungsstufe im Kindesalter.
Therapie
Sondenernährung, orale Supplementation mit Ascorbinsäure und Phylloquinon, Vitamin B1 (Thiamin).

Anästhesierelevanz

Die Erkrankung hat eine sehr ungünstige Prognose, so dass die Betroffenen das Adoleszenzalter meist nicht erreichen. Limitierend sind insbesondere die Muskellähmung und die damit verbundene Ateminsuffizienz.
Spezielle präoperative Abklärung
Respiratorischer und metabolischer Status, Röntgen des Thorax.
Wichtiges Monitoring
Relaxometrie, Pulsoxymetrie, Blutgase, Laktat, Blutzucker.
Vorgehen
Die wichtigste anästhesiologische Herausforderung liegt in der Vermeidung perioperativer respiratorischer Probleme. Bei Vorliegen einer Dysphagie ist bei Verlust der Schutzreflexe mit einer erhöhten Aspirationsgefahr zu rechnen. Daher sorgfältig auf Nüchternheit achten, und wenn indiziert eine „rapid sequence induction“ vornehmen. Perioperativ sollte ab Beginn des Fastens eine glukosehaltige Vollelektolytlösung eingesetzt werden. Verzicht auf Ringerlaktatlösung. Die Indikation zur Nachbeatmung ist großzügig zu stellen, und es ist davon auszugehen, dass die Entwöhnung vom Respirator bzw. Atmungshilfen längere Zeit beanspruchen wird. Die Verabreichung von Anästhetika, insbesondere solcher mit atemdepressiver Wirkung sollte vorsichtig und mit bedarfsorientierter Titrierung erfolgen. Vorsichtiger Einsatz von Muskelrelaxanzien, Verzicht auf Succinylcholin wegen eventueller Rhabdomyolyse und Hyperkaliämie im Rahmen von Myopathien. Perioperativer Stress sowie Temperaturschwankungen sollten möglichst vermieden werden. Erfolgreiche Narkosen und Sedierungen ohne Nachweis eines Laktatanstiegs, mit sowohl niedrigdosierten Propofolinfusionen als auch Inhalationsanästhesien, sind in Fallberichten beschrieben.
Regionale Anästhesieverfahren sind zwar nicht a priori kontraindiziert, allerdings sind der Anwendbarkeit Grenzen gesetzt.
Cave
Aspiration, respiratorische Dekompensation, metabolische Azidose.
Weiterführende Literatur
Cooper MA, Fox R (2003) Anesthesia for corrective spinal surgery in a patient with Leigh’s disease. Anesth Analg 97:1539–1541CrossRef
Finsterer J (2008) Leigh and Leigh-like syndrome in children and adults. Pediatr Neurol 39:223–235CrossRef
Gozal D, Goldin E, Shafran-Tikva S et al (2006) Leigh syndrome: anesthetic management in complicated endoscopic procedures. Pediatr Anesth 16:38–42CrossRef
Kocamanoglu I, Sarihasan E (2013) Anesthetic management of a pediatric patient with Leigh syndrome. Rev Bras Anesth 63(2):220–222CrossRef
Shear T, Tobias JD (2004) Anesthetic implications of Leigh’s syndrome. Pediatr Anesth 14:792–797CrossRef