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Proteus-Syndrom

Verfasst von: Heike Kaltofen, Uta Emmig, Dierk A. Vagts und Peter Biro
Proteus-Syndrom.
Synonyme
Partieller Gigantismus von Händen, Füßen, Nävi, Hemitrophie und Makrozephalie
Etymologie
Im Gegensatz zu vielen anderen Syndromen, deren Benennung an die Erstbeschreiber erinnert, ist diese Erkrankung nach dem griechischen Gott Proteus benannt, der als Schutz vor Gefangennahme die Fähigkeit entwickelte, seine Gestalt vielfältig zu verändern („nach Art des Proteus“: polymorph, vielgestaltig).
Oberbegriffe
Dysplasie. Die Erkrankung ist dem Formenkreis der Hamartosen (während der Embryonalentwicklung entstehende tumorartige Fehlbildungen) zugeordnet.
Organe/Organsysteme
Haut, Skelettsystem.
Inzidenz
<1:1.000.000.
Ätiologie
Vermutlich Spontanmutation des AKT1-Gens während der Embryonalentwicklung, welche zu einem genetischen Mosaik führt. Auffällig ist ein pathologisch gesteigertes Wachstum umschriebener Zellbereiche.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Neurofibromatosen, Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom, Klippel-Trenaunay-Weber-Sy, Schimmelpenning-Feuerstein-Mims-Sy, HHML („hemihyperplasia-multiple lipomatosis syndrome“).

Symptome

Partialer Gigantismus von Händen und Füßen, asymmetrischer dysproportionierter Überwuchs (Gigantismus), meist im Kleinkindesalter beginnend (6.–18. Lebensmonat). Dysregulation des Fettgewebes (Lipoatrophie umschriebener Bereiche, aber auch massiver Überwuchs regulär vorkommenden Fettgewebes, z. B. intraabdominal). Hautanomalien (zerebriformer Bindegewebsnävus, Hämangiome, Lipome, epidermale Nävi), Mikrozephalus, kraniale Hyperostose, Hypertrophie der Röhrenknochen, übermäßiges Wachstum der Wirbelkörper, Skoliose, Augenfehlbildungen, seltener mentales Defizit.
Vergesellschaftet mit
Zystische Lungenmalformationen, Kyphoskoliose, Niereninsuffizienz, gelegentlich Krampfanfälle, Krankheitsspezifische Tumore, vor der 2. Lebensdekade auftretend: Bilaterales ovariales Cystadenom oder Monomorphes Adenom der Ohrspeicheldrüse

Anästhesierelevanz

Eine anästhesiologische Betreuung der Patienten kann im Rahmen von Dentalsanierungen oder rekonstruktiver Chirurgie erforderlich sein. Progressive Skelettdeformitäten, invasive Lipome sowie maligne Tumoren müssen je nach Lokalisation oder Einschränkung der Beweglichkeit operiert werden. Das anästhesiologische Vorgehen richtet sich hierbei nach dem Umfang des chirurgischen Eingriffs.
Intubationsschwierigkeiten können aufgrund von Fehlbildungen des Gesichtes und Halses auftreten. Asymmetrisch hypertrophierte Adenoide oder Tonsillen können das Atemwegsmanagement erheblich erschweren. Das Vorhandensein einer vergrößerten oder verdickten hängenden Epiglottis wird beschrieben. Skelettdeformitäten können zu einer eingeschränkten Lungenfunktion führen. Vermehrt wurde das Auftreten von tiefen Venenthrombosen mit der Gefahr der pulmonalen Embolie beschrieben.
Spezielle präoperative Abklärung
Hinweise für schwierige Atemwege; pulmonal-respiratorischer Status.
Wichtiges Monitoring
Die über den Standard hinaus gehende Überwachung richtet sich nach dem Muster und Ausmaß der Organbeteiligung.
Vorgehen
Bei der Entscheidung für eine medikamentöse Prämedikation muss auf ein eventuell vorliegendes mentales Defizit geachtet werden. Ängstliche Kinder und Erwachsene profitieren von einer anxiolytischen Prämedikation. Für eine schwierige Intubation müssen alternative Vorgehensweisen jederzeit möglich sein.
Regionalanästhesiologische Verfahren können durch die bestehenden Skelettdeformitäten und vaskuläre Malformationen erschwert sein. Blockaden sollten daher sonographisch gesteuert erfolgen. Darüber hinaus ist geeignetes Lagerungsmaterial erforderlich, um während der Operation Lagerungsschäden zu vermeiden. Unbedingt erforderlich ist die frühe postoperative Mobilisation zur Senkung des Thromboserisikos sowie perioperative medikamentöse Thromboseprophylaxe.
Cave
Lagerungsschäden, thromboembolische Komplikationen. Nicht dokumentierte, bereits präoperativ bestehende ophthalmologische Defizite.
Weiterführende Literatur
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