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Smith-Lemli-Opitz-Syndrom

Verfasst von: Heike Kaltofen, Uta Emmig, Dierk A. Vagts und Peter Biro
Smith-Lemli-Opitz-Syndrom.
Synonyme
SLO-Sy; RHS-Sy
Oberbegriffe
Enzymopathie, Dysmorphien.
Organe/Organsysteme
Multisystemerkrankung.
Gesicht, kardiorespiratorisches System, Urogenitaltrakt, Gastrointestinaltrakt, ZNS.
Inzidenz
Geschätzt 1:20.000 bis 1:70.000.
Ätiologie
Autosomal rezessiv: Enzymdefekt der 7-Dehydrocholesterol-Δ7-Reduktase, resultierend in einer Akkumulation von 7-Dehydrocholesterol und einem generalisierten Cholesteroldefizit. Genlokus: 11q12-13. Cholesterol wird für die Bildung nahezu aller biologischen Membranen benötigt und ist an der Synthese von Gallensäuren und Steroidhormonen beteiligt. Im ZNS trägt es zur Myelinisierung und Neurotransmittersynthese bei.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Pierre-Robin-Sequenz, Meckel-Sy, Joubert-Sy, Hydroletalus-Sy, Trisomie 13, Pallister-Hall-Sy.

Symptome

Die klinische Ausprägung der Erkrankung ist sehr variabel und kann alle Organe betreffen. Es gibt sehr milde Erscheinungsformen mit guter Prognose zur Lebenserwartung, aber auch schwere Verlaufsformen, die früh nach der Geburt letal sein können. Typische Symptome sind Gesichtsanomalien wie Mikrozephalie, Mikrognathie, Blepharophimose, Epikanthus, hoher Gaumen, Spaltbildungen; Hydrozephalus, mentales Defizit unterschiedlicher Ausprägung, kongenitale Fehlbildungen der Atemwege, des kardiorespiratorischen, gastrointestinalen und urogenitalen Systems sowie des ZNS.
Vergesellschaftet mit
Syndaktylie, Gedeihstörung, Schluckstörungen, Pylorusstenose, M. Hirschsprung, Krampfneigung, Autismus, Aggressivität, kardiale Fehlbildungen (offener Ductus arteriosus Botalli, Vorhofseptumdefekt, supravalvuläre Aortenstenose, Coarctatio aortae), muskuläre Hypotonie, die später in eine Hypertonie übergeht, Nebennierenrindeninsuffizienz, männlicher Pseudohermaphroditismus, Katarakt.
Diagnostik
Nachweis eines erhöhten 7-Dehydrocholesterol-Spiegels im Plasma oder Gewebe, meist sehr niedriger Cholesterinspiegel.
Therapie
Bisher keine ursächliche Therapie. Diät, Substitution von Cholesterol, operative Korrektur von Fehlbildungen.

Anästhesierelevanz

Bereits vor Diagnose der Erkrankung kann aufgrund eines Morbus Hirschsprung oder einer Pylorusstenose eine dringliche OP-Indikation beim Säugling vorliegen.
Durch diätetische Behandlung mit Substitution von Cholesterol hat sich die schlechte Prognose der Erkrankung verbessert. Eine anästhesiologische Betreuung wird im Rahmen von diagnostischen Maßnahmen (MRT), einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) oder für korrigierende Chirurgie erforderlich.
In der Regel besteht ein gastroösophagealer Reflux mit erhöhtem Aspirationsrisiko. Die kardialen Fehlbildungen müssen beachtet werden. Reduzierte Lungenvolumina durch kongenitale Lungenanomalien wie z. B. inkomplette Lobulation der Lunge bewirken eine zusätzliche Gefährdung der Patienten durch Hypoventilation und Hypoxie. Regelmäßig findet sich eine Temperaturdysregulation (Hypo- und Hyperthermie) Gelegentlich besteht eine Nebenniereninsuffizienz, welche eine perioperative Stressprophylaxe mit Kortikoiden erfordern kann.
Spezielle präoperative Abklärung
Untersuchung der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems, Nierenfunktion.
Wichtiges Monitoring
Temperatur, erweitertes Monitoring in Abhängigkeit vom Ausmaß kardiopulmonaler Fehlbildungen und Größe des operativen Eingriffs.
Vorgehen
Anpassung des anästhesiologischen Vorgehens an physische und mentale Konditionen des Patienten. Nicht selten sind die Patienten unkooperativ oder aggressiv. Sowohl die balancierte und die total intravenöse Anästhesie als auch die tiefe Analgosedierung mittels TIVA-Technik ohne endotracheale Intubation sind beschrieben worden. Dennoch ist die hohe Aspirationsgefahr zu berücksichtigen. Präoperative Nüchternheit und Absaugen von Mageninhalt bei liegender Magensonde können das Risiko für eine Aspiration deutlich vermindern.
Bei fazialer Dysmorphie ist mit erheblichen Intubationsschwierigkeiten zu rechnen. Die primär fiberoptische Intubation in erhaltener Spontanatmung unter Sevofluran ist eine gute Möglichkeit zur Sicherung des Atemwegs, jedoch sind meist kleinere Tuben als für das Alter berechnet und auch eine Optik mit geringem Außendurchmesser erforderlich. Larynxmasken in entsprechender Größe müssen verfügbar sein.
Die Datenlage über eine mögliche Assoziation mit dem Auftreten einer malignen Hyperthermie ist uneinheitlich. Beim Auftreten von Hyperthermie, Muskelrigidität, respiratorischer Azidose oder Arrhythmien muss an maligne Hyperthermie gedacht werden.
Haloperidol und andere Medikamente derselben Substanzklasse können den 7-Dehydrocholesterolspiegel erhöhen und die klinischen Symptome der Erkrankung verschlimmern.
Cave
Aspiration, Relaxation ohne gesicherte Atemwege.
Weiterführende Literatur
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