Einführung
Menschen unterschiedlicher ethnischer und kultureller Zugehörigkeit verfügen über eigene Erkrankungs- und Reaktionsmuster des Hautorgans und seiner Anhänge. Dies liegt vor allem begründet in Varianten der Pigmentierung, physiologischen Unterschieden von Haut, Haarfollikel und Haarschaft sowie kulturgebundenen Eigenheiten.
Ärzte, die überwiegend weiße Patienten betreuen, können Schwierigkeiten haben, physiologische Varianten bei Dunkelhäutigen richtig einzuordnen. Dies liegt unter anderem daran, dass die übliche farbliche Charakterisierung mancher pathologischer Phänomene wohl auf die weiße
, nicht aber auf andere Hauttypen
passt. Darüber hinaus variieren auch Verteilungsmuster und Morphologie einer Reihe von Dermatosen. Manche Krankheiten treten ausschließlich oder ganz vorwiegend bei Schwarzen (zum Beispiel Dermatosis papulosa nigra), Asiaten (zum Beispiel Morbus Kimura) oder Süd-Amerikanern (zum Beispiel aktinische
Prurigo) auf. Dunkelhäutige leiden in der Regel stärker unter Veränderungen, die mit Hypopigmentierung einhergehen, weil sie auffälliger sind als auf weißer Haut und zu Stigmatisierung führen können. Überhaupt variiert das Krankheitserleben: So können
Schmerzen, Juckreiz oder generell die Notwendigkeit für Behandlung sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Schließlich ist zu bedenken, dass
Prävalenz und Inzidenz mancher Erkrankungen auch wesentlich mit Faktoren wie sozialem finanziellem Status und Beruf korrelieren. Modifizierend wirken weiterhin Qualität, Erreichbarkeit und Bezahlbarkeit medizinischer Versorgung. In vielen Ländern, insbesondere in Entwicklungsländern, muss man von einer „Dermatologie der Armut“ sprechen.
Zusammenfassend weist die nichtweiße Haut folgende Besonderheiten auf:
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Höhere Bandbreite von Pigmentierungsvarianten
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Auffälligkeit von Hypopigmentierungen und damit verbundene soziale Stigmatisierung
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Neigung zu postinflammatorischer Hyperpigmentierung
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Neigung zur Entwicklung von hypertrophen Narben und Keloiden
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Höhere Inzidenz entzündlicher follikulärer Hautveränderungen
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Das unterschiedliche Erscheinungsbild entzündlicher Dermatosen, da die auf weißer Haut geläufigen Farbvarianten oft verschoben sind und andere Verteilungsmuster vorkommen können.
Kulturgebundene Phänomene manifestieren sich unter anderem in:
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Schönheitsidealen (zum Beispiel
Akne und Melasma nach Applikation topischer
Glukokortikoide zur Hautbleichung)
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Haartrachten (zum Beispiel Alopezie durch Zug)
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Verhaltensweisen (zum Beispiel Hyperkeratose der lateralen Knöchel infolge Sitzens auf dem Boden)
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Traditionellen Therapien (zum Beispiel Hämatome nach Anwendung von Schröpfköpfen)
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Einem vielfach ungeregelten Apothekenwesen mit freiem Verkauf sämtlicher Präparate und dem damit verbundenen häufigeren Auftreten unerwünschter Wirkungen und Resistenzen
Nichtweiße Haut besitzen:
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Afrikaner (subsaharisch)
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Afro-Amerikaner und -Kariben
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Amerikanische und australische Ureinwohner
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Eskimos (Inuit, Yupik, Inupiat, Inuvialuit und Kalaallit)
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Zentral- und Süd-Amerikaner
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Zentral-, Süd-, Ost- und Südost-Asiaten
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Bewohner des Pazifik
Diese Gruppen lassen sich in zahlreiche weitere Untergruppierungen aufspalten – keine Klassifizierung kann jedoch für sich beanspruchen, allgemein verbindlich zu sein und sämtliche an sie gestellten Bedürfnisse restlos zu erfüllen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass sich die typischen Eigenheiten von Menschen bestimmter geografischer Herkunft durch internationale
Migration mit Assimilierung an andere Umweltbedingungen modifizieren und damit weniger charakteristisch werden können.
Der Begriff „nichtweiße Haut“ soll alle jene Hauttöne umfassen, die sich von weißer Haut farblich abheben. Das gelegentlich im Englischen verwendete Substantiv caucasian bezeichnet in diesem speziellen Zusammenhang Nord- und Zentraleuropäer sowie andere Menschen mit ähnlich hellem Teint. Es gilt als unpräzise, da es unterschiedliche Deutungen zulässt. Für die im angelsächsisch-amerikanischen Sprachgebrauch eingeführten und weitgehend wertfreien Termini ethnic skin oder skin of colour steht uns im Deutschen keine geeignete Übersetzung zur Verfügung. Stattdessen sieht man gelegentlich Wendungen wie schwarz- und gelbhäutig – Ausdrücke, die Angehörige entsprechender Gruppen als diskriminierend empfinden können. Die Begriffe Schwarzer, Farbiger oder Neger werden für unpassend oder herabsetzend gehalten, während die Bezeichnung Asiat nicht der Heterogenität des Kontinents und dessen Bewohnern gerecht wird. Einteilungen nach Rasse oder Volk verbieten sich nicht nur wegen ihrer Belastung im geschichtlichen Kontext, sondern auch, weil es sich hierbei um soziale, kulturelle oder politische Kategorien handelt, die nicht notwendigerweise mit biologischen Gegebenheiten übereinstimmen. Letzteres gilt auch für den von Völkerkundlern vielfach verwendeten Terminus Ethnie.
Wenn wir die Bezeichnung Dunkelhäutige(r) verwenden, sind wir uns der Unzulänglichkeit des Wortes durchaus bewusst, glauben jedoch, dass es sich dabei um einen Begriff handelt, der weitgehend unbelastet ist, die meisten nichtweißen Hauttypen abdeckt und der von der großen Mehrheit der Betroffenen für akzeptabel gehalten wird.
Im Folgenden sollen sowohl physiologische Varianten und Eigenheiten wie auch pathologische Besonderheiten der schwarzen, braunen und gelben Haut beschrieben werden. Darüber hinaus werden geografische und kulturelle Unterschiede, die das Auftreten oder die Ausgestaltung von Erkrankungen der Haut und der Haare bedingen, herausgestellt. Wo erforderlich, wird auf andere Kapitel mit ausführlicheren Informationen zu Ätiologie, Diagnostik, Klinik und Therapie verwiesen.
Unterschiede in der Struktur und Funktion von Haut und Haaren
Das auffälligste unterscheidende Merkmal zwischen Menschen unterschiedlicher rassischer Zugehörigkeit ist die Pigmentierung. Sie ist in der Regel umso dunkler, je näher der Lebensraum am Äquator gelegen ist. Während die Menge der Melanozyten bei allen Menschen relativ uniform ist, variiert die Größe der Melanosomen: Afrikaner verfügen über deutlich größere Melanosomen als Weiße. Für die Hautfarbe entscheidend ist jedoch deren Verteilung. In der Haut von Weißen liegen Melanosomen gruppiert vor, wohingegen sie in schwarzer Haut gleichmäßig angeordnet sind. Asiaten liegen zwischen diesen Polen insofern als ihre sonnenexponierte Haut „schwarze“, die nichtexponierte Haut „weiße“ Charakteristika zeigt. Dies bedingt eine geringere Erythemschwellendosis der weißen, nicht sonnenexponierten Haut der Asiaten und damit eine entsprechend höhere Neigung zu lichtbedingten Veränderungen.
Die Dicke des Stratum corneum der Epidermis ist bei allen Menschen gleich, jedoch verfügt dunkle Haut über eine höhere Anzahl von Schichten, ist daher kompakter. Die Dermis weist ebenfalls unterschiedliche Eigenschaften auf: Am auffälligsten ist der Durchmesser, welcher bei weißer deutlich geringer als bei dunkler Haut ist. Zahl und Größe der Fibroblasten sowie deren Aktivität ist bei Dunkelhäutigen stärker ausgeprägt als bei Weißen, was bei Ersteren zu stärkeren Bindegewebsreaktionen führen kann. Auch die Haarfollikel Dunkelhäutiger
sind meist prominenter, vor allem bei Kindern. Diese Eigenschaft bedingt eine lebhaftere Reaktionsweise follikulär gebundener Dermatosen.
Der Ceramid- und Lipidgehalt dunkler Haut ist geringer als der der weißen Haut. Damit verbunden ist ein gesteigerter transepidermaler Wasserverlust, was eine größere Neigung zu trockener Haut bei Afrikanern bedingt – dies mittels Applikation von Ölen und Vaseline auszugleichen kann zu spezifischen kutanen Reaktionsmustern führen.
Auch das Kopfhaar von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe weist distinkte Unterschiede auf: Das asiatische Haar ist dicker und hat einen runden Durchmesser, wie bei Weißen steht es rechtwinklig zur Kopfhaut. Afrikanisches Haar verlässt die Kopfhaut in einem spitzen Winkel. Es verfügt über keine einheitliche Dicke und neigt daher zur Kräuselung, zudem ist sein Durchmesser elliptisch. Haar von Weißen liegt zwischen diesen beiden Varianten, weist jedoch eine höhere Dichte auf als das Haar von Afrikanern. Letztere und Asiaten sind ganz überwiegend schwarzhaarig, während Weiße in der Regel umso hellhaariger sind, je weiter nördlich sie leben. Körper-, Scham-, Achsel- und Barthaar ist am deutlichsten ausgeprägt bei Weißen.