Eine wichtige klinische Qualität des Immunsystems ist die aktive immunologische Toleranzreaktion. Eine aktive immunologische Toleranzreaktion stellt wohl in der Regel die Normalreaktion gegenüber harmlosen Kontaktstoffen dar, nicht das passive Nicht-Reagieren. Dafür ist das Immunsystem mit
Toleranz vermittelnden natürlichen Treg-Zellen ausgestattet. Patienten mit einer Mutation des für Treg-Zellen wichtigen
Foxp3-Gens (X-chromosomales IPEX-Syndrom) leiden an einem schweren, polyglandulären Autoimmunsyndrom mit Polyendokrinopathie, Enteropathie und
Diabetes mellitus Typ 1 mit frühem Beginn sowie
Vitiligo und anderen Hautkrankheiten.
Um pro-entzündliche oder allergische Immunreaktionen durch Toleranzreaktionen ausgewogen balancieren zu können, muss das Immunsystem eine Vielzahl von Zellen und Mechanismen aufeinander abstimmen. Etwa die Hälfte aller kutanen
T-Lymphozyten im Rahmen einer
allergischen Kontaktdermatitis stellen Treg-Zellen dar. Es sind heute verschiedene Typen von regulatorisch wirkenden T-Zellen beschrieben sowie unterschiedliche Phänotypen von regulatorisch wirksamen APZ, die entweder selbst anti-entzündlich wirken oder die verschiedenen regulatorisch wirkenden T-Zellen induzieren. Weitere diskutierte Populationen sind die myeloiden regulatorischen Zellen, wie die alternativ aktivierten
Makrophagen (AAM), die myeloid derived suppressor cells (MDSC) oder regulatorisch wirkende Mastzellen.
Die Bedeutung der aktiven Immunsuppression ist unter physiologischen Bedingungen der Erhalt einer Immun- und Organ-Homöostase. Bei einigen krankhaften Bedingungen, bei chronischen Infekten oder Tumorleiden, ist die immunologische
Toleranz unerwünscht, da sie eine wirksame Abwehr behindert. Toleranzmechanismen greifen zudem oft in entzündliche Immunreaktionen ein, um diese zu beruhigen (Terminierung einer Immunreaktion). Immunologische Toleranz wird auch reguliert: Toleranz kann verlorengehen, beispielsweise, wenn eine Autoimmunkrankheit entsteht. Eine aktive Toleranz kann aber auch entstehen, wenn Kinder ihre Nahrungsmittelallergie verlieren. Auch die Wirkung der Hyposensibilisierung, einer systemischen allergenspezifischen Immuntherapie, kann mit der Induktion einer aktiven immunologischen Toleranz erklärt werden (Kap. „Erkrankungen durch Bienen- und Wespenstiche“). Das natürliche Entstehen einer aktiven Toleranz nach Antigen-Kontakt im Verlauf einer Immunreaktion könnte auch erklären, warum eine Hyposensibilisierung bei
Allergien klinische Routine ist, während es immer noch nicht richtig gelungen ist, bei bestehenden Infektions- und Tumorkrankheiten eine therapeutisch wirksame Th1- oder Th17-Immunität zu induzieren – es sei denn, man blockt einen Mechanismus der Toleranz, eine immunologische Bremse, so mit Anti-CTLA-4-Antikörpern, Anti-PD1-Antikörpern, Anti-PDL1-Antikörpern oder Cyclophosphamid.
Therapeutische Ansätze
Die älteste immunologische Therapie ist die
Impfung. Hier wird mit
Antigenen, die große Homologien oder gar Identität mit Antigenen von pathogenen Keimen oder
Toxinen aufweisen, eine immunologische Gedächtnisantwort induziert. Diese Gedächtnisantwort befähigt den Körper, spezifisch einen Erreger oder ein Toxin beim nächsten Kontakt schon in so kurzer Zeit abzufangen, dass es entweder gar nicht zur Krankheit kommt oder die Krankheitsverläufe deutlich milder ablaufen, als dies ohne Impfung der Fall wäre.
Therapieansätze mit dem Ziel, das Immunsystem durch
Zytokine so zu erziehen, dass eine fehlende in eine wirksame
antitumorale Antwort überführt wird, sind die Behandlungen mit Interferon-α bei Tumoren und Viruskrankheiten, Interleukin 2 beim
Melanom oder die Stimulation von TLR7 und TLR8 durch Imiquimod bei der Behandlung von durch Papillomvirus induzierten Warzen oder In-situ-Karzinomen wie
aktinischen Keratosen. Ein weiterer Erfolg ist der Einsatz von Anti-CTLA-4-, Anti-PD1- oder Anti-PDL1-Antikörpern als Therapie des metastasierten Melanoms. Mit diesem Ansatz ist erstmals gezeigt worden, dass eine immunologische Abwehr und somit auch Immuntherapien beim Melanom einen wirksamen Therapieansatz darstellen und sogar Langzeitremission erreicht werden können.
Anti-Zytokin-Antikörper, insbesondere jene gegen TNF, Interleukin 1, -6, -12/23, oder -17, haben als eine wirksame Behandlung schwerer entzündlicher Krankheiten die Therapie der
Psoriasis,
Psoriasis-Arthritis, möglicher Weise der
Gicht und anderer schwerer entzündlicher Krankheiten revolutioniert. Die Blockade von wichtigen Th2-Immuneffektorzytokinen wie Interleukin 4 und Interleukin 13 sind die erfolgreichsten Therapieansätze bei atopischem Ekzem und weiteren Erkrankungen des atopischen Formenkreises. Im Jahr 2016 wurde ein Medikament zur Blockade von Interleukin 5 zur Behandlung des schweren eosinophilen Asthmas zugelassen.
Trotz des kürzlich erreichten Erfolgs im Bereich spezifischer Immuntherapien ist der Hauptansatzpunkt der meisten immunologischen Therapien immer noch die Immunsuppression mit
Glukokortikoiden und
Immunsuppressiva wie
Methotrexat, Azathioprin, Mycophenolat Mofetil, Cyclophosphamid, Calcineurin-Inhibitoren oder mTOR-Inhibitoren (Kap. „Melanotische Flecke und melanozytäre Nävi“, und „Melanom“).
Glukokortikoide haben multiple, teilweise noch nicht ganz definierte Effekte auf das Immunsystem. Sie beeinträchtigen die
Migration von
Leukozyten, induzieren Zelltod in proliferierenden
Lymphozyten und
dendritischen Zellen und hemmen die Aktivierung von
T-Lymphozyten und deren Interleukin-2-Produktion. Obwohl der molekulare Angriffspunkt ein anderer ist, beruht auch die Wirkung der Calcineurin-Inhibitoren
Ciclosporin A, Pimecrolimus oder
Tacrolimus darauf, die Produktion von T-Zell-Zytokinen zu unterbinden. JAK-Inhibitoren sind für die
rheumatoide Arthritis zugelassen, weil sie als Inhibitoren proentzündlicher Signaltransduktion wirken. Sie werden auch in der Dermatologie beispielsweise für die
Psoriasis entwickelt. Eine zunehmend wichtige, immunsuppressiv wirkende Medikamentengruppe werden die Proteinsynthese-Inhibitoren, die mTOR-Inhibitoren, sein. Sie sind von besonderem Interesse, weil sie nicht die
Transkription von
Zytokinen, sondern die Eiweißproduktion hemmen.
Neben
Glukokortikoiden sind
Methotrexat und Azathioprin die wichtigsten und am besten etablierten
Immunsuppressiva, deren besonders gute Wirkung und therapeutische Sicherheit auch in neuesten Studien wiederholt belegt wurde. Methotrexat kann Funktionen der
T-Lymphozyten und auch die Antikörperproduktion hemmen, weshalb es nicht nur bei Th1/Th17-Zell-vermittelten Krankheiten, sondern auch in der Therapie immunglobulinvermittelter Krankheiten, wie bullösen
Autoimmunkrankheiten, eingesetzt wird. Azathioprin, Mycophenolat Mofetil und Cyclophosphamid, ursprünglich als Inhibitoren der DNA-Synthese entwickelt, können ebenfalls die Immunantwort von T- und
B-Lymphozyten beeinträchtigen und werden zur Behandlung des
Lupus erythematodes oder bullöser Autoimmunkrankheiten eingesetzt.