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AE-Manual der Endoprothetik
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Publiziert am: 11.06.2023

Hüftendoprothethik bei speziellen Bedingungen: Endoprothetik nach Azetabulumfrakturen

Verfasst von: Christian Hipfl
Die endoprothetische Versorgung der Hüfte kann primär bei Azetabulumfrakturen und sekundär nach konservativer oder vorausgegangener Osteosynthese erfolgen. Es bedarf einer individuellen Indikationsstellung. Patientenalter, Frakturmorphologie, Knochenqualität und eine vorbestehende Koxarthrose sind wesentliche Entscheidungskriterien. Neben ausreichend Erfahrung in der Revisionsendoprothetik, sind insbesondere bei der Versorgung von frischen Frakturen Kenntnisse der Azetabulumchirurgie notwendig. Es gilt die Frakturmorphologie sowie die azetabuläre Defektsituation und die Position des einliegenden Osteosynthesematerials exakt zu analysieren. Die meisten posttraumatischen Gelenke sind mit zementfreien Pfannen, meist mit zusätzlichen in die unterschiedlichen Pfannenregionen eingebrachten Schrauben zu versorgen. Nach sicherem Infektausschluss sind ein Belassen oder eine partielle Entfernung des Osteosynthesematerials ausreichend. Bei frischen Azetabulumfrakturen kommt je nach Frakturmorphologie eine Revisionspfanne und/oder ein Abstützring gegebenenfalls mit additiver Osteosynthese zum Einsatz. Beim älteren Patienten muss das Therapieziel in erster Linie die schnelle Mobilisierung durch eine stabile einzeitige operative Versorgung sein, um das Komplikations-, Revisions- und Mortalitätsrisiko auf ein Minimum zu reduzieren. Die Ergebnisse sind mit denen der Hüftrevisionsendoprothetik vergleichbar.
Während Azetabulumfrakturen bei jungen Patienten mit Hochrasanztraumata stagnieren, nimmt durch die demografische Entwicklung der Anteil an alterstraumatologischen Fällen stetig zu (Ferguson et al. 2010). Die Osteosynthese des Azetabulums beim jungen Patienten zeigt gute Langzeitergebnisse und kann die Notwendigkeit einer Hüfttotalendoprothese in etwa 80 % über einen Zeitraum von 20 Jahre verhindern (Tannast et al. 2012). Zahlreiche Studien zeigen dennoch, dass Patienten nach Azetabulumfrakturen in 26–57 % der Fälle eine posttraumatische Koxarthrose entwickeln (Matta 1996; Giannoudis et al. 2005). Zusätzlich zur posttraumatischen Arthrose besteht die Gefahr einer avaskulären Femurkopfnekrose in bis zu 10 % der Fälle (Makridis et al. 2014). Gelenkstufen > 2 mm erhöhen das Risiko einer sekundären Arthrose deutlich (Kreder et al. 2006). Weitere negativ prädiktive Faktoren sind Alter > 60 Jahre, Frakturen der hinteren Wand, Trümmerfrakturen, Femurkopfmedialisation > 2 mm, Femurkopfluxation und große Knorpeldefekte (Weber et al. 1998; Ranawat et al. 2009; Ferguson et al. 2010; Tannast et al. 2012). Die superomediale Domimpaktierung („gull sign“) ist ebenfalls mit einer schlechten Prognose bei konservativer Therapie oder nach Osteosynthese assoziiert (Anglen et al. 2003). In diesen Fällen sollte die primäre Hüfttotalendoprothese der Osteosynthese vorgezogen werden (Capone et al. 2017).
Die Indikationsstellung zur primären Hüfttotalendoprothese bei Azetabulumfrakturen sollte durch das Patientenalter, die Frakturmorphologie oder -dislokation, die Knochenqualität bzw. eine vorbestehende Koxarthrose bestimmt sein.

Klassifikationen

Klassischerweise erfolgt die Einteilung von Azetabulumfrakturen auf der anatomischen Grundlage der Zwei-Pfeiler-Anatomie nach Judet und Letournel (Letournel 1980), welche in das AO/OTA-Klassifikationssystem (Müller 1990) eingebettet wurde. Es wurden auch neuere Klassifikationen entwickelt (Herman et al. 2018), die sich aber alle auf die Osteosynthese des Azetabulums fokussieren und nicht auf die Hüftendoprothetik bei Azetabulumfrakturen. Im posttraumatischen Setting kann die Paprosky-Klassifikation für die azetabuläre Defektrekonstruktion genutzt werden (Paprosky et al. 1994). Bei der Versorgung mittels primärer Hüftendoprothese ist allerdings die verfügbare, stabile Gelenkfläche, die Beckenkontinuität sowie die Stabilität des Beckenknochens, welcher für die Schraubenfixation zur Verfügung steht, entscheidend. Trotz mannigfaltiger Frakturmuster gibt es auch hier erste Versuche, eine Klassifikation für die Pfannenfixation bei frischen Azetabulumfrakturen zu entwickeln (Marmor et al. 2020). Die zu beachtenden radiologischen Befunde und Besonderheiten sind im Folgenden zusammengefasst.
Wichtige radiologische Befunde vor endoprothetischer Versorgung nach Azetabulumfraktur
  • Position des vorderen und hinteren Pfeilers
  • Knochennekrosen im Bereich des Azetabulums und/oder Hüftkopfes
  • Knöcherne Defekte des Azetabulums
  • Beckendiskontinuität
  • Osteosynthesematerial
  • Arthrosegrad

Präoperative Planung

Native Röntgenbilder in zwei Ebenen stellen die notwendige Basisdiagnostik dar. In vielen Fällen ist die Durchführung einer Computertomografie mit 3D-Rekonstruktion empfehlenswert, um die azetabuläre Defektsituation und das Vorliegen von Pseudarthrosen oder einer Beckendiskontinuität zu beurteilen. Es muss die Lage des verbliebenen Osteosynthesematerials analysiert werden, um die Notwendigkeit der Entfernung und Gewissheit über den erforderlichen Zugang zu haben.
Nach vorangegangener Osteosynthese oder nach offenen Verletzungen ist eine Infektdiagnostik obligat. Diesbezüglich ist präoperativ das C-reaktive Protein zu bestimmen. Bei jeglichem anamnestischen oder klinischen Verdacht auf das Vorliegen einer Infektion sollte eine Gelenkpunktion erfolgen. Im Zweifelsfall kann ein zweizeitiges Vorgehen mit der Entfernung des verbliebenen Osteosynthesematerials und Durchführung einer Biopsie in einem ersten Eingriff sowie der Sonikation der entnommenen Osteosynthesematerialien und der endoprothetischen Versorgung in einem zweiten Eingriff erwogen werden. Klare Evidenz für die Vorteilhaftigkeit eines zweizeitigen Vorgehens existiert jedoch bisher nicht.
Bei jeglichem Verdacht auf eine Infektion sollte eine präoperative Gelenkpunktion und intraoperative Probenentnahme erfolgen.
Die Operationsplanung erfolgt mittels eines digitalen Planungssystems in der a.-p.-Röntgenaufnahme. Zu bestimmen sind vor allem die zu erwartende Defektsituation und die Stabilität des Knochenlagers (Abschn. 1, Übersicht). Des Weiteren muss überprüft werden, ob zuvor eingebrachte Implantate entfernt werden müssen, wenn sie bei der Pfannenimplantation stören. Die Wahl des Operationszugangs richtet sich nach der azetabulären Defektsituation und dem initialen Zugang. Wenn beim Ersteingriff ein ilioinguinaler oder pararektaler Zugang verwendet wurde und keine wesentliche Defektsituation besteht, kann ein anterolateraler oder anteriorer Zugang verwendet werden. In Fällen, bei denen primär ein dorsaler Zugang verwendet wurde und eine Defektsituation im Bereich des dorsalen Pfeilers oder eine Beckendiskontinuität besteht, sollte erneut der dorsale Zugang verwendet werden.
Für die hüftendoprothetische Versorgung bei Azetabulumfrakturen mit stabilem Knochenlager ohne Defekte können primäre zementfreie Press-fit-Pfannen zur Anwendung kommen. Es werden Multi-Hole-Pfannen empfohlen, um bei Unsicherheit hinsichtlich der erreichbaren Stabilität, das Implantat durch eine zusätzliche Schraubenverankerung sichern zu können. Bei Vorliegen von Defekten, Pseudarthrosen oder einer Beckendiskontinuität sind sämtliche Revisionsimplantate, welche auch in der komplexen Hüftrevisionsendoprothetik zur Anwendung kommen, bereit zu stellen. Nur bei Unterbrechungen des hinteren Pfeilers sowie dort befindlichem vitalen Knochen wird eine Indikation für eine zusätzliche Osteosynthese gesehen.
Therapieoptionen bei endoprothetischer Versorgung nach Azetabulumfraktur
  • Hemisphärische (Multi-Hole)-Press-fit-Pfanne, gegebenenfalls Jumbocup
  • Azetabulumrevisionssystem, gegebenenfalls in Cup-Augment-Technik
  • Stützring (Burch-Schneider-Ring), gegebenenfalls mit Augmenten in Cage-Augment-Technik
  • Cup-Cage-Technik
  • Additiv Impaction-Bone-Grafting (Auto- oder Allograft)
  • Additiv (Re-)Osteosynthese

Allgemeine Operationstechnik

Die vollständige Entfernung des Osteosynthesematerials kann aufwendig sein. Insbesondere Rekonstruktionsplatten am vorderen Pfeiler können nur durch einen zusätzlichen operativen Zugang mit entsprechenden Komplikationsrisiken (z. B. Läsionen des Nervus femoralis oder der femoralen Gefäße) entfernt werden. Daher ist nur bei Infektverdacht die vollständige Materialentfernung anzustreben. Ansonsten sollte nur das Osteosynthesematerial entfernt werden, welches die Pfannenpositionierung stört. Um einen weiteren Zugangsweg zu vermeiden, können störende Schrauben von intraartikulär mit einer Hochgeschwindigkeitsfräse gekürzt werden.
Eine vollständige Entfernung des Osteosynthesematerials sollte nur bei Infektverdacht angestrebt werden, in den meisten Fällen ist ein Belassen oder eine partielle Entfernung ausreichend.
Nun erfolgt die Beurteilung der pathologisch veränderten Azetabulumanatomie. Dazu ist es wichtig die räumliche Orientierung des geschädigten Azetabulums (z. B. übermäßige Ante- oder Retroversion), knöcherne Defekte und das Vorliegen von Pseudarthrosen oder einer Beckendiskontinuität zu erkennen. Bei über 50 % der Patienten nach operativ oder konservativ behandelter Azetabulumfraktur liegen Pfannendefekte vor (Ranawat et al. 2009).
Häufig handelt es sich nur um kleine umschlossene, „contained“-Defekte, welche eine Press-fit-Verankerung der Pfanne erlauben, die auch in der unkomplizierten Primärendoprothetik zur Anwendung kommt (Abb. 1). Zementfreie Komponenten werden eindeutig präferiert. Zementierte Komponenten sind nur bei älteren Patienten mit niedrigem Belastungsanspruch und ohne wesentliche Defektsituation von Bedeutung. Defekte werden mit autologem oder allogenem Knochenmaterial aufgefüllt. Meist reicht die Spongiosa aus dem entnommenen Hüftkopf aus.
Bei verheilter Fraktur mit nicht/wenig deformierter Azetabulumanatomie können zementfreien Standard-Press-fit-Pfannen zur Anwendung kommen.
„Uncontained“-Defekte, bei welchen der Pfannenrand zerstört ist, können in Abhängigkeit des Defektausmaßes ebenfalls mit zementfreien Press-fit-Pfannen mit zusätzlicher Schraubenfixation versorgt werden (Abb. 2). Je nach Defektlokalisation erfolgt auch hier die Auffüllung mittels Knochentransplantat. Es haben sich modulare Pfannensysteme aus Tantal bewährt, welche eine hohe Oberflächenfriktion besitzen. Mit einem modularen Tantalsystem (gegebenenfalls in Cup-Augment-Technik) kann in den meisten Fällen analog zur Revisionsendoprothetik eine gute Primärstabilität und langlebige Integration erreicht werden (Löchel et al. 2019).
Die meisten Patienten sind mit einer Multi-Hole-Press-fit-Revisionspfanne mit zusätzlicher Schraubenfixation im Pfannendach sicher zu versorgen.
Bei zunehmender Defektgröße, insbesondere im lasttragenden Bereich (größere 2a- und 2b-Defekte), sollte die Defektrekonstruktion mittels metallischem Augment erfolgen. Falls keine adäquate Primärstabilität mit einer hemisphärischen Pfanne erreicht werden kann und/oder bei großem zentralen Knochenverlust (größere 2c-Defekte), stellt die Versorgung mittels Stützring eine Alternative dar (Abb. 3). Die meisten 2c-Defekte können aber mit adäquater Spongiosaplastik mittels Multi-Hole-Pfanne versorgt werden. Bei Typ-3-Defekten wird die stabile Implantatverankerung und Rekonstruktion des Hüftdrehzentrums zunehmend schwieriger. Die meisten 3a- und 3b-Defekte können dennoch mittels Pfannenaugmentkonstrukt versorgt werden. Alternativ kann bei größeren Defekten ein Stützring (gegebenenfalls mit metallischem Augment) Verwendung finden (Günther et al. 2014; Baecker et al. 2020). Allerdings besteht langfristig aufgrund der fehlenden knöchernen Integration des Rings ein höheres Risiko für ein mechanischen Versagen (Perka und Ludwig 2001).
Größere azetabuläre Defekte sollten analog zur Revisionsendoprothetik mit einem Revisionssystem in Cup-Augment-Technik versorgt werden, um das Hüftdrehzentrum zu rekonstruieren. Je nach Primärstabilität ist eine zusätzliche Verschraubung ins Ischium und/oder Pubis anzustreben.
Insbesondere bei Vorliegen einer Beckendiskontinuität oder Pseudarthrose zeigt die alleinige Anwendung von Stützringen langfristig hohe Lockerungsraten (Berry et al. 1999; Abolghasemian et al. 2014). In diesen Fällen hat sich die Versorgung mittels Cup-Cage-Technik bewährt (Abolghasemian et al. 2014; Hipfl et al. 2018). Nachteilig ist, dass dieses Verfahren eine ausreichend große Pfannenanatomie voraussetzt (≥ 56 mm). Alternativ kann bei instabilem Hemipelvis oder Pseudarthrose im Bereich des hinteren Pfeilers eine Re-Osteosynthese angestrebt werden, um ein stabiles Pfannenlager zu schaffen. Die Verwendung von Custom-made-Prothesen stellen nur in den seltensten Fällen eine Behandlungsoption bei Azetabulumfrakturen dar.
Bei Beckendiskontinuität muss die Kontinuität des Hemipelvis wiederhergestellt werden, um eine stabile Implantatverankerung mit langfristiger Osseointegration zu ermöglichen. In diesen Fällen stellt die Cup-Cage-Technik ein vielversprechendes Verfahren dar.

Spezielle Technik bei frischer Azetabulumfraktur

Es gibt bisher wenig Evidenz zur optimalen Therapie der alterstraumatologischen Azetabulumfraktur. Eine Behandlungsstrategie besteht darin nach initial konservativer Therapie und knöcherner Stabilisierung des Beckens eine verzögerte endoprothetische Versorgung durchzuführen. Diese Methode führt allerdings zu einer erheblichen Verzögerung der Mobilisation und ist daher für den alterstraumatologischen Patienten wenig geeignet. Die schlechten Ergebnisse der alleinigen Osteosynthese und die wenig zufriedenstellenden Ergebnisse der endoprothetischen Versorgung nach osteosynthetisch versorgten Azetabulumfrakturen haben daher in den letzten Jahren zu einem zunehmenden Interesse an der primären Endoprothese geführt. Eine der Herausforderungen bei frischen Azetabulumfrakturen, insbesondere bei Zwei-Pfeiler-Frakturen und T-förmigen Frakturen mit resultierende Beckendiskontinuität sowie bei Hinterwandfrakturen, ist das Erreichen einer Primärstabilität der Pfannenkomponente, welche im besten Fall eine Vollbelastung des Patienten erlaubt und langfristig knöchern integriert. Hierbei wird keine anatomische Reposition der Fraktur angestrebt. Im Wesentlichen können drei operative Verfahren zur Anwendung kommen. Die Kombination aus Osteosynthese und Endoprothese, sog. Combined Hip Procedure (CHP) (Mears und Velyvis 2002; Rickman et al. 2014; Borg et al. 2019), die endoprothetische Versorgung mittels Stützring (Abb. 4) (Tidermark et al. 2003; Enocson und Blomfeldt 2014; Liaw et al. 2022) und die Rekonstruktion mittels Cup-Cage-Technik (Chana-Rodríguez et al. 2012; Solomon et al. 2015; Malhotra und Gautam 2019).
Im Folgenden soll die Anwendung eines Cup-Cage-Konstrukts bei Azetabulumfrakturen näher erläutert werden.
Die endoprothetische Versorgung erfolgt über einen erweiterten posterioren Zugang (Kocher-Langenbeck). Nach Darstellung des Azetabulums erfolgt die Präparation mittels Pfannenfräsen bis an den Boden der Fovea und bis zu einem Durchmesser, welcher dem nativen Azetabulum entspricht, wobei bei Frakturen mit Beteiligung der quadrilateralen Fläche an der angestrebten Pfannenposition stufenweise größer gefräst wird, um den Gelenkknorpel zu entfernen. Anschließend werden nacheinander größere Probepfannen eingesetzt, um die Dimension des azetabulären Hohlraums zu bestimmen, bei welchem zwei Fixationspunkte gefunden werden und eine Distraktion stattfindet, soweit es der AP-Durchmesser zulässt. Dies erfolgt unter fluoroskopischer Kontrolle, um die gewünschte Position und das Hüftdrehzentrum zu lokalisieren. Anschließend werden mit der Hochgeschwindigkeitsfräse ex situ zusätzlich Löcher am Rand der Tantal-Pfanne gebohrt, um die Schraubenoptionen zur Fixierung der Pfanne am stabilen Beckenknochen zu maximieren. Der resezierte Hüftkopf wird verwendet, um eine autologe Spongiosaplastik am Pfannenboden bzw. im Frakturbereich durchzuführen. Die Platzierung der Pfanne erfolgt in einer bewusst vertikalen und retrovertierten Position, um den Knochenkontakt zu maximieren und einen guten Sitz des Stützrings zu ermöglichen. Die Verschraubung der Tantal-Pfanne erfolgt einerseits Richtung Ilium, wobei darauf geachtet wird abhängig von der Frakturmorphologie einerseits die stabilen Anteile des Beckens, andererseits jeweils den vorderen und hinteren Pfeiler miteinzubeziehen. Zusätzlich sollte eine Verschraubung Richtung Ischium und/oder Pubis erfolgen. Vorzugsweise werden, insbesondere beim osteoporotischen Knochen, 6,5 mm Spongiosaschrauben verwendet.
Anschließend wird der Ring gebogen, um eine geeignete Form zu erhalten, die der Krümmung des Sitzbeins und des Darmbeinflügels entspricht. Die Iliumlasche wird normalerweise zum Darmbein hingebogen. Die Sitzbeinlasche wird ebenfalls leicht angebogen und dann in die Sitzbeinkerbe gesteckt, um den Halt gegen die proximale Migration zu erhöhen. Bei der Fixation des Rings ist es wichtig eine Verschraubung in Richtung der Krafteinleitung durch die Tantal-Pfanne durchzuführen, um ein monolithisches Konstrukt zu schaffen. Schließlich erfolgt das Einzementieren des Inlays in der gewünschten Inklination und Anteversion. Häufig kann das Hüftdrehzentrum nicht exakt rekonstruiert werden und es kommt zu Frühmigrationen (Solomon et al. 2015). Daher empfiehlt sich bei verbleibender Instabilität die Verwendung einer Dual-Mobility-Artikulation.
Unmittelbar postoperativ ist je nach Frakturmorphologie und erzielter Primärstabilität die Belastung des operierten Beines möglich. Im Regelfall erfolgt die Mobilisation im Dreipunktgang mit halbem Körpergewicht. Nach radiologischer Verlaufskontrolle nach 6 Wochen kann die Belastungssteigerung vorgenommen werden. Im Allgemeinen ist eine fallbezogene Festlegung der Belastungsregimes angezeigt.

Ergebnisse

Die endoprothetische Versorgung nach Azetabulumfraktur zeigt schlechtere Ergebnisse als nach Versorgung primärer Koxarthrosen und ist mit den Ergebnissen nach Revisions- und Wechseleingriffen vergleichbar. Die meisten Studien berichten nur kurz- und mittelfristige Ergebnisse kleiner Populationen mit einem Implantatüberleben von 70–97 % (Weber et al. 1998; Bellabarba et al. 2001; Ranawat et al. 2009; Yuan et al. 2015; Morison et al. 2016). Die einzige Studie mit langfristigem Follow-up zeigt ein Implantatüberleben von nur 57 % nach 20 Jahren (von Roth et al. 2015). Allerdings wurden in dieser Kohorte hauptsächlich zementierte Komponenten verwendet. Ergebnisse nach primärer Hüftendoprothese bei frischen Azetabulumfrakturen zeigen ähnliche Ergebnisse bezüglich Implantatüberleben, Funktion und Komplikationsrate (De Bellis et al. 2014; Lin et al. 2015). Auch finden sich in der Literatur zufriedenstellende Ergebnisse zur Kombination Endoprothese und Osteosynthese (Lin et al. 2015; Borg et al. 2019).
Die sekundäre Implantation einer Hüfttotalendoprothese bei Azetabulumfraktur ist mit einer Komplikationsrate von bis zu 20 % assoziiert (Bellabarba et al. 2001; Berry und Halasy 2002). Die Versorgung ist im Vergleich zur Endoprothetik bei primärer Koxarthrose mit einer verlängerten Operationszeit, erhöhtem Blutverlust und Transfusionsbedarf, erhöhtem Risiko von heterotopen Ossifikationen (HO) und periprothetischen Infektionen vergesellschaftet (Bellabarba et al. 2001; Ranawat et al. 2009; Makridis et al. 2014). Die Rate an HO wird in der Literatur mit bis zu 58 % angegeben, wobei nur selten eine Re-Operation erforderlich ist (Makridis et al. 2014). Aufgrund dieser hohen Rate empfiehlt sich eine kombinierte Prophylaxe mittels perioperativer Bestrahlung und Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika. Bezüglich der Infektionsrate besteht insbesondere bei voroperierten Patienten ein höheres Risiko. Ob ein zweizeitiges Vorgehen zu einer Reduktion periprothetischer Infektionen führt, ist nicht geklärt. Abhängig von der Pfannenanatomie und einer vorbestehenden pelvitrochantären Insuffizienz ist mit einem erhöhten Luxationsrisiko zu rechnen. Insbesondere bei Anwendung eines posterioren Zugangs und defizitärer Hinterwand ist auf eine ausreichende Pfannenanteversion zu achten. Bei Versorgung komplexer Defektsituationen sollte gegebenenfalls die Verwendung einer Dual-Mobility-Pfanne erwogen werden. Aufgrund der veränderten Anatomie, insbesondere bei voroperierten Patienten mit posteriorem Zugang und Verwachsungen im Bereich des N. ischiadicus sowie der häufig angestrebten postoperativen Beinverlängerung, ist das Risiko von Nervenläsionen erhöht. Betroffene Patienten sind über diese besonderen Risiken präoperativ ausführlich aufzuklären.

Fazit für die Praxis

  • Die hüftendoprothetische Versorgung bei Azetabulumfraktur ist in ihrer Indikationsstellung, Zugangs- und Implantatwahl sowie technischen Ausführung anspruchsvoll.
  • Eine exakte präoperative Planung einschließlich der dreidimensionalen Erfassung der pathologisch veränderten Azetabulumanatomie und des Osteosynthesematerials sowie ausreichend Erfahrung mit azetabulärer Defektrekonstruktion sind elementar für den Therapieerfolg.
  • Während einfache posttraumische Koxarthrosen meist mit zementfreien Standardpfannen aus der Primärendoprothetik problemlos versorgt werden können, sind bei frischen Azetabulumfrakturen sowie bei Fehlstellungen und/oder Vorliegen von azetabulären Defekten Tantal-Pfannen mit Schraubenfixation und Stützringe die Implantate der Wahl.
  • Komplexe Fehlstellungen und große azetabuläre Defekte sollten an spezialisierten Schwerpunktzentren von erfahrenen Endoprothetikern durchgeführt werden, um das Komplikationsrisiko auf ein Minimum zu reduzieren.
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