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AE-Manual der Endoprothetik
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Publiziert am: 04.09.2022

Hüftendoprothethik bei speziellen Bedingungen: Hüftendoprothetik nach Ankylose und Arthrodese

Verfasst von: Nikolaus Böhler
Die endoprothetische Versorgung eines versteiften Hüftgelenkes stellt eine Herausforderung dar und bedarf einer sorgfältigen Indikationsstellung und exakten Analyse der durchaus unterschiedlichen Ausgangssituationen. Dabei sind aber nicht nur das versteifte Hüftgelenk, sondern auch die Lendenwirbelsäule, das ipsilaterale Kniegelenk und das kontralaterale Hüftgelenk in Betracht zu ziehen. Dazu kommt die Notwendigkeit einer sehr ausführlichen Patientenaufklärung. Im Rahmen der Operation muss auf eine exakte Positionierung der Implantate geachtet werden, wobei die Hüftkopfzentrierung und das Erreichen eines ausreichenden Offsets, sowie eine Korrektur der Beinverkürzung wesentlich für das funktionelle Ergebnis sind. Wenn auch in den meisten Fällen keine normale Hüftbeweglichkeit erzielt werden kann, ist aber, bedingt durch die für die Patienten sehr belastende Ausgangssituation, die postoperative Zufriedenheit speziell auch durch die Reduktion der Knie und Wirbelsäulenbeschwerden sehr hoch.

Einführung

Die endoprothetische Versorgung eines versteiften Hüftgelenkes stellt eine Herausforderung dar und bedarf einer sorgfältigen Indikationsstellung und exakten Analyse der durchaus unterschiedlichen Ausgangssituationen. Dazu kommt die Notwendigkeit einer sehr ausführlichen Patientenaufklärung, da die funktionellen Ergebnisse in der Regel nicht mit denen der Standardendoprothetik zu vergleichen sind und auch die Risiken und Komplikationen deutlich höher sind.
Bedingt durch die für die Patienten sehr belastende Ausgangssituation ist die postoperative Zufriedenheit aber sehr hoch!

Indikation und Kontraindikation zur Operation

Während beim jüngeren Patienten der Wunsch nach Funktionsverbesserung durch eine bewegliche Hüfte im Vordergrund steht, sind es bei älteren Patienten sehr oft die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule beziehungsweise im ipsilateralen Kniegelenk, die den Wunsch nach Implantation einer Endoprothese bestimmen.
Voraussetzung für einen Erfolg ist das Erreichen einer annähernd normalen knöchernen Positionierung der Hüftendoprothese und der Erhalt bzw. Wiedergewinn einer guten Muskelfunktion. Dazu ist immer auch eine Analyse der Muskelfunktion und speziell der Hüftabduktoren notwendig.
Die Unmöglichkeit einer Hüftabduktion muss aber als Kontraindikation angesehen werden bzw. einen Muskeltransfer notwendig machen. Als weitere Kontraindikation zur Operation gelten persistierende Infektionen mit, aber auch ohne chronische Fistelung.

Ätiologie und anatomische Veränderungen

Die lokale anatomische Situation wird entscheidend von der primären Ursache der Versteifung beeinflusst sein: Eine Aufschlüsselung dieser primären Gründe finden wir in der 2017 von Jauregui et al. publizierten Meta-Analyse.
Spontane Versteifungen fanden sich in ca. einem Drittel der Fälle, wobei die unterschiedlichsten Grunderkrankungen zu finden sind. Infektionen im Kindes- und Erwachsenenalter gelten mit ca. 40 % als die häufigste Ursache (Abb. 1).
Posttaumatisch bedingte Ankylosen, die mit ca. 13 % angegeben werden, zeigen oft schwere ossäre Destruktionen und Schäden der Abduktoren, welche die Implantation einer Endoprothese deutlich erschweren.
Ähnlich schwerwiegende anatomische Veränderungen sehen wir auch gehäuft (in ca. 14 %) bei kindheitsbezogenen Erkrankungen wie Hüftluxationen oder Morbus Perthes.
Neben rein intraartikulären Fusionen sind in diesen Fällen auch oft extraartikuläre Fusionsbrücken zu finden. Des Weiteren finden sich gehäuft ein Hochstand der Hüfte oder auch starke Protrusionen. Ebenso können Angulationsoperationen die spätere Implantation eines Prothesenschaftes erschweren!
Bei der Hüftmuskulatur ist in jedem Fall und abhängig von der Fusionsdauer eine Muskelatrophie zu erwarten, daneben gilt es aber auch narbige und postinfektiöse Veränderungen der Muskulatur zu analysieren, um ein Bild von der zu erwartenden späteren Funktion zu bekommen.
Gegebenenfalls sind Narbenkontrakturen in die präoperative Planung einzubeziehen.

Präoperative Planung

Zur Analyse der knöchernen Ausgangssituation sind primär Standardröntgenaufnahmen des Beckens und beider Hüften erforderlich.Ganzbeinstandaufnahmen geben ein exaktes Bild der Beinlängensituation. Nach Infektionen ist darüber hinaus eine exakte Laboruntersuchung und eine Gelenksaspiration 8 Wochen präoperativ zum Ausschluss eines akuten Infektgeschehens notwendig.
Die knöcherne Ausgangssituation lässt sich heute sehr exakt mittels Computertomografie, 3D-Rekonstruktion und einem sehr anschaulichen 3-dimensionalen Rekonstruktionsmodell darstellen. Gerade diese Modelle erleichtern die Planung der Osteotomien ganz wesentlich.
Für die Planung der Hüftmobilisierung und Endoprothesenimplantation sollte eine MRT-Untersuchung zur Darstellung der Weichteilsituation und hier speziell der Abduktoren und Glutealmuskulatur erfolgen. Bei schweren Muskel- oder Hautdestruktionen sind begleitende Muskeltransfers oder eine Hauttransplantation zu überlegen (Besser 1982; Kovalenko et al. 2020).
Die Planung der Implantatwahl stellt dann den nächsten Schritt dar und wird wohl heute im Regelfall durch computerunterstützte Planungstools erfolgen. Da im Pfannenbereich mit sehr weichem Knochen zu rechnen ist, empfiehlt sich die Planung eines Oversizing zwischen Pfannenfräsung und Implantat und die Wahl eines stark oberflächenstrukturierten Implantats mit hoher Primärstabilität.

Operationsschritte

Der Operationszugang und die Lagerung des Patienten in Rückenlage oder Seitenlage richtet sich primär nach dem vom Operateur gewohnten Standardvorgehen bei Hüftendoprothetik. Bevorzugt sollte aber ein lateraler Zugang, sei es transgluteal oder dorsolateral, gewählt werden, um einen guten Überblick zu bekommen.
Andererseits sollte aber nach Voroperationen möglichst der ursprüngliche Zugang berücksichtigt werden, um weitere Weichteilschädigungen möglichst zu vermeiden!
Zur besseren Relaxierung und wegen der oft verlängerten Operationszeit, ist eine Operation in Allgemeinanästhesie zu bevorzugen.

Zugang

Nach Hautinzision lateral über dem Trochanter major sind alle subkutanen narbigen Verwachsungen zu lösen oder zu exzidieren. Danach erfolgt die Durchtrennung der Fascia lata mit einem Längsschnitt und bei transglutealem Zugang darunter die Spaltung des M. gluteus medius, der in der Regel atroph und stark narbig verändert ist. Danach werden die Muskelansätze des M. gluteus medius am Trochanter major in seinem ventralen Bereich mit einem Osteotom abgelöst und transgluteal zum Schenkelhals präpariert. Alternativ kann auch eine Trochanterosteotomie zur besseren Darstellung des Hüftgelenkes erfolgen (Amstutz und Sakai 1975; Hardinge et al. 1977; Joshi et al. 2002, 2016; Kerboull et al. 2014; Kilgus et al. 1990), was aber nicht zwingend notwendig ist. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der große Trochanter speziell bei Anteversionsfehlstellungen der Hüfte oft nach dorsal verlagert ist.
Der Schenkelhals und sein Übergang zur Pfanne sowie gegebenenfalls extraartikuläre Knochenbrücken sollten in dieser Operationsphase exakt subperiostal dargestellt werden, um die vorgeplanten Schritte unter Sicht durchführen zu können. Dazu muss eine zirkuläre Präparation um den Schenkelhals erfolgen, um 2 Hohmann-Haken einsetzen zu können. Die Gelenkskapsel sollte dabei exzidiert werden, um eine Mobilisierung zu ermöglichen.

Erste Osteotomie

Da der knöcherne Übergangsbereich häufig nicht ganz exakt beurteilt werden kann und die Ankylosierung sehr häufig zu hoch bzw. nach proximal disloziert erfolgte, empfiehlt es sich die erste Osteotomie je nach Vorplanung 5–10 mm entfernt vom Pfannenrand und in 45 Grad Neigung durchzuführen (Abb. 2a). Im Zweifelsfall sollte eher zu viel Knochen im Pfannenbereich belassen werden, was einerseits die Möglichkeit einer Nachosteotomie unter verbesserter Sicht erlaubt und andererseits auch mehr Spongiosa zum Verdichten des weichen Pfannengrundes belässt. Gleichzeitig müssen mögliche extraartikuläre Knochenbrücken osteotomiert werden, wobei diese gehäuft im Bereich des M. quadratus femoris und damit im Nahbereich des N. ischiadicus zu finden sind. In diesen Fällen ist eine exakte subperiostale Darstellung dieser Knochenbrücken unbedingt erforderlich.

Zweite Osteotomie

Zur besseren Mobilisierung des Beines und klareren Pfannendarstellung empfiehlt es sich schon vor der Pfannenpräparation eine zweite, etwas distalere Osteotomie am lateralen Schenkelhals durchzuführen (Abb. 2b). Danach sollten in Flexion, Außenrotation und später Extension, Innenrotation die medialen und dorsalen Kapselanteile gelöst bzw. exzidiert werden.

Pfannenpräparation

Zu Beginn sollten die Sehne des M. iliopsoas und gegebenenfalls auch die der Adduktoren zur besseren Pfannendarstellung tenotomiert werden.
Die Gefahr bei der Pfannenpräparation liegt in einer zu proximalen Positionierung des Implantates, die unbedingt vermieden werden sollte. Bei der präoperativen Planung ist ein etwas kleineres und tiefer gesetztes Pfannenimplantat an anatomisch korrekter Position gegenüber einem großen Implantat, welches den ausgewalzten Pfannengrund bis zum hochstehenden Pfannenerker abdeckt, zu bevorzugen. Nur in extrem dysplastischen Pfannen ist ein Erkeraufbau mit Implantation eines trabekulär strukturierten Metall-Wedge zu überlegen.
Nach primärer Darstellung des Pfannenbereiches mit 2–3 Hohmann-Haken muss der Unterrand der Pfanne und die Fovea acetabuli dargestellt werden. Dazu sollte distal der Oberrand des Foramen obturatorium, dorsal die Incisura ischiadica und ventral der Ramus superior des Os pubis und die Spina iliaca anterior inferior aufgesucht werden. Im Zweifelsfall kann das gewählte Pfannenzentrum mit einem Bohrdraht markiert werden und die Position im Röntgenbildwandler kontrolliert werden. Hat man auf diese Weise die wesentlichen Landmarken definiert, sollte nun die Spongiosaentfernung begonnen werden. Dies geschieht anfangs am besten mit einem halbrunden Hohlmeißel, mit dem es im Vergleich zur Pfannenfräsung besser gelingt die kaudale Positionierung beizubehalten und die Spongiosa zu erhalten. Nach Erreichen der angestrebten Pfannentiefe wird nun die endgültige Präperation des Pfannenlagers mit den Pfannenfräsen fortgesetzt. Das in der Regel weiche Pfannenlager kann dabei mit der vorher entnommenen Spongiosa verdichtet werden. Speziell bei Verwendung von Press-fit-Pfannenmodellen ist ein Oversizing und die Auswahl einer 2–4 mm größeren Pfannenschale gegenüber der Fräsung zu empfehlen. Die Gefahr einer Knochensprengung ist in diesen Fällen kaum gegeben. Wie schon erwähnt, sollte vorzugsweise ein Pfannentyp mit hoher Primärstabilität und rauher Oberfläche gewählt werden.

Schaftpräperation

Zur Darstellung des proximalen Femurendes müssen alle kontrakten Weichteile direkt am Knochen gelöst oder inzidiert werden, um eine spannungslose Positionierung des proximalen Femurschaftes zu ermöglichen (Abb. 2c). Da der Knochen in der Regel eher porös ist, besteht bei allzu forcierter Rotation eine erhöhte Frakturgefahr!
Am Beginn der Schaftpräperation ist die endgültige Osteotomiehöhe anhand der OP-Planung und mittels knöcherner Landmarken nochmals zu kontrollieren und die endgültige Osteotomie entsprechend durchzuführen. Die Eröffnung des Femurschaftes muss vorsichtig mit einer kleinen Curette begonnen werden, um möglicher Deformierungen zu erfassen und ohne Schaftperforation zu überbrücken. Dann erst sollte mit der schrittweisen Schaftraspelung begonnen werden. Bei sehr ausgeprägten diaphysären Angulationen muss schon vorher geklärt werden, ob eine Versorgung mit einer Kurzschaftprothese gelingen kann oder der angulierte Schaft osteotomiert, achsgerecht reponiert und mit einem Langschaft überbrückt werden muss. Bevorzugt sollten auch Schäfte mit erhöhtem Offset gewählt werden, um die Abduktionskraft zu verstärken.
Bei stark verkürzten Weichteilen und dadurch bedingter Beinverkürzung kann durch einen Muskelrelease und Abschieben der Glutealmuskulatur an der Iliumschaufel eine zusätzliche Verlängerung von ca. 1,5 cm erreicht werden.
Die Probereposition und die spätere definitive Reposition nach der Schaftimplantation muss wegen der Gefahr einer deutlichen Knochenatrophie vorsichtig und ohne forcierte Rotationskräfte erfolgen.
Intraoperativ sollte in Narkose und bei relaxierter Muskulatur eine Flexion von ca. 90 Grad erzielt werden, um postoperativ eine ausreichende Beweglichkeit zu erreichen.
Zuletzt wird die Muskulatur wieder readaptiert und die Wunde schichtweise verschlossen.

Postoperative Nachbehandlung

Die postoperative Behandlung sollte im Sinne einer Frühmobilisierung möglichst noch am Operationstag beginnen.
Wichtig ist neben der üblichen Thrombose- und Infektionsprophylaxe, eine auf 10–14 Tage verlängerte Prophylaxe gegen periartikuläre Verkalkungen, z. B. mit Indomethacin. Bei längerer Operationsdauer empfiehlt sich eine verlängerte Antibiotikatherapie von 5 Tagen. Bei primärer tuberkulöser Genese sollte eine 4-monatige tuberkulostatische Therapie angeschlossen werden.
Bei der Physiotherapie ist durchaus mit einem Zeitaufwand von 1 Jahr und mehr zu rechnen.

Komplikationen

Das Komplikationsrisiko hängt stark von der ursprünglichen anatomischen Ausgangssituation und den primären Gründen zur Ankylose ab. Eine Meta-Analyse mit Daten von über 1100 Hüften und 27 inkludierten Studien (Jauregui et al. 2017) zeigt gehäuft abduktorbezogene Komplikationen und Infektionen.

Ergebnisse

Im Allgemeinen ist gerade in Anbetracht der starken präoperativen Beeinträchtigung eine hohe Zufriedenheit zu erwarten. Dies auch dann, wenn im Vergleich zur Primärendoprothetik die Resultate objektiv schlechter sind (Brewster et al. 1975; Fernandez-Fairen et al. 2010; Hamadouche et al. 2001; Jauregui et al. 2017; Kim et al. 2003; Kreder et al. 1999; Morsi 2007; Reikeras et al. 1995; Rittmeister et al. 2000; Peterson et al. 2009; Schaefer 2000; Sirikonda 2018; Sochart und Porter 1997; Strathy und Fitzgerald 1988).
Schmerzfreiheit kann im Bereich der operierten Hüfte bei einem ganz hohen Prozentsatz der Patienten erreicht werden. Wirbelsäulen- und Kniebeschwerden werden zu einem hohen Prozentsatz gebessert (Jauregui et al. 2017).
Die zu erwartende Standzeit der implantierten Hüftendoprothesen liegt nach 10 Jahren zumeist deutlich über 90 %.
Der Gewinn von Hüftbeweglichkeit und Mobilität und damit die Möglichkeit wieder relativ normal sitzen zu können, ist aber wohl der ganz wesentliche Vorteil und dafür verantwortlich, dass sich fast alle Patienten auch wieder operieren lassen würden.
Auch wenn die funktionellen Ergebnisse der Endoprothetik nach Arthrodesen deutlich schlechter sind, so schaffen doch der Gewinn an Mobilität und die Entlastung von Wirbelsäule und Knie überwiegend zufriedene Patienten. Voraussetzung sind aber eine exakte OP-Planung und subtile OP-Technik.

Fazit für die Praxis

Eine gute präoperative Aufklärung und die zumeist reduzierten Erwartungen in dieser Patientengruppe ermöglichen eine hohe Zufriedenheitsrate nach diesen Eingriffen.
Literatur
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