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AE-Manual der Endoprothetik
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Publiziert am: 30.11.2022

Knieendoprothetik: Präoperative Vorbereitung, Aufklärung und Planung der Knieendoprothese

Verfasst von: Andreas M. Halder, Simone Halder und Daniel Schrednitzki
Die präoperative Vorbereitung beginnt mit der Indikationsstellung und beinhaltet alle Maßnahmen, die für die Implantation einer Knieendoprothese notwendig sind. Dazu gehören eine umfassende Anamnese, die körperlichen und apparativen Untersuchungen mit der Beurteilung der Operationsrisiken, ein ausführliches Aufklärungsgespräch und die Planung der Operation selbst.
Die präoperative Vorbereitung beginnt mit der Indikationsstellung und beinhaltet alle Maßnahmen, die für die Implantation einer Knieendoprothese notwendig sind. Dazu gehören eine umfassende Anamnese, die körperlichen und apparativen Untersuchungen mit der Beurteilung der Operationsrisiken, ein ausführliches Aufklärungsgespräch und die Planung der Operation selbst.

Indikation

Die Indikation zur Implantation einer Knieendoprothese ist gegeben, wenn ein konservativ therapierefraktärer Knieschmerz auf dem Boden eines Strukturschadens (primäre/sekundäre Arthrose, Osteonekrose) zur Einschränkung der Lebensqualität führt und ein subjektiver Leidensdruck besteht.
Nach der ärztlichen Indikation zur Knieendoprothese sollte durch eine partizipative Entscheidung von Arzt und Patient die Entscheidung zur Operation getroffen werden.
Nebenkriterien sind für die Indikationsstellung nicht zwingend erforderlich, können die Empfehlung zur Operation jedoch verstärken. Nebenkriterien sind unter anderem Einschränkungen der Beinkraft, der Gehstrecke, des Treppensteigens, beim langen Stehen aber auch Fehlstellungen, Instabilitäten und Einbußen der Kniegelenkbeweglichkeit. Ebenso zählen Einschränkungen des sozialen Lebens und Schwierigkeiten im Alltag dazu (DGOOC 2018).
Je nach Ausmaß der arthrotischen Schädigung steht der Operateur vor der Aufgabe, das richtige Implantat für den Patienten zu finden.
Die Implantation einer unikondylären Prothese ist indiziert, wenn es sich lediglich um eine unikompartimentale Gelenkdestruktion handelt, mit einem stabilen Kapselbandapparat, funktionell intakten Kreuzbändern und einem Bewegungsausmaß von mindestens 90°. Der Patient sollte keine manifeste Retropatellararthrose haben.
10 % der an Arthrose erkrankten Patienten leiden an einer isolierten Retropatellararthrose. Konservative Therapien bringen diesen Patienten häufig wenig Besserung. Während in früheren Jahren die Patellektomie die Therapie der Wahl war, hat man heute die Möglichkeit, isoliert das patellofemorale Gelenk zu ersetzen.
Die Indikation für einen ungekoppelten Oberflächenersatz liegt vor bei arthrotischen Veränderungen in allen drei Gelenkkompartimenten, bei stabilen Seitenbändern, einer Achsfehlstellung unter 20° und guter Knochensubstanz.
Bei ausgeprägter ligamentärer Insuffizienz, höhergradigen Achsfehlstellungen und erheblichen knöchernen Substanzdefekten sollte eine halbgekoppelte oder gekoppelte Knieendoprothese implantiert werden (Kap. „Knieendoprothetik: Implantate/Implantatssysteme“).
Die Funktion und Standzeit der Endoprothesen sind, trotz vieler Innovationen in den letzten Jahren, immer noch begrenzt. Daher ist es wichtig, dass der Patient realistische Erwartungen in Bezug auf das Operationsergebnis hat. Deshalb sollten die individuellen Ansprüche des Patienten an die Mobilität und sportliche Aktivität präoperativ im Rahmen der Anamnese eruiert werden. Eine noch so gut geplante und korrekt durchgeführte Operation kann zu einem unzufriedenen Patienten führen, wenn der Patient schlecht über das zu erwartende funktionelle Ergebnis aufgeklärt wurde oder noch nicht unter einem hohen persönlichen Leidensdruck in Folge der Schmerzen und Funktionseinschränkungen stand. Der Patient sollte daher über seine individuellen Erfolgsaussichten aufgeklärt sein, alle konservativen und gelenkerhaltenden operativen Therapiemöglichkeiten sollten ausgeschöpft sein und zu hohe Erwartungen an ein Kunstgelenk müssen relativiert sein.
Alternative chirurgische Möglichkeiten wie die Knorpel- und Knorpelknochentransplantation und die Umstellungsosteotomie sollten dem Patienten erläutert werden mit ihren individuellen Erfolgsaussichten und Komplikationsmöglichkeiten.
Auch über die Arthrodese sollte der Patienten aufgeklärt sein. Primär ist die Arthrodese selten indiziert. Sie bleibt jedoch eine Therapieoption bei schweren, etwa septischen Komplikationen nach Knieendoprothese.
Die meisten orthopädischen Operationen, so auch die endoprothetische Versorgung des Kniegelenkes, sind elektive Eingriffe und daher planbar. Die Wartezeit auf einen Elektiveingriff sollte genutzt werden zur Klärung und Einschätzung des Operationsrisikos und der kardiopulmonalen Belastbarkeit des Patienten. Eine medikamentöse Einstellung kann in dieser Zeit optimiert werden. Bei Adipositas ist dem Patienten eine Gewichtsreduktion zu empfehlen.
Tipp
Patienten mit Herzerkrankungen bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Ein Elektiveingriff nach akutem Myokardinfarkt oder bei dekompensierter Herzinsuffizienz ist kontraindiziert.
Alle Arrhythmien, vor allem eine ventrikuläre Extrasystolie, müssen vorher therapiert werden. Elektiveingriffe bei Herzvitien müssen unter antibiotischer Endokarditisprophylaxe erfolgen, üblicherweise mit Amoxicillin, bei Unverträglichkeit mit Clindamycin. Bei künstlichem Herzklappenersatz sind die Antikoagulanzien 7 Tage präoperativ abzusetzen und der Patient erhält überlappend niedermolekulares Heparin entsprechend seines thromboembolischen Risikos. Bei Niereninsuffizienz sollte niedermolekulares Heparin durch unfraktioniertes Heparin ersetzt werden.
Bei Hypertoniepatienten sind die Blutdruckwerte zu optimieren und Patienten mit koronarer Herzkrankheit sollten ebenfalls medikamentös gut eingestellt und anfallsfrei sein. Eine koronare Herzkrankheit erhöht das Risiko für einen perioperativen Herzinfarkt auf das 10-Fache.
Aber auch andere Grunderkrankungen erhöhen das Operationsrisiko. Bei COPD besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Pneumonie. Bei Patienten mit bekanntem Diabetes mellitus ist der Anteil des glykierten Hämoglobins zu kontrollieren und Werte unter 7,7 % anzustreben, da sonst mit einem erhöhten Risiko periprothetischer Infektionen und Wundheilungsstörungen zur rechnen ist (Tarabichi et al. 2017). Narkose und Operation können bei Diabetikern zu gefährlicher Hypovolämie führen. Biguanide und α1-Glucosidasehemmer sollten wegen einer Laktatazidosegefahr 2 Tage präoperativ abgesetzt werden. Bei einer terminalen Niereninsuffizienz ist die letzte Dialyse 12–24 Stunden präoperativ durchzuführen.
Moderne Konzepte wie Patient Blood Management (PBM) können das Transfusionsrisiko von >10 % auf 1–2 % senken, weshalb eine Eigenblutspende nicht mehr empfohlen wird. Eine Säule des Konzeptes ist die frühzeitige Diagnose und Therapie einer vorhandenen Anämie. So sollte die Wartezeit auf den Operationstermin genutzt werden, um etwa eine Eisenmangelanämie durch entsprechende orale oder intravenöse Substitution gegebenenfalls in Kombination mit Erythropoetin auszugleichen (Alexander und Frew 2017, Abb. 1).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Grunderkrankungen, die mit einem hohen Narkoserisiko einhergehen, ein akuter Infekt des Kniegelenkes, eine Osteomyelitis der Extremität und infizierte Hautulzerationen absolute Kontraindikationen für eine endoprothetische Versorgung des Kniegelenkes darstellen.
Eine relative Kontraindikation für die Implantation einer Knieendoprothese ist eine ausgeheilte Infektion des Kniegelenkes, sehr hohes Übergewicht, ein niedriges Alter des Patienten und kniegelenkbelastende berufliche Tätigkeiten. Ausgedehnte Weichteildefekte, eine fortgeschrittene Osteoporose und arterielle Durchblutungsstörungen sind ebenfalls relative Kontraindikationen, bei denen Nutzen und Risiko für den Patienten sorgfältig abzuwägen sind.

Präoperative Untersuchungen

Anamnese

Die Anamnese dient der Feststellung aller präoperativen Risiken und der Erfassung der individuellen Erwartungshaltung des Patienten an diese Operation.
Das anamnestische Gespräch bietet Raum, um die Compliance des Patienten, seinen Leidensdruck und seine Ansprüche an eine Endoprothese zu erkennen. Sie ist ein wichtiges Element, um Ängste abzubauen und eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung aufzubauen, die auch über den Erfolg der Operation entscheidet.
Um die Anamnese zu standardisieren, ist es sinnvoll, sie anhand von vorgefertigten Bögen vorzunehmen.
Die Anamnese umfasst alle Erkrankungen, Unfälle und Operationen. Aktuelle Medikamente sollten dokumentiert, nach Nikotin-, Alkohol- und Drogenkonsum gefragt werden. Allergien auf Medikamente, insbesondere auf Antibiotika, müssen eruiert werden, um etwa eine Reaktion auf die perioperative Antibiose zu vermeiden. Ergibt sich in der Anamnese der Verdacht auf eine Metallallergie (z. B. Nickel, Chrom, Kobalt), sollte die Zeit vor der Operation zur weiteren Abklärung genutzt werden. Bestätigt sich eine Metallallergie, ist die Verwendung einer speziell beschichteten oder allergenfreien Endoprothese zu erwägen.
Es folgt die spezielle Anamnese mit Fragen nach der Schmerzlokalisation, der Ausstrahlung, zeitlichem Auftreten, einem ursächlichen Zusammenhang, etwa mit einem Unfall, nach Belastungs- und Ruheschmerz, nach der Schmerzintensität und den damit verbundenen Einschränkungen der körperlichen Aktivität.
Es sollte auch erfragt werden, ob und in welcher Art Behandlungen stattgefunden haben. Bei Voroperationen am Kniegelenk sind vorhandene Narben in die präoperative Planung mit einzubeziehen.
Darüber hinaus spielen berufliche Belastung, Hobbys und sportliche Ansprüche eine wichtige Rolle. Mit der Frage nach den familiären Verhältnissen kann auch die häusliche Versorgung des Patienten nach einer Operation im Rahmen der Anamnese abgeklärt und die Zeit des stationären Aufenthaltes genutzt werden, um gegebenenfalls eine Hauskrankenpflege zu organisieren.

Klinische Untersuchung

Jede klinische Untersuchung beginnt mit der Inspektion, sie gibt erste Hinweise auf das Ausmaß und die Art der Erkrankung. Die Inspektion sollte am stehenden Patienten durchgeführt werden.
Es erfolgt die Beurteilung der Beinachse: Liegt eine varische oder valgische Fehlstellung vor, hat der Patient ein Genu recurvatum oder flexum (Abb. 2)?
Die Atrophie des M. quadriceps femoris sowie eine Schwellung des Kniegelenkes können inspektorisch erfasst werden. Wichtig ist auch die Inspektion der Haut. Jede Hauterkrankung, vor allem aber die Psoriasis, geht mit einem deutlich erhöhten postoperativen Infektionsrisiko einher. Die Berücksichtigung von Narben spielt für die Operationsplanung eine große Rolle, um Wundheilungsstörungen oder Hautnekrosen zu vermeiden.
Es folgt die Palpation. Sie erlaubt gezielt, erkrankte Gelenkstrukturen zu lokalisieren. Die Palpation erfolgt am liegenden Patienten.
Die Hauttemperatur und der Muskeltonus sollten erfasst werden. Weichteilschwellung oder Kniegelenkerguss können palpatorisch unterschieden werden. Bei einem Kniegelenkerguss zeigt sich nach Ausstreichen des oberen Rezessus unter leichtem Druck von ventral eine tanzende Patella. Die Kniekehle ist zu palpieren, um eine Poplitealzyste zu erkennen.
Schmerzlokalisationen, wie z. B. der druckschmerzhafte innere Gelenkspalt bei der Varusgonarthrose, können bestimmt werden. Aber auch die Gelenkkapsel, der Pes anserinus oder das Fibulaköpfchen können im Rahmen der Gonarthrose druckschmerzhaft sein. An der Patella ist auf einen Facettendruckschmerz zu achten.
Zur Palpation gehört auch die Untersuchung des Gefäßstatus. Die Pulse der A. femoralis, A. poplitea, A. tibialis dorsalis und der A. dorsalis pedis sollten überprüft und dokumentiert werden.
Auch eine orientierende neurologische Untersuchung ist erforderlich. Die Sensibilität und die Muskeleigenreflexe der unteren Extremität, d. h. der Patellarsehnenreflex, der Tibialis-posterior-Reflex und der Achillessehnenreflex, sind zu untersuchen, um etwa postoperativ auftretende Störungen einordnen zu können.
Nach der Palpation folgen die Funktionstests.
Es sollte stets eine orientierende Untersuchung der Wirbelsäule und des Hüftgelenkes erfolgen.
Tipp
Es ist nicht selten, dass ein Schmerz im Kniegelenk durch eine Koxarthrose oder degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule ausgelöst wird (Abb. 3).
Das Bewegungsausmaß des Kniegelenkes wird nach der Neutral-Null-Methode bestimmt und beträgt Extension/Flexion 10/0/140°.
In 90° Beugung hat ein gesundes Kniegelenk eine Innenrotation von 10° und eine Außenrotation von 20°. In Streckung ist eine Rotation nicht möglich (Abb. 4).
Bei der orientierenden Bewegungsprüfung ist auf Krepitationen zu achten.
Danach folgt die Überprüfung der Kniegelenksstabilität. Eine Instabilität wird in 3 Grade unterteilt. Eine Aufklappbarkeit oder Schubladenbewegung von 5 mm entspricht Grad 1, von 5–10 mm Grad 2 und über 10 mm Grad 3.
Die Stabilität der Innen- und Außenbänder wird durch den Varus- und Valgus-Stresstest bei 30° Beugung erfasst. Hierbei umfasst der Untersucher das Kniegelenk von beiden Seiten mit den Händen, der Unterschenkel des Patienten ist zwischen Unterarm und Taille des Untersuchers fixiert. Dann wird jeweils Valgus- und Varusstress auf das Kniegelenk ausgeübt und die Aufklappbarkeit am Kniegelenksspalt palpiert (Abb. 5).
Für die Versorgung des Kniegelenkes mit einem Oberflächenersatz müssen die Seitenbänder intakt sein.
Die Kreuzbänder können überprüft werden mit dem Lachmann-Test. Dabei ist das Knie des Patienten in 30° Beugung, eine Hand des Untersuchers umfasst die Femurkondylen und Patella, die andere Hand zieht die Tibia nach vorne. Weiterhin können das vordere und hintere Kreuzband durch den Schubladentest untersucht werden. Hier liegt der Patient auf dem Rücken, das Hüft- und Kniegelenk sind gebeugt. Der Untersucher setzt sich zur Fixierung des Unterschenkels in Neutralstellung auf den Fuß des Patienten und umgreift den Tibiakopf mit beiden Händen. Zur Überprüfung des vorderen Kreuzbandes zieht er die Tibia in 30° Flexion nach ventral und zur Überprüfung des hinteren Kreuzbandes schiebt er sie in 90° Flexion nach dorsal (Abb. 6).
Eine weitere Möglichkeit zur Untersuchung des vorderen Kreuzbandes ist der Pivot-Shift-Test. Der Patient ist ebenfalls in Rückenlage. Der Untersucher fixiert mit der einen Hand den distalen Oberschenkel, mit der anderen Hand hält er den Unterschenkel in Innenrotation und Abduktion, übt also Valgusstress aus. Jetzt wird das Knie langsam gebeugt. Bei einem defekten vorderen Kreuzband subluxiert dabei die Tibia nach vorne.
Druck oder Scherkraft erzeugen bei geschädigtem Meniskus Schmerzen durch Zug an der Gelenkkapsel. Es gibt eine Vielzahl von Tests zur Feststellung eines Meniskusschadens. Beispielhaft sei hier der Payr-Test dargestellt. Mit der einen Hand fixiert der Untersucher das Knie, mit der anderen das Sprunggelenk. Nun wird der Unterschenkel bei maximal gebeugtem Knie außenrotiert und leichter Varusstress ausgeübt zur Überprüfung des medialen Meniskus und dann innenrotiert mit leichtem Valgusstress zur Überprüfung des lateralen Meniskus (Abb. 7).
Es folgt die Untersuchung der Patella. Krepitationen bei Flexion und Extension oder bei manueller Verschiebung beim Grinding-Test (Abb. 8) deuten auf eine Retropatellararthrose hin.
Zur weiteren Abklärung dient das Zohlen-Zeichen. Hier drückt der Untersucher die Patella vom oberen Pol aus leicht nach distal und lässt den Patienten den M. quadriceps femoris anspannen. Allerdings ist das Zohlen-Zeichen häufig falsch-positiv.
Ein Patellahoch- oder -tiefstand ist ebenso zu dokumentieren wie eine lateralisierte Patellaposition, die eine operative Rezentrierung erfordert.
Es ist sinnvoll, die Untersuchungsverfahren zur standardisieren und die Daten anhand der üblichen Scores, wie dem Insall-Score zu erfassen (Abb. 9 und 10). So können klinische Ergebnisse objektiviert, dokumentiert und verglichen werden.

Laboruntersuchung

Die Untersuchungsbefunde sollten nicht älter als 2 Wochen sein.
Standardmäßig erfolgen präoperativ Blutgruppenbestimmung und Antikörpersuchtest. Die Anzahl der bereitzustellenden Blutkonserven richtet sich nach der Art der geplanten Operation. Während bei der Primärimplantation selten eine Transfusion notwendig wird, ist dies bei der Revisionsoperation wesentlich häufiger. Das Hämoglobin sollte bei geplanten operativen Eingriffen nicht unter 9 g/dl liegen, gegebenenfalls sollte eine Anämie im Rahmen des Patient Blood Managements (PBM) entsprechend ihrer Ursache behandelt werden.
Die Bestimmung der Elektrolyte Natrium, Kalium und Kalzium ist Standard. Besonders wichtig ist eine regelmäßige Elektrolytkontrolle bei Patienten mit Diuretika- und Digitalismedikation.
Serumprotein sollte präoperativ bestimmt werden. Eine Hypalbuminämie kann zu einer maskierten Hypovolämie führen.
Bei erhöhten Glukosewerten oder bekanntem Diabetes mellitus sollte zusätzlich ein Blutzuckertagesprofil angefertigt werden.
Bei einer Schilddrüsenerkrankung in der Anamnese erfolgt die Bestimmung von T3, T4 und TSH.
Zur Einschätzung des Narkoserisikos gehört auch die Kontrolle der Nieren- und Leberfunktion. Routinemäßig empfiehlt sich prä- und postoperativ die Bestimmung des Kreatinins, des Harnstoffs und der Transaminasen.
In der Gerinnungsdiagnostik erfolgt standardmäßig die Messung des Quick, der PTT und der Thrombozytenzahl. Überlappend sollte eine Antikoagulation mit Heparin erfolgen. Thrombozytenaggregationshemmer, wie Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel, sollten 7 Tage präoperativ abgesetzt werden. Antikoagulanzien, wie Kumarine, sollten 10–14 Tage präoperativ abgesetzt werden und entsprechend mit einem niedermolekularem Heparin übergangsweise ersetzt werden. Die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK, z. B. Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban) erfordern kein klassisches Bridging, jedoch eine der individuellen Kinetik entsprechende präoperative Pause (Hoffmeister et al. 2010).
Bei regelmäßiger Einnahme bestimmter Medikamente, wie Digitalis oder Antiepileptika, ist die prä- und vor allem auch postoperative Kontrolle der Medikamentenspiegel erforderlich.
Bei Verdacht auf ein entzündliches Geschehen kann die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) bestimmt werden. Deutlich spezifischer ist jedoch die Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP).
Bei erhöhten Entzündungswerten und bei jeder unklaren Schwellung des Kniegelenkes sollte präoperativ unter sterilen Kautelen eine Punktion des Gelenkes erfolgen.
Zunächst wird das Punktat makroskopisch auf Trübung, Farbe und Konsistenz beurteilt:
  • Ein blutiges Punktat deutet auf eine Verletzung des Kapsel-Band-Apparates hin.
  • Ein blutiges Punktat mit Fettaugen lässt eine Knochenbeteiligung vermuten.
  • Ein seröses Punktat liegt bei Reizergüssen vor.
  • Eine trübe und dünnflüssige Konsistenz lässt auf eine rheumatische Grunderkrankung schließen.
  • Ein trüb gelbliches Punktat liegt bei Gelenkinfektionen vor.
  • Eine himbeerartige Färbung findet sich bei Lues-Arthropathie.
Bei Verdacht auf eine Infektion geht ein Röhrchen mit steril entnommener Gelenkflüssigkeit zur bakteriologischen Untersuchung und Zellzahlbestimmung. Der Schwellenwert der Zellzahl für die Annahme einer periprothetischen Infektion wird international unterschiedlich angegeben und liegt zwischen 1100–4200 Leukozyten/μl (Zahar et al. 2018).
Cave
Bestätigt sich der Verdacht auf eine Gelenkinfektion, ist die Implantation einer Endoprothese absolut kontraindiziert.
Vor einer erneut geplanten Operation sollte der Infekt nach Resistogramm antibiotisch saniert werden. Eine intraoperativ entnommene Biopsie zur mikrobiologischen Untersuchung ist nur dann zu verwerten, wenn die Antibiotikaprophylaxe erst danach gegeben wird.
Bei Verdacht auf eine Erkrankung des rheumatischen Formenkreises wird ein heparinhaltiges Röhrchen zentrifugiert, um Zellen, Sediment und Kristalle zu untersuchen.
Zusätzlich sollte bei einer Rheumadiagnostik eine Synoviabiopsie von 3 verschiedenen Stellen erfolgen, um die Diagnose zu verifizieren. Laborchemisch kann zusätzlich die Bestimmung der Rheumafaktoren, der Harnsäure, antinukleärer Faktoren (ANF), der Komplementfaktoren, eine Immunelektrophorese und gegebenenfalls die Bestimmung der Histokompatibilitätsantigene, wie HLA-B27, erfolgen.

Apparative Untersuchung

Bei jedem Patienten sollte präoperativ ein EKG angefertigt werden.
Eine Röntgenaufnahme des Thorax ist bei Patienten über 60 Jahren empfehlenswert.
Präoperative Röntgenaufnahmen der Extremität sind für die Planung der Operation unerlässlich.
Die Knochenqualität, Varus- und Valgusfehlstellung, osteophytäre Anbauten, sklerotische oder zystische Veränderungen, sowie Knochendefekte oder posttraumatische Veränderungen müssen bei der präoperativen Planung berücksichtigt werden.
Die radiologische Untersuchung beginnt mit Kniegelenkaufnahmen im a.-p.- und seitlichen Strahlengang (Abb. 11).
Im a.-p.-Strahlengang sollte die Röntgenaufnahme im Einbeinstand angefertigt werden, um den Grad der Verschmälerung des medialen oder lateralen Gelenkkompartimentes zu erkennen sowie das Ausmaß ossärer Defekte. Es sollte jeweils ein Drittel der Tibia und des Femurs mit abgebildet sein. Die seitliche Aufnahme kann in Extension oder in Flexion erfolgen. Hier variieren die Angaben zum Grad der Flexion in der Literatur zwischen 30° und 90°. Es ist wichtig, die Aufnahmen standardisiert zu erstellen.
Das seitliche Röntgenbild ermöglicht die Beurteilung des posterioren Slope des Tibiaplateaus und die Höhe der Patella zur Gelenklinie. Mithilfe des Insall-Salvati-Patellahöhenindex kann diese objektiviert werden. Er errechnet sich aus dem Verhältnis zwischen der Länge der Patella zur Länge der Patellarsehne und sollte 1 betragen. Eine Patella alta liegt bei einem Patellahöhenindex <0,8 vor, eine Patella baja bei einem Patellahöhenindex >1,2. Die Patella alta beeinträchtigt die Patellaführung und Extensionsfähigkeit des Kniegelenkes, eine Patella baja die Flexion durch Impingement. Zusätzlich können die Form, Lage und Dicke der Patella beurteilt und Patellafehlbildungen, wie eine Patella partita, erkannt werden.
Die Patellatangentialaufnahme in Flexion gibt Aufschluss über den Lauf und die Form der Patella sowie des Gleitlagers (Abb. 12). Auch hier variiert der vorgegebene Flexionsgrad in der Literatur zwischen 30° und 60°.
Patella-Defilé-Aufnahmen bei 30°, 60° und 90° Beugung sind zur Beurteilung einer Trochleadysplasie und des Patellalaufes geeignet. Defilé-Aufnahmen sind vor allem bei rezidivierender Patellaluxation indiziert.
Eine lange Beinaufnahme im Stehen dient zur Beurteilung intra- und extraartikulärer Achsabweichungen (Abb. 13).
Bei der Aufnahme müssen der Femurkopf sowie das obere Sprunggelenk zu sehen sein, um die mechanische Beinachse bestimmen zu können. Bei adipösen Patienten ist die gleichzeitige Darstellung oft schwierig, da der Weichteilschatten den Femurkopf überdeckt.
Auf jeder Röntgenaufnahme sollte ein rotationssymmetrischer Gegenstand bekannter Größe abgebildet zu sein, um den Vergrößerungsfaktor bestimmen zu können. Im Regelfall beträgt der Film-Fokusabstand 115 cm, womit die Abbildung im Maßstab 1:1,15 vergrößert ist. Im Falle digitaler Aufnahmen ist der Größenmaßstab zur Kalibrierung der Bilder wichtig.
Fallen bei der klinischen Untersuchung in Hüft- und Kniebeugung Rotationsfehler am Beinskelett auf, so sollte eine Computertomografie (CT) auf Höhe des Schenkelhalses, des Kniegelenkes sowie des oberen Sprunggelenkes angefertigt werden (Abb. 14). Damit können dann das Ausmaß von Rotationsfehlstellungen an Femur und Tibia bestimmt werden. Diese spielen etwa bei der Führung der Patella im Gleitlager eine wichtige Rolle. Weiterhin ist die Computertomografie bei Verdacht auf einen Tumor oder eine Fraktur indiziert.
Eine MRT ist zur Beurteilung des Bandapparates, der Menisken und der umgebenden Muskulatur geeignet. Außerdem ist eine Diagnose des M. Ahlbäck oder einer Osteochondrosis dissecans sowie einer subchondralen Impression möglich.
Zur frühzeitigen Diagnose eines M. Ahlbäck ist ebenfalls die Szintigrafie geeignet. Eingesetzt wird die Szintigrafie auch zum Screening bei Verdacht auf Osteomyelitis, Stressfraktur oder Tumor.
Zur Abklärung einer Bursitis, einer Baker-Zyste, eines Gelenkergusses sowie zur Beurteilung der Quadrizeps- und Patellarsehne eignet sich die Sonografie.
Die Arthrografie des Kniegelenks ist heutzutage durch die MRT und die Arthroskopie, die gleichzeitig eine Behandlung ermöglicht, weitgehend abgelöst.
Bei schwachen oder fehlenden Fußpulsen und einer anamnestisch angegebenen Klaudikatio ist präoperativ eine arterielle Angiografie erforderlich.

Aufklärung

Im Rahmen der Aufklärung sollte auf Ängste und Erwartungen des Patienten eingegangen werden. Die Aufklärung soll der Entscheidungsfindung helfen. Nur ein gut aufgeklärter, informierter und motivierter Patient kann an dem Erfolg der Operation und der postoperativen Nachbehandlung mitarbeiten. Eventuell auftretende Komplikationen können nur durch eine stabile und vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung bewältigt werden.
Das Gespräch muss in für den Patienten verständlichen Worten erfolgen. Bei der Aufklärung fremdsprachiger Patienten ist ein Übersetzer hinzuzuziehen.
Eine Behandlung ohne Aufklärung ist rechtswidrig, ein daraus eventuell entstehender Schaden ist vom Operateur zu tragen. Die Beweislast über eine erfolgte Aufklärung liegt beim Arzt (BGH, Urteil vom 28.02.1984).
Eine Aufklärung sollte die Diagnose, Art, Umfang und Durchführung der geplanten Operation, die Erfolgsaussichten und Behandlungsalternativen mit jeweiligen Vor- und Nachteilen, sowie allgemeine und spezielle Komplikationen beinhalten.
Zu den allgemeinen Risiken gehören die Thrombose und Lungenembolie, Infektion, Gefäß- und Nervenverletzungen, sowie bei Operationen an den Extremitäten der M. Sudeck, das Kompartmentsyndrom und die Fraktur. Zu den speziellen Risiken der Knieendoprothetik zählen die aseptische und septische Lockerung der Prothese, die Arthrofibrose und die Luxation.
Formulare können ein Aufklärungsgespräch nicht ersetzen, sie dienen der Vorbereitung des Patienten auf das Gespräch und der Dokumentation der Aufklärung. Alle besprochenen möglichen Komplikationen und Behandlungsalternativen sollten zusätzlich handschriftlich dokumentiert werden. Das Formular ist mit Datum, Zeit und Dauer der Aufklärung und der Unterschrift des Patienten und des Arztes zu versehen.
Die Aufklärung sollte mit einem ausreichend großen Abstand zur geplanten Operation erfolgen, spätestens am Vortag.
Der Operateur muss die Aufklärung nicht selbst durchführen, er ist aber verpflichtet sich zu vergewissern, dass sie in ausreichendem Umfang erfolgt ist (OLG Karlsruhe, Urteil 19.03.1997). Zur Stärkung des Vertrauensverhältnisses sollte der Operateur jedoch vor und nach dem Eingriff mit dem Patienten sprechen. Neben der Aufklärung ist die Compliance des Patienten von entscheidender Bedeutung für den Behandlungserfolg (Lucas 2007).
Zusätzlich sollte der Patient vor der Operation Informationen erhalten, was für einen stationären Aufenthalt benötigt wird, wie Untersuchungsbefunde der behandelnden Ärzte, Medikamente für die ersten Tage, Einweisungsschein und gegebenenfalls eine Kostenübernahme, Utensilien für die Köperhygiene, Bademantel, Sportbekleidung, Badekleidung und festes Schuhwerk.

Planung des operativen Eingriffs

Die präoperative Planung dient dazu, den operativen Eingriff mit seinen instrumentellen und personellen Voraussetzungen exakt zu planen und ein realistisches Ziel festzulegen (In und Schmalzried 2006). Bei der präoperativen Planung erarbeitet sich der Operateur einen Plan für das operative Vorgehen mit den dafür notwendigen Kennzahlen, wie Resektionswinkel und -ausmaß, Prothesenart und -größe. Dementsprechend müssen Instrumenteur und Assistent informiert werden und Instrumente und Implantate erforderlichenfalls bestellt werden (Scuderi 2006). Dabei muss der erfahrene Operateur eine realistische Zielstellung verfolgen.

Grundlagen

Bei der präoperativen Planung ist die apparative, instrumentelle und personelle Ausstattung der Operationseinheit zu berücksichtigen. So beeinflusst das Vorhandensein eines Fluoroskopes, eines Roboters oder Navigationsgerätes die Planung ebenso wie das Vorhandensein von Knieprothesensystemen mit unterschiedlichem Kopplungsgrad. Auch die Kompetenz und Erfahrung des Operateurs und seines Teams ist bei der Planung zu berücksichtigen und für das Ergebnis von entscheidender Bedeutung.
Die Befunde der umfassenden klinischen Untersuchung sind für die präoperative Planung eminent wichtig. Dabei spielen das Ausmaß und die Rigidität einer Deformität, die Weichteildeckung, das Bewegungsausmaß und die Stabilität des Kniegelenks eine entscheidende Rolle. Jedoch auch der neurologische und vaskuläre Zustand des Beines haben wesentlichen Einfluss auf das operative Vorgehen.
Des Weiteren fließen die Ergebnisse apparativer Untersuchungen in die präoperative Planung ein. Allen voran bilden die Ergebnisse der Röntgenuntersuchung des Kniegelenkes Grundlage für die präoperative Planung. Erforderlichenfalls sind auch zusätzliche Untersuchungen mittels CT – etwa zur Bestimmung von Rotationsfehlern –, MRT – etwa zur Abgrenzung von Weichteiltumoren –, Szintigrafie – etwa zur Lokalisierung von Entzündungsherden – oder spezielle Laboruntersuchungen – etwa zum Ausschluss einer Infektion – notwendig.
Für die grafische Planung des operativen Eingriffs haben moderne Softwarelösungen Planungsschablonen abgelöst. Die Genauigkeit der Planung mit digitalen Systemen übertrifft inzwischen die des analogen Verfahrens (The et al. 2005; Specht et al. 2007)

Planungskomponenten

Die Planung des Knocheneingriffes umfasst wesentlich die Korrektur der Beinachse in der Frontal- und Sagittalebene. Die Standzeit der Knieendoprothese hängt im entscheidenden Maße von der achsgerechten Implantation ab. Des Weiteren muss die korrekte Gelenkspaltebene und damit Resektionsebene geplant werden, um eine optimale Funktion des Kniestreck- und Beugeapparates zu ermöglichen. Bei Vorliegen von Deformitäten muss zur Implantation das geeignete Ausrichtverfahren gewählt werden und gegebenenfalls eine Osteotomie geplant werden. Das Füllen größerer knöcherner Defekte muss geplant werden, um entsprechende Transplantate oder Augmente zur Verfügung zu haben und so die Gelenkebene wiederherstellen zu können. Schließlich spielt das präoperative Erkennen der Knochenqualität für die Wahl des Verankerungsverfahrens und der Verankerungselemente eine wichtige Rolle.
Die Auswahl des geeigneten Prothesensystems, der korrekten Größen und aller notwendigen Komponenten ist für den Erfolg der Implantation einer Knieendoprothese von elementarer Bedeutung.
Bei der Planung des Weichteileingriffes ist zunächst der Zugangsweg sorgfältig zu planen, um einerseits alle Bereiche des Kniegelenks zu erreichen, die chirurgisch angegangen werden müssen, und anderseits eine ungestörte Wundheilung zu ermöglichen. Die weichteilige Korrektur einer Deformität etwa durch stufenweise Releases muss ebenso bedacht werden wie die ligamentäre Stabilisierung des Kniegelenkes. Schließlich muss bei Vorliegen von Kontrakturen die Wiederherstellung eines realistischen Bewegungsumfanges angestrebt werden.

Planung des Knocheneingriffs

Korrektur der Beinachse

Die Wiederherstellung der korrekten Beinachse hat entscheidenden Einfluss auf die Standzeit der Prothese und die Stabilität des Kniegelenks. Das Knie ist physiologisch auf der mechanischen Beinachse zentriert, wobei die Gelenklinie nahezu rechtwinklig dazu in 2–3° Varusstellung verläuft. Das Tibiaplateau weist einen posterioren Slope von 5–10° auf, wodurch es bei Belastung in leichter Flexion nahezu planparallel zum Boden ist.
Die mechanische Beinachse (Mikulicz-Linie) verläuft von der Hüftkopfmitte zur Mitte des oberen Sprunggelenks. Während die anatomische Tibiaachse identisch mit der mechanischen Beinachse ist, weicht die anatomische Femurachse in einem Valguswinkel von 5–9° von der mechanischen Beinachse ab. Dabei hängt der resultierende tibiofemorale Winkel von der Geometrie des Femurs ab, wobei die Länge des Oberschenkelschaftes und -halses sowie deren Winkel zueinander und der Grad der Anteversion des Oberschenkelhalses einen Einfluss haben. Die Kniebasislinie ist die Tangente an den distalen Femurkondylen und bildet femoralseitig einen Außenwinkel von 87° bzw. tibialseitig einen Außenwinkel von 93° mit der mechanischen Beinachse. In der Sagittalebene ist das Knie auf der mechanischen Beinachse zentriert und die Tangente am Tibiaplateau weist einen posterioren Slope von 5–10° auf (Abb. 15).
Eine Beindeformität liegt dann vor, wenn mechanische Beinachse und anatomische Tibiaachse nicht aufeinander liegen. Das Ausmaß der Abweichung der anatomischen Tibiaachse von der mechanischen Beinachse gibt den Grad der Deformität an (Abb. 16).
Ziel der Implantation der Knieendoprothese ist es, das Kniegelenk wieder auf der mechanischen Beinachse zu zentrieren und die Orientierung der Gelenkebene relativ zum Boden wiederherzustellen.
Man unterscheidet das klassische Alignment vom anatomischen Alignment (Abb. 17). Beim klassischen Alignment für Knieendoprothesen mit symmetrischer Femurkomponente wird die Gelenklinie rechtwinklig zur anatomischen Tibiaachse hergestellt. Dabei erfolgen die proximale Tibiaresektion rechtwinklig zur anatomischen Tibiaachse und die distale Femurresektion rechtwinklig zur mechanischen Beinachse, d. h. in einem Winkel von 5–9° zur anatomischen Femurachse. Die transepikondyläre Linie liegt dabei parallel zur Tibiaresektion. Der posteriore Kondylenwinkel gebildet aus der Kniebasislinie in Flexion und der transepikondylären Linie hat physiologisch 3–5° Innenrotation. Insofern ist die Femurkomponente beim klassischen Alignment mit einer relativen Außenrotation in Flexion von 3–5° zu implantieren, um einen ausgeglichenen Beuge- und Streckspalt sowie eine zentrierte Patellaführung herzustellen.
Beim anatomischen Alignment für Knieendoprothesen mit asymmetrischer Femurkomponente wird die anatomische Gelenklinie in 2–3° Varuswinkel relativ zur mechanischen Beinachse wiederhergestellt. Dabei erfolgt die proximale Tibiaresektion in 2–3° Varuswinkel und die distale Femurresektion in 7–11° Valguswinkel relativ zur anatomischen Femurachse.
Bei hochgradigen Varusfehlstellungen kann eine geringgradige Unterkorrektur operationstechnisch und klinisch vorteilhaft sein, da in der Regel kein Weichteilrelease notwendig ist.
Beim kinematischen Alignment werden strikt die Oberflächen von Femur und Tibia in Implantatdicke reseziert, wobei die präarthrotische Anatomie rekonstruiert und somit ein echter Oberflächenersatz vorgenommen werden soll. Neben der Varusposition der Tibiakomponente führt dies zu einer Innenrotation der Femurkomponente relativ zur transepikondylären Linie (Riviere et al. 2017). Auch bei dieser Technik ist in der Regel kein Weichteilrelease notwendig, allerdings können präarthrotische Deformitäten und posttraumatische Fehlstellungen nicht korrigiert werden.
Die Rotation der Femurkomponente in Flexion wird durch die Lage der transepikondylären Linie und letztlich durch die mediolaterale Bandspannung bestimmt, die für einen symmetrischen Flexionsspalt ausgeglichen sein muss (Abb. 18).
Die Rotation der Tibiakomponente wird durch die Geometrie der Gelenkfläche bestimmt. Relativ zu den posterioren Tibiakondylen weist das Tibiaplateau eine Innenrotation auf. Intraoperativ wird die Rotation der Tibiakomponente entweder am medialen Drittel der Tuberositas tibiae ausgerichtet oder durch Flexion und Extension mit eingesetzter unfixierter Tibiaprobekomponente eingestellt („floating trial“).
Die Flexionsstellung der Femurkomponente kann in der seitlichen Röntgenaufnahme bestimmt werden. Aufgrund der Antekurvation des Femurs resultiert im Regelfall eine Flexionsstellung von 2–5°.
Die Tibiakomponente wird entsprechend den physiologischen Verhältnissen in einem posterioren Slope von 5–7° implantiert, um eine gleichmäßige Weite von Streck- und Beugespalt herzustellen. Bei einem zu geringen Slope ist der Beugespalt zu eng und damit die Flexion eingeschränkt. Bei einem zu großen Slope ist der Beugespalt zu weit und damit das Knie in Beugung instabil.

Wahl des Ausrichtverfahrens

Bei den meisten Knieendoprothesensystemen erfolgen die Ausrichtung der Femurkomponente mittels intramedullärer Zielung und die Ausrichtung der Tibiakomponente mittels extramedullärer Zielung. Insbesondere bei adipösen Patienten bietet die intramedulläre Zielung eine verlässliche Orientierung zur Ausrichtung der femoralen Prothesenkomponente. Deshalb ist es wichtig, bei der präoperativen Planung die Femurdiaphyse zu beurteilen, da es im Falle eines femoralen Achsfehlers oder eines weiten Markraumes zur Fehllage der Prothese kommen kann. Entsprechendes gilt für die Ausrichtung der Tibiakomponente mittels intramedullärer Zielung. Während in diesen Fällen tibial die extramedulläre Zielung eingesetzt werden kann, kommt femoral entweder ein kurzer intramedullärer Ausrichtstab und ein geplant abweichender Resektionswinkel (Abb. 19) oder die navigierte Implantation zur Anwendung. Bei der CT-freien Navigation wird das Zentrum des Hüftkopfes kinematisch berechnet und mit dem Zentrum des Kniegelenkes die mechanische Femurachse gebildet, an der die Femurkomponente ausgerichtet wird (Clemens und Miehlke 2005). Alternativ bieten auch patientenspezifische Instrumente bei entsprechender Planung mittels CT oder MRT die Möglichkeit, vollständig auf eine intramedulläre Ausrichtung zu verzichten.

Osteotomien

Extraartikuläre Achsabweichungen können dia- oder metaphysär lokalisiert sein. Während geringgradige metaphysäre Abweichungen durch die geeignete Wahl der Resektionsebenen ausgeglichen werden können, müssen diaphysäre Achsabweichungen durch eine zusätzliche Osteotomie ein- oder zweizeitig korrigiert werden (Abb. 20; Papagelopoulos et al. 2007). Bei einzeitigem Vorgehen können zementfreie Stiele an den Prothesenkomponenten wie Marknägel eingesetzt werden und zu einer primär stabilen Versorgung führen. Zementfreie Stiele können auch mit einer zementierten artikulierenden Komponente eingesetzt werden.

Wahl der Resektionsebenen

Die Höhe der Gelenklinie der Knieendoprothese sollte der anatomischen Gelenkspalthöhe entsprechen, um den Hebelarm für die Streck- und Beugemuskulatur wiederherzustellen und so eine optimale Funktion des Streck- und Beugeapparates zu gewährleisten. Das Ausmaß des resezierten Knochens sollte dabei am weniger degenerativ veränderten Gelenkanteil bestimmt werden und der minimalen Implantatdicke entsprechen. Im Falle eines tiefergehenden tibialen Knochendefektes sollte zur Rekonstruktion der anatomischen Gelenkspalthöhe der Knochenaufbau mittels autogenem oder allogenem Knochen oder Augment erfolgen, wobei die Tibiakomponente dann mit einem Stiel sicher im Wirtsknochen verankert werden kann. Der Wahl einer distaleren Resektionsebene mit Ausgleich durch ein dickeres Polyethylenonlay sind enge Grenzen gesetzt, da das Tibiaplateau distal kleiner wird und eine kleine Tibiakomponente nur begrenzt mit einer größeren Femurkomponente kombiniert werden kann. Defekte an den Femurkondylen müssen ebenfalls ausgeglichen werden, um die anatomische Gelenkspalthöhe wiederherzustellen. Eine Proximalisierung des Gelenkspaltes verkürzt nicht nur den Hebelarm der Streckmuskulatur, sondern führt auch zu einem Tiefstand der Patella, wodurch es zum Kontakt der Patella mit dem Polyethylenonlay kommen kann. Zudem führt eine Proximalisierung der Femurkomponente zu einer Erweiterung des Streckspaltes. Streck- und Beugespalt müssen jedoch für eine einwandfreie Funktion der Knieendoprothese gleich weit sein.

Größenbestimmung von Knochendefekten

Auf den koronaren und seitlichen Röntgenaufnahmen des Kniegelenkes im Stehen lässt sich die Größe von Knochendefekten abschätzen (Abb. 21; Mulhall et al. 2006). Sie treten zumeist am mechanisch schwächeren Knochen des Tibiaplateaus, aber auch an den Femurkondylen der konvexen Seite einer Varus- oder Valgusdeformität auf. Sie sind häufig von einer Zone sklerosierten Knochens abgegrenzt. Bei der Planung der Resektionsebenen muss das Anfrischen des sklerosierten Knochens und damit der zusätzliche Knochenverlust vor Auffüllen des Defektes berücksichtigt werden. Kleine Defekte können im Regelfall durch eine geschickte Wahl der Resektionsebene und mit Knochenzement ausgeglichen werden. Größere Defekte, die noch von einer intakten Kortikalis umgeben sind („contained“), können mit autologer Spongiosa, gewonnen aus der kontralateralen Knochenresektion, aufgefüllt werden. Große Defekte ohne umgebende kortikale Abstützung („uncontained“) müssen nach sorgfältigem Anfrischen mit einem spongiösen Metallaugment (frei positonierbare Cones oder stielgeführte Sleeves) oder einem strukturierten Knochentransplantat aufgefüllt werden (Dennis 2007). Dabei sind sowohl keilförmige wie stufenförmige Metallaugmente für den Tibiakopf verfügbar. Femurseitig sind der Innengeometrie der Femurkomponente angepasste Metallaugmente verfügbar. Bei Verwendung von Knochentransplantaten oder Augmenten ist eine zusätzliche intramedulläre Stielverlängerung notwendig zur dia- und metaphysären Verankerung der Tibia- und Femurkomponente in mindestens zwei Zonen (Morgan-Jones et al. 2015).
Sind die Knochendefekte so ausgedehnt, dass sie die ligamentären Insertionen betreffen, so fällt dies klinisch in der Regel durch die Instabilität des Kniegelenkes auf, kann aber auch durch die Rigidität der Deformität verschleiert werden. In diesen Fällen ist eine Knieendoprothese mit einem höheren Kopplungsgrad zur Stabilisierung des Kniegelenkes zu verwenden.

Patella und Tuberositas tibiae

Auf der axialen Patellaaufnahme ist die Form, Lage und Dicke der Patella zu beurteilen. Die Patellaresektion ist so zu planen, dass eine gleichmäßige minimale Dicke von 12 mm verbleibt, um die Vitalität zu erhalten und eine ausreichende Verankerung für den Rückflächenersatz zu gewährleisten. Die Stärke der Resektion sollte dem geplanten Retropatellarersatz entsprechen. Bei starker Lateralisierung der Patella muss intraoperativ nach Wiederherstellung der anatomischen Beinachse auf Rezentrierung der Patella geachtet werden. Erforderlichenfalls muss ein laterales Release oder eine Medialisierung der Tuberositas tibiae durchgeführt werden. Auch die Höhe des Patellastandes hat wesentlichen Einfluss auf das Operationsergebnis. Während eine Patella alta zur Luxation neigt, kann es bei der Patella baja zum Kontakt mit dem Polyethylenonlay und zu eingeschränkter Beugung kommen. Der Stand der Patella muss erforderlichenfalls durch Versetzen der Tuberositas tibiae korrigiert werden. Deshalb ist es wichtig, auf den präoperativen Röntgenaufnahmen die Qualität und Position der Tuberositas tibiae zu beurteilen. Diese kann durch vorangegangene Osteotomien geschwächt sein und muss dann intraoperativ bei Eversion der Patella besonders vorsichtig behandelt oder temporär fixiert werden.

Osteophyten

Auf der a.-p.- und seitlichen Röntgenaufnahme sind die Osteophytenbildungen am Tibiaplateau und an den Femurkondylen besonders zu beachten. Die Osteophyten haben im Prozess der Arthroseentstehung die Fläche des lasttragenden Knochens vergrößert und die Kollateral- und Kreuzbänder relativ verkürzt, in dem sie ihren Weg verlängert haben. Insofern ist vor jedem Release eine sorgfältige Entfernung der Osteophyten notwendig, um die verfügbare Länge des Bandes wieder freizugeben. Besonders im Falle der Kreuzbänder kommt es häufig zur Läsion oder Ruptur durch Osteophyten. Osteophyten täuschen zudem größere Gelenkflächen vor. Deshalb ist es wichtig, vor der Größenbestimmung der Prothesenkomponenten die Osteophyten zu entfernen. Im Bereich der dorsalen Femurkondylen kann es durch Osteophyten zu einem Impingement des Tibiaonlays kommen, wodurch die Flexion behindert wird und Schmerz ausgelöst werden kann. Deshalb sind sie in diesem Bereich besonders gründlich zu entfernen. Schließlich können Osteophyten einen chronischen Schmerzreiz, insbesondere im Verlauf des medialen Kollateralbandes auslösen.

Beurteilung der Knochenqualität

Die Knochenqualität ist auf den präoperativen Röntgenaufnahmen nur grob einzuschätzen. Im Falle der Osteoporose sollte sowohl tibial wie auch femoral eine zementierte Verankerung der Prothese erfolgen. Erforderlichenfalls sind gestielte Komponenten zu verwenden. Eine starke Sklerose ist schwer präzise zu osteotomieren und lässt keine Zementpenetration zu. Deshalb muss ein sklerotisches Areal gründlich angefrischt und erforderlichenfalls angebohrt werden. Der zusätzliche Knochenverlust ist bei der präoperativen Planung zu berücksichtigen.

Planung des Prothesensystems

Wahl des Prothesentyps

Bei der Auswahl des Prothesentyps ist grundsätzlich ein möglichst geringer Kopplungsgrad zu bevorzugen.
Je höher der Kopplungsgrad einer Prothese, umso mehr Kraft wird auf die Implantat-Knochengrenze übertragen, wodurch die Gefahr der Prothesenlockerung zunimmt.
Bei hochgradigen Deformitäten und Bewegungseinschränkungen sind allerdings ausgedehnte Releases notwendig, sodass ein entsprechend höherer Grad der Kopplung notwendig wird. Im Falle von Knochendefekten, welche die Insertionen der Kollateralbänder betreffen, muss ebenfalls ein höherer Kopplungsgrad gewählt werden. Alte Patienten, die häufig muskuläre, koordinative oder neurologische Defizite aufweisen, profitieren oft von der Versorgung mit einer gekoppelten Knieendoprothese. Im Falle von Patienten mit Paresen nach Apoplex oder Poliomyelitis ist die Auswahl des Prothesentyps sorgfältig vorzunehmen und erforderlichenfalls eine höhergradige Koppelung zu bevorzugen.
Vollständig ungekoppelte Prothesen (Abb. 22), die unter Erhaltung des hinteren Kreuzbandes implantiert werden, finden bei Kniegelenken mit intakten Kapselbandverhältnissen, bei leichten bis mittelschweren Deformitäten und weitgehend erhaltenem Bewegungsausmaß Verwendung.
Posterior stabilisierte Prothesen werden nach notwendiger Resektion des hinteren Kreuzbandes implantiert und bei posterioren Instabilitäten, höhergradigen Deformitäten und Bewegungseinschränkungen eingesetzt. Die Stabilität wird dabei über einen hohen Grad der Kongruenz („ultracongruent“) erreicht (Abb. 23). Alternativ kann die a.-p.-Stabilität über einen Post/Cam-Mechanismus (PS) gesichert werden.
Interkondylär stabilisierte Prothesen (Abb. 24), die neben der posterioren Stabilisierung die Varus-Valgusbewegung limitieren, werden bei leichten Varus-Valgusinstabilitäten, höhergradigen Deformitäten und Bewegungseinschränkungen verwendet, für die ausgedehnte Kapselbandreleases notwendig sind.
Vollständig gekoppelte Prothesen (Abb. 25), bei denen Femur- und Tibiakomponente durch einen Rotationsbolzen oder ein Scharnier verbunden sind, finden Anwendung bei hochgradigen Instabilitäten, hochgradigen Deformitäten und Bewegungseinschränkungen, die sehr ausgedehnte Kapselbandreleases notwendig machen, sowie im Falle großer Knochendefekte, die eine ligamentäre Stabilisierung des Kniegelenkes beeinträchtigen.

Wahl der Prothesengröße

Bei der Bestimmung der geeigneten Prothesengröße kann man sich bei der Primärimplantation an den auf der Röntgenaufnahme dargestellten Knochendimensionen orientieren. Im Falle großer Knochendefekte, etwa bei Revisionen oder hochgradigen Deformitäten ist dies nur begrenzt möglich, da in diesen Fällen die Höhe des Gelenkspaltes erst intraoperativ rekonstruiert werden muss und eine geeignete Auflage für die Tibiakomponente geschaffen werden muss (Gustke 2005).
Bei der Bestimmung der Prothesengröße wird zunächst die Tibiakomponente ausgemessen (Abb. 26). Die Tibiakomponente ist möglichst groß zu wählen, um eine Abstützung am kortikalen Knochen oder kortikalisnahen Spongiosaknochen zu erreichen. Andererseits ist die Überdimensionierung zu vermeiden, um eine schmerzhafte Irritation der peripheren Kapselbandstrukturen zu vermeiden. Aufgrund der unmittelbaren Nähe des medialen Kollateralbandes zum Tibiakopf wird eine Überdimensionierung medial schlechter toleriert als lateral. In jedem Falle ist eine Irritation der Patellarsehne oder des Tractus iliotibialis ventral zu vermeiden.
Die Größe der Femurkomponente wird in erster Linie auf der seitlichen Röntgenaufnahme bestimmt, in dem die anteroposteriore Größe der Femurkondylen wiederhergestellt wird, um den Hebelarm des Femurs wiederherzustelllen (Abb. 27). Insofern bestimmt die Größe der Femurkomponente die Weite des Beugespaltes. Gelegentlich liegt die gewünschte Größe zwischen zwei verfügbaren Prothesengrößen. Entscheidet man sich für die kleinere Femurkomponentengröße, so ist mit einem entsprechend weiteren Beugespalt zu rechnen, ein Notching der ventralen Femurkortikalis ist zu vermeiden. Entscheidet man sich für die größere Femurkomponentengröße, so ist mit einem engeren Beugespalt zu rechnen und erforderlichenfalls die Femurkomponente leicht zu ventralisieren. Ein seitliches Überhängen der Femurkomponente ist jedoch zu vermeiden, da dies zu Irritationen des Kapselbandapparates, insbesondere des lateralen Retinakulums führen kann.
Bei der Wahl des geeigneten Tibiaonlays ist sowohl die Kombinierbarkeit mit der ausgewählten Femurkomponente wie auch die minimale und maximale verfügbare Dicke zu beachten. In jedem Falle muss die gewählte Tibiaonlay-Dicke auf der Grundlage der zuvor bestimmten Resektionshöhe die anatomische Gelenkspalthöhe wiederherstellen.

Stiele

Im Falle der Rekonstruktion größerer Knochendefekte lassen sich Tibia- und Femurkomponente mit Stielen zementfrei oder zementiert in der Diaphyse des Wirtsknochens sicher verankern. Während zementierte Stiele auch bei deformierten und geschädigten Diaphysen eingesetzt werden können, müssen zementfreie Stiele achsgerecht kortikal verankert werden. Die Abstützung mittels Stiels ist bei tibialen Knochendefekten wichtiger als bei femoralen, da tibial die Knochenqualität in der Regel schlechter und die Auflagefläche geringer ist als femoral. Zur Vermeidung des Kontaktes eines Stiels mit der ventralen Tibiakortikalis sind Offset- oder gewinkelte Stiele verfügbar. Treten am Femur etwa im Revisionsfall dorsal oder distal größere Knochendefekte auf, so führt der femorale Stiel nicht nur zur sicheren intramedullären Implantatverankerung, sondern erleichtert auch die axiale Ausrichtung der Femurkomponente (Mahoney und Kinsey 2006). Zur Indikation für den Einsatz von Komponenten-Stielen werden unterschiedliche Knochendefektgrößen angegeben. Generell gilt jedoch, dass die Indikation zur Verwendung von Komponenten-Stielen bei kortikal nicht begrenzten Defekten großzügiger zu stellen ist als bei vorhandener kortikaler Abstützung. Es gilt das Prinzip der zonalen Verankerung (Morgan-Jones et al. 2015), nach welchem die Verankerung in mindestens zwei der drei möglichen (epiphysär, metaphysär, diaphysär) Zonen erfolgen sollte.
Im Falle notwendiger diaphysärer Korrekturosteotomien, die mit der Prothesenimplantation einzeitig durchgeführt werden, können lange Komponentenstiele wie Marknägel verwendet werden und gestatten dann eine postoperative Mobilisierung unter Belastung.

Planung des Weichteileingriffes

Zugangsweg

Der geeignete Zugangsweg muss zum einen alle Strukturen des Kniegelenkes zugänglich machen, die einer chirurgischen Therapie bedürfen. Zum anderen darf der gewählte Zugangsweg die Durchblutung der periartikulären Weichteile nicht gefährden, um eine ungestörte Wundheilung per primam zu ermöglichen.
In der Regel wird der mediale parapatellare Zugang genutzt. Alternativ ist aber auch der Subvastus- oder Midvastus-Zugang möglich, wobei gegebenenfalls eine schlechtere Übersicht in Kauf genommen werden muss. Der Quad-Sparing-Zugang kommt vor allem bei unikondylärer Endoprothetik zum Einsatz (Abb. 28). Bei schlechten Durchblutungsverhältnissen am gesamten Bein ist erforderlichenfalls eine vorangehende gefäßchirurgische Versorgung zu planen. Häufig bestehen Narben früherer Traumata oder Operationen. Da die Durchblutung der präpatellaren Weichteile zum großen Teil von der medialen Seite aus von der A. genus superior medialis erfolgt, ist bei Verwendung alter Zugangswege stets der lateralste zu benutzen (Vince und Abdeen 2006). Muss dann jedoch für die Anlage etwa des medialen parapatellaren Zugangsweges ein großer Hautlappen gebildet werden, so relativiert sich dieser Vorteil. Wählt man eine parallele Schnittführung zu einer alten Narbe, so sollte ein Mindestabstand von 3–4 cm gewahrt bleiben. Müssen alte Narben durch die neue Schnittführung gekreuzt werden, so sollte dies nicht spitzwinklig unter 60° geschehen, sondern am besten rechtwinklig. Besteht eine schlechte Weichteildeckung mit einer adhärenten Narbenplatte, so ist eine großflächige Ablösung unbedingt zu vermeiden und falls unumgänglich bereits die plastische Deckung mittels myokutaner Lappen zu planen (Abb. 29).

Weichteilkorrektur von Deformitäten

Zur Planung der Weichteilkorrektur von Deformitäten bildet die klinische Untersuchung der Rigidität einer Deformität wichtigste Grundlage. Im Falle passiv ausgleichbarer Deformitäten, die durch den einseitigen intraartikulären Höhenverlust des Knochens entstanden sind, sind meist keine oder wenige Releases notwendig. Im Falle kontrakter, passiv nicht ausgleichbarer Deformitäten sind schrittweise Releases sorgfältig zu planen. Das Ausmaß ist anhand der klinischen und radiologischen Untersuchung abzuschätzen. Ebenso kann das Ausmaß der Elongation der Kapselbandstrukturen auf der konkaven Seite der Deformität abgeschätzt werden. Sind sehr ausgedehnte Releases notwendig, um physiologische Achsverhältnisse wiederherzustellen, so ist die Indikation zur Verwendung einer Prothese mit höherem Koppelungsgrad zu prüfen (Abschn. 4.4). Kapselbandreleases sind in der Regel vor den Knochenresektionen auszuführen, da diese ansonsten zu ausgedehnt vorgenommen werden würden und zu einer übermäßigen Weite des Beuge- oder Streckspaltes führen könnten.
Im Falle einer kontrakten Varusdeformität sind zunächst der mediale Meniskus zu entfernen und danach die medialseitigen Osteophyten. Bei asymmetrischem, medial engen Beugespalt ist zunächst das hintere Kreuzband zu lösen und falls notwendig der ventrale Anteil des medialen Kollateralbandes am Tibiakopf. Bei asymmetrischem medial engen Streckspalt können der dorsale Anteil des medialen Kollateralbandes vom Tibiakopf und die Gelenkkapsel von den posterioren Femurkondylen gelöst werden. Im Ausnahmefall muss auch die ischiokrurale Muskulatur vom dorsalen Tibiakopf gelöst werden.
Bei einer kontrakten Valgusdeformität müssen nach der lateralen Meniskusresektion zunächst die lateralseitigen Osteophyten entfernt werden. Bei asymmetrischem lateral engen Beugespalt kann das hintere Kreuzband releast werden. Ist dies nicht ausreichend, so kann auch die Popliteussehne vom Femurkondylus gelöst werden. Bei asymmetrischem lateral engen Streckspalt können die Gelenkkapsel von der dorsalen Femurkondyle und danach der Tractus iliotibialis vom Tuberculum Gerdi gelöst werden. Im Ausnahmefall muss das laterale Kollateralband vom Epicondylus lateralis abgelöst werden.
Bei Lateralisierung der Patella im Gleitlager nach Wiederherstellung der anatomischen Beinachse kann zunächst das laterale femoropatellare Band durchtrennt werden und erforderlichenfalls ein vollständiges laterales Release ausgeführt werden.

Planung der Arthrolyse

Grundlage der Planung der Arthrolyse zur Wiederherstellung eines ausreichenden Bewegungsumfanges des Kniegelenkes ist die klinische Untersuchung. Ein fester Anschlag deutet auf eine knöcherne Ursache oder narbige Verwachsungen auf dem Knochen hin, während ein weicher Anschlag eine rein weichteilbedingte Bewegungseinschränkung vermuten lässt.
Im Falle einer Streckhemmung muss eine dorsale Arthrolyse der Gelenkkapsel und des hinteren Kreuzbandes geplant werden, wodurch die Verwendung einer posterior stabilisierten Knieendoprothese notwendig wird. Im Ausnahmefall muss ein Release oder eine Verlängerung der ischiokruralen Muskulatur durchgeführt werden.
Im Falle einer Beugehemmung muss das Release der suprapatellaren, medialen und lateralen Rezessus geplant werden. Erforderlichenfalls müssen Verklebungen des Quadrizeps auf dem distalen Femur gelöst werden. Im Ausnahmefall kann die Quadrizepssehne in V-Y-Technik verlängert werden. In jedem Falle ist ein intakter Streckapparat Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Implantation einer Knieendoprothese und muss für eine frühfunktionelle Nachbehandlung geschont werden.

Ergebnis der Planung

Im Ergebnis der Planung muss der Operateur eine klare Vorstellung vom operativen Vorgehen haben und zeichnerisch Achsverhältnisse, Prothesenlage und Größe dokumentiert haben. Ebenso müssen Instrumenteur und Assistenten über das Vorgehen in Kenntnis gesetzt sein. Der Patient muss über die realistisch erreichbaren Ziele der Operation aufgeklärt sein und sein Einverständnis erklärt haben. Die notwendigen Instrumente und Implantate müssen bereitstehen. Schließlich sollte für den Eingriff ausreichend Zeit eingeplant werden, um intraoperative Fehler durch Zeitdruck zu vermeiden.

Fazit für die Praxis

Die Indikation zur Implantation einer Knieendoprothese ist gegeben, wenn ein konservativ therapierefraktärer Knieschmerz auf dem Boden eines Strukturschadens zur Einschränkung der Lebensqualität führt und ein subjektiver Leidensdruck besteht.
Grunderkrankungen, die mit einem hohen Narkoserisiko einhergehen, ein akuter Infekt des Kniegelenkes, eine Osteomyelitis der Extremität und infizierte Hautulzerationen sind absolute Kontraindikationen für eine endoprothetische Versorgung des Kniegelenkes.
Die Aufklärung sollte die Diagnose, Art, Umfang und Durchführung der geplanten Operation, die Erfolgsaussichten und Behandlungsalternativen mit jeweiligen Vor- und Nachteilen, sowie allgemeine und spezielle Komplikationen beinhalten. Sie sollte mit einem ausreichend großen Abstand zur geplanten Operation erfolgen.
Im Ergebnis der Planung muss der Operateur eine klare Vorstellung vom operativen Vorgehen haben und zeichnerisch Achsverhältnisse, Prothesenlage und Größe dokumentiert haben. Ebenso müssen Instrumenteur und Assistenten über das Vorgehen in Kenntnis gesetzt sein und die notwendigen Instrumente und Implantate müssen bereitstehen.
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