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AE-Manual der Endoprothetik
Info
Publiziert am: 16.05.2023

Zugänge zum Hüftgelenk: Lateraler Zugang zum Hüftgelenk

Verfasst von: Karl-Dieter Heller
Der laterale Zugang war vor der Phase der minimalinvasiven Hüftchirurgie einer der am häufigsten verwendeten Standardzugänge zum Hüftgelenk neben dem posterioren Zugang. Er kann sowohl in Rückenlage, mit dem Vorteil der gut durchführbaren Röntgendiagnostik, als auch in Seitenlage, insbesondere auch im Rahmen der Revisionsendoprothetik eingesetzt werden. Mit zunehmender Anwendung der anterolateralen und anterioren Zugänge verliert dieser Zugang jedoch aufgrund seiner stärkeren Invasivität an Bedeutung.

Vorgehensweise, Technik

Der laterale Zugang, auch Hardinge- oder auch Bauerzugang ist insofern einfach durchführbar, da die Patientenpositionierung sehr einfach ist. Der Patient liegt auf dem Rücken. Die Technik wird vereinfacht, wenn das Gesäß in einer Mulde liegen kann und der Patient auf der zu operierenden Seite nahe an der Tischkante liegt, um eben nicht von dorsal Druck über die Muskulatur zu bekommen. Die Pfanne ist bei diesem Zugang sehr leicht zu positionieren, das Femur ist etwas schwieriger darstellbar. Es zeigt sich ein geringes Luxationsrisiko.
Nach entsprechender Lagerung wird ein etwa 10–12 cm langer Hautzugang horizontal bis leicht nach dorsal abfallend angelegt (Abb. 1). Die Hälfte befindet sich oberhalb, die andere Hälfte unterhalb der Trochanterspitze. Nach Eröffnen der Subkutis findet sich hier der Tractus iliotibialis, der längsgespalten und zur Seite, sprich nach dorsal und ventral, gehalten wird (Abb. 2). Hier wird nun der Blick auf die Muskelschlinge des Gluteus medius und des Vastus lateralis sichtbar.
Hier wird nun das vordere Drittel des Gluteus medius und der vordere Anteil des Vastus lateralis als Muskelsplit gespalten. Wesentlich ist hier, dass es sich um einen Muskelsplit und nicht um ein Durchtrennen der Muskulatur handelt. Die Muskulatur wird am Trochanteransatz subperiostal abgeschoben und nach vorne gehalten. Die vastoglutäale Schlinge bleibt dabei erhalten. Dadurch wird dann der Blick auf die Kapsel frei (Abb. 3) Es ist wichtig, darauf zu achten, dass der Muskelspilt nach kranial maximal 4 cm beträgt, da ansonsten der N. gluteus superior Schaden nehmen kann (Lüring 2017). Nachdem nun nach entsprechendem Hakeneinsatz (Abb. 3) die Kapsel dargestellt wird, kann diese exzidiert werden, und es kann in normaler und typischer Weise zunächst der Hüftkopf osteotomiert und extrahiert werden (Abb. 4). Hierzu ist nur eine Osteotomie notwendig, da die Übersicht zur Pfanne üblicherweise hervorragend ist. Nach Extraktion des Kopfes wird der Pfanneneingang dargestellt und in typischer Weise die Pfanne gefräst und implantiert. Nach Pfanneneinbau wird das proximale Femurende dargestellt (Abb. 4). Der Vorteil dieses Zuganges im Vergleich zu den minimalinvasiven Zugängen liegt darin, dass einerseits die Pfanne sehr schön darstellbar ist, dies ist bei den anterolateralen und anterioren Zugängen an der Hüfte auchso, dass aber insbesondere die Eröffnung des Schaftes und das Einbringen der Prothese in den Schaft besonders leicht durchführbar ist, da ein Drittel der Glutealmuskulatur nach ventral abgeschoben wurde und  somit nicht den Weg in den Markraum versperrt. Hierzu bedarf es keiner minimalinvasiven Instrumente und keiner Prothesenselektion, da jeglicher Schaft, insbesondere auch bei der Revision über diesen Zugang, hervorragend eingebaut werden kann.
Die Vorteile des lateralen transglutealen Zuganges liegen darin, dass dieser mit einer minimierten Hautinzision möglich ist. Eine standardisierte Rückenlage im Sinne einer einfachen Lagerung ist anwendbar, man hat eine gute räumliche Orientierung. Dieser Zugang ist im Revisionsfall erweiterbar und geeignet für jedes Schaftdesign.
Nachteile des lateralen, transglutealen Zuganges sind die mögliche Beschädigung und Ablösung des Gluteus minimus und medius sowie des Vastus lateralis und Gefahr neurovaskulärer Schäden, insbesondere des N. gluteus superior.
Nach Einbau des Schaftes, Probereposition und Einbringen aller Originalinstrumentarien ist die Reinsertion der abgelösten vastoglutealen Schlinge zwingend erforderlich, sprich es wird sowohl im Bereich des M.vastus als auch im Bereich des Trochanter major und des Gluteus medius der Muskel readaptiert (Abb. 5), und gerade hier liegt die Gefahr dieses Zuganges.
Wenn diese Schlinge im Rahmen der Operation reißt, nicht suffizient versorgt werden kann, oder wenn hier gar eine Degeneration der Muskulatur vorlag, sodass eine Refixierung nicht optimal möglich ist, dann kommt es zu einer relativ hohen Rate an Glutealinsuffizienzen, die bei gut durchgeführtem, minimalinvasiven anterolateralem Zugang nicht mehr nachweisbar sind.
Stratos und Mitarbeiter (Stratos et al. 2022) haben im Rahmen einer im Jahre 2020 durchgeführten Befragung aller Mitglieder der deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE), die Zugangsvorlieben der Gesellschaftsmitglieder erfragt und mussten feststellen, dass der anterolaterale Zugang mit Abstand der populärste Zugang bei der primären Hüftendoprothetik ist, gefolgt vom anterioren Zugang in minimalinvasiver Technik.
Im Rahmen der regulären Zugangsweise wurde immer noch in 52 % der anterolaterale und in 20 % der anteriore Zugang durchgeführt. Der laterale Zugang, sprich transgluteale Zugang, fand in der nicht minimalinvasiv durchgeführten Hüftendoprothetik lediglich noch einen Anteil von etwa 30 % und ist somit verglichen mit früheren Ergebnissen auf dem Rückmarsch.
In zahlreichen Publikationen wird der transgluteale Zugang auch unter den minimalinvasiven Zugängen genannt. Dies kann man sicherlich durchaus sehr kritisch diskutieren, weil letztendlich minimalinvasiv sich nicht durch die Schnittgröße definiert, der Schnitt bei einem transglutealen Zugang kann durchaus sehr kurz sein, sondern durch das, was in der Tiefe geschieht und hier muss natürlich bei dem transglutealen Zugang – so sein Name – auch transgluteal, sprich durch den Muskel eingegangen werden, was letztendlich keine minimalinvasive Vorgehensweise darstellt. Ungeachtet dessen war und ist der transgluteale Zugang ein in der Hand des erfahrenen Operateurs, ein guter und verlässlicher Zugang, der den Einbau aller Prothesentypen zulässt und auch im Rahmen der Wechselendoprothetik einen großen Stellenwert hat, insbesondere auch bei größeren Wechseleingriffen in Seitlage.
Abschließend sei nochmal ein Exkurs zur minimalinvasiven Vorgehensweise erlaubt. Zwei Punkte definieren das minimalinvasive Vorgehen: die Länge des Zuganges und die Größe des chirurgischen Traumas.
Siebert und Pfeil (Pfeil und Siebert 2010) definieren in ihrem Buch die minimalinvasive Chirurgie als Technik, welche bestmöglich die Weichteilverhältnisse und die Muskulatur in der Hüfte erhält.
Stratos und Mitarbeiter (Stratos et al. 2022) definieren die minimalinvasive Chirurgie als ein Eingriff zur Hüfte der durch die kleinstmögliche Hautinzision, mit dem geringstmöglichen Weichteilschaden eine Prothesenimplantation zulässt.

Fazit für die Praxis

Der laterale Zugang kann als mittlerweile immer seltener angewandter Standardzugang in der Hüftendoprothetik genutzt werden. Insbesondere auch bei Revisionen bietet dieser Zugang eine sehr gute Übersicht auf Schaft und Pfanne. Er wird zunehmend von den minimalinvasiven Zugängen verdrängt.
Literatur
Lüring C (2017) Zementfreie Hüftendoprothese: lateraler Zugang nach Bauer. Springer, Berlin/HeidelbergCrossRef
Pfeil J, Siebert WE (2010) Minimal invasive surgery in total-hip-arthroplasty. Springer, New YorkCrossRef
Stratos I, Heller K-D, Rudert M (2022) German surgens technical präferences for performing total hip arthroplastic: a survey from the national endoprosthetics society international orthopädics. Int Orthop 46:733–739CrossRefPubMed
Wagner M et al (2012) Operation. In: Claes L, Kirschner P, Perka C, Rudert M (Hrsg) AE-Manual der Endoprothetik. Springer, Berlin/Heidelberg. https://​doi.​org/​10.​1007/​978-3-642-14646-6_​7CrossRef