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Cohen-Syndrom

Verfasst von: Dierk A. Vagts, Heike Kaltofen, Uta Emmig und Peter Biro
Cohen-Syndrom.
Synonyme
Cervenka-Sy; Pepper-Sy
Oberbegriffe
Stoffwechselstörungen, Missbildungen.
Organe/Organsysteme
Skelettsystem und Bewegungsapparat, ZNS, Stoffwechsel, Sinnesorgane, Subkutis.
Ätiologie
Mutationen im COH1-Gen (8q22-23), sehr selten, autosomal-rezessiv vererbt, ca. 200 beschriebene Fälle, gilt aber als unterdiagnostiziert. Das COH1-Gen kodiert für ein Transmembranprotein, das vermutlich am intrazellulären, vesikelabhängigen Sortieren und Transport von anderen Proteinen beteiligt ist.
Da es verschiedene Ausprägungen gibt, unterscheidet man derzeit 2 Typen: mit und ohne Neutropenie. Nur wenige Patienten erreichen das Erwachsenenalter. Es gibt bisher keine allgemein gültigen Konsensuskriterien für diese Diagnose!
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Prader-Willi-Sy (möglicherweise häufige Verwechselung mit Cohen-Sy), Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Sy, Börjeson-Forssman-Lehmann-Sy, KBG-Sy.

Symptome

Adipositas, Hyperextension der Gelenke (z. B. durch Fehlbildung im humero-ulnaren Gelenk), muskuläre Hypotonie, kognitive Behinderung, Innenohrschwerhörigkeit, Epilepsie, Fehlbildungen des Gesichtsschädels: mandibuläre Retro- oder Mikrognathie, Makrodontie, hoher schmaler Gaumen, hypertrophe Zunge, kurzes Philtrum, Mikrozephalie, lange Lidspalten, prominente Nasenwurzel, Minderwuchs.
Vergesellschaftet mit
Mitralklappenfehler.
Am Skelett: Klinodaktylie des 5. Fingers, Klump- und Knickfuß, Hyperlordose, Skoliose, Trichterbrust.
An den Augen: Iriskolobom, Myopie, Hemeralopie, Nystagmus, Optikusatrophie, Retinitis pigmentosa, Retinoschisis, Retinakolobom.
Therapie
Keine ursächliche Therapie bekannt. Augenbehandlung, um Blindheit zu vermeiden, kieferorthopädische Behandlung, ggf. Hormonbehandlung bei Wachstumsstörungen.

Anästhesierelevanz

Trotz therapeutischer Bemühungen zunehmende Adipositas, Aspirationsrisiko. Schwieriger Atemweg aufgrund der Fehlbildungen des Gesichtsschädels, häufig unkooperativer Patient.
Spezielle präoperative Abklärung
Orientierende Untersuchungen zum Atemwegsmanagement, zur kardialen Belastbarkeit und hinsichtlich von Klappenfehlern.
Wichtiges Monitoring
Standardmonitoring, Relaxometrie. Postoperativ verlängerte Überwachungsphase mit Pulsoxymetrie.
Vorgehen
Wenn fiberoptische Intubation beim wachen Patienten nicht möglich ist, ggf. Narkoseeinleitung über Intubationslarynxmaske. Supraglottischen Atemweg bereithalten.
Bei der Prämedikation ist ein vorsichtiger Umgang mit Benzodiazepinen geboten, da die latente Gefahr einer Atemdepression besteht.
Die Wahl des Anästhetikums bzw. der Anästhesiemethode ist von der Kooperationsfähigkeit des Patienten abhängig. Es gibt keine Kontraindikationen für Ketamin; es sollte jedoch bei bekannter Krampfneigung nicht verwendet werden. Die Einleitung einer Allgemeinanästhesie sollte als sog. „rapid sequence induction“ erfolgen. Es sollte gut präoxygeniert werden, da die Intubation schwierig ausfallen kann. Die Wirkung von nichtdepolarisierenden Relaxanzien ist weniger gut voraussehbar als bei Normalpersonen; daher empfiehlt sich die Anwendung von Relaxometrie.
Weiterführende Literatur
Meng L, Quinlan JJ, Sullivan E (2004) The anesthetic management of a patient with Cohen syndrome. Anesth Analg 99:697–698CrossRefPubMed
Orbach-Zinger S, Kaufman E, Donchin Y, Perouansky M (2003) Between Scylla and Charybdis: a bleomycin-exposed patient with Cohen syndrome. Acta Anaesthesiol Scand 47:1047–1049CrossRefPubMed
Wang H, Falk MJ, Wensel C, Traboulsi EI (2016) Cohen Syndrome. In: Pagon RA, Adam MP, Ardinger HH et al (Hrsg) GeneReviews® [Internet]. University of Washington, Seattle, Seattle; 1993–2017. 2006 Aug 29 [updated 2016 Jul 21]