Auch wenn keine klaren pathophysiologischen Konzepte vorliegen, warum ein bestimmtes Medikament bei idiopathischer Infertilität wirken sollte, wurden und werden zahlreiche Pharmaka oft über längere Zeiträume, häufig in Kombination oder in Sequenz eingesetzt, die hier als „Empirische Therapie“ zusammengefasst werden. Hier erweist sich das Postulat der Evidence-Based Medicine nach randomisierten kontrollierten Studien als besonders angebracht und unter diesem Vorzeichen werden die Medikamente im Folgenden kritisch evaluiert.
Empirische Therapieverfahren wurden lange Zeit in der
Andrologie praktiziert, bis ihre fehlende Effektivität in randomisierten kontrollierten Studien überprüft wurden. Da immer wieder Versuchungen aufflackern, diese Therapieformen erneut einzusetzen, wurden die bisherigen Ergebnisse hier zusammengefasst, um den Leser von unnötigen Therapieversuchen abzuhalten. Dies bringt es mit sich, dass auch ältere Arbeiten aufgeführt werden. Allerdings hat sich die Anzahl und Art der empirischen Therapieansätze geändert, seit
ICSI die Rolle der Empirie teilweise übernommen hat (siehe Kap. „Aufgaben und Ziele der Andrologie“).
Gonadotropine: hCG/hMG/rFSH
FSH und LH sind entscheidende Regulatoren in der menschlichen Spermatogenese. Beim hypogonadotropen
Hypogonadismus ist die Verabreichung dieser Gonadotropine
(bzw. FSH und hCG) indiziert und die Wirkung auf die Spermatogenese wissenschaftlich bewiesen und entsprechend anerkannt. Doch wie ist die
Wirkung von FSH und/oder hCG bei Männern mit
eingeschränkter Spermatogenese und normalen FSH-Werten? In Deutschland ist die Applikation von FSH bei physiologischen FSH-Werten nicht zugelassen.
In einigen Einzelstudien konnte eine Verbesserung von Spermienparametern, dem DNA Fragmentationsindex (DFI) oder der Schwangerschaftsrate nach FSH Behandlung bei idiopathisch infertilen Männern gezeigt werden, in anderen älteren Studien konnte dies nicht bestätigt werden (Kamischke et al.
1998; Foresta et al.
2005; Paradisi et al.
2006). Die
Studienlage ist sehr heterogen und Vergleiche zwischen den Arbeiten sind diffizil, vor allem durch unterschiedliche: Selektionskriterien bei der Studienpopulation, Art der Gonadotropine (rekombinantes vs. urinäres FSH), Dauer der Therapie und Endpunkte (Schwangerschaft vs. Spermienparameter).
In einer Cochrane Analyse aus dem Jahr 2013 wurden 6 randomisierte, kontrollierte Studien analysiert, in denen die Wirkung von Gonadotropinen mit derer von Placebo oder fehlender Behandlung bei idiopathisch Infertilen verglichen wurde (Attia et al.
2013). Zunächst zeigte sich ein signifikanter Anstieg beim Auftreten spontaner Schwangerschaften (OR 4.94 (2.13–11.44); moderates Evidenzlevel) und Lebendgeburten (OR 9.31 (1.17–73.75); sehr schwaches Evidenzlevel). Die Autoren selbst schlussfolgerten jedoch, dass aufgrund der geringen Studienmenge, der geringen Teilnehmerzahl (n = 456) die Evidenz sehr gering ist und keine endgültigen Empfehlungen daraus abgeleitet werden könnten (Attia et al.
2013). In einer Meta-Analyse aus dem Jahr 2015, in der 15 Studien (randomisiert und nicht-randomisiert) auf die Auswirkung einer FSH- oder hMG- (humanes Menopausen-Gonadotropin) Behandlung hin analysiert wurden, kamen die Autoren auf eine ähnliche Aussage: die Schwangerschaftsrate der Partnerinnen war höher unter den idiopathisch infertilen Männern, die FSH erhalten hatten (Santi et al.
2015). Diese Beobachtung galt für spontane Schwangerschaften (OR 4.5 (2.17–9.33)) sowie für Schwangerschaften nach ART (OR 1.6 (1.08–2.37)). Die Ergebnisse waren unabhängig von der Art des FSHs und der Dauer der Behandlung. Die Berechnung der Effektgröße zeigte, dass 10 Paare therapiert werden müssten, um eine Schwangerschaft zu erreichen. Interessanterweise konnten in einer Sub-Analyse bezüglich der Spermienparameter lediglich in der Spermienkonzentration ein signifikanter Anstieg festgestellt werden, andere Parameter blieben unverändert. In der jüngsten Meta-Analyse, die insgesamt 5 Studien umfasst, in denen die Wirkung von FSH bei oligozoospermen Männern mit FSH-Serumlevel <12 IU/l untersucht wurde, zeigte sich ein dosis-abhängiger Effekt in Bezug auf die Spermienkonzentration, die Gesamtspermienzahl sowie die Motilität. Dieser Effekt war unabhängig von der Präparation des FSH (hpFSH vs. rFSH) (Cannarella et al.
2020).
Insgesamt sind das vielversprechende Ergebnisse, dennoch reichen die sensiblen Parameter wie FSH-Serumlevel und Spermiengesamtzahl nicht aus, um ein Ansprechen der FSH- Behandlung vorherzusagen.
Um die FSH-Therapie gezielt einsetzen zu können und an der richtig selektionierten Gruppe den positiven Einfluss darstellen zu können, sind prädiktive Marker nötig (Santi et al.
2015; Behre
2019; Schubert et al.
2019). Hier scheinen pharmakogenetische Ansätze am vielversprechendsten zu sein (Simoni und Casarini
2014; Busch et al.
2015; Schubert et al.
2019; Casarini et al.
2020; Simoni und Santi
2020; Simoni et al.
2020). Es gibt einige wenige Studien, die einen FSH-basierten pharmakogenetischen Ansatz bei idiopathisch infertilen Männern gewählt haben (Ferlin et al.
2011; Selice et al.
2011; Simoni et al.
2016; Casamonti et al.
2017). Die Patientenkohorten wurden bezüglich einer genetischen Variante (
Single Nucleotide Polymorphism –
SNP) im FSH Rezeptor oder im
FSHB Gen in Subgruppen unterteilt und entsprechend einer Gonadotropin-Therapie zugeführt. Doch auch hier können, aufgrund der divergenten Selektionskriterien, der Behandlungsdauer und der unterschiedlichen Endpunkte keine verlässlichen Aussagen oder Konsequenzen abgeleitet werden (Schubert et al.
2019). Zur Klärung der Frage der Wirksamkeit von FSH auf eine Subgruppe von idiopathisch infertilen Männern werden grundsätzlich prospektive, randomisierte und Placebo-kontrollierte Studien nötig sein.
Die European Academy of Andrology (EAA) empfiehlt in der Leitlinie zum Management der Oligoasthenozoospermie die FSH-Gabe als mögliche Therapieoption bei normogonadotropen Patienten mit idiopathischer Oligozoospermie oder OAT, jedoch wird der Grad der Evidenz als sehr gering angegeben (Colpi et al.
2018). In der Leitlinie der European Association of Urology (EAU) zur
männlichen Infertilität wird angegeben, dass Männern mit idiopathischer Infertilität keine klare Empfehlung zu einer Gonadotropin-Behandlung ausgesprochen werden kann (Jungwirth et al.
2017).
Angesichts der guten Erfolgsrate der
hCG/hMG-Therapie im Hinblick auf den Eintritt einer Schwangerschaft bei hypogonadotropem
Hypogonadismus wurde diese Behandlung auch bei Patienten mit normogonadotropen Fertilitätsstörungen seit Anfang der sechziger Jahre erprobt. Eine
Placebo-kontrollierte, prospektive, randomisierte Studie zeigte dann, dass bei Patienten mit normalen Serumkonzentrationen von LH, FSH und
Testosteron und Spermatozoenkonzentrationen unter 10 Mio./ml die Behandlung mit hCG/hMG gegenüber der Placebogruppe keine Verbesserung der Ejakulatparameter oder Erhöhung der Schwangerschaftsrate bewirkt (Knuth et al.
1987). Diese Studie hat darüber hinaus den Placeboeffekt hervorgehoben, da nämlich auch Verbesserungen der Ejakulatparameter in der doppelblind behandelten Placebogruppe zu beobachten waren. Demnach stellt die normogonadotrope idiopathische Infertilität
keine Indikation für eine hCG/hMG-Therapie dar.
Antioxidantien, Diäten und Nahrungsergänzungsmittel mit antioxidativer Wirkung: Vitamine, Folsäure, Zink, Carnitin u. a.
Wie in anderen Gebieten der Medizin werden auch in der
Andrologie pathologische Phänomene mit freien Sauerstoffradikalen in Verbindung gebracht.
Oxidativer Stress wird als Ursache von Fertilitätsstörungen diskutiert (Tremellen
2008) und
Antioxidantien wie z. B. einige
Vitamine werden zur Therapie eingesetzt. Während oxidativer Stress negativ auf Spermatogenese und Spermienreifung wirken kann, werden freie Sauerstoffradikale in physiologischer Konzentration auch für die normale Spermienfunktion benötigt (Aitken
1995). So konnte z. B. eine negative Korrelation zwischen der Fertilisierungsrate
in vitro und der Kapazität von Spermien zur Vernichtung freier Sauerstoffradikale gezeigt werden (Yeung et al.
1996).
Antioxidantien verhindern oder verzögern die Oxidation biologisch relevanter Moleküle, dies erfolgt durch das Abfangen freier Radikale oder durch Chelatbildung (Valko et al.
2006). Der oxidative Stress kann die Fertilität über zwei Mechanismen beeinflussen: erstens durch die
Beschädigung der Spermienmembran und zweitens durch
Apoptose und direkte
Veränderung der Spermien-DNA (Kodama et al.
1997; Lewis et al.
2013). Letztere kann durch eine Normozoospermie überlagert sein, Einschränkungen in der DNA-Fragmentierung (DFI) lassen sich durch diverse Tests nachweisen. Einige Autoren sehen die DFI-Bestimmung als elementaren Teil der Diagnostik an.
Einige
Vitamine und
Spurenelemente haben eine antioxidative Wirkung und sind, wie Substanzen mit direkter antioxidativer Wirkung, Teil von Nahrungsergänzungsmitteln
. Tab.
1 zeigt eine Auswahl dieser Substanzen, mit den entsprechenden, antioxidativen Eigenschaften und dem natürlichen Vorkommen. Für weiterführende Informationen sei auf den Cochrane Review verwiesen (Smits et al.
2019). Oft sind diese Substanzen Bestandteil des Therapiewunsches von idiopathisch infertilen Männern, denen aufgrund fehlender bekannter ätiologischer Faktoren eine kausale Therapie verschlossen bleibt.
Tab. 1
Übersicht über
Antioxidantien, Spurenelemente und andere Substanzen mit antioxidativer Wirkung
Antioxidantien | Arginin | Radikalfänger | Fleisch, Milchprodukte, Nüsse | |
| Co-Enzym Q10 | Ubiquinol (reduzierte Form) verhindert Protein- und DNA-Oxidation | Fleisch, Fisch, Nüsse | (Littarru und Tiano 2007) |
Spurenelemente | Folsäure (Vitamin B9) | In synthetischer Form Radikalfänger | Grünes Gemüse, Leber, Früchte | |
| Zink | Starke antioxidative Wirkung; beteiligt in Hodenentwicklung und phys. Spermienfunktion | Fleisch, Getreide, Samen | |
| Vitamin E (bioaktiv: Tocopherol A) | Antioxidativ wirksam bei durch Oxidation induzierten Membranschäden | Gemüse-Öl | (Traber und Atkinson 2007) |
| Vitamin C (Ascorbinsäure) | Vermindert DNA-Schäden als Radikalfänger | Obst, Gemüse | |
Substanzen mit antioxidativen Eigenschaften | Myo-Inositol | Erhöht endogene antioxidative Enzyme | Eigensynthese durch Vitamin B5 und Glucose möglich | |
| Resveratrol | Verbessert die antioxidativen Effekte | Weintrauben, Beeren, Wein | |
| Vitamin B Komplex (B1/2/12) | Beteiligt im Homocystein-Metabolismus, Homocystein hat prooxidative Eigenschaften | Fleisch, Bohnen, Kartoffeln, Bananen | (Hankey und Eikelboom 1999) |
| Vitamin D | Antioxidative Eigenschaft über Aktivierung Dismutase | Sonnen-induzierte Synthese | (Dorota Halicka et al. 2012) |
Betrachtet man die vielen positiven Eigenschaften der
Antioxidantien, so erscheint die Supplementierung der Ernährung mit diesen Substanzen logisch, um die Fertilität zu verbessern.
Von einer Vielzahl der meist unkontrollierten klinischen Studien mit diversen einzelnen
Antioxidantien und deren Kombinationen listet ein aktueller Cochrane Review 61 randomisierte klinische Studien mit
Arginin, L-Carnitin, Coenzyme Q10, N-acetyl Cystein, Karotenoiden, Mikronährstoffen (Calcium, Magnesium, Selen, Zink), Vitaminen (B6, B12, E und C) und Myo-Inositol auf, welche als Einzelsubstanzen oder in Kombination untersucht wurden (Smits et al.
2019). Die große Mehrzahl der Studien untersucht ausschließlich den Einfluss der Antioxidantien auf die Ejakulatparameter und/oder die DNA Fragmentation und nur wenige Studien untersuchen die klinische Schwangerschaftsrate (n = 12) oder Lebendgeburtsrate (n = 7). Insgesamt zeigen die Antioxidantien in der Cochrane Analyse eine potentielle Verbesserung der DNA Fragmentation, Spermienkonzentration und Spermienmotilität in der Gesamtanalyse, wobei die deutliche Heterogenität der Studien und die hohe Wahrscheinlichkeit für einen Bias nur eine niedrige bis sehr niedrige Evidenz für diese Aussage zulassen (Smits et al.
2019).
Des Weiteren zeigen die randomisierten Studien in der Cochrane Analyse zusammengefasst eine verbesserte klinische Schwangerschaftsrate und Lebendgeburtsrate der
Antioxidantien versus Placebo oder keiner Behandlung, welche für die Lebendgeburtsrate nicht mehr nachweisbar ist, wenn die Studien mit einem hohen Risiko für einen Bias entfernt wurden. Wegen der Vielzahl der methodischen Probleme der involvierten Studien und der insgesamt niedrigen Evidenz halten die Autoren insgesamt aber das Ergebnis ihrer Analyse für unzureichend, um eine Empfehlung für Einzelsubstanzen oder Kombinationen von Antioxidantien auszusprechen und verweisen auf die dringende Notwendigkeit weiterer großer randomisierter Studien (Smits et al.
2019).
Von den geforderten großen randomisierten Studien sind 2020 inzwischen eine große mit 174 Patienten (Steiner et al.
2020) bzw. eine sehr große mit 2370 Patienten (Schisterman et al.
2020) erschienen. Diese Multicenter-Studien wurden entweder mit einer Kombination aus 5 mg
Folsäure/30 mg
Zink oder einem komplexeren Kombinationspräparat aus 500 mg
Vitamin C, 400 mg
Vitamin E, 0,20 mg Selenium, 1000 mg L-Carnitin, 20 mg Zink, 1000 μg Folsäure und 10 mg Lycopen durchgeführt. Insgesamt umfassen diese beiden Studien damit allein mehr als dreimal so viel Patienten für die Analyse der Lebendgeburtsrate wie in der Cochrane Analyse insgesamt berichtet werden. In keiner dieser beiden großen Studien zeigte sich ein Vorteil der Behandlung mit
Antioxidantien gegenüber Placebo hinsichtlich der Spermienkonzentration, -motilität und -morphologie oder der DNA-Fragmentation. Weder die klinischen
Schwangerschaftsraten (Steiner et al.
2020) noch die
Lebendgeburtsraten (Schisterman et al.
2020) wiesen
Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen auf.
Insbesondere unter Berücksichtigung der aktuellen Studienergebnisse sollte dem weit verbreiteten Einsatz von Antioxidantien in der klinischen Routine daher klar widersprochen werden, solange nicht anderweitige große Multicenter-Studien etwas anderes belegen.
Diese Beobachtungen lassen aktuell noch keine Rückschlüsse auf Empfehlungen im klinischen Alltag zu, da Beobachtungsstudien Assoziationen widerspiegeln, aber keinen kausalen Zusammenhang. Auch hier sind große prospektive Studien nötig, die diese Ergebnisse bestätigen können.
Pentoxyphyllin/Theophyllin
Pentoxyphyllin
wird als Methylxanthin bei peripheren Durchblutungsstörungen (z. B. Claudicatio intermittens) verwandt und ist zudem wie auch
Theophyllin ein Inhibitor der Phosphodiesterase. Bei idiopathischer Infertilität wurde Pentoxyphyllin unter der Vorstellung einer Durchblutungsförderung der Testes gelegentlich eingesetzt (Heite
1979), ohne dass überzeugende Beweise für die Wirksamkeit geliefert wurden (Wang et al.
1983; Shen et al.
1991). Nur wenige randomisierte Studien konnten eine Verbesserung der Ejakulatparameter im Vergleich zu Placebo zeigen, Schwangerschaftsraten oder Lebendgeburten wurden nicht erfasst (Safarinejad
2011).
Bei der
in vitro Anwendung im Rahmen der IVF-Behandlung konnten weder Pentoxyphyllin noch
Theophyllin eine Erhöhung der Fertilisierungsrate bei Asthenozoospermie, IVF-Versagern und Spermienantikörpern eindeutig nachweisen (Übersicht bei Tournaye et al.
1995).
Bei der
in vitro Anwendung im Rahmen einer ICSI-Behandlung mit Verwendung immotiler oder nahezu immotiler ejakulierter Spermien oder bei der Verwendung von minimal motilen epididymalen oder testikulären Spermien zeigt sich mit beiden Substanzen eine Verbesserung der Spermienmotilität sowie der Fertilitäts- und Schwangerschaftsraten (Übersicht bei Oseguera-López et al.
2019) auch im Vergleich zur Selektion motiler Spermien mittels HOS-Test (Mangoli et al.
2011).
Antibiotika und entzündungshemmende Medikamente
Vor der weiten Verbreitung der
Antibiotika waren Verschlüsse der ableitenden Samenwege infolge von Geschlechtskrankheiten oder klinischen Infektionen der Samenwege die häufigste Ursache für männliche Fertilitätseinschränkungen und sind es in Teilen von Subsahara-Afrika auch heute noch immer (Nieschlag
1993). Der
Goldstandard zur Therapie der klinisch manifesten Infektionen der ableitenden Samenwege besteht in einer antibiotischen Behandlung in Abhängigkeit vom Ergebnis des
Resistogramms. Sollte (noch) kein Resistogramm vorliegen, empfehlen die aktuellen Richtlinien der urologischen Fachgesellschaften in der First Line Behandlung
Fluoroquinolone (z. B. Ciprofloxacin, Levofloxacin),
Makrolide (z. B. Azithromycin) oder
Tetrazykline (z. B. Doxycyclin 100 mg 1-0-1) für zehn bis 14 Tage (Bonkat et al.
2019).
So unstrittig die antibiotische Therapie der symptomatischen, klinisch manifesten Infektionen der ableitenden Samenwege ist, so unklar ist die antibiotische Therapie der alleinigen
Leukozoospermie und/oder des
nicht signifikanten Keimnachweises bei asymptomatischen subklinischen Verlaufsformen. Bei einer asymptomatischen Leukozoospermie empfehlen die aktuellen Richtlinien der europäischen urologischen Fachgesellschaften die Anlage einer
Ejakulatkultur (Jungwirth et al.
2017). In dem Versuch einer
Validierung dieser Guideline bei asymptomatischen infertilen Patienten zeigten sich aber bei Patienten mit und ohne Leukozoospermie keine Unterschiede im Anteil der Patienten mit signifikanten Keimnachweis und 80 % der positiven Keimnachweise waren bei Patienten ohne Leukozoospermie (Ventimiglia et al.
2020).
Einige der wenigen randomisierten Studien bei infertilen Männern mit asymptomatischer Leukozoospermie oder nicht signifikantem Keimnachweis zeigen einen Verbesserung der Leukozoospermie und Ejakulatparameter durch Antibiotikagabe, während andere keine Effekte zeigen können, da auch in der Placebo- oder nicht behandelten Gruppe Verbesserungen nachweisbar waren (Comhaire et al.
1986; Yanushpolsky et al.
1995; Krisp et al.
2003). Aufgrund der fraglichen Wirksamkeit der
Antibiotika bei asymptomatischen Patienten mit Leukozoospermie oder nicht signifikantem Keimnachweis kann eine
antibiotische Behandlung dieser Patienten auch im Hinblick auf die potentiellen Nebenwirkungen und eine Resistenzentwicklung daher
nicht empfohlen werden (Samplaski und Nangia
2015).
Eines der Hauptcharakteristika der infertilen Männer mit asymptomatischer Leukozoospermie oder nicht signifikantem Keimnachweis ist eine
subtotale Verschlusssymptomatik der ableitenden Samenwege mit teils stark schwankenden Ejakulatparametern, welche nicht durch die Karenzzeit oder die sonst übliche
Varianz der Ejakulatparameter zu erklären ist. Zur Verbesserung der Durchgängigkeit der ableitenden Samenwege sind daher
Glukokortikoide oder
nichtsteroidale Antiphlogistika in wenigen kleinen Studien eingesetzt worden. Diese überwiegend unkontrollierten Studien lassen einen gewissen positiven Aspekt der Substanzen plausibel erscheinen. Die Qualität und Zahl der Studien reichen aber für eine zuverlässige Beurteilung nicht aus (Übersicht bei Haidl et al.
2019). Im Vergleich zu der Behandlung mit
Antibiotika lassen das deutlich geringere Nebenwirkungspotential, der schnelle Wirkungseintritt und die günstigen Kosten der Behandlung eine weitere Evaluierung insbesondere der nichtsteroidalen Antiphlogistika in weiteren Studien bei infertilen Männern mit asymptomatischer Leukozoospermie oder nicht signifikantem Keimnachweis wünschenswert erscheinen.
Kräuter aus der Naturheilkunde
Die Literatur und Evidenz zum Einsatz von Kräutern
in der Behandlung der
männlichen Infertilität ist sehr spärlich. Übersichtsartikel sind meist narrativ und wenig objektiv oder unwissenschaftlich aufgebaut. Wissenschaftliche Studien/Primär-Artikel sind zumeist an einer sehr geringen Kohortengröße durchgeführt, mit oft fragwürdiger, statistischer Signifikanz. Artikel, die den Einsatz von Kräutern, oft im Rahmen eines Ayurvedischen Ansatzes unterstützen, sehen die Vorteile dieser Behandlung unter anderem in der besseren Zugänglichkeit dieser Präparate für die Patienten, in den geringeren Kosten und in der, dem Konzept zugrunde liegenden, besseren ganzheitlichen Behandlung. Insgesamt werden durch diese Therapieansätze eine stimulierende Wirkung in Bezug auf Libido, Vitalität und verbesserte Ejakulation gesehen, sowie eine bessere Versorgung der (sexuellen) Gewebe. In einem jüngeren Review wird folgenden Kräutern die Erhöhung der Spermienzahl nachgesagt:
Polygonatum verticillatum, Mucuna pruriens, Sesamum indicum (Dutta und Sengupta
2018).
Studien oder statistische Auswertungen werden dabei nicht aufgeführt.
Zum aktuellen Zeitpunkt kann eine Behandlung mit Kräutern aus der Naturheilkunde zur Verbesserung der Spermienqualität aufgrund mangelnder Evidenz nicht empfohlen werden.
Historische Irrwege: Mesterolon, pulsatiles GnRH, Kallikrein u. a.
Da die Spermatogenese ohne
Testosteron nicht normal ablaufen kann, wurde immer wieder eine Therapie der idiopathischen Infertilität mit
Androgenen versucht, obwohl sie rational nicht begründbar ist, da ein klinisch relevanter Androgenmangel bei diesem Krankheitsbild nicht nachgewiesen werden konnte. Dennoch werden immer wieder
Testosteronester bei Infertilität eingesetzt, obwohl sie bei bestehendem Kinderwusch
kontraindiziert sind (Kap. „Therapie mit Testosteron“).
Da
Mesterelon die Gonadotropine kaum unterdrückt und damit nicht supprimierend auf die Spermatogenese wirken soll, wurde dieses Androgen häufig eingesetzt. Nach jahrelanger Anwendung von Mesterolon in der Praxis hat schließlich die WHO eine große multizentrische, randomisierte, kontrollierte doppelblinde Studie mit 246 Paaren durchgeführt, und es zeigte sich gegenüber der Einnahme eines Placebos keine statistisch signifikante Erhöhung der Schwangerschaftsrate (World Health Organization (WHO)
1989). Weitere Veröffentlichungen folgten, so dass immerhin 9 randomisierte, placebo-kontrollierte doppelblinde Studien in einer Meta-Analyse ausgewertet werden konnten. Im Hinblick auf Schwangerschaftsraten ergab sich bei 1025 Paaren eine kombinierte
Odds-Ratio von nur 1,02. Anders ausgedrückt müssten 359 Patienten behandelt werden, damit sich eine zusätzliche Schwangerschaft einstellen würde (Kamischke und Nieschlag
1999).
Damit ist die
Verabreichung von Androgenen bei männlicher Infertilität nicht gerechtfertigt und sogar kontraindiziert. Die Tatsache, dass seit 1995 trotz des nahezu exponentiellen Anstiegs Placebo-kontrollierter Studien in der
Andrologie keine erneuten Studien mit
Androgenen durchgeführt wurden, unterstreicht diese Aussage.
In vorläufigen Untersuchungen wurde die Hypothese aufgestellt, dass Oligoasthenoteratozoospermie mit erhöhten FSH-Werten durch eine
zu niedrige GnRH-Pulsfrequenz bedingt sein könnte und der Begriff
„slow pulsing oligospermia“ wurde geprägt (Wagner und Warsch
1984). In einer weiteren Studie wurde eine niedrigere LH- bei normaler FSH-Pulsatilität bei Männern mit Oligozoospermie im Vergleich zu normalen Kontrollen berichtet (Reyes-Fuentes et al.
1996). In einer unkontrollierten Studie konnte dann gezeigt werden, dass durch eine derartige Therapie tatsächlich die FSH-Werte in den Normbereich gebracht werden konnten, dass sich aber eine Verbesserung der Spermienparameter oder der Schwangerschaftsrate nicht nachweisen ließ (Bals-Pratsch et al.
1989). Die Hypothese, dass die erhöhten FSH-Werte Ursache und nicht Folge der Spermatogenesestörung seien, ließ sich nicht bestätigen. Wegen eines fehlenden pathophysiologischen Konzepts und fehlenden Therapieerfolgen erschien eine kontrollierte Studie mit diesem Therapieersatz nicht erforderlich.
Für den Einsatz von
Kallikrein besteht kein klares therapeutisches Konzept. Dennoch wurde seit den 1980er-Jahren Kallikrein in der Behandlung der idiopathischen Fertilitätsstörung, insbesondere zur Verbesserung der Spermatozoenmotilität eingesetzt. In einer kontrollierten, randomisierten, doppelblinden Studie mit 91 Paaren wurde nachgewiesen, dass die Kallikreinbehandlung zu keiner signifikanten Verbesserung der Seminalparameter und der Schwangerschaftsrate führte (Keck et al.
1994). Ähnliche negative Ergebnisse wurden aus Japan berichtet (Yamamoto et al.
1996). Auch eine in Israel mit 114 Patienten durchgeführte prospektive, Placebo-kontrollierte, randomisierte Studie konnte keine Verbesserung der Seminalparameter feststellen (Glezerman et al.
1993). Die Studien lassen den Schluss zu, dass Kallikrein in der bisher gewählten Dosierung und Darreichungsform zu keiner Verbesserung der Fertilitätschancen des Patienten mit idiopathischer Infertilität führt (Vandekerckhove et al.
1996b).
Eine Reihe weiterer Substanzen wurde zur Behandlung der idiopathischen
männlichen Infertilität eingesetzt. So wurde
Bromocriptin, das erfolgreich bei der
Hyperprolaktinämie angewandt wird, bei Infertilität erprobt, ohne dass positive Effekte berichtet wurden (Vandekerckhove et al.
1996a). Ohne klares Konzept und ohne vorliegende überzeugende Daten gehören zu den empirisch eingesetzten Substanzen auch
Wachstumshormon und
Oxytocin, Interferon-α, Mastzellblocker und Antihistaminika (Ketotifen),
Angiotensin-Converting-Enzyme (ACE)-Hemmer (Captopril) und
Zinksalze.
Überhitzung der Genitalorgane wird als ein die Fertilität mindernder Faktor betrachtet;
Kühlung der Skrotalorgane wurde verschiedentlich als Therapie erprobt. Ein überzeugender Ansatz zur Erhöhung der Schwangerschaftsraten wurde bisher aber nicht entwickelt (Jung und Schuppe
2007).
Auch
Akupunktur wurde zur Behandlung der
männlichen Infertilität erwogen. Positive Effekte auf Schwangerschaftsraten wurden bisher jedoch nicht berichtet (Ng et al.
2008).