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Hämorrhagische Diathesen und Hyperkoagulabilität

Verfasst von: Wolfgang Ch. Marsch
Das Hämostasesystem trägt bei einer Verletzung zur Aufrechterhaltung der Gefäßwandintegrität bei. Unter physiologischen Bedingungen befinden sich Hämostase fördernde und hemmende Vorgänge im Gleichgewicht. Wird das Hämostasesystem zur falschen Zeit und am falschen Ort aktiviert, kann eine Thrombose resultieren. Defekte des Blutstillungsmechanismus führen demgegenüber zu Hämorrhagien. Die Diathesen zur Hämorrhagie und zur Hyperkoagulabilität sind häufig pathogenetisch miteinander verknüpft und bieten auch klinische Gemeinsamkeiten, wie Gewebeeinblutungen und ischämisch bedingte Nekrosen mit Hautulzera sowie das Leitsymptom Livedo, sodass labormedizinisch in beiden Richtungen untersucht werden muss. Dermatologen sind nicht selten frühe „Weichensteller“ für eine korrekte Diagnose und rasche, effektive Therapie. Außer einer überschaubaren Gruppe richtungsweisender diagnostischer Laborparameter ist die Hauthistologie besonders wichtig.
Zusammenfassung
Das Hämostasesystem trägt bei einer Verletzung zur Aufrechterhaltung der Gefäßwandintegrität bei. Unter physiologischen Bedingungen befinden sich Hämostase fördernde und hemmende Vorgänge im Gleichgewicht. Wird das Hämostasesystem zur falschen Zeit und am falschen Ort aktiviert, kann eine Thrombose resultieren. Defekte des Blutstillungsmechanismus führen demgegenüber zu Hämorrhagien. Die Diathesen zur Hämorrhagie und zur Hyperkoagulabilität sind häufig pathogenetisch miteinander verknüpft und bieten auch klinische Gemeinsamkeiten, wie Gewebeeinblutungen und ischämisch bedingte Nekrosen mit Hautulzera sowie das Leitsymptom Livedo, sodass labormedizinisch in beiden Richtungen untersucht werden muss. Dermatologen sind nicht selten frühe „Weichensteller“ für eine korrekte Diagnose und rasche, effektive Therapie. Außer einer überschaubaren Gruppe richtungsweisender diagnostischer Laborparameter ist die Hauthistologie besonders wichtig.

Einführung

Das Hämostasesystem, bestehend aus Endothelzellen, Megakaryozyten, Blutplättchen, Gerinnungsfaktoren, Fibrinolysekomponenten und deren Inhibitoren, trägt bei einer Verletzung zur Aufrechterhaltung der Gefäßwandintegrität bei. Unter physiologischen Bedingungen befinden sich Hämostase fördernde und hemmende Vorgänge im Gleichgewicht. Wird das Hämostasesystem zur falschen Zeit und am falschen Ort aktiviert, kann eine Thrombose resultieren. Defekte des Blutstillungsmechanismus führen demgegenüber zu Hämorrhagien.
Die Diathesen zur Hämorrhagie und zur Hyperkoagulabilität sind häufig pathogenetisch miteinander verknüpft und bieten auch klinische Gemeinsamkeiten, wie Gewebeeinblutungen und Hautulzera, sodass labormedizinisch in beiden Richtungen untersucht werden muss. Die erhöhte Durchlässigkeit von Gefäßwänden oder deren strukturelle Zerstörung und die Perfusionsbehinderung durch Thromben bedingen letztlich gemeinsame Kardinalsymptome wie Gewebeeinblutungen (Petechien, Sugillationen, Ekchymosen) und ischämisch bedingte Nekrosen mit Hautulzera, durch Okklusionen oder durch Strömungsverlangsamung das Leitsymptom der Livedo.
Thrombozytäre Störungen
Hierbei werden quantitative und qualitative Abweichungen der Thrombozyten unterschieden. Eine Blutung kann zum einen aus einer erniedrigten Thrombozytenzahl (Thrombozytopenie), zum anderen aus einer defizitären Plättchenfunktion (Thrombozytopathie) resultieren.
Gerinnungsstörungen
Es werden quantitative und qualitative Abweichungen der Gerinnungsproteine (Faktorenmangel), der Fibrinolysekomponenten sowie der Inhibitoren des Gerinnungs- und Fibrinolysesystems unterschieden. Ein Mangel an Gerinnungsfaktoren kann ebenso wie ein Überschuss an Fibrinolyse aktivierenden Substanzen die Ursache von Blutungen darstellen. Eine Hyperkoagulabilität kann genetisch determiniert und subklinisch prävalent sein. Sie kann durch unterschiedliche Anlässe zu einer klinisch sichtbaren Manifestation führen. Gleichwohl können Hämostasestörungen auch spezifisch durch eine erworbene quantitative oder funktionelle Minderung von Gerinnungsfaktoren bedingt sein. Auch Kälteproteine (Kryoglobuline, Kryoagglutinine, Kryofibrinogene) können Ursache einer Hautblutung mit konsekutiven Nekrosen sein, besonders akral (Kap. „Physikalisch und chemisch bedingte Hauterkrankungen“ und Kap. „Hautveränderungen durch Gammopathien“).
Vaskuläre Störungen
Hier beruht die hämorrhagische Diathese auf einer Erkrankung der Gefäßwand mit Erhöhung der Permeabilität, ohne dass Abweichungen des thrombozytären oder plasmatischen Hämostasesystems vorliegen. Störungen des Hämostasesystems können auf Veränderungen von Thrombozyten, Gerinnungs- und Fibrinolysefaktoren oder der Gefäßwandfunktion allein beruhen. Häufiger ist jedoch eine Kombination dieser Einzelstörungen.
Diagnostisches Vorgehen
Anamnese
Gezielt zu erfragen sind Blutungsneigung oder Thrombosehäufung bei anderen Familienmitgliedern, Verlauf der Blutung: Spontan oder nach Verletzung, Häufigkeit, Dauer und Schweregrad der Blutung; klinisches Ausmaß der Thrombosen, Embolien, Arzneimitteleinnahme, insbesondere von acetylsalicylsäurehaltigen Substanzen, Antikoagulanzien, Immunsuppressiva, Zytostatika, Transfusionen, Impfungen; Grunderkrankungen wie Infektionen, Leukämie, Niereninsuffizienz, Lebererkrankungen, maligne Erkrankungen.
Klinik
Neben der Anamnese ergibt in der Regel das klinisch-morphologische Bild weitere Rückschlüsse auf die Natur des zugrunde liegenden Hämostasedefekts. Insbesondere ist auf Typ und Verteilungsmuster der Hautblutung zu achten: Punktförmig bis millimetergroß, flächenhaft umschrieben oder disseminiert an verschiedenen Körperpartien gleichzeitig auftretende Hämatome.
Petechialer oder thrombozytopenischer Blutungstyp
Er weist auf einen thrombozytären oder vaskulären Hämostasedefekt hin und ist gekennzeichnet durch Petechien: spontan auftretende, einzeln stehende, kleinste, punktförmige (flohstichartige) bis mehrere Millimeter große, auch konfluierende Hämorrhagien an Haut und Schleimhäuten. Prädilektionsstellen sind Hautbezirke mit erhöhtem hydrostatischem Druck, Druckstellen durch Kleidung oder Schuhwerk und Bereiche erhöhter mechanischer Belastung, wie Knöchel, Schienbein, Beckenkamm. Die 1–5 mm großen Blutaustritte lassen sich durch Glasspateldruck (Diaskopie) nicht ausdrücken. Als Purpura im engeren Sinn wird ein Exanthem aus Petechien bezeichnet. Dabei fehlen Effloreszenzen ödematöser oder entzündlicher Art. Dies erlaubt bereits klinisch eine Unterscheidung gegenüber entzündlich-vaskulitischen Purpuraformen. Je nach Art und Ausmaß der Thrombozytenstörung werden kleine bis größere Einblutungen in die Haut beobachtet, beispielsweise Zentimeter-große Sugillationen . Häufig treten Schleimhautblutungen im Nasen-, Mund- und Rachenraum, Konjunktival- und Zahnfleischblutungen, retinale und intestinale Blutungen sowie Hämaturie hinzu. Bei Frauen lassen sich außerdem Menorrhagien und Metrorrhagien feststellen. Kopfschmerzen und Bewusstseinstrübungen bis hin zum Koma können Ausdruck meningealer oder intrazerebraler thrombozytär bedingter Hämorrhagien sein. Selbst bei hochgradigen Thrombozytopenien oder schwer wiegenden Funktionsstörungen der Blutplättchen werden selten großflächige Hautblutungen beobachtet.
Hämophilie-Blutungstyp
Ekchymosen oder Suffusion stellen flächenhafte Hautblutungen dar und sind eher Ausdruck einer Koagulopathie. Sie können sich an verschiedenen Körperpartien zeigen, sind in der Regel scharf begrenzt und asymmetrisch verteilt. Spontan auftretende Blutungen bei Hämophilie-Patienten betreffen die großen Gelenke, Subkutis und Muskulatur.
Vaskulärer Blutungstyp
Es werden sowohl punktförmige als auch flächenhafte Blutungen an Haut und Schleimhäuten beobachtet.
Gemischter Blutungstyp
Hier findet man petechiale Blutungen und großflächige Hämatome, jedoch mit unscharfen Rändern. Sie sind typisch für komplexe Hämostasestörungen wie die disseminierte intravasale Gerinnung (DIC). Der flächenhafte Blutungstyp eines plasmatischen Hämostasedefekts wird hier bei zunehmender Thrombozytopenie durch den petechialen Blutungstyp überlagert.
Labor
Für die exakte Diagnose eines bestimmten Blutungsübels und einer Hyperkoagulabilität sind hämostaseologische Laboruntersuchungen unerlässlich. Im Sinne einer rationellen Stufendiagnostik sollten zunächst einige wenige Suchtests durchgeführt werden, um folgende Fragen zu klären (Tab. 1):
  • Liegt überhaupt eine Hämostasestörung vor?
  • Welche Komponente des Hämostasesystems ist betroffen?
  • In welche Richtung sollte weiter untersucht werden?
Tab. 1
Hämostaseologische Stufendiagnostik
Komponente des Hämostasesystems
Suchtests
Plättchenzählung
Plättchenvolumenbestimmung
Plättchenmorphologie (gefärbter Blutausstrich)
Gerinnung
Aktivierte partielle Thromboplastinzeit (APTT)
Prothrombinzeit (Quick)
APC-Resistenz
Prothrombin-Genmutation
Antithrombin III
Antiphospholipid-Antikörper
Fibrinolyse
Reptilasezeit
Fibrin(ogen)spaltprodukte
Plasminogen-Aktivator-Inhibitor (PAI)-Genpolymorphismus
Lipoprotein a
Gefäßlumen und -wand
Rumpel-Leede-Test
Histologie
Dieses Vorgehen trägt dazu bei, weiter reichende Analyseverfahren, wie Bestimmung von einzelnen Gerinnungsfaktoren, Inhibitoren oder Plättchenfunktionen und Spezialuntersuchungen, erst dann einzusetzen, wenn sich aus der klinischen Symptomatik und der Befundkonstellation der Suchtests hierzu eine Indikation stellt. Im Einzelfall wird es ratsam sein, einen Hämostaseologen hinzuzuziehen.
Auch eine Hautbiopsie kann wichtig, gar unverzichtbar sein. Dabei sind die Beurteilung von Lumina (Thromben, Emboli zellulärer oder kristalloider Natur, Einengung durch Intimaproliferation) und Wänden (Kalzifikationen, Amyloidablagerungen) von dermalen oder subkutanen Blutgefäßen, auch der Struktur des intervaskulären dermalen Bindegewebes (Kollagenfaserrarefizierung) und die Erfassung entzündlicher zellulärer dermaler Infiltrate (entzündliche Purpura) für die klinische Diagnose von zentralem Interesse.
Zur Erfassung von Immunkomplexvaskulitiden sind diese auch für die direkte Immunfluoreszenz (DIF) nutzbar. Das gewonnene Gewebsmaterial kann auch zum Nachweis infektiöser Erreger genutzt werden (PCR). Allerdings ist die Hautbiopsie obsolet bei Verdacht auf thrombozyopenische Purpura (klinisch: Mundschleimhautblutungen, stark verminderte Plättchenzahl im Blut).
Ein dermatologisches Konsilbegehren in internistischen Kliniken und Ambulanzen mit eingeschränkter Breite der Teilgebiete, also ohne Hämatologie, dürfte zukünftig noch häufiger werden und den Dermatologen früh in die Differenzialdiagnostik offenkundig gravierender Systemerkrankungen einbeziehen. Hautbiopsien sollten früh erwogen werden, da diese mit beachtlich hoher Sensitivität richtungsweisende Details für eine korrekte Diagnose liefern und mikrobielle Antigennachweise per PCR ermöglichen.

Thrombozytär bedingte Hämostasestörungen

Sie sind Symptom einer hochgradig verminderten Thrombozytenzahl (Thrombozytopenie) oder einer Plättchenfunktionsstörung (Thrombozytopathie). In Kombination werden sie bei akuten Leukämien und myeloproliferativen Erkrankungen beobachtet. Insbesondere bei Letzteren ist die autonome Thrombozytopoese häufig mit Plättchenfunktionsstörungen assoziiert. Diese können mit Blutungen oder thrombembolischen Komplikationen einhergehen. In ihrer Häufigkeit und dermatologischen Relevanz dominieren die quantitativen Thrombozytenstörungen (Tab. 2). Ätiopathogenetisch können Thrombozytopenien oder Thrombozytopathien primär Ausdruck einer Erkrankung des Knochenmarks sein, symptomatisch bei einer Vielzahl anderer Erkrankungen oder arzneimittelinduziert auftreten.
Tab. 2
Einteilung quantitativer Thrombozytenstörungen
Thrombozytopenie/-zytose
Ätiopathogenese
Erkrankung
Thrombozytopenien
Thrombozytopenien durch Bildungsstörungen
Hereditäre Bildungsstörungen
Infolge reduzierter Megakaryozytopoese (amegakaryozytäre Thrombozytopenien)
 
Infolge ineffektiver Megakaryozytopoese (megakaryozytäre Thrombozytopenien)
 
Erworbene Bildungsstörungen
Reduzierte Megakaryozytopoese
Bildungsstörungen
Megakaryozytäre Aplasie
Knochenmarkinfiltration (Karzinome, Leukämien, maligne Lymphome)
Knochenmarkverdrängung (Osteomyelofibrose; Lipidspeicherkrankheit)
Ionisierende Strahlen, myelosuppressive Medikamente
Substanzen, die hemmend auf die Plättchenbildung einwirken
 
Virusinfektionen mit ineffektiver Megakaryozytopoese
Nutritive Mangelzustände (Vitamin B 12, Folsäure), Alkohol
Aufgrund unbekannter Pathogenese
Zyklische Thrombozytopenien
Thrombozytopenien durch Umsatzstörungen
Hereditäre Formen
Nichtimmunologisch:
Infektionskrankheiten
DIC
TTP, RUS, HELLP
Künstliche Herzklappen
Erworbene Formen
Immunologisch:
ITP
Medikamente
Thrombozytopenien durch Verteilungsstörung
 
Hypersplenie
Hyperthermie
 
Thrombozytopenien durch Kombination von Bildungs-, Umsatz- und Verteilungsstörung
   
Thrombozytopenien durch Verlust oder Dilution
Blutung
Herz-Lungen-Maschine
  
Thrombozytosen
Primäre Thrombozytosen
Essenzielle Thrombozythämie
Andere myeloproliferative Erkrankungen
Sekundäre (reaktive) Thrombozytosen
Chronische Entzündungen
Maligne Erkrankungen
Nach operativen Eingriffen, insbesondere nach Splenektomie
Eisenmangel
Nach akuter Blutung
Körperliche Anstrengungen
Medikamente
 

Thrombozytopenien

Definition
Es handelt sich um eine Verminderung der peripheren Thrombozytenkonzentration auf Werte <150.000/μl.
Ätiopathogenese
Thrombozytopenien können hereditär bedingt oder erworben sein. Sie resultieren aus Störungen der Plättchenbildung im Knochenmark, des peripheren Plättchenumsatzes, der Plättchenverteilung bei Hypersplenie oder aus einem Verdünnungseffekt nach Massivtransfusion von Erythrozytenkonzentraten oder gelagerten Vollblutkonserven.
Klinik
Der Blutungstyp ist bei allen Thrombozytopenien nahezu identisch. Kardinalsymptom sind Petechien in Hautbezirken mit erhöhtem hydrostatischem Druck oder vermehrter mechanischer Belastung, in der Regel symmetrisch an den Streckseiten der Extremitäten. Mit Spontanblutungen ist nicht zu rechnen, solange die Thrombozytenzahl >30.000/μl liegt, keine Erniedrigung der Gerinnungsfaktoren besteht und die Gefäßpermeabilität nicht gestört ist. Nach Bagatellverletzungen können flächenhafte Hautblutungen als Ekchymosen hinzutreten. Gezielt ist nach Konjunktival- oder Schleimhautblutungen (Epistaxis, Zahnfleischbluten) und nach Blutungen aus dem Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt zu fahnden.
Cave: Retinale Blutungen weisen auf eine besondere Gefährdung des Patienten hin und können Warnsymptom für weitere petechiale Organblutungen (myokardiale, meningeale oder intrazerebrale Hämorrhagien) sein.
Diagnostisches Vorgehen
Die Thrombozytenkonzentration ist bei der Plättchenzählung und im peripheren Blutausstrich vermindert. Eine disproportionale Verlängerung der Blutungszeit kann auf eine gleichzeitige Plättchenfunktionsstörung hinweisen. Gruppentests des plasmatischen Hämostasesystems ergeben einen Normalbefund.
Für den dermatologischen Alltag ist die Kenntnis der Immunthrombozytopenien im weitesten Sinn, also unter Einschluss der HIV-assoziierten und heparininduzierten Thrombozytopenien, unerlässlich. Eine Übersicht über die Thrombozytopenien findet sich in Tab. 2.

Immunthrombozytopenie

(Werlhof 1735)
Synonyme
Morbus haemorrhagicus maculosus (Behrens 1735), Morbus Werlhof, essenzielle Thrombozytopenie, immunthrombozytopenische Purpura (idiopathische thrombozytopenische Purpura)
Diese erworbene Thrombozytopenie wird in primäre (keine Auslöser erkennbar), sekundäre (diverse Ursachen) und andere immunologisch vermittelte (zum Beispiel heparininduzierte) Immunthrombozytopenie (ITP) eingeteilt. Der klinische Verlauf wird in drei Krankheitsstadien und Therapiestadien unterschieden: Neu diagnostiziert, persistierend (3–12 Monate nach Diagnosestellung) und chronisch.
Epidemiologie
Die ITP ist nach der autoimmunen hämolytischen Anämie die zweithäufigste autoimmune Zytopenie. Im Erwachsenenalter beträgt die Inzidenz 2–4/100.000. Eine akute postinfektiöse Thrombozytopenie tritt vorwiegend im Kindesalter auf, in über 80 % der Fälle im Anschluss an einen Virusinfekt. Ihr Altersgipfel liegt zwischen dem 1. und 6. Lebensjahr; beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen. Das gehäufte Auftreten während der Wintermonate könnte auf einen Zusammenhang mit Virusinfektionen hinweisen. Bei Erwachsenen findet sich anamnestisch nur selten ein vorausgegangener Infekt.
Die chronische Form, definitionsgemäß länger als 12 Monate dauernd, hat einen Häufigkeitsgipfel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr; Frauen sind etwa 3- bis 4-mal häufiger betroffen als Männer.
Ätiopathogenese
Für die akute Form im Kindesalter wird ein kausaler Zusammenhang zwischen dem im Abklingen befindlichen Virusinfekt und dem schlagartigen Auftreten der Thrombozytopenie angenommen. Vermutet wird, dass transitorisch vorhandene, kreuzreagierende plättchenwirksame Antikörper, die primär gegen virale oder bakterielle Antigene gerichtet sind, eine beschleunigte Elimination der Thrombozyten hervorrufen. Die Ätiologie der chronischen Form ist unbekannt. Durch die Übertragung von Plasma von Erkrankten lässt sich bei Gesunden ein Thrombozytensturz mit thrombozytopenischer Purpura auslösen. Verantwortlich hierfür sind thrombozytenspezifische Autoantikörper vorwiegend der Klasse IgG, seltener IgM, die gegen Epitope auf den Glykoproteinkomplexen IIb–IIIa und/oder Ib–XI gerichtet sind. Mit empfindlichen Methoden gelingt bei etwa 50–70 % der Patienten mit chronischer Form der Nachweis thrombozytenspezifischer Autoantikörper. Dabei ist die Thrombozytenhalbwertszeit auf wenige Stunden herabgesetzt, der Plättchenumsatz auf das 2- bis 5-Fache erhöht.
Klinik
Die hämorrhagische Diathese zeigt sich als thrombozytopenischer Blutungstyp mit Petechien und Sugillationen (Abb. 1 und 2). Die Haarfollikel bleiben frei, Schleimhautblutungen sind häufig (Abb. 3). Der übrige klinische Befund ist unauffällig, insbesondere sind keine Lymphknotenvergrößerungen oder Splenomegalie nachweisbar. Trotz drastisch erniedrigter Thrombozytenzahl auf <20.000/μl ist die Ausprägung der hämorrhagischen Diathese bei ITP zumeist gering. Dies wird dadurch erklärt, dass die zirkulierenden Plättchen eine besonders gute hämostatische Kompetenz besitzen.
Bei der akuten Form zeigen nur etwa 5 % der Patienten eine klinisch schwere Ausprägung mit generalisierter Purpura, retinalen, gastrointestinalen oder urogenitalen Blutungen. Die Prävalenz intrazerebraler oder subarachnoidaler Hämorrhagien bei Kindern mit akuter ITP beträgt <1 %. Als Residuen des vorausgegangenen Infekts können bei Kindern Lymphknotenvergrößerungen oder Splenomegalie nachweisbar sein.
Besteht die Thrombozytopenie länger als 12 Monate, muss von einer chronischen Verlaufsform ausgegangen werden. Lokalisationen und Typ der Blutung unterscheiden sich nicht von der akuten Form. Der übrige klinische Befund ist unauffällig. Ein Drittel der Patienten hat dauerhaft keine Symptome.
Differenzialdiagnose
Zweifel an dem Vorliegen einer ITP sind immer dann gegeben, wenn Splenomegalie mit und ohne Lymphknotenvergrößerungen, Fieber, Anämie und Senkungsbeschleunigung vorhanden sind. Besonders hinzuweisen ist auf die sekundären (symptomatischen) Immunthrombozytopenien bei Autoimmunerkrankungen, ebenso auf arzneimittelinduzierte Thrombozytopenien. Da das klinische und hämatologische Bild einer idiopathischen (primären) und einer medikamentös induzierten sekundären ITP nicht zu unterscheiden sind, wird die Bedeutung einer sorgfältigen Arzneimittelanamnese besonders offensichtlich.
Labor
Die ITP ist eine Ausschlussdiagnose, da keine pathognomonischen Befundkonstellationen für diese Erkrankung bestehen. Typische Befunde bei primärer ITP sind:
  • Thrombozytenkonzentration erniedrigt, meist <30.000/μl
  • Mittleres Plättchenvolumen erhöht (>10 fl), Megathrombozyten
  • Blutungszeit verlängert, wobei die Verlängerung geringer ausfällt, als nach dem Ausmaß der Thrombozytopenie zu erwarten wäre
  • Knochenmarkbefund: Hyperplastische Megakaryozytopoese mit Vermehrung von Megakaryoblasten und Promegakaryozyten (Linksverschiebung)
  • Nachweis thrombozytenspezifischer Autoantikörper (nur in 50–70 %)
  • Zirkulierendes Thrombopoietin (TPO) erniedrigt
  • Plättchenüberlebenszeit verkürzt
  • Gerinnungsparameter normal
Während bei der akuten Form im Kindesalter auf eine Knochenmarkpunktion in der Regel verzichtet werden kann, ist eine solche bei Erwachsenen unerlässlich.
Verlauf
Bei Kindern mit akuter ITP ist er ausgezeichnet; in 80–90 % tritt nach 2–6 Wochen eine Spontanremission ein. Rezidive sind selten. Die Spontanremissionsquoten bei chronischer ITP im Kindesalter liegen nach 5 Jahren bei 43 %, nach 10 Jahren bei 60 % und nach 20 Jahren bei 75 % der Fälle. Bei der chronischen Form der Erwachsenen kommt es jedoch in >90 % zu keiner Spontanremission, vorübergehende Teilremissionen mit Thrombozytenerhöhung für einige Wochen bis Monate sind möglich.
Therapie
Sie ist aufgrund der äußerst günstigen Prognose der akuten ITP im Kindesalter mit Spontanremissionen von >80 % in der Regel nicht erforderlich. Auch bei der chronischen ITP kann abgewartet werden, solange die Thrombozytenzahlen über 30.000–50.000/μl liegen und nur eine geringe Blutungsneigung besteht. Allgemeine Verhaltensmaßregeln sind: Einschränkung körperlicher Aktivitäten, Vermeidung von Verletzungen, keine Zufuhr plättchenfunktionshemmender Medikamente.
Als Entscheidungskriterium für eine medikamentöse Therapie sollte grundsätzlich die Blutungsneigung und nicht die Thrombozytenzahl herangezogen werden.
Methylprednisolon wird initial in einer Dosierung von 2 mg/kg KG mit schrittweiser Dosisreduktion um 10–15 mg/Tag bei Anstieg der peripheren Plättchenzahl oder als monatliche Pulstherapie verabreicht. Rituximab führt in 60 % der Fälle zur Erhöhung der Thrombozytenzahl.
Thrombopoietin (TPO) ist das potenteste Zytokin für die Thrombopoese. Ein neuer Ansatz sind deshalb die Thrombopoietin-Mimetika (TPO-Rezeptoragonisten) Romiplostim und Eltrombopag mit vergleichsweise geringen Komplikationen (Blutungen) und intensiverem, nachhaltigerem Anstieg der peripheren Plättchenzahl.
Eine Splenektomie erfolgt bei Patienten ohne Behandlungserfolg, wenn auch ein zweiter Behandlungszyklus mit Glukokortikoiden nicht zu einem Thrombozytenanstieg auf Werte >30.000–50.000/μl geführt hat. Allerdings ist die Splenektomie erst nach Ablauf eines halben Jahres in Betracht zu ziehen, da noch Spontanremissionen auftreten können. Langzeitkomplikationen (Frequenz und Schwere von bakteriellen Infektionen) sind allerdings zu beachten.
Zum Einsatz können auch polyvalente Immunglobuline (0,4 g/kg KG tgl.) an fünf aufeinander folgenden Tagen kommen. Wegen der nur kurz anhaltenden Wirkung und der hohen Kosten dieser Therapie sollte der Einsatz von Immunglobulinen jedoch Akutsituationen (lebensbedrohliche Blutungen, Operationsvorbereitungen, Geburt) vorbehalten bleiben.
Bei rhesuspositiven Patienten mit dem Merkmal D ist Anti-D-Immunglobulin, 30–50 μg/kg KG indiziert.
Eine Thrombozytentransfusion sollte nur bei akuten lebensbedrohlichen Komplikationen erfolgen.

Heparininduzierte Thrombozytopenien

Sie stellen einen Sonderfall medikamentös induzierter Plättchenumsatzstörungen dar. Heparine sind ungemein häufig eingesetzte Medikamente. Geschätzt bis zu 30 % aller stationär versorgten Patienten erhalten Heparine.
Epidemiologie
Die Inzidenz ist abhängig vom Typ der heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT) bei niedermolekularem Heparin 10-fach seltener als bei unfraktioniertem Heparin (bis zu 5 %), seltener bei Schweine-Heparin als dem vom Rind. Die höchste Prävalenz einer therapeutisch-interventionell relevanten HIT vom Typ II ist bei orthopädisch-chirurgischen Operationen ermittelt worden (3–5 %).
Ätiopathogenese und Klassifikation
Zwei Typen sind zu unterscheiden, eine nichtimmunologisch mediierte und eine immunologische, antikörpervermittelte Thrombozytopenie. Der Typ I der HIT ist durch eine direkte Plättchenaktivierung pathogenetisch gekennzeichnet, entwickelt sich bereits in den ersten Tagen nach Heparintherapie (bis zu 10 %), ist im Verlauf selbstlimitiert, ohne Symptome (subklinisch) und Komplikationen. Der Typ II der HIT ist durch die Präsenz von Heparin-Autoantikörpern geprägt. Diese HIT-Antikörper der IgG-Klasse richten sich gegen Plättchenfaktor-4-Heparin-Komplexe. Die gebildeten Immunkomplexe aktivieren Thrombozyten, Endothelzellen, Monozyten und die Thrombinfreisetzung. Somit wird die Gerinnungskaskade stark beschleunigt. Die Folge ist ein lebensbedrohliches, paradox gesteigertes Thromboserisiko (arteriell und venös) trotz der Thrombozytopenie durch gesteigerten Plättchenverbrauch. Die IgG-Antikörper erscheinen im Serum 5–14 Tage nach Beginn der Heparintherapie.
Folgende Subtypen sind unterscheidbar:
  • Heparin-Autoantikörper ohne Thrombozytopenie
  • Isolierte HIT: Thrombozytopenie mit Heparin-Autoantikörpern, aber ohne Thrombose
  • HITT: HIT mit Thrombose
Klinik
Nur der Typ II der HIT ist dermatologisch und allgemein-klinisch relevant. Die Diagnose ist immer dann zu vermuten, wenn unter, manchmal auch nach einer Heparintherapie die Thrombozytenwerte <50 % des höchsten Werts (zu Therapiebeginn) abgefallen sind, also auch bei anfänglich erhöhter absoluter Plättchenzahl. Im Allgemeinen sinken die Werte auf 40.000–80.000/μl ab. Ein klinischer 4-T-Score objektiviert den HIT-II-Verdacht (thrombocytopenia, timing, thrombosis, other causes of thrombocythemia).
Labor
Bei HIT-II-Verdacht (gestützt auf den 4-T-Score) ist der Nachweis von PF-4-Heparin-Komplex-Antikörpern (IgG) mittels ELISA dann beweisend, wenn er durch einen funktionellen Test (HIPA: heparin induced platelet aggregation; SRA: serotonin release assay) ergänzend eine Bestätigung erfährt. Ein negativer Antikörpertest schließt eine HIT II so gut wie aus. Der sichere Nachweis einer HIT II hat erhebliche Konsequenzen für den Patienten, insbesondere bei späteren und erneuten antikoagulatorischen Interventionen und Therapienotwendigkeiten.
Therapie
Schon bei Verdacht auf eine HIT II muss die Heparintherapie umgehend eingestellt und das Thrombembolierisiko durch parenterale alternative Antikoagulanzien rasch konterkariert werden. Derartige zugelassene Substanzen sind Danaparoid, Lepirudin und Argatroban. Individuelle Einschränkungen der Nierenfunktion und Leberfunktion sind für die Substanzwahl und Therapiemodalität zu berücksichtigen. Da der dermatologische klinische, auch ambulante Alltag durch die frequenten operativen Maßnahmen auch von Heparin-Erstgaben und durch eine Grauzone anamnestischer HIT-II-Patienten unweigerlich geprägt ist, sollte man das Krankheitsbild der HIT II, insbesondere im zeitlichen Verlauf und im raschen Nachweisverfahren (4-T-Score, quantitativer und funktioneller PF-4-Heparin-Antikörpernachweis) gut kennen. Ein rascher Heparinstopp ist unabdingbar, die alternative antikoagulatorische Therapie kann lebensrettend sein.

HIV-assoziierte Immunthrombozytopenie

Epidemiologie
Etwa 3–10 % aller HIV-infizierten unbehandelten Patienten und etwa 13 % aller HIV-positiven Hämophilie-Patienten weisen eine typische Immunthrombozytopenie auf (Kap. „HIV/AIDS“).
Ätiopathogenese
Für einen Kausalzusammenhang zwischen Thrombozytopenie und HIV-Infektion werden folgende Mechanismen diskutiert: Direkte Schädigung der Megakaryozyten durch HIV mit dem Resultat einer verminderten Plättchenproduktion im Knochenmark, Plättchenschädigung durch zirkulierende Immunkomplexe und vorzeitiger Thrombozytenabbau durch plättchenspezifische Autoantikörper.
Klinik
Eine HIV-assoziierte Thrombozytopenie kommt bereits bei Neugeborenen von HIV-positiven Müttern vor. Bei Erwachsenen können sowohl asymptomatische Träger als auch Patienten mit klinischer Symptomatik betroffen sein. Bei Patienten ohne klinische Zeichen einer HIV-Erkrankung ist die HIV-assoziierte Thrombozytopenie nicht von einer primären (idiopathischen) ITP zu unterscheiden. Nur etwa ein Drittel aller Patienten mit HIV-assoziierter Thrombozytopenie weist eine stärkere hämorrhagische Diathese auf. Der Verlauf ist sehr variabel. Komplette, länger anhaltende Remissionen werden in etwa 10–20 % meist bei leichten Fällen beobachtet. Das Schicksal des Patienten hängt von der Grundkrankheit ab. Die Gefahr einer intrakranialen Blutung ist bei thrombozytopenischen, HIV-positiven Hämophilie-Patienten groß.
Labor
Blutwerte und Knochenmarkbefund entsprechen bei asymptomatischen HIV-Trägern denen einer ITP.
Therapie
Die Thrombozytopenie bessert sich unter antiretroviraler Therapie. Nur blutungsgefährdete Patienten, meist Thrombozytenzahlen <30.000/μl, bedürfen einer spezifischen Therapie. Glukokortikoide (Initialdosis 0,5–1,0 mg/kg KG) und polyvalente Immunglobuline (0,4 g/kg KG für 5 Tage) führen bei 60–90 % der Patienten zu einem zumindest vorübergehenden Thrombozytenanstieg. Der Nutzen einer Splenektomie wird wegen des potenziell nachteiligen Effekts auf den Verlauf der Grunderkrankung kontrovers beurteilt. Interferon ist wirksam, aber wegen Nebenwirkungen (Grippesymptome, Zytopenien) längerfristig kritisch zu beurteilen.
Die thrombozytopenischen Purpuraformen (idiopathisch, medikamentös bedingt, zumeist durch Heparin oder bei HIV-Infektion, bei Kindern akut und meist passager nach anderen Virusinfektionen) sind aus Sicht der Dermatologie insbesondere bei hämorrhagischer Mundschleimhautbeteiligung zu erwägen. Chronische Verläufe sind zu befürchten, auch mit Blutungen innerer Organe in 5 % der akut betroffenen Erwachsenen.

Thrombozytosen

Definitionsgemäß handelt es sich um eine Erhöhung der peripheren Thrombozytenkonzentration auf Werte >400.000/μl. Abnorm erhöhte Thrombozytenwerte sind fast immer Ausdruck einer gesteigerten Plättchenproduktion im Knochenmark. Dabei werden autonome (idiopathische) Thrombozytosen (Thrombozythämien) von reaktiven (sekundären) unterschieden.

Thrombozythämie

Autonome Thrombozytosen finden sich bei myeloproliferativen Erkrankungen, wie bei chronischer myeloischer Leukämie, Polycythaemia vera, Osteomyelofibrose und essenzieller Thrombozythämie. Es handelt sich um die klonale Erkrankung einer pluripotenten hämatopoetischen Stammzelle. In die klonale Proliferation sind Myelozytopoese, Erythrozytopoese und Megakaryozytopoese einbezogen. Dies führt zu einer strukturell und funktionell abnormen Plättchenpopulation. Klinisch können diese Erkrankungen sowohl mit hämorrhagischen als auch thrombembolischen Komplikationen einhergehen.
Dermatologische Symptome treten in 20–50 % der zumeist chronisch verlaufenden hämatologischen Erkrankungen auf, in 10 % der essenziellen Thrombozythämiefälle bereits bei Diagnosestellung:
  • Erythromelalgie (lokaler Schmerz auf Wärmereiz), besonders an der Plantarhaut des Vorfußes
  • Akrozyanose mit Entwicklung akraler Nekrosen durch Thrombosen
  • Livedo racemosa mit Ulkusneigung distal an den Beinen. Hierbei finden sich histologisch durch glatte Muskelzellen gebildete subendotheliale Intimapolster in Hautarterien wie beim Sneddon-Syndrom. Als charakteristisch für eine essenzielle Thrombozythämie kann eine Livedo racemosa an den lateralen Fußkanten gelten
  • Hauteinblutungen (Petechien, Sugillationen)

Thrombozytopathien (Thrombozyten-Funktionsstörungen)

Derartige funktionelle Blutplättchenkrankheiten sind zu erwägen, wenn bei klinischer Hämostasestörung die Blutungszeit verlängert, aber die Plättchenzahl >100.000/μl ist. Anders als bei Thrombozytopenien sind klinisch Petechien seltener, eher großflächigere Hauteinblutungen, also Ekchymosen, zu erwarten.
Es dominieren die medikamenteninduzierten Thrombozyten-Dysfunktionen, zumeist die Grundlage gewollter Thrombozytenaggregationshemmung (Acetylsalicylsäure, Ticlopidin, Clopidogrel). Urämie und Alkoholismus können die Blutungsneigung unter Acetylsalicylsäure kritisch steigern. β-Laktam-Antibiotika können die Plättchenfunktion mit dem Risiko der bedrohlichen Blutung (bei Sepsis) beeinflussen.
Hereditäre Thrombozyten-Dysfunktionen sind sehr selten: Hermansky-Pudlak-Syndrom (Kap. „Störungen der Melaninpigmentierung“), Pseudo-von Willebrand-Krankheit (OMIM 177820), Bernard-Soulier-Syndrom (OMIM 231200), Glanzmann-Thrombasthenie (OMIM 273800).
Thrombozyten-Funktionsstörungen sind auch bei essenzieller Thrombozythämie und Polycythaemia vera zu erwarten. Auch chronische Lebererkrankungen und Nierenerkrankungen können diese Folge mit gesteigerter Blutungsneigung haben.

Hämostasestörungen durch Koagulopathien

Störungen des Gerinnungssystems (Koagulopathien) resultieren aus qualitativen oder quantitativen Defekten oder Mangelzuständen von Gerinnungsfaktoren. Zu einem geringeren Teil können Koagulopathien auch durch gegenregulatorische Störungen des Fibrinolysesystems bedingt sein. Dabei sind sekundäre, reaktive hyperfibrinolytische Zustände wesentlich häufiger als primäre. Störungen des Gleichgewichts zwischen Gerinnungs- und Fibrinolysesystem können auch durch qualitative oder quantitative Abweichungen natürlicher Inhibitoren hervorgerufen sein. Bei den Koagulopathien wird zwischen angeborenen und erworbenen Gerinnungsstörungen unterschieden.

Hereditäre Koagulopathien

Für nahezu alle Gerinnungsfaktoren sind angeborene Mangelzustände bekannt. Die autosomal-rezessiv vererbten Defekte gehen mit einer unterschiedlich ausgeprägten Blutungsneigung einher, je nachdem, ob ein heterozygoter oder homozygoter Status vorliegt. Eine Ausnahme stellt der Faktor-XII-Mangel dar. Dieser Defekt ist mit einem hohen thrombembolischen Risiko assoziiert, welches durch den Wegfall der Fibrinolyse-stimulierenden Wirkung von Faktor XII (Hageman-Faktor) erklärt wird. Wichtigste angeborene Gerinnungsstörungen sind die Hämophilie A und B, welche X-chromosomal-rezessiv vererbt werden, sowie das Von-Willebrand-Syndrom, welches zumeist einen autosomal-dominanten Erbgang aufweist.

Hämophilie A und B

Der angeborene Faktor-VIII-Mangel (Hämophilie A; OMIM 306700) und Faktor-IX-Mangel (Hämophilie B; OMIM 306900) treten mit einer Häufigkeit von etwa 1:10.000 Einwohnern in Deutschland auf. Dabei ist die Hämophilie A 5-mal häufiger als die Hämophilie B. Typische klinische Manifestationen sind bei beiden gleich und bestehen in Gelenk-, Weichteil- und Organblutungen.

Von-Willebrand-Syndrom

(von Willebrand 1926)
OMIM 194300
AD
12p13.3
VWF
von Willebrand factor
Epidemiologie
Diese überwiegend autosomal-dominant vererbte Störung (OMIM 194300) ist mit einer geschätzten Prävalenz von 0,3–1 % (inklusive vieler asymptomatischer und milder Fälle) die häufigste Koagulopathie und insbesondere für den operativ tätigen Dermatologen bedeutsam.
Von-Willebrand-Syndrom ist die häufigste hereditäre Koagulopathie, klinisch dem thrombozytopenischen Typ durch kleinherdige mukokutane Blutungen ähnlich und auch für die operative Dermatologie bedeutsam.
Ätiopathogenese
Der Von-Willebrand-Faktor ist entweder vermindert (Typ I), qualitativ defekt (Typ II mit 4 Subtypen) oder fehlt (Typ III). Er stellt ein multimeres Glykoprotein aus identischen Untereinheiten dar, welches mit Faktor VIII im Plasma einen Komplex bildet und diesen Gerinnungsfaktor dadurch vor einem vorzeitigen Abbau bewahrt. Der niedrigmolekulare Anteil dieses Faktor-VIII-von-Willebrand-Faktor-Komplexes ist verantwortlich für die prokoagulatorische Aktivität (Faktor VIII:C), hingegen gewährleistet der hochmolekulare Anteil (Von-Willebrand-Faktor) die Adhäsion der Blutplättchen an das Subendothel. Bei verminderter Konzentration sind die Plättchenadhäsion gestört und die Blutungszeit verlängert. Dadurch wird das Bild einer Thrombozytopathie vorgetäuscht, obgleich die Thrombozyten intakt sind.
Die erworbene Form des Von-Willebrand-Syndroms ist durch lymphoproliferative und myeloproliferative Erkrankungen sowie Neoplasien bedingt, und auch bei systemischem Erythematodes und Hypothyreoidismus beobachtet worden.
Klinik
Es dominiert eine hämorrhagische Diathese vom Bild des thrombozytopenischen Blutungstyps mit Haut- und Schleimhautblutungen, Hämatomen nach Bagatelltraumata und Menorrhagien. Gelenkblutungen werden nur bei Patienten beobachtet, die eine starke Verminderung des Faktor VIII:C aufweisen. Die Blutungsneigung wird häufig erst bei hämorrhagischen Komplikationen im Zusammenhang mit operativen Eingriffen erkannt.
Labor
Die Blutungszeit ist verlängert. Die Gerinnungsaktivität von Faktor VIII (F VIII:C) ist deutlich herabgesetzt oder grenzwertig. Die Aktivität des Von-Willebrand-Faktors (Ristocetin-Kofaktor) ist vermindert, seine Konzentration (vWF:Ag) erniedrigt, bei Varianten normal. Die Klassifikation des Syndroms aufgrund struktureller und funktioneller Abweichungen des Von-Willebrand-Faktors ist für die Therapie (Verhinderung oder Kontrolle einer Blutung) entscheidend.
Therapie
Mittel der Wahl bei Typ I ist Desmopressin (0,3 μg/kg KG), welches die Freisetzung des Von-Willebrand-Faktors aus Endothelzellen stimuliert. Es kann bei Typ IIB eine Thrombozytopenie passager verstärken, allerdings ohne erhöhtes Blutungsrisiko, sollte somit auch hier vorsichtig eingesetzt werden. Es ist dagegen bei Typ III unwirksam. In diesen Fällen ist bei manifester Blutung eine Substitution mit Faktor-VIII-Hochkonzentrat angezeigt.

Mangel an antikoagulatorischen Faktoren

Protein S und Protein C sind wichtige antikoagulatorische und profibrinolytische Plasmaproteine, die bei hereditär bedingten quantitativen Defizienzen (OMIM 176880 und 176860) eine latente Neigung zur Hyperkoagulabilität (Thrombophilie) bedingen. Die Frequenz thrombotisch-hämorrhagischer Ereignisse, deren Manifestationsalter und klinische Intensität sind abhängig vom homozygoten oder heterozygoten Status. Der homozygote Protein-C-Mangel ist die Ursache der neonatalen Purpura fulminans, der heterozygote Mangel bedeutet lebenslanges Risiko thrombembolischer Prozesse. Außer mit quantitativen Mangelzuständen ist auch mit erworbenen funktionellen Defekten zu rechnen.
Antithrombin III spielt ebenfalls für die Hämostase eine wesentliche Rolle. Es inaktiviert Thrombin und aktiviert prokoagulatorische Faktoren. Hereditäre Mangelzustände (OMIM 107300) führen zu familiär gehäuften und im frühen Lebensalter etablierten schwer wiegenden Thrombosen tiefer Beinvenen und Beckenvenen, aber auch innerer Organe sowie Embolien. Ein bestehender AT-III-Mangel kann sekundär aggraviert werden, so bei Hepatopathie, nephrotischem Syndrom, Schwangerschaft, Verbrennung, durch Antikonzeptiva. Eine Heparintherapie verstärkt den AT-III-Mangel.
Die Prothrombingenmutation G20210A (OMIM 176930) führt zu erhöhtem Prothrombinplasmaspiegel und stellt die zweithäufigste genetisch determinierte Ursache tiefer Venenthrombosen dar. Heterozygote (Prävalenz in Deutschland etwa 2 %) haben ein 4-fach, Homozygote (0,01 %) ein 40-fach erhöhtes Thromboserisiko.

APC-Resistenz bei Faktor-V-Leiden-Mutation

Epidemiologie
Die APC-Resistenz (APC: aktiviertes Protein C ) ist ein Gerinnungsdefekt, der als heterozygoter Defekt bei 2–8,5 % der Normalbevölkerung nachweisbar ist. Bis zu 64 % der Patienten mit tiefen Venenthrombosen oder Lungenembolien haben eine APC-Resistenz, die damit die häufigste hereditäre Ursache einer Thrombophilie ist.
Ätiopathogenese
Eine Punktmutation (Leiden-Mutation : G1691A) im Gen für den Gerinnungsfaktor V (OMIM 227400) führt zur Resistenz gegenüber aktiviertem Protein C. Der Faktor V hat neben seiner üblichen prokoagulatorischen auch eine antikoagulatorische Wirkung. Die Leiden-Mutation führt zur Inhibition der antikoagulativen Teilfunktion, während die prokoagulatorische erhalten bleibt.
Klinik
Bei heterozygoten Trägern treten Thrombosen meist nur durch zusätzliche Risikofaktoren wie Rauchen, Schwangerschaft, orale Kontrazeptiva, Immobilisation oder Kombination mit anderen Defekten der Hämostase auf. Sie haben gegenüber der Normalbevölkerung ein 7-fach, die Homozygoten (Prävalenz 0,1 %) ein 80-fach erhöhtes Thromboserisiko. Richtungsweisend ist die Manifestation rezidivierender Thrombosen, insbesondere der tiefen Bein- oder der Beckenvenen bereits im jungen Alter.
Therapie
Die Prophylaxe mit oralen Antikoagulanzien, limitiert oder lebenslang, orientiert sich an der anamnestischen Thrombosehäufigkeit und deren Lokalisation sowie am heterozygoten oder homozygoten Status. Ein erstmaliges thrombotisches Ereignis erfordert bei heterozygoter Mutation je nach Ausmaß des Thrombosebefalls eine Antikoagulation bis zu 1–5 Jahren, bei homozygoten Trägern führt sie sofort zur Entscheidung für eine Dauertherapie.

Erworbene Koagulopathien

Diese sind klinisch zumeist von simultanen Thrombosen und Blutungen geprägt (s. Übersicht).
Einteilung der erworbenen Koagulopathien
  • Bildungsstörungen bei hepatozellulärer Erkrankung
  • Vitamin-K-Mangel
  • Umsatzstörungen, deren stärkste Ausprägung die disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) ist
  • Aktivitätsverminderung von Gerinnungsfaktoren durch zirkulierende Hemmkörper (Inhibitoren, Antikörper)
  • Verstärkte Fibrinolyse (zum Beispiel Prostata-Operation, Schlangenbiss)
  • Erworbene Antikoagulanzien (zum Beispiel Lupus-Antikoagulans)
  • Medikamenteninduzierte Hypokoagulabilität (auch Interaktion mit Cumarin)
  • Verlust- oder Verdünnungskoagulopathien bei ausgeprägten Blutungen und Massivtransfusionen
Der Dermatologe sollte die im Folgenden beschriebenen, zum Teil keineswegs sehr seltenen Krankheiten kennen, um durch eine frühe Diagnose schwerwiegende Komplikationen und das erhebliche Letalitätsrisiko mindern zu helfen. Er ist gleichsam als Lotse insbesondere bei einer Erstuntersuchung, in einer Notfallambulanz, einem Bereitschaftsdienst und als Konsiliarius gefordert. Trotz der meist akuten, teils perakuten Krankheitsdynamik sind hereditäre, vorher subklinische Hämostasestörungen mit Hyperkoagulabilität und Hämorrhagien häufig die eigentliche basale Krankheitsursache.
Wesentliche klinische Merkmale sind kleine oder flächenhafte livide Maculae, Hautblutungen und Schleimhautblutungen, Livedo racemosa und schmerzhafte Ulzera. Histologisch und laborchemisch ist häufig eine disseminierte intravasale Gerinnung feststellbar.
Aus klinischer Sicht ist wichtig, dass eine disseminierte intravasale Gerinnung keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom ganz verschiedenartiger Krankheitszustände ist. Das klassische dermatologische Beispiel einer pathogenetisch zentralen disseminierten intravasalen Gerinnung ist die Purpura fulminans.
Als Synonyme sind gebräuchlich: Verbrauchskoagulopathie, thrombohämorrhagisches Syndrom, Defibrinisierungssyndrom und intravasale Gerinnung mit Fibrinolyse (disseminated intravascular coagulation: DIC). Der die Perfusion störende Zustand ist durch intravasale Thrombosierung der Mikrozirkulation, auch in der Haut, und eine reaktive Hyperfibrinolyse bedingt. Beides führt zum Zusammenbruch des Hämostasesystems und unbehandelt zum Tod. Vorbestehende metabolische Erkrankungen, wie Diabetes mellitus, begünstigen offenbar die massive Aktivierung der Koagulation verschiedener Ursachen (Entzündung, Gewebezerstörung). Der erhöhte Verbrauch von Thrombozyten und Koagulationsfaktoren und deren ungenügende Kompensation können zur erhöhten Blutungsneigung führen, was bei operativen und invasiven Maßnahmen kritisch zu prüfen ist.
Die laborchemische Diagnose einer DIC erschließt sich nicht aus einem einzelnen Parameter. Der vielfach noch als signifikant empfohlene Fibrinogenspiegel ist nur bei schweren Fällen erniedrigt, kann ansonsten als akuter Phase-Proteincharakter ebenso wie Faktor VIII normal oder gar erhöht sein. Diagnostisch wichtig sind abnehmende und erniedrigte Thrombozytenwerte, verminderte Plasmaspiegel von Koagulationsfaktoren und Inhibitoren sowie Nachweise von verstärkter Fibrinbildung und Fibrindegradation (D-Dimere). Nützlich ist eine DIC-Score-Methode basierend auf mehreren schnell verfügbaren Koagulationstests.
Die folgenden, auch dermatologisch geprägten Erkrankungen sind zumeist generalisierte Störungen der Hämostase mit mehr oder minder ausgeprägten sekundären Haut-und Weichteilnekrosen, die wiederum erhebliche langfristige Folgen zeitigen. Zu Beginn können diese dramatisch progredienten Krankheiten zunächst klinisch wie traumatisch bedingte Hämatome oder Sugillationen und Ekchymosen der ITP oder TTP imponieren, die jedoch keine Nekrosen entwickeln.

Purpura fulminans

(Henoch 1887)
Ätiopathogenese
Es handelt sich um eine meist lebensbedrohliche Erkrankung, deren individueller pathogenetischer Hintergrund in einem hereditär bedingten und erworbenen Mangel an antikoagulatorischen Proteinen und einer akuten mikrobiellen Infektion liegt. Drei Situationen sind zu unterscheiden:
  • Neonatale Purpura fulminans: Hereditäre homozygote Protein-C- oder -S-Defizienz.
  • Erworbene Purpura fulminans bei zumeist schwerer akuter Infektion, gar Sepsis, häufiger in Asplenie-Patienten: Durch latenten heterozygot-hereditär bedingten Mangel an Protein C, funktionellen Protein-S-Mangel durch temporäre autoimmune Antikörper, Depletion von Protein C bei akuter Meningokokken- oder Pneumokokken-Infektion, seltenere Erreger: β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A und B, Staphylococcus aureus, Haemophilus influenzae, Pasteurella multocida; auch Plasmodium falciparum und bei Rickettsiosen.
  • Postinfektiöse oder idiopathische Purpura fulminans, meist bei Kindern und in 90 % der Fälle in Verbindung mit einer eher zunächst benigne verlaufenden Infektion (Varizellen, Streptokokken): passagere autoimmune Protein-S-Defizienz.
Klinik
Die Hautsymptomatik ist bestimmt durch Sugillationen und Ekchymosen, die sich rasant zu großflächigen Einblutungen, auch mit Blasen, transformieren, worauf rasch schmerzhafte Ulzera entstehen können (Abb. 4). Im Gegensatz zur sepsisassoziierten Purpura fulminans manifestieren sich die Hauteinblutungen bei der postinfektiösen beziehungsweise idiopathischen Form an Oberkörper und Armen, aber nicht beginnend an den distalen Extremitätenabschnitten mit Progression nach proximal oder Generalisation wie bei ersterer. Ein Kompartmentsyndrom erfordert eine rasche Fasziotomie, eine Gangrän von Akren und größeren Extremitätenabschnitten sogar Nekrektomien mit sekundärer Deckung oder Amputationen und Rehabilitationsmaßnahmen. Allgemeine klinische Zeichen der Erkrankung sind ein meist septisches Fieber und häufig eine arterielle Hypotension. Nebennierenrindenversagen bei akuter Meningokokkensepsis definiert das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom. Bei hereditärer Purpura fulminans drohen thrombotisch inszenierte diverse zentralnervöse Schäden, unter anderem Epilepsie, periphere Lähmungen, auch Erblindung.
Labor
Frühes und sehr sensitives Zeichen ist der histologische Nachweis von intravasalen Thromben in Blutgefäßen der Dermis in Verbindung mit frischen Erythrozytenextravasaten. Daher sollte in der Frühphase eine Hautbiopsie erfolgen. Biopsien für PCR auf mikrobielle Antigene (gezielt zumindest auf Neisseria meningitidis und Streptococcus pneumoniae) sind unverzichtbare sensitive und rasche diagnostische Stützen. Laborchemisch erfolgt der Nachweis einer disseminierten intravasalen Gerinnung durch Wertung mehrerer schnell bestimmbarer Plasmaspiegel der Koagulationsfaktoren, des Thrombozytenabfalls sowie der gesteigerten Fibrinolyse (D-Dimere).
Therapie
Indiziert sind Volumensubstitution, inotrope Herz-Kreislauf-Substanzen, gegebenenfalls erregerspezifisches Antibiotikum sowie Ausgleich des Protein-C- oder Protein-S-Defizits, am besten durch entsprechende Konzentrate. Bei schwerer akuter Infektion und postinfektiöser Form einer Purpura fulminans ist die antikoagulatorische Therapie nur befristet nötig, bei letzterer abhängig von der Präsenz neutralisierender Protein-S-Antikörper nur 1–2 Wochen lang. Eine hereditäre Purpura fulminans bei Protein-C-Mangel bedarf dagegen einer langfristigen Substitutionstherapie und/oder Antikoagulationstherapie.

Antiphospholipid-Syndrom

Es handelt sich um die klinische Manifestation (Multiorganbefall) einer erworbenen Hyperkoagulabilität, primär oder sekundär bei einer Grunderkrankung wie systemischer Lupus erythematodes und anderer Autoimmunkrankheiten. Die charakteristischen serologischen Marker sind verschiedenartige Antikörper, die überwiegend gegen negativ geladene Phospholipide gerichtet sind: Antikardiolipin-Antikörper und das Lupus-Antikoagulans. Es gibt Gesunde mit niedrigtitrigen Antiphospholipid-Antikörpern (Prävalenz bis zu 15 %) ohne wesentliches Thromboserisiko. Ein gravierendes Thrombembolierisiko ist mit hochtitrigen Antikörperspiegeln und einer sich manchmal zeitverschoben manifestierenden Autoimmunkrankheit (Anti-Phospholipid-Antikörper immerhin ARA-Kriterium eines SLE!) verbunden (Kap. „Vaskulitis“).
Das Antiphospholipid-Syndrom ist die häufigste erworbene Form einer Thrombophilie (dagegen häufigste hereditäre Ursache: APC-Resistenz durch Faktor-V-Leiden-Mutation).

Kalziphylaxie

Diese an der Haut manifestierte gefäßbezogene Systemerkrankung befällt fast ausschließlich, aber nicht immer nur Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz (andere Assoziationen: Leberschaden, Marcumar-Therapie) vor dem Hintergrund eines Hyperparathyreoidismus mit Störungen des Kalziumhaushalts und Phosphathaushalts, und bezieht meist funktionelle Protein-S- und -C-Defizite ein. Die mit einem hohen Letalitätsrisiko behaftete Erkrankung betrifft Patienten unter den Bedingungen einer Hämodialyse und Peritonealdialyse, kann aber auch nach erfolgreicher Nierentransplantation eintreten (Kap. „Kutane Kalzinosen“). Leitsymptom ist eine Livedo-racemosa-artige Fläche, auf der sich meist in Verbindung mit Purpurazeichen schmerzhafte Nekrosen entwickeln. Blutgefäßwandkalzifikationen im Korium-Subkutis-Grenzbereich sind histologisch charakteristische Merkmale. Das Hauptrisiko ist eine bakterielle Weichgewebeinfektion, auch mit Sepsis.

Antikoagulanzienbedingte Nekrosen

Synonyme
Cumarin-Nekrose, Marcumar-Nekrose, Heparin-Nekrose
Epidemiologie
Die Prävalenz wird bei Vitamin-K-antagonistischen Antikoagulanzien auf 1:100–1:10.000 geschätzt, bei unfraktioniertem Heparin mit 1–3 % angegeben.
Ätiopathogenese
Die Erkrankungen werden durch den Start einer Antikoagulanzientherapie oder Heparintherapie bei meist initial hohen Sättigungsdosierungen ausgelöst. Aggravierende Konditionen sind subklinische, meist hereditär bedingte Defizite antikoagulatorischer Proteine, insbesondere Protein S, APC-Resistenz.
Klinik
Trotz unterschiedlicher medikamentöser Auslösung ähneln sich beide Krankheitsbilder sehr (Abb. 5). Die Antikoagulanzien-bedingte Erkrankung setzt meist zwischen dem 3. und 10. Therapietag ein, bei Heparintherapie nach 5–14 Tagen an den subkutanen Injektionsstellen, aber auch entfernt davon.
An Körperpartien mit gut entwickeltem Fettgewebe (Hüften, Nates) treten schmerzhafte, scharf begrenzte, rötliche Areale auf, die rasch ulzerieren. Begleitphänomene sind Hauteinblutungen und passagere Blasen. Meist sind Frauen um das 50. Lebensjahr betroffen. Allgemeine Risikofaktoren sind Adipositas sowie Allergien auf Medikamente oder respiratorische Allergene. Die tief reichenden und großflächigen Nekrosen nötigen häufig zur Nekrektomie und anschließenden operativen Defektdeckung.

Krankheiten mit Defiziten antikoagulatorischer Proteine oder gestörter Fibrinolyse

Bei Livedo-Vaskulopathie (Synonyme: Livedo reticularis mit Sommerulzerationen, livedoide Vaskulitis, Kap. „Vaskulitis“) ist nach subklinischen angeborenen und erworbenen Hämostasestörungen zu fahnden. Infrage kommen Hyperkoagulabilität/Fibrinolysestörung bei Mangel an Protein C, Antithrombin III, erhöhter Plasminogenaktivator-Inhibitor(PAI)-Aktivität, APC-Resistenz, Prothrombinmutation, Antiphospholipid-Antikörper, Hyperhomocysteinämie (bei letzterer therapeutische Normalisierung des Serumspiegels [<12 μmol/l] und relativ rasche Abheilung der schmerzhaften Unterschenkelulzera durch kombinierte Gabe von Folsäure, Vitamin B 6 und B 12). Kürzlich sind Fälle mit erhöhtem Lipoprotein-a-Plasma-Spiegel und rascher Besserung unter Dauermedikation mit niedermolekularem Heparin beschrieben worden.
Bei tiefer, insbesondere rezidivierender Bein- oder Beckenvenenthrombose oder einem daraus folgenden postthrombotischen Syndrom und thrombembolischen Ereignissen wie Lungenarterienembolie oder zerebralem Insult ist die APC-Resistenz bei Faktor-V-Leiden-Mutation eine sehr häufige, jedenfalls die häufigste hereditäre Ursache. Zweithäufigste genetische Ätiologie ist die Prothrombinmutation. Auch an eine sehr seltene Homocystinurie, einen genetischen Defekt der Cystathionin-β-Synthase, ist als Ursache thrombembolischer Ereignisse zu denken.
Eine seltene, aber vielleicht in den gravierenden Folgen auch allgemein zunächst unterschätzte systemische Krankheit durch eine akut gestörte Hämostase ist die Thrombotische thrombozytopenische Purpura (TTP) mit dem Risiko des hämodialysepflichtigen assoziierten Hämorrhagisch urämischen Syndroms (HUS). Auch hier sind wegen unterschiedlicher Therapieansätze ätiologisch primäre hereditäre und idiopathische sowie sekundäre erworbene Formen zu unterscheiden.

Thrombotische thrombozytopenische Purpura

(Moschcowitz 1924)
Epidemiologie
Die Thrombotische thrombozytopenische Purpura (TTP) ist sehr selten, kann aber in der infektionsbedingten Variante zeitlich clusterartig (wie 2011 durch Nahrungsmittel übertragene EHEC-Infektion in Deutschland) auftreten.
Ätiopathogenese
Zentrales Ereignis ist die Präsenz von Von-Willebrand-Faktor-reichen Mikrothromben in der Mikrovaskularisation (Arteriolen, Kapillaren) verschiedener Organe mit ischämiebedingten Folgen. Dabei sind Gehirn und Herz am häufigsten betroffen. Der Von-Willebrand-Faktor wird von Blutendothelzellen gebildet und an das Blut abgegeben. Da er als „Ultra-large-von-Willebrand-Multimer“ durch die Anlagerung an den Gerinnungsfaktor VIII und Thrombozyten (Aktivierung von Adhäsion und Aggregation) die kleinen Gefäßlumina netzartig verlegen kann (Von-Willebrand-Faktor-reiche hyaline Plättchenthromben), kommt einer endogenen enzymatischen Degradation dieser ultralangen VWF-Multimere eine wichtige homöostatische Funktion zu. Dies wird normalerweise durch die Metalloprotease ADAMTS13 gewährleistet. Zu unterscheiden sind primäre (hereditär, idiopathisch) und sekundäre TTP. Bei der kongenitalen TTP (Upshaw-Shulman-Syndrom [OMIM 274150], autosomal-rezessiv, Triggerfaktoren Infektion, operativer Eingriff) fehlen diese Protease und auch inhibitorische Antikörper. ADAMTS13-Plasmaspiegel zwischen 5 und 10 % reichen aus, um klinisch inapparent zu bleiben. Die häufigere idiopathische Form ist charakterisiert durch zumeist IgG-Autoantikörper gegen diese Protease (Nachweis mittels ELISA).
Ursachen der sekundären TTP sind vielzahlig: Medikamente, so Thienopyridine (Ticlopidin, Clopidogrel, Chinin), Zytostatika wie Mitomycin C, Pentostatin und Gemcitabin, aber auch dermatologisch relevant Ciclosporin und Tacrolimus. Weiterhin kann die TTP bei Autoimmunkrankheiten (Kollagenosen, Vaskulitiden), auch bei und nach Schwangerschaft, Malignomen, HIV-Infektion und transplantationsassoziiert auftreten.
Gefürchtet sind als mikrobielle Ursache schwere Darminfektionen durch enterohämorrhagische Escherichia coli O157:H7 und zuletzt in Deutschland O104:H4 (Leitsymptome: Bauchschmerzen, blutige Diarrhoen). Dabei wirkt das Shiga-Toxin offenbar hyperaktivierend auf das Komplementsystem, insbesondere bei Individuen mit hereditärem Defekt im komplementregulierenden Gen MCP. Diese sekundären TTP-Formen weisen alle (im Gegensatz zu den primären Formen) keinen erheblichen quantitativen oder funktionalen Mangel an ADAMTS13 auf, sondern haben eine normale oder nur gering verminderte Serumaktivität bezüglich dieser Metalloprotease.
Klinik
Klassisch sind die fünf Merkmale: Thrombozytopenie, Coombs-negative hämolytische Anämie, Nierenfunktionsstörung, neurologische Symptome (Parästhesien, Bewusstseinseinschränkungen, Halluzinationen, periphere Lähmungen, epileptische Anfälle) und Fieber.
Das klinische Bild kann sehr variabel sein, meist ist der Verlauf fulminant, aber auch intermittierend und chronisch. Hautsymptome sind durch die Blutungsneigung geprägt, so Petechien, Sugillationen und Ekchymosen, aber auch durch hämolysebedingten Ikterus. Bei einem schweren Verlauf kann sich als Komplikation ein akutes Nierenversagen einstellen (Hämolytisches urämisches Syndrom: HUS), was eine Hämodialyse notwendig macht. Bei Schwangerschaft ergeben sich starke differenzialdiagnostische Überschneidungen mit Eklampsie und HELLP-Syndrom.
Labor
Richtungsweisende Werte sind Thrombozytopenie, Leukozytose, Anämie mit Hämolyseparametern Haptoglobin, LDH und indirektem Bilirubin, Retikulozytose und der Nachweis von fragmentierten Erythrozyten (Schistozyten) mit einem Anteil von >15 ‰ im peripheren Blutausstrich. Die Bestimmung der Serumaktivität von ADAMTS13 und der Nachweis von inhibitorischen Autoantikörpern (ELISA) sind entscheidend für den Nachweis der hereditären und idiopathischen primären Form der TTP. Da ein Zeitverzug durch Bemühung von Speziallaboren unausweichlich ist, muss die wahrscheinliche Diagnose einer TTP, insbesondere bei den sekundären Formen, klinisch gestellt werden, da die rasche therapeutische Intervention ungemein prognosebestimmend ist.
Therapie
Die primäre TTP ist ein hämatologischer Notfall und keine Domäne des Dermatologen. Der therapeutische Plasmaaustausch (Plasmapherese und fresh frozen plasma) kann bei primärer TPP die fehlende oder funktional blockierte Metalloprotease ADAMTS13 substituieren und muss rasch eingesetzt werden. Dadurch konnte die frühere sehr hohe Mortalität von 90 % auf 10–20 % gesenkt werden. Mit Rezidiven nach Plasmaaustauschen ist in 20–40 % der Fälle zu rechnen. Die Rate der Therapieversager ist 20 %. Ein rekombinantes ADAMTS13-Präparat ist noch nicht verfügbar. Auch bei dem sekundären (erworbenen) TTP (mit normaler ADAMTS13-Aktivität) ist der Plasmaaustausch der erste Therapieansatz. Hier sind Glukokortikosteroide zusätzlich zu applizieren. Therapieerfahrungen mit Rituximab (CD20-Antikörper) lassen ein Potenzial als zusätzliche Indikation und bei Versagern (hier ist auch die Splenektomie Erfolg versprechend) eines Plasmaaustauschs erkennen. Bei Shiga-Toxin-assoziierter TTP-HUS-Situation sind an wenigen Fällen überzeugende therapeutische Ergebnisse durch den monoklonalen Komplement-5-Antikörper Eculizumab mitgeteilt worden.

Vaskulär bedingte hämorrhagische Diathesen

Unter diesem Oberbegriff wird eine Gruppe von Erkrankungen zusammengefasst, bei denen als Blutungsursache eine Störung der Blutgefäßwände, nicht jedoch eine Störung der thrombozytären oder plasmatischen Komponenten des Hämostasesystems besteht. Je nach Ausmaß und Lokalisation der vaskulären Schädigung tritt eine erhöhte Durchlässigkeit für Blutbestandteile ein, welche das klinische Bild bestimmt. Symptom ist die Purpura, welche als Petechien, Sugillationen und Ekchymosen auftreten kann. Während die beiden Letztgenannten bei allen Hämostasestörungen beobachtet werden können und daher nicht typisch für eine vaskuläre Schädigung sind, stellen Petechien, also Hämorrhagien aus den kleinen dermalen Kapillaren, ein klinisch wertvolles Erscheinungsbild für vaskuläre und thrombozytäre Erkrankungen dar.
Epidemiologie
Vaskuläre Blutungserkrankungen können angeboren oder erworben, umschrieben oder diffus sein. Kongenitale Gefäßstörungen sind selten. Meist handelt es sich um umschriebene Gefäßveränderungen, die mit einer erhöhten Permeabilität oder mit anatomisch abnorm angelegten Gefäßen einhergehen. Rezidivierende Hämatome in der Haut kommen beim Marfan-Syndrom und Formen des Ehlers-Danlos-Syndroms vor, sind auch wesentliches lokales Symptom eines Lipödems einer an Extremitäten lokalisierten Lipohypertrophie. Erworbene vaskuläre Hämorrhagien werden häufiger beobachtet.
Ätiopathogenese
Sie ist bei den meisten vaskulären Hämostasestörungen ungeklärt. Verschiedenartige Noxen kommen in Betracht: Entzündungen, allergische Reaktionen, Virusinfektionen, Avitaminosen, Anoxämien, Sklerosen, neuropathische oder hormonelle Einflüsse. Vor allem bei den mit einer Aktivierung des Immunsystems einhergehenden Erkrankungen treten tief greifende morphologische Veränderungen an der Gefäßwand auf.

Hämangiom-Thrombozytopenie-Syndrom

(Kasabach und Merritt 1940)
Synonym
Kasabach-Merritt-Syndrom
Klinik
Kavernöse, büschelartige (tufted) oder Kaposi-artige Hämangiome in der Haut an Extremitäten, Stamm oder Gesicht, seltener in Leber oder Milz, führen bei raschem Wachstum im Säuglingsalter zu einer hämorrhagischen Diathese, die nicht nur vaskulär, sondern auch durch eine Umsatzstörung von Fibrinogen und anderen Gerinnungsfaktoren sowie von Plättchen bedingt ist. Die Hämostasestörung kann sehr selten bis zum Vollbild einer disseminierten intravasalen Gerinnung führen. Zusätzlich werden petechiale Blutungen der Haut, Schleimhautblutungen und Suffusionen beobachtet.
Therapie
Heparin wird zur Hemmung der Umsatzstörung gegeben. Es wird versucht, den Tumor durch Resektion oder Bestrahlung zu verkleinern. Spontane Regression des Kavernoms nach Thrombosierung ist möglich.

Erworbene vaskuläre hämorrhagische Diathesen

Purpura senilis

(Bateman 1818)
Synonym
Purpura actinica
Ätiopathogenese
Altersbedingt (intrinsisches Altern) und durch chronische Lichtschädigung (extrinsisches Altern) entstehen degenerative Veränderungen an den Gefäßwänden und im umgebenden dermalen Gewebe durch Kollagenminderung (Koriumatrophie) sowie Ablagerung elastotischen Materials (aktinische Elastose). Die gesteigerte und zumeist durch akute Scherkräfte ausgelöste Gefäßpermeabilität (schwallartige Einblutungen) wird durch erhöhte Brüchigkeit von Kollagenfibrillen und Minderung der Viskoelastizität des Koriums erklärt.
Nach langfristiger systemischer oder lokaler Glukokortikoidanwendung sieht man ebenfalls Hämorrhagien vom Typ der Purpura senilis (Purpura corticosteroidica, Steroidpurpura).
Klinik
Es handelt sich um eine häufige, nach dem 60. Lebensjahr bei Männern und Frauen mit gleicher Inzidenz auftretende vaskuläre Störung. Betroffen sind dabei chronisch sonnenexponierte und atrophische Hautbezirke. Bevorzugte Lokalisation dieser für den Patienten keine Beschwerden verursachenden, aber ästhetisch häufig recht spektakulären Veränderungen sind Handrücken und Unterarmstreckseiten (Abb. 6). Es treten rasch bis 5 cm große, häufig bizarr konfigurierte, scharf begrenzte, rötliche oder blaurötliche hämorrhagische Flecke auf, die durch Hämosiderinablagerung langsam in bräunliche Pigmentierungen übergehen. Die Haut ist atrophisch dünn, sebostatisch und ungemein leicht verletzbar (reißt ein wie nasses Löschpapier).
Therapie
Eine Kausalbehandlung ist nicht möglich. Indiziert sind eine die Hautgeschmeidigkeit verbessernde topische Pflegetherapie und die Vermeidung mechanischer Traumata sowie zumindest von topischen Glukokortikoiden. Bei glukokortikoidinduzierter Purpura wird diese Therapie abgesetzt, wenn möglich.

Purpura orthostatica

(Schultz 1918)
Synonyme
Orthostatische Purpura, Dermite ocre, ockergelbe Purpura
Ätiopathogenese
Infolge erhöhten hydrostatischen Drucks entstehen perikapillar Erythrozytenextravasate. Das Hämoglobin des nicht resorbierten Bluts wird zu Hämosiderin abgebaut und in der Haut abgelagert. Zusätzlich besteht gleichzeitig eine Hyperpigmentierung durch Melanin.
Klinik
Besonders an den distalen Dritteln beider Unterschenkel, seltener an den Unterarmen, werden diese petechialen Blutungen, häufig in Assoziation mit einer chronischen Veneninsuffizienz, seltener bei Herzerkrankungen und Kreislauferkrankungen beobachtet. Es entwickeln sich rötliche, später gelbliche, braungelbe (ockergelbe) oder braunviolette Pigmentierungen, die weitläufig konfluieren können. Die dadurch bedingte Verfärbung der Haut bleibt gewöhnlich permanent.
Therapie
Die venöse Insuffizienz wird behandelt (Kap. „Erkrankungen der Venen“). Die Wirksamkeit so genannter kapillarabdichtender Medikamente ist nicht gesichert.

Mechanische Purpura

Sie tritt meist in Form von Petechien auf und wird durch einen erhöhten Kapillardruck, beispielsweise beim Valsalva-Manöver, durch Unterdruck (EKG-Saugknöpfe oder nach saugendem Kuss am Nacken: Medaillon d’amour), bei starkem Husten oder Einsatz von Blasinstrumenten, auch bei starker körperlicher Belastung (exercise-induced purpura) beobachtet. Eine druckbedingte und meist anulär konfigurierte Purpura kann durch Aufprall von Squashbällen oder Golfbällen und Farbkugelbeschuss (paintball purpura) ausgelöst werden. Ungewöhnliche Konfigurationen wecken den Verdacht auf Misshandlung.

Paroxysmales Fingerhämatom

(Achenbach 1957, 1958)
Synonyme
Fingerapoplexie, paroxysmales Handhämatom, Achenbach-Syndrom
Ätiopathogenese
Diskutiert werden eine lokale Gefäßfragilität, hypererge Gefäßwandschäden, neurovegetative oder hormonelle Störungen.
Klinik
Unter stechendem Schmerz tritt vornehmlich bei älteren Frauen spontan oder nach banaler mechanischer Belastung plötzlich ein Hämatom an der Beugeseite eines Fingers oder an der Hohlhand auf. Selten sind ähnliche Hämatome auch an Füßen zu finden (Abb. 7). Im Intervall, besonders nach Anstrengung, kann man ektatische Hautvenen beobachten. Hämatom und ödematöse Schwellung bilden sich nach wenigen Tagen zurück, können aber chronisch rezidivieren. Eine Dopplersonografie liefert einen unauffälligen Befund und räumt einen Ischämie-Verdacht aus.
Labor
Es zeigen sich normale Blutgerinnung, normale Thrombozytenzahl und Thrombozytenfunktion. Der Rumpel-Leede-Test ist negativ.
Therapie
Sie erfolgt symptomatisch. Starke mechanische Belastung muss vermieden werden.

Purpura factitia

Blutungen können auch durch Manipulationen hervorgerufen sein, beispielsweise durch absichtliches Kneifen der Haut (Kneifartefakte). Diese Art der Purpura kann differenzialdiagnostisch Schwierigkeiten bereiten, wobei eine atypische Lokalisation – entweder nur an gut sichtbaren Körperteilen oder immer an demselben Körperteil – wegweisend für die artifizielle Verursachung, aber auch für Misshandlungsfolgen ist (Kap. „Psychodermatologische Krankheitsbilder“). Spritzerartige Blutungen an den vorderen Achselfalten, besonders bei Frauen, am Hüftgürtel oder den Fußrücken werden oft mechanisch durch Druck und Zug der Kleidung oder durch das Schuhwerk ausgelöst.
In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass Hämostasestörungen auch durch Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten vorgetäuscht werden können. Die Klärung hämostaseologischer Parameter durch Gerinnungstests, einschließlich Blutungszeit und Rumpel-Leede-Test, ist bei solchen Patienten vor psychiatrischer Exploration empfehlenswert.

Purpura bei Stoffwechselstörungen

Mit Hauteinblutungen ist bei Vitamin-C-Mangel (Kinder unter Malnutrition, Jugendliche und junge Erwachsene mit Anorexie), Diabetes mellitus und Hyperkortizismus (Cushing-Syndrom, topische und systemische Glukokortikoidtherapie) zu rechnen. Bei Diabetes mellitus werden vaskuläre Hämostasestörungen als Folge einer erhöhten Gefäßfragilität und Gefäßpermeabilität aufgefasst. Es kann zu retinalen Blutungen und Purpura kommen. Eine Akkumulation von nichtenzymatisch glykosylierten Proteinen in der Gefäßwand des Diabetikers wird als Ursache für die gestörte Endothelfunktion interpretiert (Kap. „Endokrinologische Erkrankungen“).

Purpura bei Infektionskrankheiten

Infektionen durch Bakterien, Viren, Rickettsien oder Protozoen (Malaria) können mit einer Purpura einhergehen. Gemeinsam ist diesen Formen, dass eine gesteigerte Gefäßpermeabilität besteht, die durch Interleukine und Tumornekrosefaktor verursacht werden kann. Die Maximalform bei disseminierter intravasaler Gerinnung ist die Purpura fulminans, wie bei akuter septischer Infektion (durch Meningokokken, dabei Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, wenn Nebennierenrindenversagen auftritt) (Kap. „Weitere Bakterieninfektionen der Haut“), insbesondere bei Kindern postinfektiös (zumeist Varizellen, Streptokokken) sowie idiopathisch.

Purpura durch allergische Vaskulopathien

Entzündliche Veränderungen an den kleinen Gefäßen führen zur Permeabilitätssteigerung der Gefäßwände und zu Hämorrhagien. Im Vordergrund stehen direkte Einflüsse auf das Endothel durch allergische Mechanismen. Bei Immunkomplexvaskulitiden können Immunkomplexniederschläge in der Gefäßwand und im perivaskulären Raum nachgewiesen werden, die sekundär eine komplementinduzierte Diapedese von neutrophilen Granulozyten und auch Erythrozyten verursachen und zum Symptom der palpablen Purpura (Vasculitis allergica) führen (Kap. „Vaskulitis“).

Hämorrhagisch-pigmentäre Dermatosen

Diese klinisch, topografisch und in der zeitlichen Ausbreitung gut als solche erkennbaren Purpuraformen haben eine im Stratum papillare der Dermis etablierte lymphozytäre entzündliche Infiltration gemeinsam. Die Folge sind schleichende kontinuierliche oder rezidivierende Einblutungen mit Nachweis frischer Erythrozytenextravasate und Hämosiderin-speichernden Makrophagen (Siderophagen). Zusätzlich wirkt der erhöhte hydrostatische Druck an abhängigen Körperpartien prädilektionsbestimmend. Reaktiv kann es zu epidermalen ekzematösen Veränderungen und Juckreiz kommen. Differenzialdiagnostisch kann eine Mycosis fungoides klinisch einer Pigmentpurpura ähneln oder dieser auch folgen. Bei chronisch-progredientem Verlauf ist deshalb eine Hautbiopsie sinnvoll.

Purpura pigmentosa progressiva

(Schamberg 1901)
Synonym
Morbus Schamberg
Epidemiologie
Die Erkrankung ist relativ häufig, in jedem Lebensalter möglich, betrifft aber meist ältere Männer. Selten wurde familiäres Auftreten beschrieben.
Ätiopathogenese
Eine pathogenetische Interpretation der chronischen oberflächlichen lymphozytären Vaskulitis mit Erythrozytendiapedese ist nicht sicher möglich. Es wird an eine allergische Reaktion vom Spättyp (Typ IV nach Coombs und Gell) gedacht. Verschiedene Medikamente, insbesondere Schlafmittel und Beruhigungsmittel (Diazepam oder Meprobamat), aber auch Sildenafil, sowie Nahrungsmittel, Getränke-Zusatzstoffe (diet-induced) und Kontaktallergene (Azo-Farbstoffe in Textilien) werden als Auslöser angeschuldigt. Odontogene (peridontale) abszedierende Entzündungen sind als ursächlich wahrscheinlich angesehen worden. Auch der Modus eines hämatogenen allergischen Kontaktekzems unter dem klinischen Bild der chronischen Pigmentpurpura ist zu erwägen, wie durch das obsolete, in Deutschland nicht mehr auf dem Markt befindliche Bufexamac bei Anwendung als Hämorrhoidalmittel. Oft finden sich jedoch keine Ursachen, manchmal ungewöhnliche zeitlich bezogene Schübe (nach intensivem Muskeltraining im Fitness-Studio).
Klinik
Die Erkrankung beginnt meist symmetrisch an den Unterschenkeln und greift auf Oberschenkel, Stamm und Arme über (Abb. 8 und 9). Es entstehen unregelmäßig konfigurierte, verschieden große, bräunlich rote Flecken mit randständigen stippchenartigen, Cayenne-Pfeffer-artigen Petechien, die bei Diaskopie nicht wegdrückbar sind. Später nehmen die Herde eine gelbliche Farbe an und können abblassen. Gelegentlich tritt eine geringfügige Atrophie der Haut auf. Der Verlauf ist zumeist chronisch über viele Monate oder Jahre.
Als klinische Varianten gelten:
  • Purpura anularis teleangiectodes (Majocchi 1896) – anuläres Muster
  • Lichenoide Purpura (Gougerot und Blum 1925) – kleine lichenoide Papeln
  • Ekzematidartige Purpura (Doucas und Kapetanakis 1953) – mit Schuppung
  • Lichen aureus (Martin 1958) – Gruppen von lichenoiden, gelblich tingierten Papeln
Histopathologie und Differenzialdiagnose
Die Purpura pigmentosa progressiva (PPP) mit ihren klinischen Varianten bietet eine spezifische Histologie mit oberflächlicher perivaskulärer lymphozytärer Infiltration und frischen Erythrozytenextravasaten (entzündliche Purpura). Auch Beteiligungen von Makrophagen und Epitheloidzellen sind als granulomatöse (histologische) Variante (mit Hyperlipidämie in 50 %) beschrieben worden. Eine Mycosis fungoides und eine Sarkoidose mit klinischer Phänokopie einer PPP (pigmented purpuric dermatosis-like) wären somit erkennbar, eine leukozytoklastische Vaskulitis (Vasculitis allergica) als Immunkomplex-Erkrankung ließe sich ausschließen.
Therapie
Die Formen sind zwar harmlos, kosmetisch jedoch oft sehr störend. Die Therapie bleibt unbefriedigend, auch wegen beträchtlicher Rückfälligkeit. Wichtigste Maßnahmen sind Identifizierung und Meiden der auslösenden Faktoren. Bei chronischer Beinveneninsuffizienz können Kompressionsverbände zur Beseitigung der die Dermatose begünstigenden Stauungszustände beitragen.
Bei ausgedehnten Formen ist die Creme- oder Bade-PUVA-Therapie aufgrund der Datenlage als effektiv anzusehen, auch die UVB-Therapie als Narrow-band-Variante.
Systemisch
Kurzfristig können Glukokortikoide (20–40 mg Prednisolon) verabreicht werden; sie wirken aber zumeist nur morbostatisch. Die Wirkung gefäßabdichtender Medikamente ist zwar nicht hinreichend belegt, immerhin aber harmlos und an kleinen Kollektiven mit rascher und gar anhaltender Abheilung beschrieben (Bioflavonoid: Rutosid: 2-mal 50 mg/Tag + Vitamin C: 2-mal 500 mg/Tag).
Topisch
Oft wirkt eine über einen kurzen Zeitraum angewandte mäßig starke glukokortikoidhaltige Creme bessernd.
Lichen aureus
(Martin 1958)
Synonym
Lichen purpuricus (Calnan 1960)
Ätiopathogenese
Der Lichen aureus gehört zu den hämorrhagisch-pigmentären Dermatosen, Beziehungen zu Lichen ruber und Mycosis fungoides bestehen nicht. Die Auslösung der Hauterscheinungen durch Arzneimittel (zum Beispiel Interferon-α plus Ribavirin) wird diskutiert.
Klinik
Lichen aureus ist selten, betrifft aber bevorzugt Kinder. Meist einseitig, oft in segmentaler, zosterartiger Anordnung entsteht gleich häufig an unteren und oberen Extremitäten oder Unterbauch eine Gruppe kleiner lichenoider Papeln (agminiert) von rötlichbraunem oder goldgelbem Farbton, die scharf abgegrenzt und dabei oft von einem feinen rötlichen oder gelblichen Randsaum umgeben sind (Abb. 10). Gelegentlich besteht geringfügiger Juckreiz. Der Verlauf ist chronisch über Monate und Jahre; danach ist eine Spontanremission möglich. Nicht selten wird differenzialdiagnostisch ein nummuläres Ekzem erwogen. Dermatoskopische Merkmale sind hilfreich für die Diagnose.
Histopathologie
Die frische lichenoide Primäreffloreszenz ist charakterisiert durch eine normale Epidermis und ein vorwiegend perivaskuläres, daneben bandförmiges lymphohistiozytäres Infiltrat im oberen Korium. Meist ist dieses durch ein Band normalen Bindegewebes von der Epidermis getrennt. Erythrozyten findet man frei im Gewebe und in Makrophagen Hämosiderin.
Therapie
Die Ursachen, besonders angeschuldigte Medikamente, müssen gemieden werden. Im Allgemeinen spricht die Erkrankung gut auf topische Glukokortikoide an. Weitere Ansätze sind Tacrolimus und gepulster Farbstofflaser.

Schmerzhaftes Ekchymosen-Syndrom

(Gardner und Diamond 1955)
Synonyme
Gardner-Diamond-Syndrom, erythrocyte autosensitization, DNA sensitization
Ätiopathogenese
Angenommen wurde zunächst eine Autosensibilisierung gegen eine Komponente (Phosphatidylserin) der Zytoplasmamembran von Blutzellen. Die Erkrankung wird als individuelle Reaktion auf psychoemotionale Traumata bei hysterischer Persönlichkeitsstruktur angesehen und kommt vorwiegend bei Frauen vor. Bei Kindern ergibt sich die differenzialdiagnostische Abwägung einer Kindesmisshandlung.
Klinik
Nach einem Vorstadium (Jucken, Brennen) treten spontan Hautinfiltrationen auf, bevorzugt an den Streckseiten der Beine, aber auch am Rumpf oder im Gesicht, welche innerhalb eines Tages in Ekchymosen übergehen und in wenigen Tagen narbenlos abheilen. Häufig sind diese Hautmanifestationen von Allgemeinsymptomen begleitet, wie Magen-Darm-Störungen, Myalgien, Kopfschmerzen, Schwindel und Parästhesien, und simulieren somit eine systemische Erkrankung. Assoziationen mit einer autoimmunen Krankheit wurden gleichwohl berichtet. Phasen mit weiterhin akuten Exazerbationen, bei einzelnen Patienten auch dauerhafte Remission sind beobachtet worden.
Differenzialdiagnose
Artefakt.
Diagnostisches Vorgehen
Die Objektivierung der manipulativen Auslösung gelingt durch die intrakutane Applikation gewaschener autologer Erythrozytensuspension verschiedener Konzentration am Rücken und beiden Unterarmen (mit einerseits gezielter Manipulation des Tests am Rücken und andererseits Hinweis an den Patienten, dass an einem Unterarm positive Reaktionen zu erwarten seien).
Therapie
Die Allgemeinsymptome werden symptomatisch behandelt. Antihistaminika oder Chloroquin sind weitgehend wirkungslos. Glukokortikosteroide sind bei Zeichen der Entzündung zunächst sinnvoll. Zur Remissionsinduktion sind zuallererst Antidepressiva zu erwägen. Ein Teil der Patienten scheint von einer Psychotherapie zu profitieren.

Purpura und Hämatome: Potpourri von Seltenem und Wichtigem

Nicht selten können Dermatosen hämorrhagisch werden, so die konventionelle Urtikaria, der Zoster, das Erythema migrans, die Urtikariavaskulitis, kutane leukämische Infiltrate und selten Metastasen, auch allergische Kontaktekzeme und eine Sarkoidose. Purpuriforme Papeln an Händen und Füßen (gloves and socks) sowie auch an den großen Flexuren sind lokalisationstypische Hinweise auf eine Parvovirus-B19-Infektion. Akrale Papulopusteln mit hämorrhagischem Saum sind charakteristisch für die disseminierte Gonokokken-Infektion (benigne Gonokokkensepsis), auch für die schwer zu diagnostizierende chronische Meningokokkämie bei Erwachsenen (PCR aus Hautbiopsien!). Febrile Kinder mit auch nur wenigen Petechien sollten an eine akute Meningokokkeninfektion denken lassen. Purpuriforme Läsionen an Fingerspitzen treten bei Embolisation durch ein kardiales Vorhof-Myxom auf. Hämorrhagische Maculae an Palmar- und Plantarflächen sollten immer eine bakterielle septische Embolie vermuten lassen. Purpuriforme, teils palpable Läsionen an Extremitäten sind bei immunsupprimierten Transplantatträgern verdächtig auf mykotische Mikroembolie (zum Beispiel aus Anastomosen-Aneurysmen). Retiforme purpurische Läsionen treten bei systemischer Mykose (beispielsweise Aspergillose) und essenzieller Thrombozythämie auf. Eine hämorrhagische Weichgewebeinfektion (Cellulitis) kann verschiedene Ursachen haben – eine mit hohem Letalitätsrisiko, insbesondere bei Menschen unter Hämodialyse oder bei schwerer Lebererkrankung, ist die Vibrio-vulnificus-Infektion. Hämorrhagische Blasen können (mit zentraler schwarzer Nekrose) beim Ecthyma gangraenosum auftreten, auch bei paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie und Spinnenbissen (Fernreise, Hobby-Haltung).
Hautpurpura am Bauchnabel (Cullen-Zeichen) oder an den Flanken (Gray-Turner-Zeichen) weist auf ein Pankreaskarzinom hin. Periokuläre und periorale, zumeist symmetrische flächenhafte Hauteinblutungen sind richtungsweisend für eine systemische Amyloidose. Kleine hämorrhagische Papeln mit Schuppenkrusten in seborrhoischen Arealen sollten an eine Langerhans-Zell-Histiozytose denken lassen. Es ist ratsam, bei Kindern mit purpuriformer Windeldermatitis oder Kopfhautekzem eine Hautbiopsie durchzuführen. Bei älteren Menschen sollten Petechien auch an bislang unerkannte Gammopathien (Morbus Waldenström) denken lassen.
Die Histologie ungewöhnlich lokalisierter Purpura kann überraschend spezifisch sein und dadurch eine frühe korrekte Diagnose von Systemkrankheiten ermöglichen: Bei Petechien an Fingerspitzen und Palmoplantarflächen (besonders bei Kindern) findet man neutrophile Papillenabszesse als Hinweis auf eine Dermatitis herpetiformis Duhring, an eingeblutet erscheinenden Fingernagelbetten epidermotrope atypische Lymphozyten und Pautrier-Mikroabszesse als kutane Manifestation einer HTLV-I-Infektion.
Für das CD4+-CD56+-hämatodermische Neoplasma (früher: Blastisches NK-Zell-Lymphom, heute: Blastisches plasmacytoid dendritisches Zell-Neoplasma) ist der starke hämorrhagische (kontusiforme) klinische Aspekt typisch (>90 % der Fälle). Das Angiosarkom am Kopf alter Menschen beginnt meist uncharakteristisch mit schmerzhaftem, ödematösem Erythem und folgendem hämatomartigem Aspekt (frühe, multiple Biopsien sind indiziert). Netzartige Purpuraformen, auch Purpura-fulminans-artige Konfigurationen (Sugillationen und Ekchymosen) sind charakteristische Hautmanifestationen bei Kryoprotein-Krankheiten (intravasale Gelbildung, Agglutination).
Bei fieberhaftem Exanthem und Fernreiseanamnese ist ein hämorrhagisches Dengue-Fieber zu erwägen, wenn nach einigen Tagen im Exanthemverlauf durch Petechien ein hämorrhagisches klinisches Bild entsteht. Purpuriforme makulopapulöse Effloreszenzen in linearer oder gruppierter Konfiguration mit Juckreiz sind hochverdächtig auf Wanzenstiche, insbesondere bei erhärtender Reiseanamnese. Die zentralen Einstichorte von Flohstichen sind zumeist hämorrhagisch (Purpura pulicosa). Menschenbisse bieten meist Hämatome mit eher oberflächlichen Hautdefekten.
Das dermatologische Signal Purpura kann durch Hautbiopsie und gezielte Laborwerte rasch zu sehr seltenen Diagnosen führen. So ist das klinisch variable, jedenfalls für primäre maligne Lymphome der Haut untypische Bild bei dem intravaskulären großzelligen Lymphom der Haut (zumeist B-Zelltyp) häufig von einer Pannikulitis und einer Purpura geprägt. Auch ein Makrophagenaktivierungssyndrom bei Autoimmunerkrankungen (Morbus Still) mit starker Hämophagozytose kann dermatologisch als Pannikulitis und mit purpuriformem Exanthem imponieren. Eine zumeist typisch perifollikuläre Purpura bei offenkundig untergewichtigen dünnen Jugendlichen (auch Jungen) sollte an einen Vitamin-C-Mangel bei Anorexie denken lassen.
Bei Hämatomen nach Bagatelltraumata sind zu erwägen, insbesondere bei Verdacht auf Kindesmisshandlung: Von-Willebrand-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom, Hämophilie A und B, Marfan-Syndrom, Lipödem. Spontane multiple Hämatome der Haut, auch mit schwerer extrakutaner Beteiligung (gar Cerebrum), sind eine wohl unterschätzte Komplikation bei antidepressiver Therapie mit Serotoninwiederaufnahmehemmern (Paroxetin).
Klinische Zeichen und Symptome einer lokalen oder systemischen Störung der Hämostase (Blutung und/oder Hyperkoagulabilität) an der Haut und den angrenzenden Schleimhäuten sollten komplett registriert und klar benannt werden. Purpura (Petechien), Sugillationen, Ekchymosen, Suffusionen, aber auch eine lokalisierte oder regionalisierte Livedo racemosa mit Ulzera, auch purpuriforme Pusteln und Papeln sind ein Dorado des interdisziplinär denkenden und handelnden Dermatologen. Eine Hautbiopsie ist zumeist unerlässlich, liefert nicht selten krankheitsspezifische morphologische Befunde. Die Zahl von diagnostisch hilfreichen sensitiven und mehr oder minder spezifischen Laborparametern ist auch für den Nicht-Hämostaseologen überschaubar. Die vielfach entschlüsselten Ätiopathogenesen liefern heute die Basis für manche sehr effektive Therapiemodalitäten mit Biologika (targeted therapies).
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