Einführung
Immunreaktionen beeinflussen entscheidend den Verlauf zahlreicher Erkrankungen der Haut, selbst bei primär nicht immunologisch bedingten Erkrankungen. Ein prominentes Beispiel könnten Patienten mit atopischem Ekzem sein. Als komplex genetisch vererbte Erkrankung findet man Veränderungen im Immunsystem und in der Hautbarriere. Außerdem bedingen primäre Barrierestörungen beispielsweise durch Mutationen im Filaggrin-Gen schwere Immun- und Entzündungsreaktionen der Haut und erleichtern eine perkutane Sensibilisierung gegenüber Nahrungsmitteln. Eine funktionierende epidermale Barriere wird also einerseits für ein balanciertes Immunsystem benötigt, andererseits ist ein funktionierendes Immunsystem für die physiologische Homöostase der Haut erforderlich. Die normale Immunantwort kann gegen Krankheitserreger wie Parasiten, Pilze,
Bakterien, Viren sowie auch Tumoren oder
Gifte, wie Diphtherietoxin, schützen. Bei Infektionen, besonders dem erworbenen Immundefizienz-Syndrom (
AIDS), oder unter medikamentöser Immunsuppression kann die physiologische Immunabwehr blockiert oder verfälscht werden. Verfälschte oder fehlgeleitete Immunantworten sind für die verschiedenen Formen von
Autoimmunkrankheiten und für allergische Reaktionen verantwortlich. Zu letzteren zählen Arzneimittelreaktionen, Typ-I-Allergie bei extrinsischem Asthma, Rhinitis allergica und Hymenopterengift-Allergie sowie die
Typ-IV-Immunreaktion, verantwortlich für Kontaktallergie, aber auch für entzündliche Hauterkrankungen wie
Psoriasis,
Lichen ruber und Graft-versus-Host-Reaktion (Kap. „Grundprinzipien von Allergie- und Intoleranzreaktionen“).
Durch
Impfungen, Glukokortikoidtherapie,
Immunsuppressiva, Photo- und Photochemotherapie,
Zytokine oder Zytokinantagonisten sowie durch Medikamente mit nicht genau definierten, immunmodulatorischen Eigenschaften wird kontinuierlich in die Regulation des Immunsystems eingegriffen.
Die Abläufe von Immunreaktionen haben sich so weit klären lassen, dass sich wichtige Aspekte der Pathogenese bei vielen dermatologischen Krankheiten und grundlegende Mechanismen immunmodulierender Therapien erklären lassen.
Immunität, Allergie und Autoimmunität
Wird ein
Antigen von alarmierten APZ den spezifischen
T-Lymphozyten im Lymphknoten präsentiert, beginnen diese,
Zytokine zu produzieren, insbesondere Interleukin-2, neue Oberflächenmoleküle zu exprimieren und sich zu teilen. Dies kann innerhalb weniger Tage zu einer 10.000-fachen klonalen Expansion führen. Gleichzeitig finden wichtige Differenzierungsvorgänge statt, die den weiteren Verlauf der Immunantwort bestimmen. Beispielsweise entwickeln sich T-Lymphozyten zu den unterschiedlichen funktionellen Phänotypen, die anschließend den Ablauf der Immunantwort festlegen.
Th1-Zellen etablieren die zellvermittelte Immunität, die vor intrazellulären Krankheitserregern wie Viren oder Mykobakterien und Tumoren schützen kann. Klassische Beispiele sind die zelluläre Tuberkulinreaktion und eine Immunität gegen Herpes simplex.
Th17-Zellen
sind bei Infektionen durch Candida-Pilze und Staphylokokken involviert, wenn neben der T-zellulären Immunantwort- auch neutrophile Granulozyten auftreten. Bei Fehlen von Th17-Zellen durch Mutation von STAT3 kommt es zum Krankheitsbild der chronisch mukokutanen Kandidose, ein kaum zu therapierendes Krankheitsbild, welches die Bedeutung der Th17-Zellen für die Abwehr von Candida-Pilzen beweist.
Die Antwort der Th2-Zellen, die durch Interleukin 4, -9, -10 und -13 charakterisiert ist, ist für die Abwehr von extrazellulären Parasiten, insbesondere Nematoden, wichtig.
Diese Immunreaktionen können schädlich werden, wenn sich die Immunität nicht gegen pathogene
Antigene, sondern gegen Umweltsubstanzen richtet, mit denen ein regelmäßiger Kontakt gewünscht wird. Dann wird die Immunität, sei sie vom Th1-, Th17- oder Th2-Typ, als
Allergie bezeichnet. Allergie ist nicht dadurch definiert, dass eine unphysiologische Reaktion abläuft. Folgende zwei Eigenschaften charakterisieren eine Allergie:
Kontaktallergien und die lichenoide Graft-versus-host-Reaktion sind wichtige Beispiele einer Th1-Immunität, die sich als Allergie vom verzögerten Typ zeigen (Typ-IV-Allergie). Sind neutrophile Granulozyten beteiligt, erfolgt wahrscheinlich auch eine Aktivierung von Th17-Zellen. Beispiele für
Allergien mit Immunreaktionen vom Th2-Typ sind Rhinitis allergica, allergisches Asthma, Hymenopterenallergie, Kontakturtikaria und einige medikamenteninduzierte Sofortreaktionen (Typ-I-Allergie; Kap. „Grundprinzipien von Allergie- und Intoleranzreaktionen“).
Eine Immunantwort kann auch schädlich werden, wenn sie so ineffizient ist, dass biologisch signifikante Mengen an Krankheitserregern oder
Antigenen persistieren. Als erstes erkannt wurde dies bei der chronisch persistierenden Hepatitis. Eine vergleichbare Situation besteht in den Spätstadien der Lues, den verschiedenen Formen der
Lepra, bei
Tuberkulose, persistierender
Tinea pedum, chronischer Leishmaniose, Fremdkörpergranulomen und eventuell bei der
Sarkoidose.
Natürliche Toleranz, induzierte Toleranz und Terminierung von Immunreaktionen
Eine wichtige klinische Qualität des Immunsystems ist die aktive immunologische Toleranzreaktion
. Eine aktive immunologische Toleranzreaktion stellt wohl in der Regel die Normalreaktion gegenüber harmlosen Kontaktstoffen dar, nicht das passive Nicht-Reagieren. Dafür ist das Immunsystem mit Toleranz vermittelnden natürlichen Treg-Zellen ausgestattet. Patienten mit einer Mutation des für Treg-Zellen wichtigen Foxp3-Gens (X-chromosomales IPEX-Syndrom) leiden an einem schweren, polyglandulären Autoimmunsyndrom mit Polyendokrinopathie, Enteropathie und Diabetes mellitus Typ 1 mit frühem Beginn sowie Vitiligo und anderen Hautkrankheiten.
Um pro-entzündliche oder allergische Immunreaktionen durch Toleranzreaktionen ausgewogen balancieren zu können, muss das Immunsystem eine Vielzahl von Zellen und Mechanismen aufeinander abstimmen. Etwa die Hälfte aller kutanen
T-Lymphozyten im Rahmen einer
allergischen Kontaktdermatitis stellen Treg-Zellen dar. Es sind heute verschiedene Typen von regulatorisch wirkenden T-Zellen beschrieben sowie unterschiedliche Phänotypen von regulatorisch wirksamen APZ, die entweder selbst anti-entzündlich wirken oder die verschiedenen regulatorisch wirkenden T-Zellen induzieren. Weitere diskutierte Populationen sind die myeloiden regulatorischen Zellen, wie die alternativ aktivierten
Makrophagen (AAM), die myeloid derived suppressor cells (MDSC) oder regulatorisch wirkende Mastzellen.
Die Bedeutung der aktiven Immunsuppression ist unter physiologischen Bedingungen der Erhalt einer Immun- und Organ-Homöostase. Bei einigen krankhaften Bedingungen, bei chronischen Infekten oder Tumorleiden, ist die immunologische
Toleranz unerwünscht, da sie eine wirksame Abwehr behindert. Toleranzmechanismen greifen zudem oft in entzündliche Immunreaktionen ein, um diese zu beruhigen (Terminierung einer Immunreaktion). Immunologische Toleranz wird auch reguliert: Toleranz kann verlorengehen, beispielsweise, wenn eine Autoimmunkrankheit entsteht. Eine aktive Toleranz kann aber auch entstehen, wenn Kinder ihre Nahrungsmittelallergie verlieren. Auch die Wirkung der Hyposensibilisierung, einer systemischen allergenspezifischen Immuntherapie, kann mit der Induktion einer aktiven immunologischen Toleranz erklärt werden (Kap. „Erkrankungen durch Bienen- und Wespenstiche“). Das natürliche Entstehen einer aktiven Toleranz nach Antigen-Kontakt im Verlauf einer Immunreaktion könnte auch erklären, warum eine Hyposensibilisierung bei
Allergien klinische Routine ist, während es immer noch nicht richtig gelungen ist, bei bestehenden Infektions- und Tumorkrankheiten eine therapeutisch wirksame Th1- oder Th17-Immunität zu induzieren – es sei denn, man blockt einen Mechanismus der Toleranz, eine immunologische Bremse, so mit Anti-CTLA-4-Antikörpern, Anti-PD1-Antikörpern, Anti-PDL1-Antikörpern oder Cyclophosphamid.
Therapeutische Ansätze
Die älteste immunologische Therapie
ist die Impfung. Hier wird mit Antigenen, die große Homologien oder gar Identität mit Antigenen von pathogenen Keimen oder Toxinen aufweisen, eine immunologische Gedächtnisantwort induziert. Diese Gedächtnisantwort befähigt den Körper, spezifisch einen Erreger oder ein Toxin beim nächsten Kontakt schon in so kurzer Zeit abzufangen, dass es entweder gar nicht zur Krankheit kommt oder die Krankheitsverläufe deutlich milder ablaufen, als dies ohne Impfung der Fall wäre.
Therapieansätze mit dem Ziel, das Immunsystem durch
Zytokine so zu erziehen, dass eine fehlende in eine wirksame
antitumorale Antwort überführt wird, sind die Behandlungen mit Interferon-α bei Tumoren und Viruskrankheiten, Interleukin 2 beim
Melanom oder die Stimulation von TLR7 und TLR8 durch Imiquimod bei der Behandlung von durch Papillomvirus induzierten Warzen oder In-situ-Karzinomen wie
aktinischen Keratosen. Ein weiterer Erfolg ist der Einsatz von Anti-CTLA-4-, Anti-PD1- oder Anti-PDL1-Antikörpern als Therapie des metastasierten Melanoms. Mit diesem Ansatz ist erstmals gezeigt worden, dass eine immunologische Abwehr und somit auch Immuntherapien beim Melanom einen wirksamen Therapieansatz darstellen und sogar Langzeitremission erreicht werden können.
Anti-Zytokin-Antikörper, insbesondere jene gegen TNF, Interleukin 1, -6, -12/23, oder -17, haben als eine wirksame Behandlung schwerer entzündlicher Krankheiten die Therapie der Psoriasis, Psoriasis-Arthritis, möglicher Weise der Gicht und anderer schwerer entzündlicher Krankheiten revolutioniert. Die Blockade von wichtigen Th2-Immuneffektorzytokinen wie Interleukin 4 und Interleukin 13 sind die erfolgreichsten Therapieansätze bei atopischem Ekzem und weiteren Erkrankungen des atopischen Formenkreises. Im Jahr 2016 wurde ein Medikament zur Blockade von Interleukin 5 zur Behandlung des schweren eosinophilen Asthmas zugelassen.
Trotz des kürzlich erreichten Erfolgs im Bereich spezifischer Immuntherapien ist der Hauptansatzpunkt der meisten immunologischen Therapien immer noch die Immunsuppression mit
Glukokortikoiden und
Immunsuppressiva wie
Methotrexat, Azathioprin, Mycophenolat Mofetil, Cyclophosphamid, Calcineurin-Inhibitoren oder mTOR-Inhibitoren (Kap. „Melanotische Flecke und melanozytäre Nävi“, und „Melanom“).
Glukokortikoide haben multiple, teilweise noch nicht ganz definierte Effekte auf das Immunsystem. Sie beeinträchtigen die Migration von Leukozyten, induzieren Zelltod in proliferierenden Lymphozyten und dendritischen Zellen und hemmen die Aktivierung von T-Lymphozyten und deren Interleukin-2-Produktion. Obwohl der molekulare Angriffspunkt ein anderer ist, beruht auch die Wirkung der Calcineurin-Inhibitoren Ciclosporin A, Pimecrolimus oder Tacrolimus darauf, die Produktion von T-Zell-Zytokinen zu unterbinden. JAK-Inhibitoren sind für die rheumatoide Arthritis zugelassen, weil sie als Inhibitoren proentzündlicher Signaltransduktion wirken. Sie werden auch in der Dermatologie beispielsweise für die Psoriasis entwickelt. Eine zunehmend wichtige, immunsuppressiv wirkende Medikamentengruppe werden die Proteinsynthese-Inhibitoren, die mTOR-Inhibitoren, sein. Sie sind von besonderem Interesse, weil sie nicht die Transkription von Zytokinen, sondern die Eiweißproduktion hemmen.
Neben
Glukokortikoiden sind
Methotrexat und Azathioprin die wichtigsten und am besten etablierten Immunsuppressiva, deren besonders gute Wirkung und therapeutische Sicherheit auch in neuesten Studien wiederholt belegt wurde. Methotrexat kann Funktionen der T-Lymphozyten und auch die Antikörperproduktion hemmen, weshalb es nicht nur bei Th1/Th17-Zell-vermittelten Krankheiten, sondern auch in der Therapie immunglobulinvermittelter Krankheiten, wie bullösen Autoimmunkrankheiten, eingesetzt wird. Azathioprin, Mycophenolat Mofetil und Cyclophosphamid, ursprünglich als Inhibitoren der DNA-Synthese entwickelt, können ebenfalls die Immunantwort von T- und B-Lymphozyten beeinträchtigen und werden zur Behandlung des Lupus erythematodes oder bullöser Autoimmunkrankheiten eingesetzt.