Jährlich erwerben geschätzte 100 Mio. Menschen weltweit Narben infolge von Verletzungen, Verbrennungen, operativen Eingriffen, persistierenden Entzündungen tieferer Hautschichten oder
Tätowierungen. Narben sind das permanent verbleibende Zeichen tieferer Verletzungen der Haut und entstehen im Rahmen der physiologischen Wundheilung.
Abhängig von individueller Disposition, Lokalisation, Ursache und Heilungsverlauf kann es jedoch zu einer pathologisch veränderten Wundheilung mit exzessivem oder atrophem Narbengewebe kommen.
Ätiopathogenese
Eine Verletzung der Haut und die damit verbundene gestörte Integrität der Hautbarriere aktiviert eine komplexe Kaskade von lokalen und systemischen Reaktionen. Diese folgen einem spezifischen zeitlichen Ablauf und können in drei unterschiedliche, teils überlappend ablaufende, Phasen unterteilt werden; eine exsudative beziehungsweise inflammatorische, eine proliferative und eine regenerative Phase.
Initial kommt es zu ausgeprägter Entzündung, Eliminierung von defektem Gewebe und Keimen. Es folgen Bildung neuer Gefäße, Aktivierung von Keratinozyten und Fibroblasten am Wundrand sowie Synthese extrazellulärer Matrixbestandteile. Dabei stimuliert eine Vielzahl von Wachstumsfaktoren, wie beispielsweise TGF-β (
transforming
growth
factor
beta), PDGF (
platelet
derived
growth
factor), EGF (
epidermal
growth
factor) und FGF (
fibroblast
growth
factor) die Wundheilung durch Steigerung der Kollagensynthese und Kollagenablagerung, Angiogenese und Epithelneubildung. Es entsteht ein provisorisches Gerüst aus
Fibrin, Fibronektin und Hyaluronsäure, das die Grundlage für das neugebildete Granulationsgewebe darstellt. In der Regenerationsphase wandeln sich Fibroblasten in Myofibroblasten um, deren Aktivität die Wundkontraktion maßgeblich reguliert. In der physiologischen Narbe entwickelt sich eine Balance zwischen Kollagenaufbau und Kollagenabbau. Die Strukturproteine Fibrin, Fibronektin,
Glykosaminoglykane und Kollagen Typ III werden durch extrazelluläre Matrixmoleküle, hauptsächlich Kollagen Typ I, ersetzt. Es entsteht mechanisch belastbares Narbengewebe.
Bei Störungen des regenerativen Heilungsprozesses kann es zu drei pathologischen Extremen in der Wunde kommen:
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Ein gestörter Wundverschluss führt zu einer chronischen Wunde (wie bei chronischen Ulzera).
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Länger persistierende Entzündungen in tieferen Schichten der Haut (wie Acne papulopustulosa und Acne conglobata) können zu atrophen Narben führen. Die Freisetzung von inflammatorischen Mediatoren führt zu einer Zerstörung von tieferen Strukturen (Dermis, subkutanes Fett) der Haut, die klinisch als Substanzverlust imponiert.
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Ein überschießender Heilungsprozess mit exzessiv gesteigerter Produktion von Bindegewebe führt zu überschießenden Narben.
Die Ätiologie und
Pathogenese überschießender Narben
ist nur teilweise verstanden. Unterschiedlichste Faktoren beeinflussen die pathologische Narbenbildung, darunter eine genetische/familiäre Prädisposition (positive Familienanamnese, dunkelhäutige Personen), hormonelle oder endokrine Faktoren (erhöhte Inzidenz während der
Pubertät und Gravidität),
Wundinfektionen, die Präsenz von Fremdmaterial in der Wunde und eine erhöhte Wundspannung.
Von besonderer Bedeutung für überschießende Narben scheint jedoch eine verlängerte oder verzögerte Wundheilung zu sein, wie sie nach Verbrennungen oder Verbrühungen beobachtet wird. Verbrennungswunden stellen daher häufig die Basis für verschiedene In-vivo- und In-vitro-Studien zur Identifizierung zugrunde liegender molekularer Prozesse dar. Während einige Autoren einen pathologischen Ablauf der Proliferationsphase als Auslöser für die Entstehung überschießender Narben ansehen, vermuten andere ihre Ursache in einer verlängerten Entzündungsphase. In beiden Szenarien spielen Fibroblasten eine zentrale Rolle, die durch die vermehrte Sekretion bestimmter
Zytokine und Wachstumsfaktoren, beispielsweise durch Keratinozyten, in ihrer Aktivität beeinflusst werden. Vor allem das Konzentrationsverhältnis der drei TGF-β-Isoformen während der initialen Wundheilungsphase scheint für die Bildung von überschießenden Narben von Bedeutung zu sein. Während TGF-β1 und -2 die
Fibrose und Narbenbildung vermitteln, scheint TGF-β3 die Narben zu hemmen.
Neben TGF-β sind eine Vielzahl von Wachstumsfaktoren und Wachstumsinhibitoren entscheidend für das koordinierte Zusammenspiel von Keratinozyten, Fibroblasten, passageren Entzündungszellen und Zell-Matrix-Interaktionen, besonders EGF, PDGF und FGF. Sie induzieren die Proliferation von Fibroblasten und der Matrix und könnten möglicherweise durch das Verschieben des Gleichgewichts zugunsten der Bindegewebssynthese an der Entstehung von überschießenden Narben beteiligt sein.
Histologisch sind hypertrophe Narben und Keloide durch massive Kollagen- und Glykoproteinablagerungen in der Dermis und Subkutis gekennzeichnet. Während sich in einer normalen Narbe relaxierte, regelmäßig angeordnete Kollagenfaserbündel finden, ist das histologische Bild der hypertrophen Narbe durch langgestreckte, wellenförmig und parallel zur Epidermis angeordnete dichte Kollagen-III-Fasern charakterisiert. Ein typisches Keloid hingegen zeigt bandartig verdickte hyalinisierte Kollagenfasern (Typ I und III) in unorganisierter Anordnung. In frischen Keloiden finden sich vermehrt Fibroblasten, Kapillaren, Mastzellen und entzündliche Infiltrate. Keloide enthalten im Zentrum wenig Zellen und im Unterschied zu hypertrophen Narben keine Myofibroblasten. Beide Entitäten zeigen eine persistierende Überproduktion von verschiedenen Strukturproteinen (
Fibrin, Fibronektin und Kollagen Typ III), welches als Zeichen für eine pathologisch verlängerte Proliferationsphase gedeutet werden kann.