Definition
Die Anti-GBM (glomeruläre Basalmembran)-Nephritis bzw. das Goodpasture-Syndrom zählen zu den Kleingefäßvaskulitiden. Ursächlich für die Erkrankung sind zirkulierende
Antikörper, die gegen intrinsische Bestandteile der glomerulären und alveolären Basalmembran gerichtet sind. Diese Antikörper führen zur Entwicklung einer rapid progressiven Glomerulonephritis an der Niere und zu pulmonalen Hämorrhagien an der Lunge. Der Begriff Anti-GBM-Nephritis findet Verwendung, wenn isoliert die Niere betroffen ist, der Begriff Goodpasture-Syndrom steht für eine Erkrankung, die sowohl Niere als auch Lunge betrifft, was bei etwa 20–60 % der Patienten der Fall ist.
Pathophysiologie
Die glomeruläre Basalmembran hat aufgrund ihrer besonderen Dicke (250–400 nm) und ihrer Lage zwischen zwei Zellschichten, den Podozyten und den Endothelzellen, eine einzigartige Struktur. Die Anti-GBM-Nephritis ist eine von vielen Erkrankungen, die die glomeruläre Basalmembran betreffen. Es sind sowohl genetische als auch erworbene Erkrankungen beschrieben. Dabei kann unterschieden werden zwischen Erkrankungen, die mit Strukturstörungen von Proteinen einhergehen, die normalerweise in der GBM exprimiert werden (
Alport-Syndrom,
Pierson-Syndrom, Anti-GBM-Nephritis/Goodpasture-Syndrom), Erkrankungen, die mit der Ablagerung von extrazellulären Matrixproteinen einhergehen, die normalerweise nicht in der GBM exprimiert werden (
Nail-Patella-Syndrom, Fibronektin-Glomerulopathie) und Systemerkrankungen mit Ablagerungen im Bereich der GBM (Lecithin-Cholesterol-Acyl-Transferase-Defizienz, Glykogenose Typ I, Amyloidose).
Bei der Anti-GBM-Nephritis handelt es sich um eine klassische Antikörper-mediierte Erkrankung. Passiver Transfer von
Antikörpern aus
Plasma oder Glomeruluseluat von Patienten induziert eine Glomerulonephritis (GN) nach Infusion in Versuchstiere, und es kommt zur Rekurrenz der Erkrankung im Transplantat bei Transplantation in der aktiven Krankheitsphase. Die Antikörper sind vorwiegend vom Typ IgG1 oder IgG3 und fixieren
Komplement. Auch T-Zellen sind an der Entwicklung der Erkrankung beteiligt und es finden sich tatsächlich autoreaktive T-Zellen gegen das Goodpasture-Antigen.
Goodpasture-Antigen
Das Goodpasture-Antigen liegt in der NC1-Domaine der α3- oder der α5-Kette des Kollagens Typ IV. Die exakten
Epitope Ea und Eb konnten hier den
Aminosäuren 17–31 sowie 127–141 zugeordnet werden. Unter normalen Umständen sind diese Epitope in der GBM durch Quartärstrukturen zwischen verschiedenen NC1-Domänen (NC1-Hexamere) sequestriert. Erst nach Dissoziation und Konformationsänderung werden diese Epitope freigelegt und können
antigen wirken. Die Goodpasture-Antikörper binden nicht an die intakten (a3a4a5)(a3a4a5)-Hexamere des Typ-IV-Kollagens. Selten sind Fälle von Anti-GBM-Nephritis und epidermalen Bullae beschrieben, hier finden sich
Antikörper gegen die α5- oder α6-Kette des Kollagens IV.
Bei der Posttransplantations-anti-GBM-Nephritis bei Alport-Patienten sind die
Antikörper meist gegen die α5-Kette des Kollagens IV gerichtet. Sie richten sich hier aber gegen
Epitope, die auf dem intakten Hexamer exponiert sind, das ein Alport-Patient aufgrund des genetischen Fehlens der α5-Kette nicht exprimiert hat (Pedchenko et al.
2010).
Neuere Befunde zeigen, dass auch Laminin-521, ein weiterer Bestandteil der glomerulären und alveolären Basalmembran, als
Antigen bei der Anti-GBM-Nephritis bzw. dem Goodpasture-Syndrom agieren kann (Shen et al.
2021).
Prädisponierende Faktoren
Es besteht eine Assoziation mit HLA-DR15 sowie HLA-DR4. HLA-DR1 und -DR7 scheinen einen protektiven Effekt zu haben (Phelps und Rees
1999).
Auslösende Faktoren
Hydrocarbon-Exposition und Zigarettenrauchen aber auch pulmonale Infektionen wurden mit der Erkrankung in Verbindung gebracht, auch wenn ein direkter Zusammenhang nicht bewiesen ist. Es fand sich eine Erkrankungshäufung während der COVID-19-Pandemie (Prendecki et al.
2020). Es gibt einige Fälle bei denen nicht ein vorangehender pulmonaler Schaden, sondern ein Nierenschaden zum Ausbruch der Erkrankung führt. Hierzu zählen insbesondere die systemische
ANCA-assoziierte Vaskulitis (30 % der Patienten mit Anti-GBM-Antikörpern haben gleichzeitig antineutrophile zytoplasmatische
Antikörper [ANCA]) sowie die membranöse GN, bei denen es möglicherweise zu einer Exposition der sonst kryptischen
Antigene kommt.
Epidemiologie
Häufigkeit 1–2 Fälle/Mio. Menschen/Jahr. Das Erkrankungsmaximum liegt in der 2. und 3. Lebensdekade, wobei hier Männer etwas häufiger betroffen sind als Frauen. Ein weiterer kleinerer Erkrankungsgipfel findet sich in der 6.–7. Lebensdekade, hier sind Frauen etwas häufiger betroffen. Die Anti-GBM-Nephritis ist für etwa 15 % aller Fälle einer rapid progressiven Glomerulonephritis verantwortlich.
Klinik
Die meisten Patienten präsentierten sich mit einer rapid progressiven Glomerulonephritis mit Mikrohämaturie mit einem nephritischen Sediment (Akanthozyten), mäßiger Proteinurie und raschem Nierenfunktionsverlust. Gelegentlich tritt auch eine Makrohämaturie auf. 20–60 % der Patienten haben zusätzliche alveoläre Hämorrhagien (Goodpasture-Syndrom) und ein nur kleiner Teil der Patienten hat einen insolierten pulmonalen Befall. Klinisch zeigen sich Dyspnoe,
Husten,
Hämoptysen sowie eine gesteigerte CO-Diffusionskapazität aufgrund des Vorhandenseins von
Hämoglobin in den Alveolen. Häufig findet sich auch eine teils ausgeprägte
Eisenmangelanämie, wahrscheinlich durch prolongierte pulmonale Blutungen.
Patienten mit Anti-GBM-Nephritis und ANCA-assoziierter Vaskulitis
In 30 % der Patienten mit Anti-GBM-Antikörpern finden sich gleichzeitig ANCA, meist MPO-ANCA. ANCA scheinen hierbei wohl oft schon Jahre vor der Entwicklung von Anti-GBM-Antikörpern nachweisbar zu sein (Olson et al.
2011). Diese doppelt-positiven Patienten zeigen einen Krankheitsverlauf, der die Manifestationen beider Erkrankungen widerspiegelt. Die Patienten weisen vermehrt systemische Krankheitszeichen und eine Multiorganbeteiligung auf und haben eine höhere Relapserate. Verglichen mit Patienten mit isolierter
ANCA-assoziierter Vaskulitis haben diese doppelt-positiven Patienten höhere Kreatininspiegel und eine höhere Rate an Dialysepflicht (Clerte et al.
2022). Trotzdem ist eine Erholung der Nierenfunktion bei doppelt-positiven Patienten etwas wahrscheinlicher als bei Patienten mit reiner Anti-GBM-Nephritis (McAdoo et al.
2017).
Patienten mit Anti-GBM-Nephritis und membranöser GN
Gelegentlich finden sich Anti-GBM-Antikörper bei Patienten mit membranöser GN, die dann einen raschen Verlust der Nierenfunktion aufweisen. Bei etwa zwei Dritteln der etwa 20 publizierten Fälle von Anti-GBM-Nephritis und membranöser GN entwickelte sich die Erkrankung aus einem vorbestehenden nephrotischen Syndrom heraus. Man geht daher davon aus, dass es durch die GBM-Veränderungen bei der membranösen GN zur Exposition von Goodpasture-Antigenen kommt.
Patienten mit Anti-GBM-Nephritis nach Nierentransplantation
Eine interessante Erkrankung ist die Anti-GBM-Nephritis, die bei Patienten mit
Alport-Syndrom nach einer
Nierentransplantation auftritt (Kalluri et al.
1994). Dies betrifft etwa 5–10 % der transplantierten Alport-Patienten. Dem Alport-Syndrom liegt meist eine Mutation im Gen der α5-Kette des Typ-IV-Kollagens zugrunde, sodass diese Patienten nicht in der Lage sind intakte α3-, α4- und α5-Protomere des Typ-IV-Kollagens in ihrer GBM abzulagern. Wenn diese Patienten nun ein Transplantat mit intaktem Typ-IV-Kollagen erhalten, ein bisher ungesehenes
Antigen, können sich hier
Alloantikörper entwickeln. Das erkannte
Epitop ist aber verschieden von dem, das beim klassischen Goodpasture-Syndrom erkannt wird.
Therapie
Das Management von Patienten mit Anti-GBM-Nephritis oder Goodpasture-Syndrom sollte nur in Zentren mit Vorhaltung von Intensivstation, Plasmaaustauch- und Dialysemöglichkeit und assoziierter Nephropathologie erfolgen. Ziel der Behandlung ist die Entfernung von pathogenen
Autoantikörpern sowie die Verhinderung deren Neubildung. Der Therapiebeginn sollte ohne jeden Zeitverzug erfolgen, da jede Therapieverzögerung das Risiko einer Dialysepflicht erhöht. Die Standardtherapie besteht aus Plasmaaustauch, Cyclophosphamid (CYC) und
Kortikosteroiden (CS). Ein Plasmaaustausch wird zunächst täglich mit 40–50 ml/kg Idealgewicht gegen 5 %
Albumin durchgeführt bis keine zirkulierenden Anti-GBM-Ak mehr nachweisbar sind, in der Regel für etwa 14 Tage. Unmittelbar nach der
Nierenbiopsie oder bei alveolären Hämorrhagien sollte gegen Frischplasma ausgetauscht werden, um das Risiko für Blutungskomplikationen zu minimieren. Die Therapie mit CYC sollte in einer Dosierung von 2–3 mg/kg p.o. für 3 Monate erfolgen. Erfahrungen mit einer Pulstherapie sind begrenzt. Bei Patienten über 55 Jahre oder bei Leukopenien wird die Dosis reduziert. Im Rahmen der Steroidtherapie kann ein initialer Methylprednisolonbolus von 1000 mg an 3 konsekutiven Tagen, gefolgt von einer oralen Therapie mit 1 mg/kg Prednison und anschließendem Ausschleichen gegeben werden (KDIGO
2021). Nach 6 Wochen sollte die Prednisondosis unter 20 mg/d liegen, die Therapiedauer sollte 6 Monate betragen.
Eine Induktionstherapie sollte auch bereits bei hochgradigem Verdacht vor Eintreffen der serologischen oder bioptischen Ergebnisse eingeleitet werden. Hierzu sollte die Therapie mit Plasmaaustausch und Steroiden erfolgen. Da bei Patienten mit Dialysepflicht und 100 % Halbmonden in der
Nierenbiopsie keine Erholung der Nierenfunktion zu erwarten ist, kann bei diesen Patienten, sofern keine pulmonale Beteiligung vorliegt, von einer Induktionstherapie abgesehen werden (KDIGO
2021).
Inwieweit eine
Immunadsorption gegenüber einer reinen Plasmapherese zusätzliche Vorteile bringt, ist nicht geklärt. Ein interessanter experimenteller Ansatz ist die Verwendung von IgG-degrading
Enzyme of Streptococcus (IdeS). Dies führt zu einer sofortigen Degradation von IgG und somit auch der Anti-GBM-Antikörper und könnte zu einem verbesserten renalen Outcome beitragen (Soveri et al.
2019).
Eine Erhaltungstherapie ist bei der Anti-GBM-Nephritis wegen des sehr niedrigen Rezidivrisikos nicht nötig. Die seltenen Rezidive treten vorrangig bei
Rauchern auf, weshalb auf einen Nikotinverzicht insistiert werden sollte. Eine Sondersituation stellen Patienten mit Anti-GBM-Ak und ANCAs dar (etwa 30 % der Patienten mit Anti-GBM-Ak haben gleichzeitig ANCAs, meist MPO-ANCAs). Diese Patienten haben eine höhere Chance sich von einer Dialysepflicht zu erholen und haben ähnliche Relapseraten wie Patienten mit
ANCA-assoziierter Vaskulitis (AAV). Sie sollten daher eine Erhaltungstherapie wie bei AAV erhalten.
Bei refraktärer Erkrankung oder Intoleranz von Cyclophosphamid kann ein Therapieversuch mit Rituximab oder Mycophenolat Mofetil erfolgen (Jain et al.
2019; Mori et al.
2013).
Da die Rekurrenzrate bei Transplantation von Anti-GBM-Ak positiven Patienten bei bis zu 50 % liegt, sollten vor einer
Nierentransplantation für mindestens 6 Monate keine Anti-GBM-Ak mehr nachweisbar sein (Rekurrenzrate < 3 %). Alport-Patienten entwickeln nach NTx in 5–10 % de novo Anti-GBM-Ak (s. oben).
Verlauf und Prognose
Unbehandelt erleiden nahezu alle Patienten eine Dialysepflicht und die Mortalität beim Goodpasture-Syndrom liegt bei 96 %. Unter Therapie haben Patienten mit einem Serumkreatinin < 5,7 mg/dl ein 5-Jahres-Gesamt- und Nierenüberleben von je 94 %, Patienten mit einem Serumkreatinin > 5,7 mg/dl von 80 % und 50 % und Patienten mit initialer Dialysepflicht von 44 % und 13 %.