Definition
Unter
Fieber versteht man den Anstieg der Körperkerntemperatur (oral >37,8 °C und rektal >38 °C) durch eine veränderte hypothalamische Wärmeregulation (Sollwertverstellung) über das Maß der normalen Temperaturvariation hinaus. Im Tagesverlauf variiert die Temperatur normalerweise um 0,5 °C. Die
Varianz kann jedoch während der Genesung von fieberhaften Erkrankungen >1 °C betragen. Durchschnittliche gemessene Temperaturwerte betragen 36,8 °C (oral), 36,4 °C (axillär) und 37,3 °C (rektal). Bei einer Körperkerntemperatur <35 °C spricht man von
Hypothermie. Bei
Hyperthermie besteht ein unkontrollierter Anstieg der Körpertemperatur. Dabei ist die Möglichkeit des Körpers, Wärme abzugeben, überschritten, der
Sollwert im Hypothalamus jedoch nicht verstellt.
Bei Menschen, die älter als 60–65 Jahre alt sind, ist die mittlere Körpertemperatur um etwa 0,4 °C niedriger. Die mit der Alterung natürlicherweise einhergehenden Veränderungen der Organsysteme, die Einfluss auf die körpereigene
Thermoregulation besitzen, wie das kardiovaskuläre, das respiratorische, das metabolische System oder auch die Haut, führen dazu, dass die
Toleranz älterer Menschen gegenüber Temperaturextremen und die Fähigkeit der „Temperaturhomöostase“ abnimmt. Daher wird bei dieser Patientengruppe die Verdachtsdiagnose von Fieber bereits bei (1) einmalig oral gemessener Temperatur >37,8 °C oder (2) mehrfach oral gemessenen Temperaturen ≥37,2 °C oder rektal gemessenen Temperaturen ≥37,5 °C oder (3) einem Anstieg der gemessenen Temperatur von 1,1 °C oberhalb der individuellen Basistemperatur gestellt.
Aus den oben angeführten Definitionsversuchen wird ersichtlich, wie komplex die Definition von Fieber bzw. wie unterschiedlich diese sind. Dabei soll verdeutlicht werden, dass die Körpertemperatur (1) altersvariabel ist, (2) tageszeitlichen Schwankungen unterworfen ist, (3) repetitive Messungen erfordert und (4) vor allem die erhobenen Körpertemperaturen in den vorliegenden klinischen Kontext gestellt werden müssen.
Fieber unklarer Genese („fever of unknown origin“
, FUO) liegt vor, wenn (1) mehrfach gemessenes Fieber ≥38,3 °C vorliegt, das (2) >3 Wochen andauert und (3) dessen Ursache trotz einwöchiger intensiver ambulanter Abklärung weiterhin unerklärt bleibt (Petersdorf und Beeson
1961). In einer revidierten Definition wird zwischen klassischem FUO, nosokomialem FUO, neutropenischem FUO und HIV-assoziiertem FUO unterschieden (Durack und Street
1991).
Pathophysiologie
Bei Fieber wird im Hypothalamus das Regulationsniveau von „normotherm“ auf das febrile Niveau angehoben. Dies führt zu einer Aktivierung von Neuronen im Vasomotorenzentrum mit nachfolgender peripherer Vasokonstriktion. Durch verminderte Durchblutung der Peripherie wird weniger Wärme über die Haut abgegeben. Zudem steigert die Empfindung des Frierens eine Steigerung der muskulären Aktivität die Wärmeproduktion. In der Leber wird die Wärmeproduktion ebenfalls gesteigert. Die Aktivierung dieser Mechanismen trägt zu einer Steigerung der Körpertemperatur bei. Diese Mechanismen werden bis zum Erreichen des neuen Temperatursollwertes fortgeführt.
Die veränderte hypothalamische Wärmeregulation wird durch proinflammatorische
Zytokine vermittelt, unter anderem durch
Interleukin-1 (IL-1) und
Tumornekrosefaktor-α (TNF-α). Auslöser hierfür sind entweder endogene oder exogene Einflussfaktoren. Exogene Stimuli sind zumeist mikrobielle Erreger und/oder deren
Toxine (z. B. Lipopolysaccharide gramnegativer
Bakterien) als auch Intermediärprodukte des Stoffwechsels. Diese induzieren die Synthese und Ausschüttung pyrogener Zytokine wie IL-1, IL-6, TNF-α und Interferon-α (IFN-α). Die Anwesenheit der Zytokine stimuliert die Synthese von Prostaglandin E
2 im hypothalamischen Endothel und führt über die Ausschüttung von zyklischem AMP (Adenosin-5-Monophosphat) zu einer Sollwertverstellung der hypothalamischen Kerntemperatur.
Klinik
Wichtig ist die frühe Unterscheidung zwischen akutem, chronischem sowie rezidivierendem Fieber. So ist Fieber das Leitsymptom der meisten akuten Infektionserkrankungen und sistiert bereits nach 3–5 Tagen. Zahlreiche akut fieberhafte Erkrankungen sind einer klaren klinischen Beschwerdesymptomatik zuzuordnen (z. B. gastrointestinaler/respiratorischer Infekt) und im Rahmen des infektiösen Geschehens selbstlimitierend bzw. nicht behandlungsbedürftig. Eine diagnostische Abklärung ist dringend geboten bei rascher klinischer Verschlechterung, länger als 5 Tage anhaltendem Fieber und rezidivierenden Fieberschüben. Zeichen der Kreislaufinstabilität und/oder Einschränkungen der Vigilanz sind neben organbezogenen Beschwerden (Dyspnoe, Schmerzen, u. a.) führende Parameter in der frühzeitigen Abklärung einer Fieberursache.
Aufgrund ihres charakteristischen Verlaufs kann die Auswertung von Fieberkurven erste Hinweise auf das Vorliegen bestimmter Erkrankungen geben. Es werden unterschiedliche Fieberverläufe unterschieden:
-
Febris continua (Kontinua): Tagesschwankungen max 0,5–1 °C innerhalb eines Tages, bakterielle Infekte (Typhus abdominalis, Paratyphus,
Erysipel,
Pneumonie)
-
Febris remittens (remittierendes Fieber): Tagesschwankungen bis 2 °C, die Temperatur kehrt nicht zum Ausgangsniveau zurück (Infektionen)
-
Febris intermittens (intermittierendes Fieber): rascher Temperaturanstieg bis 39 °C, zügiger Abfall unter 37 °C, innerhalb 24 Stunden beträgt die Temperaturdifferenz mehr als 1 °C (
Sepsis, Neoplasien)
-
Febris recurrens (rezidivierendes/relapsierendes Fieber): unterschiedlich lang anhaltende fieberfreie Intervalle (zweigipflig bei manchen Virusinfekten)
-
Febris undulans (undulierendes Fieber): unregelmäßige Perioden mit ansteigenden und abfallenden Temperaturen, unterbrochen durch afebrile Phasen (
Morbus Hodgkin,
Brucellose)
-
Febris efemera (Eintagesfieber): milde respiratorische Infektion, nach
Bluttransfusion, nach intravenöser Gabe bestimmter Medikamente
-
Anfallsartige Fieberschübe treten bei
Malaria auf; die periodische Erregerfreisetzung in das Blut verursacht periodische Fieberanfälle; je nach Plasmodienart werden unterschiedliche Fieberverläufe unterschieden
-
Febris quartana: Fieber am 1. und am 4. Tag (Malaria quartana, Plasmodium malariae)
-
Febris tertiana: Fieber am 1. und am 3. Tag (Malaria tertiana, Plasmodium vivax oder Plasmodium ovale)
-
Febris quotidiana: tägliches Fieber (Malaria tropica, Plasmodium falciparum)
Tab.
2 gibt eine Übersicht über ausgesuchte periodische Fiebersyndrome.
Tab. 2
Übersicht über ausgesuchte periodische Fiebersyndrome, modifiziert nach Kallinich et al.
2013; Cattalini et al.
2016
Manifestationsalter | <20. Lj | 1. Lj | Ca. 10. Lj | <5. Lj | 1. Lj | Variabel | Postnatal |
Dauer | 6 Stunden bis 3 Tage | 4–7 Tage | Ca. 14 Tage | 3–5 Tage | Tage bis Wochen | Tage | Variabel |
Intervall | Wochen bis Monate | 4–6 Wochen | Monate | 21 Tage | Exposition | Variabel | |
Klinik | | Fieber, Lymphadenopathie, abdominelle Schmerzen, Diarrhoe, Erbrechen | Fieber, abdominelle Schmerzen, Polyserositis, Myalgien | Fieber, orale Ulzera, rezidivierende oropharyngeale Infektionen, Lymphadenopathie | Fieber, Konjunktivitis | Fieber, Konjunktivitis, neurosensorische Taubheit | |
Hautbefunde | Erysipelähnliche Hauteffloreszenz | Makulopapulöse Exantheme, aphthöse Ulzerationen der Mund- oder Genitalschleimhaut | Wandernde Hauteffloreszenzen | Cellulitis | Kälteinduzierter urtikarieller Ausschlag | | Urtikarielles Exanthem |
Arthritis | Monarthritis | Polyarthralgien | Polyarthralgien | - | Polyarthralgien | - | Deformierende Arthritis der großen Gelenke |
Komplikationen | Amyloidose | - | Amyloidose | | Amyloidose | Amyloidose | Amyloidose |
Labor | Leukozytose, CRP ↑, SAA ↑ | Leukozytose, CRP ↑, SAA ↑, IgD >100 IU/ml, IgA ↑ | Serum-sTNFR <1 ng/l | <0,2× 109 Neutrophile | | | |
Erbgang | AR/AD | AR | AD | AD | AD | | |
Chromosom/Gen | 16p13/MEFV | 12q24/MVK | 12p13/TNFRSF1A | 19p13.3/ELA2 | 1q44/NLRP3 | | |
Protein | Pyrin/Marenostrin | Mevalonatkinase | p55-TNF-Rezeptor Typ 1 | Neutrophilen-Elastase | Cryopyrin | | |
Therapie | Colchicin, Anakinraa, Canakinumaba | NSAR, Anakinraa | | | Anakinra, Canakinumab | | |
Leitsymptome
Fieber und Hauterscheinungen
Fieber und Lymphadenopathie
Fieber und Gelenkschmerzen
-
Infektiös: primäre Infektion des Gelenks, z. B. nach Arthroskopie, Trauma, Endoprothese
-
-
-
Rheumatologische/immunologische Erkrankungen
Fieber und neurologische Symptome
Fieber und Hepatomegalie:
-
Alkoholische Lebererkrankung, primär sklerosierende
Cholangitis (PSC)
-
-
-
+ Anstieg Nierenretentionsparameter:
Leptospirose, Hanta-Virus-Infektion
Fieber und Milzvergrößerung
Diagnostik
Bei der Vielzahl an zugrunde liegenden Differenzialdiagnosen lässt sich bei der Abklärung von Fieber kein fester Algorithmus definieren. Um von Beginn an die richtigen diagnostischen Schritte einleiten zu können, wird im Folgenden auf Prinzipien der Diagnostik eingegangen werden:
-
Anamnese – inklusive Reisen, Tierkontakte (Haustiere, beruflich), Immunsuppression, Medikamente, Noxen, bereits erfolgte Therapie, lokale Symptome; wenn möglich Fremdanamnese ergänzen. Besonders sollte auf Hinweise in der Anamnese geachtet werden, die zunächst nur vage beschrieben werden. Dazu gehören zum Beispiel Veränderungen des Verhaltens des Patienten (Meningitis? Enzephalitis?), Nykturie (Prostatitis?) oder Schmerzen im Kiefer und der Schläfen (Riesenzellarteritis?). Bei unklarem Beschwerdebild ist es notwendig, die Anamnese zu vertiefen und gezielt nach fehlenden Aspekten zu suchen.
-
Körperliche Untersuchung (Gewicht etc.)
-
„Fieberkurven“
-
-
-
Wenn Transaminasen erhöht, Hepatitisserologie (A,B,C,E) erwägen
-
-
Blutkulturen: 3 Paare aus unterschiedlichen Entnahmestellen, keine Verzögerung der Therapieeinleitung; bei Verdacht auf Pilzinfektionen,
Endokarditis,
Osteomyelitis müssen längere Bebrütungszeiten (maximal 14 Tage) eingehalten werden
-
-
Röntgen des Thorax (Infiltrat? Raumforderung? Lymphknoten? Erguss?)
-
Sonografie des Abdomens (Milzgröße? Cholezystitis? Leberabszess? Pankreatitis? Harnaufstau? Raumforderung?)
-
Wenn klinische Zeichen oder Symptome auf ein bestimmtes Organsystem hinweisen, sollten weitere Untersuchungen, Bildgebung und/oder Biopsie angestrebt werden.
Bei einigen Patienten besteht trotz ausführlicher Diagnostik und ggf. auch bereits eingeleiteter Therapie weiterhin Fieber. Diese Patienten werden üblicherweise stationär betreut. Liegen positive diagnostische Hinweise (z. B. auffälliger körperlicher Untersuchungsbefund, pathologische Laborergebnisse) vor, sollte die weitere Diagnostik auf die zugrunde liegende Erkrankung eingeleitet werden. Fehlen jedoch positive diagnostische Hinweise, sollte die Basisdiagnostik wiederholt werden und unter Umständen ausgeweitet werden. Dabei sollten der klinische Zustand des Patienten und der Krankheitsverlauf eine Orientierung für die Intensität der diagnostischen Maßnahmen und ggf. schon einzuleitende Therapie geben:
Mit der erweiterten apparativen Diagnostik sollte man bislang nicht geklärten Hinweisen nachgehen:
-
Sequenziell transthorakale und transösophageale Echokardiografie: Vegetationen der Klappen als Hinweis auf eine Endokarditis?
-
Sonografie des Abdomens, evtl. Sonografie der Pleura, der Lymphknoten, der Gelenke
-
Computertomografie/Magnetresonanztomographie: Okkulte
Abszesse oder Hämatome? Lymphadenopathie? Intrapulmonale Infiltrate?
-
Nuklearmedizinische Verfahren wie Positronenemissionstomografie-Computertomografie-Untersuchung (PET-CT) können ergänzend zur Diagnosefindung verwendet werden; mittels 18F-Fluordeoxyglukose-Positronenemissionstomografie-Computertomografie-Untersuchung (FDG-PET-CT) können neben einer Reihe von Tumoren auch granulozytäre, autoimmune und
granulomatöse Erkrankungen visualisiert werden.
-
Biopsien:
-
Leberbiopsie: Entzündliche Hepatopathie? Tuberkulose? Sarkoidose?
-
Lymphknotenbiopsie: Malignität? Infektion?
-
Pleura- oder Perikardbiopsie: Extrapulmonale Tuberkulose?
-
Knochenmarkbiopsie: Hämatologische Erkrankung? Infektion?
Differenzialdiagnostik
Autoinflammationssyndrome bzw. periodische Fiebersyndrome sind seltene, durch genetische Veränderungen verursachte Erkrankungen. Charakteristisch sind systemische Entzündungsvorgänge des Körpers ohne Anhalt für zugrunde liegende Infekte,
Allergien, Immundefekte oder Autoimmunerkrankungen. In diesem Zusammenhang treten rezidivierende auftretende Fieberschübe sowie Serositiden, Arthritiden und Exantheme auf. Die zugrunde liegenden monogenetischen Veränderungen führen zur veränderten Freisetzung pro-/antiinflammatorischer
Zytokine im Rahmen der Immunantwort.
Arzneimittelinduziertes Fieber („drug fever“) nimmt eine zunehmende Stellung in der Differenzialdiagnostik ein. Durch die Einnahme psychotroper Substanzen wie
Methamphetaminen („crystal meth“,
Ecstasy), Lysergsäurediethylamid (
LSD) oder verschriebener
Neuroleptika wie Monoaminooxidasehemmer und trizyklischer
Antidepressiva kann eine arzneimittelinduzierte Hyperthermie ausgelöst werden. Auch im Zusammenhang mit der Verabreichung von Antiinfektiva, Zytostatika oder Biologicals ist die Entwicklung von Fieber beschrieben.
Therapie
Die Therapie richtet sich in erster Linie nach der Ursache des Fiebers. Dabei sind eine gründliche Anamnese, klinische Untersuchung, sorgfältige Beobachtung und ggf. Reevaluation des klinischen Beschwerdebilds erforderlich. Die Entscheidung zu einer frühzeitigen empirischen Therapie ist abhängig von Alter und Allgemeinzustand des Patienten zu treffen. Wenn eine Infektion im Rahmen eines systemischen Entzündungsgeschehens nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, ist insbesondere bei Kleinkindern, älteren Menschen sowie Menschen mit Komorbiditäten eine frühzeitige
antimikrobielle Therapie angezeigt. Eine primäre empirische Therapie sollte dann bei Vorliegen von Befunden, die einen Infekt als Ursache ausschließen (z. B. Bildgebung, Mikrobiologie), zeitnah beendet werden.
Symptomatische Therapie
Vordringlich besteht die symptomatische Therapie in ausreichender Flüssigkeitssubstitution sowie ggf. medikamentösen fiebersenkenden Maßnahmen mit Antipyretika sowie wärmeableitenden Maßnahmen (z. B. Wadenwickeln).
Antipyretika reduzieren die häufig mit Fieber einhergehenden Symptome wie Myalgien, Cephalgien und Arthralgien. Zu beachten sind jedoch auch die möglichen Nebenwirkungen der Antipyretika auf Thrombozytenzahl und den Gastrointestinaltrakt, weshalb eine antipyretische Therapie mit
Paracetamol vorzuziehen ist.