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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 13.09.2023

Leitsymptom: Übergewicht und Adipositas

Verfasst von: Lina Jegodzinski und Sebastian M. Meyhöfer
Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas hat pandemische Ausmaße angenommen und stellt eine enorme Herausforderung für die Gesellschaft dar. Multiple biologische, psychosoziale sowie umweltbedingte Risikofaktoren sind mit der Pathogenese der Adipositas verknüpft. Durch eine übermäßige Kalorienaufnahme kommt es zur Vermehrung und Dysfunktionalität des Fettgewebes, welches wiederum zu Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes oder kardiovaskulären Erkrankungen führt. Bereits das Vorliegen von Übergewicht reduziert signifikant die Lebenserwartung. Die Adipositas wird daher von der WHO sowie internationalen Fachgesellschaften als chronische Erkrankung anerkannt. Therapeutisch bildet ein multimodales Konzept aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie das Fundament. Ergänzend stehen inzwischen verschiedene medikamentöse sowie chirurgische Therapieoptionen zur Verfügung. Zur Eindämmung der Adipositaspandemie ist zudem ein Stärkung der Maßnahmen zur Primärprävention unerlässlich.

Definition

Übergewicht und Adipositas sind definiert als eine übermäßige Ansammlung von Körperfett, welche zur Beeinträchtigung der Gesundheit führt. Zur Klassifikation wird üblicherweise der im klinischen Alltag einfach zu bestimmende Body-Mass-Index (BMI) verwendet, für dessen Berechnung das Gewicht einer Person in Kilogramm durch das Quadrat ihrer Körpergröße in Metern dividiert wird (kg/m2). Der BMI gibt zwar keine direkt Auskunft über den Körperfettgehalt, da er keine Differenzierung der Körperzusammensetzung in Fett- und Muskelmasse ermöglicht; auf Gruppenebene korreliert er jedoch gut mit direkten Messungen zur Bestimmung der Körperfettmasse (Schienkiewitz et al. 2017). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert und klassifiziert anhand des BMI den Begriff Übergewicht (BMI 25–29,9 kg/m2) sowie drei Schweregrade der Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2) (vgl. Tab. 1).
Tab. 1
Body-Mass-Index (BMI)-Klassifizierung und Risikobewertung. (World Health Organization 2018)
Klassifikation
BMI (kg/m2)
Risiko für adipositasassoziierte Begleit- und Folgeerkrankungen
Untergewicht
< 18,5
Niedrig
Normalgewicht
18,5–24,9
Durchschnittlich
Übergewicht
25–29,9
Leicht erhöht
Adipositas
> 30
 
Grad I
30,0–34,9
Moderat
Grad II
35,0–39,9
Schwerwiegend
Grad III
> 40
Morbid
Ein erhöhter BMI stellt einen Risikofaktor für nicht übertragbare Krankheiten wie Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparats und einige Krebserkrankungen dar, was zu einer dramatischen Verschlechterung der Lebensqualität und -erwartung führt. Die Adipositas wird inzwischen von der WHO sowie internationalen Fachgesellschaften als chronische und fortschreitende Erkrankung angesehen (World Health Organization 2018). In Deutschland ist Adipositas unter dem ICD-10-Code E66 als Krankheit klassifiziert (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte [BfArM] 2022).

Pathophysiologie

Die Hauptursache für Übergewicht und Adipositas stellt ein langfristiges Energieungleichgewicht mit einem erhöhten Maß an aufgenommenen in Relation zu verbrauchten Kalorien dar. Da der Mensch und seine Vorfahren in der Evolution Zeiten der Unterernährung überstehen mussten, hat der Selektionsdruck höchstwahrscheinlich einen Genotyp gefördert, der Überernährung, geringen Energieverbrauch und körperliche Inaktivität begünstigt (Blüher 2019).

Ätiologie

Ätiologisch sind Assoziationen mit biologischen, psychosozialen sowie umweltbedingten Risikofaktoren bekannt. Hierzu gehören u. a. eine familiäre Prädisposition, genetische Ursachen, der Lebensstil im Sinne von Bewegungsmangel und Fehlernährung, eine ständige Verfügbarkeit von Nahrung, Schlafmangel, Stress, Nikotinverzicht oder auch ein niedriger Sozialstatus. Dazu können Übergewicht und Adipositas auf dem Boden psychiatrischer Grunderkrankungen wie Depression oder Essstörungen (z. B. Binge Eating Disorder, Night Eating Disorder) sowie endokrinen Erkrankungen (z. B. Hypothyreose, Cushing-Syndrom) entstehen. Bestimmte Medikamente wie Antidepressiva, Neuroleptika, Antidiabetika, Glukokortikoide, einige Kontrazeptiva oder Betablocker können zur Körperfettvermehrung beitragen. Weitere Ursachen stellen Immobilisierung oder eine Schwangerschaft dar (Deutsche Adipositas-Gesellschaft [DAG] e.V. 2014).
Die Sequenzierung des menschlichen Genoms und das Verständnis der Regulierung der Energiehomöostase durch den Leptin-Melanocortin-Signalweg führten zu den ersten bekannten Genen, die mit Adipositas in Verbindung gebracht wurden. Die wichtigsten monogenen Adipositasformen entstehen durch Mutationen in Genen, die für Leptin, den Leptinrezeptor, den Melanocortin-4-Rezeptor (MC4R) oder Proopiomelanocortin (POMC) kodieren. Leptin wird von Adipozyten produziert und seine Konzentration verhält sich proportional zur Fettmasse. Im Gehirn stimuliert das Hormon über spezifische Rezeptoren im Nucleus arcuatus des Hypothalamus die Produktion von POMC, welches ein Prohormon darstellt und dessen Spaltung u. a. das α-melanozytenstimulierende Hormon (α-MSH) freisetzt. Dieses wiederum bewirkt eine Stimulation der Melanocortin-4-Rezeptoren der Zellen des Nucleus paraventricularis im Hypothalamus. Diese Aktivierung führt zu dem Gefühl der Sättigung. Im Falle einer Mutation bleibt das Sättigungsgefühl aus (von Schnurbein und Wabitsch 2017).
Monogenetische Ursachen für Adipositas sind jedoch selten und die Mehrzahl der Krankheitsfälle ist polygen. Es konnten inzwischen Hunderte von Genvarianten oder Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs) identifiziert werden, die mit Adipositas und den damit verbundenen Merkmalen in Verbindung gebracht werden. Aufgrund des jedoch geringen Effektes einzelner Polymorphismen auf Adipositasmerkmale haben Forscher mehrere SNPs zu genetischen Risikowerten zusammengefasst (Cifuentes et al. 2021).
Ergänzend spielen epigenetische Phänomene, wie die DNA-Methylierung, Histonmodifikation und Microribonukleinsäuren (miRNA) eine Rolle in der Pathogenese der Adipositas. Umweltfaktoren und Darmmikrobiota können die epigenetische Programmierung der elterlichen Keimzellen oder die Programmierung in späteren Lebensphasen beeinflussen (Lin und Li 2021).
Bei übergewichtigen und adipösen PatientInnen liegt zudem häufig eine Leptinresistenz vor, welche ähnlich wie bei den genetisch bedingten Adipositasformen zu einem ausbleibenden Sättigungsgefühl führt. Die zugrunde liegenden Pathomechanismen sind bisher weitestgehend unklar (Gruzdeva et al. 2019).
Sättigungssignale werden auch im Gastrointestinaltrakt und in angrenzenden Organen ausgelöst. Die Peptidhormone Cholezystokinin (CCK), gastrinfreisetzendes Peptid (GRP), Neuromedin B, Glukagon, Glukagon-ähnliches Peptid (GLP) 1 und 2, Amylin, Somatostatin, Enterostatin, Oxyntomodulin und Peptid YY, welche nach der Nahrungsaufnahme ausgeschüttet werden, wirken zum einen über afferente Nervenbahnen, z. B. des Nervus vagus, zum anderen auch direkt am Nucleus arcuatus im Hypothalamus appetithemmend. Das gastrale Peptidhormon Ghrelin sowie Orexin A und B signalisieren dagegen Hunger. Die Balance zwischen appetitsteigernden und -hemmenden (neuro-)endokrinen Stimuli ist bei Adipositas nachhaltig gestört (Konturek et al. 2004; Suzuki et al. 2011).

Pathologie

Durch die übermäßige Kalorienaufnahme kommt es zur Vermehrung von Depotfett (subkutan und viszeral) sowie von ektopem Fett v. a. in der Muskulatur, der Leber und dem Pankreas. Hierbei handelt es sich überwiegend um weißes Fettgewebe (WAT, „white adipose tissue“), welches als Energiespeicher fungiert. Als endokrin aktives Organ sezerniert das Fettgewebe zudem verschiedene Hormone, sog. Adipokine wie z. B. Leptin, um den Appetit zu regulieren.
Bei Adipositas erhöht die anhaltende positive Energiebilanz sowohl die Größe als auch die Anzahl der Adipozyten. In der Folge wird das Fettgewebe zudem dysfunktional. Eine übermäßige Ausdehnung begünstigt eine lokale Hypoxie, veränderte Adipokinsekretion und mitochondriale Dysfunktion, was zur Entzündung und Fibrose im Fettgewebe führt (Carobbio et al. 2017). Schließlich wird eine weitere Ausdehnung insbesondere des viszeralen Fettgewebes aufgrund von Beschränkungen der Zell- und Gewebeausdehnung unmöglich, wodurch es zu ektopen Fettablagerungen in Muskeln, Leber und Pankreas kommt. Dies wird als Lipotoxizität bezeichnet und geht mit einer Insulinresistenz im Muskel und in der Leber sowie einer Dysfunktion der Betazellen im Pankreas einher, was insbesondere das Risiko für Typ-2-Diabetes (T2D) und die nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) erhöht (Longo et al. 2019). Daraus resultiert ein systemischer, über Adipokine vermittelter, chronischer Entzündungszustand. Hierüber wird u. a. die Entwicklung einer endothelialen Dysfunktion mit entsprechenden kardiovaskulären Komplikationen begünstigt (Wilding und Jacob 2021).

Epidemiologie

Weltweit leben etwa 650 Mio. Menschen mit Adipositas. Die Prävalenz der Erkrankung hat in den letzten Jahrzehnten pandemisch zugenommen. Innerhalb der Jahre 1975–2016 hat sich die Anzahl der Menschen mit Adipositas in Europa verfünffacht (NCD Risk Factor Collaboration [NCD-RisC] 2017). Auch in Deutschland liegt sie mit 24 % auf Rekordniveau (Schienkiewitz et al. 2017).
Obwohl dieser Trend weltweit zu beobachten ist, variieren die absoluten Prävalenzraten je nach Region, Land und Ethnie (Heymsfield et al. 2016). Zudem zeigt die Prävalenz der Adipositas eine Abhängigkeit zum sozioökonomischen Status. Während Adipositas früher als ein Problem der Länder mit hohem Einkommen galt, sind die Inzidenzraten adipöser oder übergewichtiger Kinder in Ländern mit hohem Einkommen seit Anfang der 2000er-Jahre zurückgegangen oder haben sich stabilisiert. In Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen steigen die Raten von Übergewicht und Adipositas hingegen v. a. in städtischen Gebieten (Hoebel et al. 2019; NCD Risk Factor Collaboration [NCD-RisC] 2017).
Dabei hat die Adipositas sowohl bei Männern als auch bei Frauen und in allen Altersgruppen zugenommen, wobei die Prävalenz bei älteren Menschen sowie bei Frauen verhältnismäßig höher ist (World Health Organization 2018).
Darüber hinaus ist Adipositas eng mit Arbeitslosigkeit, Bildungsbenachteiligung, sozialer Isolation, Langzeitpflegebedarf, geringerer Fitness, Produktivität und einer zunehmenden, hochrelevanten Belastung für die Gesellschaft verknüpft. Im Jahr 2015 waren die Folgen von Adipositas in Deutschland mit direkten Kosten von über 29 Mrd. € und zusätzlichen indirekten Kosten von über 33 Mrd. € assoziiert (Klein et al. 2016). Die weltweiten wirtschaftlichen Kosten der Adipositas belaufen sich auf 1,8 Billionen $, was 2,8 % des Bruttoinlandprodukts entspricht (Dobbs et al. 2014).

Klinik

Die klinische Belastung resultiert vornehmlich aus den Komorbiditäten und Komplikationen von Übergewicht und Adipositas. Die erhöhte Körperfettmasse, insbesondere des viszeralen Fettgewebes, geht mit einer gesteigerten Insulinresistenz einher und begünstigt die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes (T2D). Ebenso korreliert das Auftreten einer nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) mit dem Vorliegen einer Insulinresistenz. Übergewichtige und adipöse PatientInnen mit abdomineller Fettverteilung weisen eine erhöhte Todesrate aufgrund einer Leberzirrhose auf als Normalgewichtige (Ioannou et al. 2005).
Adipöse Menschen zeigen gehäuft eine Dyslipoproteinämie sowie eine chronische (subklinischen) Inflammation, was die Entwicklung von atherosklerotischen Prozessen begünstigt und das Risiko für einen akuten Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöht. Außerdem sind alle Grade der Adipositas mit gehäuftem Auftreten von Vorhofflimmern assoziiert. In Folge einer KHK oder Hypertonie findet sich bei adipösen PatientInnen häufiger eine Herzinsuffizienz als bei normalgewichtigen Personen (Powell-Wiley et al. 2021).
Auch pulmonale Komplikationen wie das Auftreten eines Schlafapnoesyndroms sind häufig. Zudem zeigt sich eine Assoziation des BMI mit degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates. PatientInnen mit Adipositas leiden folglich unter Kurzatmigkeit, Schmerzen und eingeschränkter Beweglichkeit (Martin-Rodriguez et al. 2015).
Die Adipositas ist zudem vergesellschaftet mit Blutgerinnungsstörungen, Hyperurikämie und dem Auftreten einer Gicht, sowie der Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz. Zudem zeigt sich die Prävalenz von Gallensteinleiden sowie Refluxkrankheit erhöht. Hormonelle Störungen bei Frauen (Hyperandrogenämie, polyzystisches Ovarsyndrom [PCOS]), geringere Schwangerschaftsraten oder Komplikationen während der Schwangerschaft treten gehäuft bei adipösen Patientinnen auf (Deutsche Adipositas-Gesellschaft [DAG] e.V. 2014). Weiterhin wurden Übergewicht und Adipositas direkt mit der Entwicklung vieler Krebsarten in Verbindung gebracht (Boeing 2013). Durch eine chronische subklinische Inflammation, Vaskularisierung und oxidativen Stress trägt Adipositas zu kognitiven Defiziten in der Handlungskompetenz und dem Gedächtnis bei (Farruggia und Small 2019).
Zuletzt ist die Prävalenz komorbider psychischer Störungen bei adipösen Menschen erhöht, wobei depressive, Angst- und somatoforme Störungen die häufigsten Diagnosen darstellen. Stigmatisierungserfahrungen können das ungesunde Essverhalten im Sinne eines Circulus vitiosus weiter verstärken (Deutsche Adipositas-Gesellschaft [DAG] e.V. 2014; Martin-Rodriguez et al. 2015).

Diagnostik

Die Definition und Klassifikation von Übergewicht und Adiposität erfolgt zunächst über die Bestimmung des Body-Mass-Index (BMI). Dieser lässt jedoch keine Aussage über die Körperfettverteilung zu, weswegen bei Personen mit einem BMI ≥ 25 kg/m2 zur Beurteilung der viszeralen Fettdepots eine Messung des Taillenumfangs erfolgen sollte. Bei einem Taillenumfang ≥ 88 cm bei Frauen bzw. ≥ 102 cm bei Männern liegt eine abdominale Adipositas vor, welche mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko einhergeht (Pischon et al. 2008).
Der aktuellen S3-Leitlinie „Prävention und Therapie der Adipositas“ von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) nach zu folgen, sollte bei Menschen mit Übergewicht bzw. Adipositas bei der Erstuntersuchung eine ausführliche Anamnese (Gewichtsanamnese, Familienanamnese, frühere Therapieversuche, Ernährungsgewohnheiten und Essverhalten, Bewegungsaktivität, Motivation, psychosoziale Anamnese) durchgeführt und die folgenden Untersuchungen berücksichtigt werden:
  • Körperlänge und -gewicht, Taillenumfang, Blutdruck, Verfahren zur Ermittlung der Körperzusammensetzung*,
  • klinische Untersuchung,
  • Nüchternblutzucker, HbA1c, oraler Glukosetoleranztest*,
  • Gesamt-, HDL- und LDL-Cholesterin, Triglyzeride,
  • Kreatinin, Elektrolyte*,
  • Mikronährstoffe,
  • TSH, ggf. andere endokrinologische Parameter* (z. B. Dexamethason-Hemmtest zum Ausschluss eines Hyperkortisolismus),
  • Mikroalbuminurie bzw. Albumin/Kreatinin-Ratio im Urin*,
  • EKG, Ergometrie*, Herzecho*, 24-h-Blutdruck-Messung*, Schlafapnoescreening*,
  • Oberbauchsonografie*, Doppler-Sonografie*,
  • außerhalb von Studien ist es gegenwärtig nicht indiziert, Leptin, Ghrelin, Adiponektin etc. zu messen.
(*fakultative Untersuchungen).

Therapie

Eine Indikation zur Therapie der Adipositas besteht ab einem BMI von 30 kg/m2 oder Übergewicht mit einem BMI zwischen 25 und 30 kg/m2 und zusätzlich bestehenden Komorbiditäten wie beispielsweise ein Typ-2-Diabetes oder einer arteriellen Hypertonie (Deutsche Adipositas-Gesellschaft [DAG] e.V. 2014). Das Fundament der Therapie bilden konservative Maßnahmen der Lebensstilmodifikation im Sinne eines multimodalen Therapieansatzes aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie im interdisziplinären Team. Sollten die PatientInnen durch diese Maßnahmen innerhalb von 6 Monaten nicht mehr als 5 % des Ausgangsgewichts abgenommen haben oder die erreichte Gewichtsabnahme nicht langfristig gehalten werden können, ist eine ergänzende medikamentöse Therapie indiziert. Chirurgisch kann bei PatientInnen mit einem BMI 35 kg/m2 und mindestens einer adipositasassoziierten Begleiterkrankung oder ab einem BMI 40 kg/m2 eine bariatrische Intervention erfolgen (Meyhöfer et al. 2022).

Lebensstilmodifikation

Personen mit Adipositas wird empfohlen, durch eine Kombination aus energiereduzierter Kost, körperlicher Aktivität und Verhaltenstherapie bei einem BMI zwischen 25–35 kg/m2 mindestens 5 % und bei einem BMI > 35 kg/m2 mindestens 10 % ihres Körpergewichts zu reduzieren.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) formuliert hierzu 10 Regeln einer gesundheitsfördernden Ernährungsweise:
1.
Lebensmittelvielfalt genießen.
 
2.
Gemüse und Obst – „nimm 5 am Tag“.
 
3.
Vollkorn wählen.
 
4.
Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl ergänzen.
 
5.
Gesundheitsfördernde Fette nutzen.
 
6.
Zucker und Salz einsparen.
 
7.
Am besten Wasser trinken.
 
8.
Schonend zubereiten.
 
9.
Achtsam essen und genießen.
 
10.
Auf das Gewicht achten und in Bewegung bleiben.
 
Die Ernährungsempfehlungen sollten zu einem täglichen Energiedefizit von 500 kcal, in Einzelfällen auch höher, führen. Um dies zu erreichen, sind verschiede Strategien wie die bevorzugte Reduktion entweder des Kohlenhydrat- und/oder des Fettverzehrs empfohlen. Hierzu können verschiedene Kostformen, wie Vollkost oder mediterrane Kost, genutzt werden. Von extremen und einseitigen Diäten wird abgeraten (Deutsche Gesellschaft für Ernährung [DGE] e.V. 2017). Ein Vergleich kommerziell erhältlicher Diätprogramme, welche unterschiedliche Diätstrategien verfolgen, konnte im Verlauf eines Jahres keine signifikanten Unterschiede in der Gewichtsreduktion darstellen (Dansinger et al. 2005). Ergänzend kann auch der Einsatz von Formuladiäten als Mahlzeitenersatzstrategie oder zeitweise auch alleinig, unter ärztlicher Überwachung, als Bestandteil der Therapie genutzt werden (Deutsche Adipositas-Gesellschaft [DAG] e.V. 2014). Inwieweit intermittierendes Fasten, bei dem tage- oder stundenweise auf Nahrung verzichtet wird, positive Auswirkungen auf die Gewichtsabnahme und/oder -stabilisierung zeigt, wird aktuell untersucht. Erste Ergebnisse einzelner Studien weisen auf positive Effekte des intermittierenden Fastens hin (Horne et al. 2015).
Hilfestellung zu einer gesunden Ernährungsweise können zudem das Führen eines Ernährungsprotokolls (Portionsgrößen, Mahlzeitenfrequenz, Auswahl von Lebensmitteln und Getränken) und klassische Schulungseinheiten geben (Aberle et al. 2021). Daher soll den PatientInnen eine Ernährungsberatung angeboten und die Ernährungsempfehlungen individualisiert angepasst werden.
Parallel sollten die PatientInnen in Bewegung bleiben. Hierzu ist empfohlen, sich zum einen aerob körperlich zu betätigen, um das kardiovaskuläre Risiko zu reduzieren, sowie an 2 oder mehr Tagen muskelstärkende Aktivitäten zu betreiben, um zusätzlich die Knochenstabilität zu fördern. Dauer und Art der körperlichen Aktivität ist individuell abzustimmen. Für eine effektive Gewichtsabnahme sollte man sich kumulativ > 150 min/Woche mit einem Energieverbrauch von 1200–1800 kcal/Woche bewegen (Deutsche Adipositas-Gesellschaft [DAG] e.V. 2014).
Bestandteil der Therapie sollten außerdem verhaltenstherapeutische Interventionen im Einzel- oder Gruppensetting darstellen, in denen mögliche, das Essverhalten negativ beeinflussende Faktoren, wie Stress, Emotionen oder psychiatrische Begleiterkrankungen, analysiert und gezielt adressiert werden (Aberle et al. 2021).
Aktuell befindet sich die Leitlinie der DAG von 2014 in Überarbeitung. In der bisherigen Fassung ist noch nicht integriert, dass ÄrztInnen seit Oktober 2020 Apps im Sinne von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Rezept verschreiben können, deren Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden. Sie sollen die PatientInnen zu optimiertem Selbstmanagement befähigen (Bretschneider und Schwarz 2022).
Darüber hinaus arbeitet der gemeinsame Bundesausschuss derzeit an einem strukturierten Behandlungsprogramm (DMP) für Adipositas (Blüher 2021).
Die Effektstärke dieser konservativen Maßnahmen wurde in verschiedenen großen Interventionsstudien analysiert. Die DiRECT-Studie (Diabetes Remission Clinical Trial) konnte beispielsweise zeigen, dass Personen mit Adipositas und Typ-2-Diabetes durch eine Senkung des Körpergewichts über Ernährungstherapie und Lebensstilverbesserungen eine Remission des Diabetes erreichen konnten (Lean et al. 2018). Längerfristige Daten liegen aus der Look-AHEAD-Studie (Action for Health in Diabetes) vor, welche untersuchte, ob die Auswirkungen einer gewollten Gewichtsreduktion kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei übergewichtigen Personen mit Typ-2-Diabetes senken. Die Parameter des Glukosestoffwechsels in der Interventionsgruppe verbesserten sich in den ersten Jahren im Vergleich zur Standardversorgung. Ein Unterschied im primären kardiovaskulären Endpunkt zeigte sich jedoch nicht (The Look AHEAD Research Group 2016).

Medikamentöse Therapie

Die überwiegende Anzahl der PatientInnen erreicht langfristig leider nicht die empfohlenen Ziele der Gewichtsreduktion. Eine Ursache stellt die hormonelle Gegenregulation gastrointestinaler Hormone dar. Im Rahmen der Energierestriktion zeigt sich ein Anstieg der Konzentrationen an appetitstimulierenden Hormonen sowie ein Abfall der appetithemmenden Hormone des Gastrointestinaltrakts. In diesen Fällen kann eine ergänzende medikamentöse Therapie in Kombination zur Basistherapie im Sinne eines eskalierenden Stufenschemas eingeleitet werden (Lautenbach et al. 2021).
In Deutschland haben derzeit vier Substanzen zur Langzeittherapie der Adipositas eine Zulassung. Hierbei handelt sich um den Pankreaslipase-Inhibitor Orlistat, die Kombination des Opioidrezeptor-Antagonisten Naltrexon mit dem Dopamin-und-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Bupropion, sowie den kurzwirksamen GLP-1-Rezeptor-Agonisten Liraglutid und seit Januar 2022 auch den langwirksamen GLP-1-Rezeptor-Agonisten Semaglutid. Das Kombinationspräparat Naltrexon/Bupropion wurde aus wirtschaftlichen Gründen 2020 vom Hersteller vom deutschen Markt genommen. Ergänzend sind für den kurzzeitigen Gebrauch zudem Amfepramon-haltige Sympathomimetika (Tenuate, Regenon) zugelassen, deren Anwendung in der aktuellen Leitlinie der DAG aufgrund der Nutzen-Risiko-Abwägung jedoch nicht empfohlen wird (Deutsche Adipositas-Gesellschaft [DAG] e.V. 2014; Lautenbach et al. 2021). Die durchschnittliche Gewichtsreduktion sowie relevante Nebenwirkungen der aktuell in Deutschland verfügbaren Medikamente zur chronischen Therapie der Adipositas sind in Tab. 2 zusammengefasst.
Tab. 2
Übersicht zugelassener Substanzen zur Gewichtsreduktion. (Lautenbach et al. 2021; Meyhöfer et al. 2022)
Wirkstoff
Wirkungsweise
Dosierung (Produktename)
Durchschnittliche Gewichtsreduktion
Relevante Nebenwirkungen
Therapiekosten
Referenz
Orlistat
Pankreaslipase-Inhibitor
180 mg/Tag (Orlistat®)
360 mg/Tag (Xenical®)
−4,6 % (Wirksubstanz) vs. −2,2 % (Placebo);
−6,1 % (Wirksubstanz) vs. −2,6 % (Placebo)
Abdominelle Schmerzen, Flatulenz, Stuhldrang, fettiger Stuhl
Ca. 70–120 €/Monat
Sjöström et al. (1998)
Liraglutid
Kurzwirksamer GLP-1-Rezeptor-Agonist
3 mg/Tag s.c. (Saxenda®)
−7,4 % (Wirksubstanz) vs. −3 % (Placebo)
Übelkeit, Diarrhö, Gallensteine
Ca. 290 €/Monat
Pi-Sunyer et al. (2015)
Semaglutid
Langwirksamer GLP-1-Rezeptor-Agonist
2,4 mg/Woche s.c. (Wegovy®)
−14,9 % (Wirksubstanz) vs. −2,4 % (Placebo)
Übelkeit, Diarrhö, Gallensteine
NA (eine Markteinführung wird zeitnah erwartet)
Wilding et al. (2021)
GLP Glukagon-ähnliches Peptid; NA nicht angegeben
Der aktuellen Leitline nach sollte die medikamentöse Therapie nur fortgesetzt werden, wenn ein Behandlungseffekt von ≥ 2 kg Gewichtsverlust innerhalb der ersten 4 Behandlungswochen erreicht wird (Deutsche Adipositas-Gesellschaft [DAG] e.V. 2014). Die Kosten der Pharmakotherapie werden derzeit nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Gegenstand aktueller Forschung ist die Entwicklung weiterer, noch effektiverer Medikamente gegen die Adipositas. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf der Kombinationstherapie verschiedener gastrointestinaler Peptidhormone. Aktuelle Phase-II- und Phase-III-Studien zum GLP-1-und-GIP (glukoseabhängigen insulinotropen Polypeptid)-Koagonisten Tirzepatid präsentieren vielversprechende Daten zur Gewichtsreduktion (Frías et al. 2021). Weitere Kandidaten stellen zudem das gastrointestinale Peptidhormon YY (PYY), Amylin sowie Glukagon, ebenfalls in Kombination mit GLP-1 oder auch als Monotherapie, dar (Meyhöfer et al. 2022). Zudem wird die Wirksamkeit einer Kombination von Leucin, Metformin und Sildenafil sowie die medikamentöse Aktivierung von braunem Fettgewebe (BAT, „brown adipose tissue“), welches durch die Oxidation von Fettsäuren sowie Glukose aus dem Blut Wärme produziert und somit den Energieverbrauch erhöht, in Studien getestet.
Abschließend kann die Pharmakotherapie in Ergänzung zur Lebensstilmodifikation insbesondere für PatientInnen mit Übergewicht oder Adipositas mit einem BMI < 35 kg/m2 zur Schließung einer therapeutischen Lücke zwischen Basistherapie und bariatrischer Chirurgie beitragen (Lautenbach et al. 2021).

Bariatrische Chirurgie

Die Indikation zur bariatrischen Operation sollte interdisziplinär im Team gestellt werden. Formal kann eine chirurgische Intervention erfolgen, sofern eine Adipositas Grad III (BMI ≥ 40 kg/m2) oder Adipositas Grad II (BMI ≥ 35 und < 40 kg/m2) mit erheblichen Komorbiditäten oder Adipositas Grad I (BMI > 30 und < 35 kg/m2) bei PatientInnen mit Typ-2-Diabetes (Sonderfälle) vorliegt. Eine primäre Indikation, also ohne präoperative konservative Therapie, kann bei besonderer Schwere von Begleit- und Folgekrankheiten der Adipositas, einem BMI > 50 kg/m2 oder persönlichen psychosozialen Umständen, die keinen Erfolg einer Lebensstiländerung in Aussicht stellen, gegeben sein.
Zu unterscheiden sind die Begriffe der bariatrischen, d. h. Adipositaschirurgie, durch die eine nachhaltige Gewichtsreduktion mit Verbesserung bzw. Prophylaxe von Komorbiditäten und der Lebensqualität erreicht werden soll, von der metabolischen Chirurgie. Letztere wird primär zur Optimierung der glykämischen Stoffwechsellage bei vorbestehendem Typ-2-Diabetes durchgeführt (Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie [DGAV] e.V. 2018).
Die häufigsten chirurgischen Verfahren stellen die Sleeve-Gastrektomie (SG) und der Roux-Y-Magenbypass (RYGB) dar. Durch den RYGB kann mit einem Gewichtsverlust von bis zu 30 % nach einem Jahr eine höhere Gewichtsreduktion erreicht werden, als durch die Sleeve-Gastrektomie. Allerdings steigt auch die Gefahr an schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen (Arterburn et al. 2018; Marjanovic et al. 2018). Häufige Komplikationen stellen eine Nahtinsuffizienz, gastroösophageale Refluxerkrankung, Dumpingsyndrome sowie eine Malabsorption dar. Postoperativ ist eine Supplementation mit Vitamin- und Mikronährstoffpräparaten unerlässlich. Endoskopische Therapien mittels Magenband oder Endobarrier werden aktuell nicht mehr empfohlen, als überbrückendes Verfahren kann der Einsatz eines Magenballons evaluiert werden (Meyhöfer et al. 2022). Zudem kann eine präoperative hypokalorische eiweißreiche Diät das Gewicht und insbesondere das Lebervolumen reduzieren, um die Operation technisch zu erleichtern (Mechanick et al. 2020).
Pathophysiologisch wird durch die chirurgische Intervention die Sekretion appetitregulierender gastrointestinaler Hormone, der Gallensäuremetabolismus, das Mikrobiom, die Produktion von Adipokinen durch die reduzierte Fettmasse und die systemische Entzündungsreaktion sowie der Geschmackssinn und die Kognition durch neurohumorale Effekt am Thalamus beeinflusst (Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie [DGAV] e.V. 2018).
Die erste prospektive Langzeitstudie zur chirurgischen Adipositastherapie war die Swedish-Obese-Subjects (SOS)-Studie, welche 2000 gematchte Patientenpaare einschloss, von denen jeweils ein PatientIn eine chirurgische und der/die andere eine konventionelle Adipositastherapie erhielt. Mit einer postoperativen medianen Nachbeobachtungsdauer von 24 Jahren konnte für die Operationsgruppe eine deutliche Reduktion der Mortalität dargestellt werden. Allerdings offenbarte die Studie auch, dass 10 % der RYGB-PatientInnen bei der 10-Jahres-Nachbeobachtung keinen Gewichtsverlust von ≥ 5 % erreichten (Carlsson et al. 2020). Auch ist eine lebenslange interdisziplinäre Nachsorge indiziert. Der Einsatz einer postoperativen medikamentösen Behandlung mit Semaglutid zeigte in ersten retrospektiven Analysen hierbei einen positiven Einfluss auf die Gewichtsentwicklung bei PatientInnen mit erneuter Gewichtzunahme oder nicht ausreichendem Gewichtsverlust nach bariatrischer Operation (Lautenbach et al. 2022).

Verlauf und Prognose

Die Adipositaserkrankung reduziert signifikant die Lebenserwartung. Im Vergleich zu normalgewichtigen Menschen verkürzt das Vorliegen einer Adipositas WHO Grad III mit einem BMI von 40–44,9 kg/m2 das Leben um durchschnittlich 6,5 Jahre, ein BMI von 50–54,9 kg/m2 um 8,9 Jahre und ein BMI von 55–59,9 kg/m2 sogar um 13,7 Jahre (Kitahara et al. 2014). Aber nicht nur Adipositas, sondern bereits Übergewicht ist mit einer Steigerung der Mortalität verbunden. Im Jahr 2015 war ein zu hohes Körpergewicht bei Erwachsenen weltweit für 4,0 Mio. Todesfälle verantwortlich (The GBD 2015 Obesity Collaborators 2017). Weiter zeigte sich in einer retrospektiven Analyse von BMI, Taillenumfang und dem Verhältnis der Taille zur Hüfte in der European-Prospective-Investigation-into Cancer-and Nutrition (EPIC)-Studie, dass zusätzlich zur allgemeinen Adipositas auch die abdominale Adipositas mit einem erhöhten Sterberisiko assoziiert ist (Pischon et al. 2008)
Dabei stellen kardiovaskuläre Folgeerkrankungen die Hauptursache für die erhöhte Mortalität dar. Nachfolgend führen diabetische, renale und hepatische, respiratorische sowie neoplastische Komplikationen zur Reduktion der Lebenserwartung (Flegal et al. 2013). Ergänzend zeigt sich aktuell, dass Adipositas, insbesondere bei PatientInnen über 65 Jahren, mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Folgen, einschließlich eines erhöhten Sterberisikos durch COVID-19, verbunden ist (Poly et al. 2021).

Prävention

Adipositas hat den Tabakkonsum als wichtigsten lebensstilbedingten Risikofaktor für einen vorzeitigen Tod abgelöst. Zudem wird die Erkrankung mit Arbeitslosigkeit, sozialer Benachteiligung und geringerer sozioökonomischer Produktivität in Verbindung gebracht und stellt zunehmend eine wirtschaftliche Belastung dar. Aufgrund der anhaltend steigenden Prävalenz und den aktuell noch limitierten Therapieoptionen sollte eine Primärprävention mit dem Ziel der Gewichtsstabilisierung auf Bevölkerungsebene in der öffentlichen Gesundheitspolitik intensiv berücksichtigt werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, sind sowohl Präventionsaktivitäten des Einzelnen im Rahmen der Verhaltensprävention als auch im sozialen Umfeld der Verhältnisprävention unabdingbar. Hierzu sind Aktivitäten von Kommunen, Bildungseinrichtungen, Sozialkassen, Betrieben, Behörden und der Lebensmittelindustrie sowie Einrichtungen zur Personenbeförderung notwendig (Deutsche Adipositas-Gesellschaft [DAG] e.V. 2014). Viele Empfehlungen zur Ernährung und zu adipositasbedingten Verhaltensweisen sind wissenschaftlich jedoch umstritten und können oft nicht in Rechtsvorschriften zum Verbot „adipositasfördernder Verhaltensweisen“ umgesetzt werden. Der „Globale Aktionsplan für die Prävention und Kontrolle nichtübertragbarer Krankheiten 2013–2020“ der WHO legte Strategien fest, die umgesetzt werden sollten, um einen weiteren Anstieg der weltweiten Adipositasprävalenz zu verhindern. Hierzu gehören z. B. wirtschaftliche Anreize zum Konsum gesunder Nahrungsmittel, verbraucherfreundliche Nährwertkennzeichnung auf Lebensmitteln, Beschränkung der Werbung für Lebensmittel mit hohem Gehalt an Fett, Zucker oder Salz, die sich an Kinder richtet, gesunde Gemeinschaftsverpflegung sowie Stärkung und Verbesserung des Sport- und Bewegungsangebots an öffentlichen Einrichtungen wie Schulen. Bislang sind die Fortschritte bei der Bekämpfung der Adipositas jedoch zu langsam, und die WHO-Ziele konnten bisher nicht erreicht werden (Blüher 2019).
Die aktuelle Leitlinie empfiehlt in Bezug auf die Verhaltensprävention, den Verzehr von Lebensmitteln mit hoher Energiedichte zu reduzieren und den mit geringer Energiedichte zu erhöhen sowie den Verzehr von Fast Food, zuckerhaltigen Softdrinks und Alkohol zu reduzieren, sich regelmäßig körperlich, v. a. durch ausdauerorientierte Bewegungsformen, zu bewegen und sitzende Tätigkeiten zu begrenzen (Deutsche Adipositas-Gesellschaft [DAG] e.V. 2014).
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