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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 27.04.2024

Medikamententoxische Kardiomyopathie

Verfasst von: Simone M. Margraf und Matthias Totzeck
Medikamentös-toxische Einflüsse – insbesondere Tumortherapeutika – können eine myokardiale Funktionsstörung induzieren. Hierzu zählen konventionelle Chemotherapeutika, aber auch neuere Therapieformen (u. a. zielgerichtete und Immuntherapien). Die Einteilung der Krebstherapie-assoziierten kardialen Dysfunktion (cancer therapy-related cardiac dysfunction [CTRCD]) erfolgt vorrangig anhand der Symptomatik und echokardiografischer Parameter. Therapieansätze orientieren sich an Empfehlungen zur Herzinsuffizienz – unter anderem unter Einsatz von Betablockern und ACE-Inhibitoren. Aufgrund der Komplexität der Therapieformen sind für Diagnostik und Therapie der kardiovaskulären Nebenwirkungen interdisziplinäre onkokardiologische Behandlungsteams essenziell. Durch häufig prolongierte Verläufe ist eine Überwachung oft auch noch Jahre nach der onkologischen Therapie notwendig.

Definition

Kardiomyopathien sind definiert als eine myokardiale Funktionseinschränkung ohne Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung, arteriellen Hypertonie, Herzklappenerkrankung oder eines angeborenen Herzfehlers (Elliott et al. 2008). Die häufigsten Formen sind die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM, Inzidenz 1:500) und die dilatative Kardiomyopathie (DCM, Inzidenz 1:2500), welche beide hereditär und autosomal-dominant vererbbar sind (Stiefelhagen 2020). Erworbene Formen können durch Speichererkrankungen, Infektionen oder auch medikamentös-toxische Einflüsse entstehen. Bereits seit vielen Jahren bekannt ist die kardiotoxische Wirkung von Anthrazyklinen, einer klassischen Chemotherapieform. Aber auch neuere Therapien wie Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) oder zielgerichtete Therapien können die Entstehung einer Kardiomyopathie begünstigen. Weitere kardiotoxische Substanzen stellen Ethanol, Kokain, Amphetamine, anabole Hormone, Wachstumshormone oder Schwermetalle dar (Hantson 2019).
Das Gebiet der onkologischen Kardiologie beschäftigt sich mit der Schnittstelle zwischen Krebserkrankungen und kardiovaskulären Erkrankungen (Abb. 1). Durch die Krebserkrankung selbst, aber insbesondere durch die Therapie können kardiovaskuläre Erkrankungen induziert werden. Das Spektrum reicht hier von muskulären über valvuläre, vaskuläre bis hin zu rhythmogenen Erkrankungen. Kommt es zum Auftreten einer Kardiomyopathie, spricht man von einer Krebstherapie-assoziierten kardialen Dysfunktion (cancer therapy-related cardiac dysfunction [CTRCD]) (Lyon et al. 2022). Abb. 1 gibt einen Überblick über die Risikofaktoren für das Auftreten einer CTRCD, welche vor Beginn einer potenziell kardiotoxischen Chemotherapie evaluiert werden sollten, um weitere Diagnostik und ggf. Therapie frühzeitig zu evaluieren. Dies ist für das klinische Management besonders wichtig (Lyon et al. 2022).

Pathophysiologie

Um den Tumor zu erreichen und die gewünschte therapeutische Wirkung gegen die Tumorzellen zu erzielen, zirkulieren die Medikamente im kardiovaskulären System. Die zytotoxische Wirkung kann sich dabei an den Endothelzellen von Herz und Gefäßen entfalteten. Auch das Myokard ist aufgrund der hohen Stoffwechselaktivität besonders vulnerabel für die Einwirkung von Zytostatika (Przybyszewski et al. 2006). Tab. 1 gibt einen Überblick über verschiedene Tumortherapien und ihre kardiotoxische Wirkungsweise.
Tab. 1
Übersicht zu gängigen Tumortherapieformen/-substanzen, ihr zelluläres Ziel, den Wirkungsmechanismus und die assoziierte Kardiotoxizität. (Nach Totzeck et al. 2019a)
Tumortherapie
Substanzen
Zelluläres Ziel
Mechanismus
Kardiovaskuläre Toxizität
Anthrazykline
Doxorubicin, Daunorubicin, Epirubicin, Idarubicin, Mitoxantron
Topoisomerase II
DNA-Doppelstrangbrüche
ROS-Formation,
Seneszenz
Platinverbindungen
Cisplatin, Carboplatin, Oxaliplatin
Crosslinks (DNA-Schädigung)
Endothelialer Schaden, Thromboxan-Produktion
Myokardischämie, arterielle Hypertonie, VTE, Herzinsuffizienz, Vasospasmen
Alkylantien
Cyclophosphamid, Ifosfamid
Crosslinks (DNA-Schädigung)
Lipidperoxidation, mitochondriale Dysfunktion, ROS-Formation
Herzinsuffizienz (akut), Myokarditis, Perikarditis
Taxane
Paclitaxel, Docetaxel
Mikrotubuli-Stabilisation
Apoptose, endothelialer Schaden
Myokardischämie, Koronarspasmen, Herzrhythmusstörungen, Thrombosen
5-Fluoruracil, Capecitabin
Antimetabolit/DNA-Synthese
ROS-Formation, mitochondriale Dysfunktion, Lipidperoxidation, Protein Kinase C, Vasokonstriktion
Herzinsuffizienz, Hypertonie, Koronare Vasospasmen, Myokardischämie, Herzrhythmusstörungen
HER2-Inhibitoren
Trastuzumab, Pertuzumab, Lapatinib
HER2
ROS-Formation, Apoptose
Herzinsuffizienz
VEGF-Antikörper
Bevazicumab, Ramucirumab, Aflibercept
VEGF-Signalweg
Hemmung NO und Prostazyklin-Produktion, Endothelin-1-Produktion
Herzinsuffizienz, arterielle Hypertonie, Thrombosen, Schlaganfall
Small molecules, Multikinase-Inhibitoren
Axitinib, Cabozantinib, Crizotinib, Lenvatinib, Nilotinib, Nintedanib, Pazopanib, Regorafenib, Sorafenib, Sunitinib, Vandetanib
Häufig: VEGFR2 und PDGFR,
ABL und ABL-Mutationen und andere Kinasen
Hemmung NO und Prostazyklin-Produktion, Endothelin-1-Produktion
Herzinsuffizienz, arterielle Hypertonie, Thrombosen, QTc-Zeit-Verlängerung
BRAF/MEK-Inhibitoren
Vemurafenib, Dabrafenib, Endorafenib
Trametinib, Cobimetinib, Binimetinib
ERK-Signalweg
Myokardiale Integrität, ROS-Formation, Apoptose
Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern, QTc-Zeit-Verlängerung
Proteasom-Inhibitoren
Bortezomib, Carfilzomib
Ubiquitin-Proteasom-System
Apoptose, Anti-Angiogenese
Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Thrombosen, arterielle Hypertonie
Immuncheckpoint-Inhibitoren (anti-PD-1/PD-L1-Antikörper)
Nivolumab, Pembrolizumab, Avelumab, Atezolimab, Durvalumab
PD1/PDL1
Autoimmunreaktion
Myokarditis
Immuncheckpoint-Inhibitoren (anti-CLTA4-Antikörper)
Ipilimumab, Tremelimumab
CTLA4
Autoimmunreaktion
Myokarditis
Anti-CD20-Antikörper
Rituximab
CD20-positive B-Zellen
Apoptose
Arterielle Hypertonie, instabile Angina pectoris
Besonders relevant im klinischen Alltag in Bezug auf die Entstehung einer medikamententoxischen Kardiomyopathie ist eine Therapie mit Anthrazyklinen und ICI, auf die daher im folgenden Abschnitt noch genauer eingegangen werden soll.

Kardiotoxische Wirkung von Anthrazyklinen

Anthrazykline sind dosisabhängig mit einem erhöhten Risiko zur Entstehung einer Herzinsuffizienz assoziiert, beispielsweise eine Therapie mit Doxorubicin ab einer kumulativen Dosis von > 250 mg/m2 (Lyon et al. 2022). Verschiedene Mechanismen auf zellulärer und subzellulärer Ebene spielen dabei eine Rolle. Im Rahmen einer enzymatischen Spaltung der Anthrazykline von einem Chinon zu einem Semichinon entstehen reaktive Sauerstoffspezies (ROS) (Rochette et al. 2015). Vermittelt wird dies über die mitochondriale Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid-Dehydrogenase, die zytosolische Xanthin-Oxidase, die Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid-Phosphat (NADPH)-Cytochrom-p450-Oxidoreduktase im endoplasmatischem Retikulum oder die Stickstoffmonoxid-Synthase. Die entstandenen ROS oxidieren und schädigen auf diese Weise DNA, Proteine und Lipide (Luu et al. 2018). Auch die mitochondriale Funktion wir durch ROS-Formation gestört, wodurch es zu einer Freisetzung von Cytochom C und Apoptose der Kardiomyozyten kommt (Zhang et al. 2012). Aufgrund der niedrigen antioxidativen Fähigkeit von Kardiomyozyten führt oxidativer Stress zu einer strukturellen und funktionellen Schädigung des Herzmuskels (Przybyszewski et al. 2006). Zusätzlich hemmen Anthrazykline die Aktivität der Topoisomerase IIβ und verhindern so die Reparatur des induzierten DNA-Schadens. Des Weiteren binden Anthrazykline an Calciumkanäle, was zu einem erhöhten intrazellulären Calciumlevel führt und zur Dysregulation verschiedener Proteasen sowie zur Reduktion der kontraktilen Funktion der Kardiomyozyten (Keung et al. 1991). Auch die vaskuläre Funktion kann durch Anthrazykline beeinträchtigt werden und so die Entstehung der Kardiomyopathie noch begünstigen. Oxidativer Stress, DNA-Schädigung und Zelltod der Endothelzellen führen zu einer erhöhten mikrovaskulären Permeabilität (Luu et al. 2018).

Entstehung einer Immuntherapie-assoziierten myokardialen Dysfunktion

Eine weitere wichtige Therapie mit möglichen kardiovaskulären Nebenwirkungen ist die Immuntherapie. Durch ihren Einsatz konnte das Überleben von Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung (bspw. malignem Melanom) deutlich verbessert werden (Robert et al. 2015). Die Entwicklung neuer Substanzen und neue Einsatzgebiete führen zu einer deutlich gesteigerten Anzahl an Patienten, die mit dieser Therapieform behandelt werden. So kommen aktuell ca. 40 % aller Krebspatienten für eine Immuntherapie in Frage (Haslam und Prasad 2019). Im Rahmen der adaptiven Immunantwort werden T-Zellen durch Antigenpräsentation aktiviert. Dies wird durch Immuncheckpoints wie Programmed Cell Death Protein 1 (PD1) und Cytotoxic T-Lymphocyte-associated Protein 4 (CTLA4) reguliert. Tumorzellen exprimieren diese Immuncheckpoints, um so der Immunantwort zu entkommen. Immuncheckpoint-Inhibitoren wie Nivolumab (PD1) und Ipilimumab (CTLA4) verhindern dies wiederum, um eine gegen den Tumor gerichtete Immunreaktion auszulösen (Moslehi et al. 2018). Durch die erhöhte T-Zell-Aktivität wird jedoch auch eine Autoimmunität induziert, was am Herzen zu einer lymphozytären Myokarditis führen kann (Mahmood et al. 2018). Hierbei scheinen sowohl die Expression der Immuncheckpoints wie des PD1-Liganden auf der kardialen Endothelzelle als auch weitere gemeinsame Epitope auf Tumor und Myokard eine Rolle zu spielen (Michel et al. 2022; Johnson et al. 2016). Insbesondere α-Myosin konnte als relevantes Autoantigen am Herzen identifiziert werden, und nach Gabe von ICI zeigte sich eine myokardiale Infiltration vor allem mit zytotoxischen CD8+ T-Zellen (Axelrod et al. 2022). Die genauere Charakterisierung der zugrunde liegenden Pathomechanismen der ICI-assoziierten Myokarditis ist noch unvollständig bekannt.

Epidemiologie, Alter und Gender

Kardiovaskuläre Erkrankungen und Tumorerkrankungen zählen zu den häufigsten Ursachen von Morbidität und Mortalität weltweit. Dabei nimmt jedoch das Langzeitüberleben von Tumorerkrankungen durch verbesserte Therapieoptionen zu. Beispielsweise liegt die 5-Jahres-Überlebensrate von Brustkrebspatientinnen bei 89 % und die 10-Jahres-Überlebensrate bei 83 % (Levis et al. 2017). Unter der kombinierten Immuntherapie mit Nivolumab und Ipilimumab hat sich die Überlebensrate von Patienten mit fortgeschrittenem malignem Melanom mehr als verdoppelt (Postow et al. 2015). In den USA leben derzeit bereits mehr als 18 Mio. Patienten mit einer überlebten Krebserkrankung (Miller et al. 2022) und der Anteil von Patienten über 65 Jahre soll bis 2040 von 67 % auf 73 % steigen, was auch mit einem erhöhten Auftreten von Komorbiditäten verbunden sein wird (Bluethmann et al. 2016). Kardiovaskuläre Nebenwirkungen von Tumortherapien spielen daher eine immer größere Rolle, auch in Bezug auf die Lebensqualität bei Patienten nach überlebter Krebserkrankung (Michel und Rassaf 2019). Die Inzidenz einer medikamententoxischen Kardiomyopathie reicht dosisabhängig beispielsweise nach einer Therapie mit Doxorubicin von 3–5 % (bei einer kumulativen Dosis von 400 mg/m2) bis hin zu 18–48 % (bei einer kumulativen Dosis von 700 mg/m2) (Zamorano et al. 2017).
Die Fachrichtung der onkologischen Kardiologie hat sich in den letzten Jahren neu entwickelt: 2016 erschien das erste Positionspapier der europäischen Gesellschaft für Kardiologie (Zamorano et al. 2017), 2020 das erste Konsensuspapier der deutschen Gesellschaft für Kardiologie (Rassaf et al. 2020) und 2022 erschienen die ersten europäischen Leitlinien (Lyon et al. 2022).

Klinik

Eine medikamententoxische Kardiomyopathie kann symptomatisch oder asymptomatisch sein. Die weitere Einteilung der CTRCD ist in Abb. 2 dargestellt. Bei asymptomatischen Patienten erfolgt die Klassifikation in die Schweregrade mild, moderat oder schwer vor allem anhand von echokardiografischen Parametern im Sinne einer reduzierten linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) oder eines reduzierten Global Longitudinal Strain (GLS) als Maß für die Myokarddeformation. Zusätzlich können kardiale Biomarker erhöht sein (Lyon et al. 2022).
Typische Symptome stellen eine belastungsabhängige Dyspnoe, periphere Ödeme, Brustschmerzen und Palpitationen dar. Bei Vorliegen einer symptomatischen CTRCD ist die Definition einer Herzinsuffizienz erfüllt (Lyon et al. 2022; McDonagh et al. 2022). Die weitere Schweregradeinteilung erfolgt anhand der notwendigen Intervention. Bei moderater CTRCD ist die Intensivierung der Herzinsuffizienzmedikation, beispielsweise eine forcierte diuretische Therapie, notwendig. Bei schwerem Verlauf kommt es zur Hospitalisierung und bei sehr schweren Verläufen muss eine kreislaufunterstützende mechanische oder medikamentöse (inotrope) Therapie erfolgen oder sogar eine Listung zur Herztransplantation (HTX, Abb. 2) (Lyon et al. 2022).

Diagnostik (klinisch, Labor, Bildgebung)

Die Internationale Gesellschaft für Onko-Kardiologie und die europäische Gesellschaft für Kardiologie empfehlen je nach geplanter Tumortherapie und Tumorerkrankung angepasste Baseline- und Follow-up- Strategien (Lyon et al. 2022; Herrmann et al. 2022). Bereits vor einer potenziell kardiotoxischen Tumortherapie sollte eine Risikobewertung stattfinden und so das weitere Vorgehen festgelegt werden. Zur Diagnostik gehören eine ausführliche Anamnese (insbesondere typische kardiale Symptome, kardiovaskuläre Risikofaktoren und Vorerkrankungen) und eine klinische Untersuchung, zudem ein 12-Kanal-EKG und eine Laboruntersuchung mit Bestimmung kardialer Biomarker (Troponin und Brain Natriuretic Peptide [BNP] bzw. n-terminales pro-BNP [NT-proBNP]) sowie der Nierenfunktion, eines Lipidprofils und des HbA1c.
Einen besonderen Stellenwert in der Diagnostik hat die transthorakale Echokardiografie zur Definition einer CTRCD (siehe auch Abb. 2). Empfohlen wird, wenn technisch möglich, die Bestimmung der LVEF mittels 3D-Echokardiografie zu bevorzugen. Zudem sollte die Messung des GLS erfolgen, da hierdurch eine linksventrikuläre Dysfunktion eventuell früher diagnostiziert werden kann (Plana et al. 2014; Yang et al. 2018). Bei unklaren echokardiografischen Befunden oder zur weiteren Diagnostik, z. B. bei der Frage nach einer Myokarditis, kann die Durchführung einer kardialen Magnetresonanztomografie indiziert sein (Lyon et al. 2022). Auch eine nuklearmedizinische Bildgebung kann als zusätzliches spezifisches diagnostisches Tool relevant sein (Totzeck et al. 2022). Bei auffälligen Befunden und Verdacht auf das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung können zur Differenzialdiagnostik bei einer Kardiomyopathie eine Herzkatheteruntersuchung oder eine koronare Computertomografie indiziert sein.

Differenzialdiagnostik

Differenzialdiagnostisch kann eine Kardiomyopathie hereditäre Ursachen haben, beispielsweise in Form einer HCM, einer hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM), einer DCM, einer arrhythmogenen rechtsventrikulären Dysplasie (ARVC) oder einer Non-Compaction-Kardiomyopathie. Erworbene Formen können neben medikamentös-toxischen Einflüssen auch durch Speichererkrankungen oder Infektionen entstehen. Zudem sollten auch weitere Ursachen einer myokardialen Funktionseinschränkung in Betracht gezogen werden wie eine koronare Herzerkrankung, arterielle Hypertonie, eine Herzklappenerkrankung oder ein angeborener Herzfehler. Dies ist besonders relevant, da durch medikamentös-toxische Einflüsse im Rahmen einer Chemotherapie oder durch Drogenabusus nicht nur eine Kardiomyopathie, sondern beispielsweise auch eine koronare Herzerkrankung induziert werden kann. Vor allem ein Troponin-positives akutes Koronarsyndrom sollte daher auch leitliniengerecht abgeklärt werden (Mrotzek et al. 2021).

Therapie

Die Therapie einer medikamententoxischen Kardiomyopathie richtet sich insbesondere nach den Leitlinien zur Herzinsuffizienz. Wenn eine symptomatische CTRCD besteht und die Kriterien einer Herzinsuffizienz erfüllt sind, ist auch das volle Spektrum der Therapie indiziert. Dies impliziert die Gabe von ACE (Angiotensin-converting Enzyme)-Inhibitoren bzw. ARNI (Angiotensin Receptor-Neprilysin Inhibitor), Beta-Blockern, Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten, Empagliflozin/Dapagliflozin (Sodium-dependent Glucose Co-Transporter [SGLT]2-Inhibitoren) und Schleifendiuretika (McDonagh et al. 2022). Bei schwerer und moderater asymptomatischer CTRCD wird dies ebenfalls empfohlen. Bei milder asymptomatischer CTRCD sollte bei zusätzlich erhöhten kardialen Biomarkern oder reduziertem GLS (> 15 %) eine Therapie mit Betablockern oder ACE-Inhibitoren erwogen werden. Auch der frühzeitige Einsatz zur Prävention einer medikamententoxischen Kardiomyopathie wird diskutiert (Totzeck et al. 2019b).
Bei schwerer CTRCD sollte zudem eine Beendigung oder Pausierung der kardiotoxischen Medikation erfolgen. Zur Verhinderung einer kardiotoxischen Wirkung von Anthrazyklinen kann die Applikation des intrazellulären Eisenchelatbildners Dexrazoxan vor der Anthrazyklingabe erwogen werden, wodurch eine enzymatische Spaltung der Anthrazykline katalysiert wird (Rochette et al. 2015). Im Falle einer Immuntherapie-induzierten Myokarditis ist eine Steroidtherapie indiziert (Methylprednisolon 500–1000 mg i.v. bolus täglich über mindestens 3 Tage) (Lyon et al. 2022).

Verlauf und Prognose

Je nach dem zeitlichen Beginn der Kardiotoxizität im Vergleich zu Exposition der Noxe kann unterschieden werden in einen akuten Schaden (während/unmittelbar nach der Exposition), subakuten Schaden (Tage bis wenige Wochen nach der Exposition) oder chronischen Schaden (Wochen bis Monate nach der Exposition) (Shakir und Rasul 2009). Für die Prognose ist zudem relevant, ob es sich um einen irreversiblen (Typ-I-Kardiotoxizität) oder reversiblen Schaden (Typ-II-Kardiotoxizität) handelt. Ein akuter Schaden entsteht meist durch direkte toxische Einflüsse auf zellulärer Ebene oder eine Immunreaktion. Beispielsweise eine Chemotherapie mit Cyclophosphamid kann zum Auftreten einer akuten Herzinsuffizienz bis hin zu einem kardiogenen Schock mit einer Mortalitätsrate von bis zu 14 % führen (Morandi et al. 2005). Eine Immuntherapie-assoziierte Myokarditis hat eine Mortalitätsrate von bis zu 67 % bei einer Kombinationstherapie mit PD1- und CTLA4-Inhibitoren (Mahmood et al. 2018; Moslehi et al. 2018). Ansonsten zeigen (sub-)akute Formen häufig reversible Verläufe (Typ II). Chronisch-progrediente Verläufe der Typ-I-Kardiotoxizität sind oft schwerwiegend und meist mit einer schlechten Prognose assoziiert.
Die lange Latenz zwischen der toxischen Medikamentengabe und dem klinisch manifesten Auftreten der Kardiomyopathie macht die Diagnostik und Therapie häufig schwierig (Zamorano et al. 2017). Auch deshalb werden kardiologische Kontrollen durchschnittlich zu Beginn einer potenziell kardiotoxischen Therapie alle 3 Monate und im Verlauf alle 5 Jahre empfohlen (Rassaf et al. 2020).
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