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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 23.04.2015

Mikroskopische Kolitis

Verfasst von: Stephan Miehlke
Die mikroskopische Kolitis ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die typischerweise bei Frauen in der zweiten Lebenshälfte auftritt. Das Leitsymptom ist die chronische, nicht blutige Diarrhö. Die Diagnose kann nur durch die histologische Untersuchung von multiplen Kolonbiopsien gestellt werden, da der endoskopische Befund meistens unauffällig ist. Histologisch werden die kollagene Kolitis, die lymphozytäre Kolitis und die inkomplette mikroskopische Kolitis unterschieden.

Definition

Die mikroskopische Kolitis ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die typischerweise bei Frauen in der zweiten Lebenshälfte auftritt (Münch et al. 2012). Das Leitsymptom ist die chronische, nicht blutige Diarrhö. Die Diagnose kann nur durch die histologische Untersuchung von multiplen Kolonbiopsien gestellt werden, da der endoskopische Befund meistens unauffällig ist. Histologisch werden die kollagene Kolitis, die lymphozytäre Kolitis und die inkomplette mikroskopische Kolitis unterschieden.

Ätiologie und Pathophysiologie

Die Ätiologie der mikroskopischen Kolitis ist bisher nicht vollständig geklärt (Münch et al. 2012). Ein intraluminaler Faktor wird vermutet, da es nach Anlage eines Ileostoma zu einer vollständigen Remission der Erkrankung kommt. Rauchen ist ein signifikanter Risikofaktor. Die starke weibliche Prädominanz deutet auf mögliche hormonelle Einflussfaktoren hin. Häufig besteht eine Gallensäuremalabsorption. Postinfektiöse und medikamentenassoziierte Formen wurden beschrieben. Es besteht eine Assoziation zu anderen Autoimmunerkrankungen.
Die Erkrankung zeichnet sich durch ein TH1-typisches Zytokinprofil aus (INF-γ, IL-15, TNF-α). Immunologisch dominieren CD8+-T-Lymphozyten. Bei der kollagenen Kolitis besteht ein Ungleichgewicht zwischen Fibrogenese und Fibrolyse (MMP-1, TIMP, TGF-β, VEGF), was zu einer Vermehrung der subepithelialen Kollagenmatrix führt.

Epidemiologie

Eine deutliche Zunahme der Inzidenz und Prävalenz der mikroskopischen Kolitis innerhalb der letzen 20 Jahre wurde vor allem in Nordamerika und Europa beschrieben (Münch et al. 2012; Pardi und Kelly 2011). Je nach Region liegen die Inzidenz zwischen 10 und 26 pro 100.000 Einwohner und die Prävalenz zwischen 40 und 123 pro 100.000 Einwohner. Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten, der Häufigkeitsgipfel liegt in der fünften und sechsten Lebensdekade.

Klinik

Das Leitsymptom der mikroskopischen Kolitis ist die chronische, meist wässrige, nicht blutige Diarrhö. Häufige Begleitsymptome sind abdominelle Schmerzen, nächtliche Diarrhö, imperativer Stuhldrang, Inkontinenz und ein milder Gewichtsverlust. Das Symptomspektrum der histologischen Subtypen der mikroskopischen Kolitis ist in Tab. 1 dargestellt. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten ist signifikant reduziert.
Tab. 1
Demographie und Symptomspektrum der mikroskopischen Kolitis (Bjørnbak et al. 2011)
 
Kollagene Kolitis
(n = 270)
Lymphozytäre Kolitis
(n = 168)
Inkomplette mikroskopische Kolitis
(n = 101)
Alter (Jahre)
65
63
62
Weiblich (%)
74
64
82
Stühle/Tag (Durchschnitt)
7
6
5
Wässrige Diarrhö (%)
92
88
68
Nächtliche Diarhö (%)
57
39
31
Abdominelle Schmerzen (%)
48
52
56
Gewichtsverlust (%)
59
48
59
Imperativer Stuhldrang (%)
74
67
75
Inkontinenz
43
34
22

Diagnostik

Der endoskopische Befund bei mikroskopischer Kolitis ist in aller Regel unauffällig. Gelegentlich kann ein unspezifisches Schleimhauterythem oder Ödem auffallen. Als seltenes, aber relativ typisches Zeichen gelten sog. „mucosal tears“, die einem spontanen oberflächlichen Mukosaeinriss entsprechen und als Ausdruck einer erhöhten Fragilität der Schleimhaut angesehen werden. In Einzelfällen sind spontane Perforationen während der Koloskopie beschrieben worden.
Die mikroskopische Kolitis kann nur histologisch diagnostiziert werden. Um die Diagnose der mikroskopischen Kolitis sicher zu stellen, sollten mindestens je zwei Biopsien aus dem Ascendens, Transversum und Descendens entnommen werden (Miehlke et al. 2013). Zudem sollte die Frage der mikroskopischen Kolitis konkret an den Pathologen gestellt werden. Bereits in der Hämatoxylin-Eosin-Färbung können charakteristische Zeichen einer mikroskopischen Kolitis identifiziert werden. Charakteristisch für alle drei Subtypen ist eine meist homogen verteilte lymphoplasmazelluläre Inflammation der Lamina propria (Abb. 1). Für die Diagnose der kollagenen Kolitis wird ein verbreitertes subepitheliales Kollagenband von >10 μm gefordert. Zur genaueren Darstellung des Kollagenbandes können zusätzliche Färbungen (z. B. van Gieson, Goldner, Tenascin) hilfreich sein. Als diagnostisches Kriterium für die lymphozytäre Kolitis gilt eine Vermehrung der intraepithelialen Lymphozyten von >20 pro 100 Epithelzellen. Eine CD3-Färbung wird nicht generell empfohlen, kann in unklaren Fällen aber hilfreich sein (Magro et al. 2013). Patienten, die die genannten arbiträren Grenzwerte nicht erreichen, werden als inkomplette mikroskopische Kolitis beschrieben.
Laborchemische Auffälligkeiten finden sich selten. Bei starker wässriger Diarrhö können Zeichen der Dehydratation auftreten. Es gibt bislang keine etablierten Biomarker. Das fäkale Calprotectin kann erhöht sein, ist aber weder ausreichend sensitiv noch spezifisch.

Differenzialdiagnosen

Die häufigste Differenzialdiagnose ist das Diarrhö-dominante Reizdarmsyndrom, da eine erhebliche Symptomüberlappung besteht und der Koloskopiebefund ebenfalls unauffällig ist. Hier ist die Entnahme von Stufenbiopsien entscheidend. Andere chronisch-entzündliche Darmerkrankungen können in aller Regel durch den endoskopischen Befund abgegrenzt werden. Es sind allerdings auch Übergänge von mikroskopischer Kolitis zu Colitis ulcerosa und Morbus Crohn und umgekehrt beschrieben worden. Im Rahmen der Umfelddiagnostik sollte eine Zöliakie und eine Laktoseintoleranz ausgeschlossen werden, da diese vergesellschaftet sein können.

Therapie

Das Ziel der Therapie ist die Induktion und die Erhaltung einer klinischen Remission. Evidenzbasierte Therapie der Wahl ist topisches Budesonid, das initial in der Dosierung 9 mg täglich für sechs bis acht Wochen gegeben werden sollte (Münch et al. 2012; Miehlke et al. 2013, 2014). Bei rezidivierendem Verlauf sollte eine möglichst niedrigdosierte Budesonidtherapie fortgesetzt werden (Abb. 2). In zwei Studien ist die Wirksamkeit von 6 mg täglich für sechs Monate und in einer Studie die Wirksamkeit von 4,5 mg über ein Jahr nachgewiesen worden.
Gesicherte Alternativen zu Budesonid gibt es bislang nicht. Bei milder Symptomatik kann Loperamid oder Cholestyramin probatorisch eingesetzt werden. Für Mesalazin (Miehlke et al. 2014), Prednisolon und Probiotika gibt es bisher keinen überzeugenden Wirksamkeitsnachweis.
Bei schweren Budesonid-refraktären oder -abhängigen Verläufen können Immunsuppressiva, Biologika oder, als ultima ratio, eine laparoskopische Ileostomie erwogen werden. Rauchern sollte der Rauchverzicht empfohlen werden.

Verlauf und Prognose

Die mikroskopische Kolitis zeigt in bis zu 80 % der Fälle einen chronisch-rezidivierenden Verlauf (kollagene Kolitis häufiger als lymphozytäre Kolitis). Als unabhängige Risikofaktoren für einen rezidivierenden Verlauf gelten eine hohe Stuhlfrequenz und eine lange Diarrhöanamnese vor Therapiebeginn. Die Prognose ist insgesamt günstig. Schwere Komplikationen wie Dehydratationen sind selten. Die Erkrankung führt nicht zu strukturellen Darmwandschäden (Stenosen) und ist nicht mit einem erhöhten Risiko für Adenome und Karzinome assoziiert.
Literatur
Bjørnbak C, Engel PJH, Nielsen PL, Munck LK (2011) Microscopic colitis: clinical findings, topography and persistence of histopathological subgroups. Aliment Pharmacol Ther 34:1225–1234CrossRefPubMed
Magro F, Langner C, Driessen A, Ensari A, Geboes K, Mantzaris GJ, Villanacci V, Becheanu G, Borralho Nunes P, Cathomas G, Fries W, Jouret-Mourin A, Mescoli C, de Petris G, Rubio CA, Shepherd NA, Vieth M, Eliakim R, European Society of Pathology (ESP), European Crohn's and Colitis Organisation (ECCO) (2013) European consensus on the histopathology of inflammatory bowel disease. J Crohns Colitis 7:827–851CrossRefPubMed
Miehlke S, Aust D, Madisch A (2013) Microscopic coitis – new insights relevant to clinical practice. Z Gastroenterol. [Epub vor Druck] German
Miehlke S, Madisch A, Kupcinskas L, Petrauskas D, Böhm G, Marks HJ, Neumeyer M, Nathan T, Fernández-Bañares F, Greinwald R, Mohrbacher R, Vieth M, Bonderup OK, BUC-60/COC Study Group (2014) Budesonide is more effective than mesalamine or placebo in short-term treatment of collagenous colitis. Gastroenterology 146:1222–1230CrossRefPubMed
Münch A, Aust D, Bohr J, Bonderup O, Fernández Bañares F, Hjortswang H, Madisch A, Munck LK, Ström M, Tysk C, Miehlke S (2012) Microscopic colitis: current status, present and future challenges – statements of the European Microscopic Colitis Group. J Crohns Colitis 6:932–945CrossRefPubMed
Pardi DS, Kelly CP (2011) Microscopic colitis. Gastroenterology 140:1155–1165CrossRefPubMed