Infektionserkrankungen stellen nach kardiovaskulären Ereignissen eine der wichtigsten Todesursachen nach einer
Nierentransplantation dar (Briggs
2001). Infektionen weisen eine Häufung innerhalb der ersten drei Monate nach Nierentransplantation auf, wenn die Immunsuppression am intensivsten ist. Allerdings bleibt das Infektionsrisiko während der gesamten Zeit unter Immunsuppression im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöht. Risikofaktoren stellen aktive oder latente Infektionen des Spenders, die Höhe der Immunsuppression, chirurgische Interventionen, Wunden und intraabdominelle Verhalte, Reaktivierungen latenter Virusinfektionen beim Empfänger und metabolische Veränderungen wie Urämie oder eine diabetische Stoffwechsellage dar.
In den ersten Wochen nach einer
Nierentransplantation dominieren vor allem spender- und empfängerbedingte Infektionen mit nosokomialen
Bakterien oder
Candida. Häufig handelt es sich um Harnwegsinfekte,
Pneumonien, Wund- oder Katheterinfekte oder
Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhöen. Zusätzlich kann es zu spenderbedingten Infektionen vor allem mit Herpesviren, Zytomegalieviren (CMV) oder
Parvovirus B19 kommen.
Ab dem zweiten Monat treten dann vor allem empfängerbedingte Infektionen in den Vordergrund, häufig durch Reaktivierung latenter Infektionen mit Herpesviren (
Epstein-Barr-Virus,
Herpes-simplex-Virus,
Varizella-Zoster-Virus oder Zytomegalievirus). Auch kann es zum Aufflammen von Virushepatitiden kommen. Ab dieser Phase der Transplantation treten auch verstärkt Infektionen mit opportunistischen Erregern wie
Pneumocystis jirovecii,
Toxoplasmose, Nokardien, Pilzinfektionen (Kryptokokken,
Aspergillosen, Mucor) sowie
Tuberkulose auf. Eine prophylaktische Therapie mit Sulfamethoxazol + Trimethoprim kann das Risiko für Infektionen mit Pneumocystis jirovecii,
Listeria monocytogenes, Norkardien und Toxoplasmose reduzieren.
Spezielle Infektionen
Zytomegalievirusinfektionen können als Primärinfektion eines seronegativen Empfängers, durch das Transplantat eines seropositiven Spenders, durch eine Reaktivierung eines endogenen latenten Virus oder durch die Superinfektion mit einem neuen Virusstamm entstehen.
CMV-Infektionen können asymptomatisch sein, sich als mononukleoseartige Erkrankung äußern oder grippeartige Symptome wie
Fieber, Leukopenie und Thrombopenie auslösen. Es kann auch zu schweren systemischen Verläufen kommen. Häufig sind ein gastrointestinaler bzw. pulmonaler Befall oder eine Chorioretinitis. Klinisch kann jedoch praktisch jedes Organsystem betroffen sein.
Risikofaktoren stellen der Serostatus von Spender und Empfänger (höchstes Risiko bei Spender positiv, Empfänger negativ), die Therapie mit T-Zell-depletierenden
Antikörpern oder eine erhöhte Immunsuppression nach Abstoßungsbehandlungen, Neuropenien, begleitende Infektionen mit HHV6 und HHV7 sowie anderer Komorbiditäten dar.
Zum
Screening auf
CMV-Infektionen wird heutzutage überwiegend die Bestimmung der CMV-DNA mittels PCR benutzt. Der Nachweis des pp65-Antigens im Blut hat sich als deutlich weniger sensitiv herausgestellt. Nichtsdestotrotz können auch gewebeinvasive Erkrankungen ohne Nachweis von CMV-DNA vorliegen. Dies kann vor allem bei gastrointestinalem oder neuronalem Befall auftreten. Die Diagnosestellung bei diesen Patienten muss dann in der Gewebebiopsie bzw. im Liquor erfolgen.
Eine CMV-Primärprophylaxe wird bei CMV-seropositiven Empfängern im Regelfall für mindestens 3 Monate empfohlen. Hierfür wird überwiegend orales Valganciclovir verwendet. Seronegative Empfänger eines Organs von einem seropositiven Spender haben das höchste Infektionsrisiko. Hier hat sich eine Primärprophylaxe für 200 Tage als überlegen gezeigt. Nach Absetzen der Primärprophylaxe entwickelt ein nicht unerheblicher Teil der Patienten trotzdem eine CMV-Virämie bzw. -Erkrankung, sodass nach Absetzten der Primärprophylaxe ein intensiviertes CMV-Monitoring erfolgen sollte. Eine CMV-Erkrankung nach
Nierentransplantation ist mit einem schlechteren Patienten- und Transplantatüberleben assoziiert.
Milde bis moderate CMV-Erkrankungen können ebenfalls mit oralem Valganciclovir behandelt werden. Patienten mit schweren Verläufen, hoher Viruslast oder zweifelhafter gastrointestinaler Resorption sollten intravenöses Ganciclovir erhalten. Die Behandlung sollte für 2 Wochen nach Abklingen der klinischen Symptome und Negativierung der Viruslast fortgeführt werden. Zusätzlich sollte eine temporäre oder dauerhafte Reduktion der Immunsuppression diskutiert werden. Der Effekt einer zusätzlichen Behandlung mit CMV-spezifischen
Immunglobulinen ist nicht klar, kann im Einzelfall aber erwogen werden.
Im Rahmen der Akuterkrankung sollte eine wöchentliche Messung der CMV-Viruslast erfolgen. Eine CMV-Virämie sollte nicht mehr nachweisbar sein, bevor die Therapie beendet wird. Nach Beendigung der Therapie sollte eine Sekundärprophylaxe für 1–3 Monate in reduzierter Dosis erwogen werden. In seltenen Fällen können Mutationen vor allem in der viralen Kinase UL97 oder der Viruspolymerase UL54 zu einer Resistenz gegen Ganciclovir führen. In diesen Fällen ist eine Therapie mit Foscarnet, Cidofovir oder Maribavir möglich.
Das klinische Spektrum der BK-Virus-Infektionen beinhaltet BK-Virurien, BK-Virämien, BK-Virus-Nephropathien und Harnleiterstenosen. BK-Virurien und -Virämien treten bevorzugt 2–3 Monate bzw. 3–6 Monate nach einer
Nierentransplantation auf. Die BK-Virusinfektion ist eine bedeutende Ursache der Transplantatdysfunktion und des Transplantatverlustes. Sie äußert sich primär in einem asymptomatischen Anstieg der Retentionsparameter. Die Diagnose wird histologisch durch den Nachweis von viralen Einschlüssen in den Zellkernen der Tubulusepithelzellen und gelegentlich in den glomerulären Parietalzellen gestellt. Immunhistochemisch lässt sich das SV40-Antigen anfärben. Weiterhin zeigt sich eine interstitielle Inflammation, häufig mit vielen
Plasmazellen sowie degenerativen Veränderungen der Tubuli und fokaler Tubulitis. Hier fällt teils die Abgrenzung zu einer interstitiellen Rejektion schwer.
Die Behandlung der BK-Virus-Nephropathie gestaltet sich schwierig. Ursächliche Therapieoptionen konnten bisher nicht gesichert werden. Eine Reduktion der Immunsuppression durch Reduktion oder Absetzen des Antimetaboliten oder Reduktion der CNI-Dosis haben sich als wirkungsvoll gezeigt. Unter Umständen kann auch die Behandlung mit einem mTOR-Inhibitor sinnvoll sein. Aufgrund der limitieren Therapieoptionen einer manifesten BK-Virus-Nephropathie wird aktuell ein Monitoring der BK-Virämie und eine präemptive Reduktion der Immunsuppression empfohlen.
Impfungen
Transplantationskandidaten sollten vor einer Listung zur
Nierentransplantation alle Standardimpfungen entsprechend den aktuellen Empfehlungen der STIKO erhalten. Dies sollte nach Möglichkeit mindestens 4–6 Wochen vor einer geplanten Transplantation erfolgen, dies gilt vor allem für Lebendimpfstoffe. Neben den Patienten sollten nach Möglichkeit auch Haushaltsmitglieder, enge Kontaktpersonen sowie Mitarbeiter der Gesundheitsvorsorge vollständig geimpft sein.
Innerhalb der ersten 3–6 Monate nach einer Transplantation sind
Impfungen nicht empfehlenswert, da aufgrund der in dieser Phase besonders hohen Immunsuppression das Impfansprechen gering ist. Nach dieser Zeit können Impfungen dann wieder gefahrlos durchgeführt werden. Saisonale Influenza- und Covid-19-Impfungen sind auch nach einer Transplantation sicher und effektiv. Es ist bisher kein sicherer Zusammenhang zwischen Impfungen und Transplantatdysfunktion bekannt. Allerdings sind Impfungen mit Lebendimpfstoffen unter Immunsuppression kontraindiziert, da diese zu Impfinfektionen führen können.