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DGIM Innere Medizin
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Publiziert am: 03.05.2024

Synkope

Verfasst von: Thomas Klingenheben
Synkopen stellen eine häufige klinische Entität dar, und sind für eine Vielzahl von Vorstellungen in Notaufnahmen oder Eilfallsprechstunden verantwortlich. Die Differenzialdiagnostik von Synkopen stellt insofern eine klinische Herausforderung dar, da die betroffenen Patient*innen nach stattgehabtem klinischen Ereignis und zumeist auch symptomfrei in die ärztliche Abklärung gelangen. Eine Schlüsselstellung hat die sog. initiale Diagnostik (ESC), da diese in einer Risikostratifizierung münden muss, mit dem Ergebnis einer Entscheidung, bei welchen Patient*innen potenziell gutartige oder maligne Ursachen der Synkope vorliegen. Die Abklärung kommt somit einem diagnostischen „Indizienprozess“ gleich. Da verschiedene Pathomechanismen zugrunde liegen könnten, ist die Synkope weniger als eigenständige Erkrankung, als vielmehr als Syndromkomplex zu bezeichnen.
Die verschiedenen Synkopenursachen sind in den maßgeblichen Leitlinien zum Management von Synkopen der European Society of Cardiology (ESC) dargelegt (Brignole et al. 2018a, b). Für die Interpretation dieser Leitlinien sind der von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) herausgegebene „Kommentar“ und das „Manual“ zu den ESC-Leitlinien von besonderer Bedeutung, zumal hier auch aus nationaler Sicht einige Aspekte der ESC-Leitlinien eine besondere Würdigung erfahren (von Scheidt et al. 2019a, b; ESC Pocket Guidelines 2018).

Definition

Bei der Synkope handelt es sich um einen kurz andauernden Verlust von Bewusstsein und Muskeltonus auf dem Boden einer zerebralen Minderdurchblutung, in Verbindung mit dem klinischen Bild eines plötzlichen Beginns, kurzer Dauer der Bewusstlosigkeit (in der Regel unter 20 s) und rascher und spontaner Erholung. Jegliche andere Formen eines Bewusstseinsverlust – wie beispielsweise einer Epilepsie – sind somit nicht als Synkope zu klassifizieren und sollten auch keinesfalls in medizinischen Dokumentationen wie z. B. auf Überweisungen oder in Arztbriefen als solche bezeichnet werden.

Pathophysiologie

Die pathophysiologische Einteilung und die darauf basierende klinische Klassifikation der Synkope sind in Abb. 1 und Tab. 1 dargestellt. Es werden drei Hauptgruppen unterschieden:
  • Reflexsynkope,
  • Synkope durch orthostatische Intoleranz,
  • kardiale Synkope.
Tab. 1
Klassifikation von Synkopen. (Gemäß ESC-Leitlinien, nach von Scheidt et al. 2019b; ESC Pocket Guidelines 2018)
Reflexsynkope „(nerval vermittelt)"
Vasovagal/neurokardiogen
• Orthostatische vasovagale Synkope (VVS): im Stehen, seltener im Sitzen
• emotionaler Stress: Furcht, Schmerz (somatisch oder viszeral), Eingriff, Phobie
Situativ
• Miktion
• gastrointestinale Stimulation (Schlucken, Defäkation)
Husten, Niesen
• nach körperlicher Anstrengung
• andere (z. B. Lachen, Spielen eines Blechblasinstruments), Karotissinussyndrom, nichtklassische Formen (ohne Prodromi und/oder ohne ersichtliche Auslöser und/oder atypische Präsentation)
Synkope durch orthostatische Hypotonie (OH)
Medikamenteninduzierte OH (häufigste Ursache der OH)
• z. B. Vasodilatatoren, Diuretika, Phenothiazin, Antidepressiva
• Volumenmangel: Blutung, Diarrhö, Erbrechen usw.
Primäre autonome Dysfunktion (neurogene OH)
• Reines autonomes Versagen („pure autonomic failure“), Multisystematrophie, Parkinson-Krankheit, Lewy-Körper-Demenz
Sekundäre autonome Dysfunktion (neurogene OH)
Diabetes, Amyloidose, Rückenmarksverletzung, autoimmune autonome Neuropathie, paraneoplastische autonome Neuropathie, Niereninsuffizienz
Kardiale Synkope
Arrhythmie als primäre Ursache
Bradykardie:
• Sinusknotenfunktionsstörung (einschl. Bradykardie-Tachykardie-Syndrom)
• atrioventrikuläre Leitungsstörung
Tachykardie:
• supraventrikulär
• ventrikulär
Strukturell kardial
• Aortenstenose, akuter Myokardinfarkt/Ischämie, hypertrophe Kardiomyopathie, kardiale Neubildungen (Vorhofmyxom, Tumoren usw.), Perikarderkrankung/Tamponade, angeborene Anomalien der Koronararterien, Dysfunktion einer Herzklappenprothese
Kardiopulmonal und große Gefäße:
Die gemeinsame pathophysiologische Endstrecke der Synkope ist die transiente, globale, zerebrale Hypoperfusion, verursacht durch einen Abfall des peripheren Widerstands oder des Herzzeitvolumens. In der Regel kommt es hierbei zur Bewusstlosigkeit, wenn der zerebrale Blutfluss auf unter 50 ml/100 g/min bzw. die Sauerstoffversorgung auf weniger als 3 g/100 g/min abnehmen. Hierzu wiederum kommt es i. d. R., wenn – beispielsweise durch Asystolie – der zerebrale Blutfluss länger als 6 s sistiert, oder aber der systolische Blutdruck auf ≤ 60 mmHg abfällt.
Zu Reflexsynkopen kommt es bei fehlgesteuerter/paradoxer Aktivierung des Bezold-Jarisch-Reflexes, eines zentralen kardiovaskulären Mechanismus des autonomen Nervensystems (ANS). Zu diesen zählt beispielsweise die sog. neurokardiogene oder vasovagale Synkope. Die Mechanismen der paradoxen Reflexaktivierung sind nur teilweise verstanden, insbesondere auch nicht, warum bei einzelnen Patient*innen eher eine kardioinhibitorische (ausgeprägte vagale Aktivierung), bei anderen hingegen eine vasodepressorische (ausgeprägte Sympathikusinhibition) auftritt. Entsprechend werden die Reflexsynkopen klinisch weiter unterteilt (Tab. 1).
Ursächlich für Synkopen bei orthostatischer Intoleranz ist eine in stehender Position auftretende und durch das ANS vermittelte Verminderung der Vasokonstriktion – insbesondere von peripheren Venen und Venolen. Diese induziert eine Abnahme des peripheren Gefäßwiderstands und des venösen Rückstroms, was zu Hypotonie und zerebraler Minderperfusion führt. Auch Medikamente (insbesondere Antihypertensiva) können ursächlich verantwortlich sein. Ein Volumenmangel kann diese Situation verschärfen, jedoch auch alleinig durch den hierbei verminderten, venösen Rückstrom eine Synkope induzieren. Eine Sonderform stellt die primär neurogene Hypotonie dar, – wie klinisch am häufigsten im Rahmen eines M. Parkinson zu beobachten. Nicht selten müssen daher bei kardiovaskulären Patient*innen mit extrapyramidalen Störungen die Kreislaufmedikamente drastisch reduziert werden, um orthostatisch induzierte Synkopen wirksam zu verhindern.
Auslöser der kardialen Synkope ist eine vorübergehende Abnahme des Herzzeitvolumens, hauptsächlich rhythmogen – also durch hämodynamisch relevante Brady- oder Tachyarrhythmien, oder aber strukturell/obstruktiv bedingt – beispielsweise bei hochgradiger Aortenklappenstenose, hypertroph-obstruktiver Kardiomyopathie oder Lungenembolie.

Epidemiologie – Alter – Gender

Die klinische Relevanz der Synkope ergibt sich aus der Häufung der Diagnose beispielsweise in medizinischen Notaufnahmen; etwa 2 % aller Notfallpatient*innen werden mit dieser Diagnose vorstellig. Nicht immer allerdings wird bei Synkope eine medizinische Einrichtung aufgesucht, sodass die Prävalenz nur anhand von Daten einiger älterer Studien angegeben werden kann: mutmaßlich erleben 35–50 % aller Menschen in ihrem Leben mindestens einmal eine Synkope. Da die oben geschilderten Ursachen verschiedene Altersprävalenzen aufweisen, ergibt sich für die Reflexsynkopen ein Häufigkeitsgipfel in Kindheit und Adoleszenz, mit einer Häufung von 2:1 bis 3:1 für das weibliche Geschlecht. Hingegen treten kardiale Synkopen wie auch die orthostatische Intoleranz gehäuft jenseits des 65. Lebensjahres auf.

Klinik

Allen Synkopen ist per definitionem gemeinsam der rasch eintretende und selbstlimitierende, transiente Bewusstseinsverlust (TLOC, „transient loss of consciousness“) sowie ein Tonusverlust. Dieses Charakteristikum sowie weitere klinische Befunde helfen, die Synkope von anderen Formen des TLOC abzugrenzen. Häufig ist eine Gesichtsblässe; bei struktureller Herzerkrankung kann sich jedoch eher ein zyanotisches Hautkolorit manifestieren, was differenzialdiagnostisch somit von Bedeutung ist. Das gleiche gilt für das Auftreten von Verletzungen, welche bei den prognostisch eher benignen Synkopen (reflektorisch, oder orthostatisch induziert) eher selten sind, solange diesen eine Prodromalsymptomatik vorausgeht. Hingegen sind Verletzungen nicht untypisch bei kardialen Synkopen, bei denen Warnsymptome oftmals fehlen. Schwere Traumata, welche auch eine chirurgische Intervention notwendig machen, treten in unter 10 % der Fälle auf und betreffen in der Mehrzahl ältere Menschen. Je länger die zerebrale Hypoperfusion andauert, desto eher kann auch mit konvulsiven Myoklonien gerechnet werden (sog. konvulsive Synkope); dies ist beispielsweise typisch bei ausgeprägter kardioinhibitorischer Synkope mit langer Asystolie. Hier muss eine klinische Abgrenzung zur Epilepsie erfolgen.

Diagnostik

Basisdiagnostik (initiale Evaluation)

Dreh- und Angelpunkt der diagnostischen Abklärung ist die von der ESC-Leitlinie vorgeschriebene initiale Evaluation, bei der wiederum die gut geführte – und sehr ausführlich dokumentierte – Anamnese klar im Vordergrund steht. Folgende obligate Punkte müssen hierbei abgearbeitet werden:
  • Anamnese (inkl. Fremdanamnese, soweit irgend verfügbar),
  • körperliche Untersuchung,
  • 12-Ableitungs-Standard-Elektrokardiogramm,
  • Blutdruckmessung im Liegen sowie im Stehen (sog. aktiver Stehtest; vormals: Schellong-Test).
Am Ender dieser initialen Evaluation müssen folgende 3 Fragen beantwortet werden:
  • Liegt eine Synkope (gemäß ESC-Definition) vor?
  • Ergibt die Risikostratifikation eine Gefährdung hinsichtlich des plötzlichen Herztodes?
  • Was ist die Synkopenursache?
Bei sachgerechter Anwendung ergibt die Basisdiagnostik bereits in bis zu 50 % der Fälle eine Diagnose bzw. Klärung der Synkopenursache. So kann bei klassischer vasovagaler Reflexsynkope die Diagnose nach der initialen Evaluation mit hoher Sicherheit und ohne Hinzuziehung weiterer diagnostischer Maßnahmen gestellt werden. Im Folgenden wird auf die einzelnen Aspekte der initialen Evaluation explizit eingegangen:

Anamnese

Die Bedeutung der Anamneseerhebung zur Klärung einer Synkope kann nicht genug betont werden; sie ist der eigentliche Stützpfeiler der gesamten Diagnostik. Viele Punkte müssen bedacht und erfragt werden, und daher erscheint es durchaus gerechtfertigt, institutionalisierte standardisierte Fragebögen zu verwenden (von Scheidt et al. 2019b). Die folgenden 6 Grundfragen müssen durch die möglichst umfangreiche Anamnese definitiv und eindeutig beantwortet sein:
  • Handelt es sich um einen transienten, kompletten Bewusstseinsverlust mit vollständiger, spontaner Erholung?
  • Wenn ja: Liegt eine Synkope nach ESC-Definition vor?
  • Gibt es Zeugen?
  • Besteht eine potenziell ätiologische, zugrunde liegende Vorerkrankung?
  • Bestehen Hinweise für ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse oder Tod?
  • Liegt eine familiäre Häufung von Synkopen bzw. ein Hinweis für hereditäre kardiale Erkrankungen vor?
Sehr sinnvoll ist es, Patient*innen einen strukturieren Fragebogen/Checkliste (verfügbar z. B. über die Deutsche Herzstiftung) zum Ausfüllen zu geben, was die Anamneseerhebung sehr erleichtern kann. Durch ein derart strukturiertes Vorgehen sollte es möglich sein, bei bis zu 75 % der Patient*innen die entscheidenden Aspekte zur Diagnosefindung zu erheben, v. a. aber hierauf basierend eine ganz gezielte Auswahl weiterer spezieller Diagnoseverfahren festzulegen. Die obligaten Fragen zur Anamneseerhebung sind im Manual zur Diagnostik von Synkopen aufgeführt und sollten in ein institutionelles Vorgehen zur Synkopendiagnostik eingehen (von Scheidt et al. 2019b).

Körperliche Untersuchung

Im Rahmen der körperlichen Untersuchung werden die Vitalparameter überprüft sowie v. a. nach Hinweisen für eine Ursache der Synkope (insbesondere kardial) oder anderer Ursachen eines TLOC (z. B. neurologische Auffälligkeiten) gesucht. In diesem Kontext ist die Auskultation des Herzens mit dem Stethoskop als obligater Bestandteil der Untersuchung zu sehen. Im Falle eines stattgehabten Sturzes sind zudem mögliche Verletzungen auszuschließen.

12-Kanal-Ruhe-EKG

Veränderungen des Ruhe-EKG können unmittelbar diagnostisch sein, einerseits wenn zum Zeitpunkt der Registrierung noch Arrhythymien bestehen, bei denen der Zusammenhang zur Synkope sicher oder höchstwahrscheinlich ist. Andererseits können suspekte Befunde auf relevante Rhythmusstörungen hinweisen (z. B. bei Verlängerung des QTc-Intervalls) oder auch auf eine strukturelle Herzerkrankung (z. B. bei Linksschenkelblock oder Zeichen einer LV-Hypertrophie). Die Leitlinien definieren elektrokardiografische Hochrisikomerkmale, die das Vorliegen einer arrhythmogenen Synkope wahrscheinlich machen (Tab. 2).
Tab. 2
Elektrokardiografische Hochrisikokriterien. (Gemäß ESC-Leitlinien, nach ESC Pocket Guidelines 2018)
Major
Minor (hohes Risiko nur, wenn Anamnese für arrhythmogene Synkope spricht)
• EKG-Veränderungen vereinbar mit akuter Ischämie
• AV-Block II°, Typ Mobitz 1 (= Wenckebach), und AV-Block I° mit deutlich verlängertem PR-Intervall
AV-Block II°, Typ Mobitz 2, oder AV-Block III°
• Asymptomatische unangemessene milde Sinusbradykardie (40–50 bpm) oder langsames AF (40–50 bpm)
• Langsames AF (< 40 bpm)
• Paroxysmale SVT oder paroxysmales Vorhofflimmern
• Persistierende Sinusbradykardie (< 40 bpm) oder wiederholter sinuatrialer Block oder Sinusarrest von > 3 s im Wachzustand und ohne körperliches Training
• QRS-Komplex mit Präexzitation
• Schenkelblock, intraventrikuläre Leitungsstörung, ventrikuläre Hypertrophie oder Q-Zacken vereinbar mit ischämischer Herzkrankheit oder Kardiomyopathie
• Verkürztes QTc-Intervall (≤ 340 ms)
• Anhaltende und nichtanhaltende VT
• Atypische Brugada-Muster
• Fehlfunktion eines implantierbaren kardialen Gerätes (Schrittmacher oder ICD)
• Negative T-Wellen in den rechtspräkordialen Ableitungen, Epsilon-Wellen hinweisend auf ARVC
• ST-Streckenhebung mit Typ-1-Morphologie in den Ableitungen V1–V3 (Brugada-Muster)
• QTc > 460 ms in wiederholten 12-Kanal-EKGs hinweisend auf LOTS

Blutdruckmessung und aktiver Stehtest (Schellong-Test)

Mithilfe des aktiven Stehtests lässt sich eine orthostatische Hypotonie und dadurch vermittelte Synkope in den meisten Fällen beweisen. Ebenso kann in etlichen Fällen ein postural-orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS) als Subvariante einer orthostatischen Intoleranz festgestellt werden, – diese kann gelegentlich in eine reflektorische Synkope „degenerieren“. Die Durchführung besteht aus einer 5-minütigen Ruhephase im Liegen sowie einer bis zu 10 min dauernden aktiven Stehphase, während derer der Blutdruck in 1- bis 2-minütigen Abständen gemessen wird. Bei Abfall des systolischen Blutdrucks unter 90 mmHg bzw. um eine Differenz von mindestens 20 mmHg in Verbindung mit der typischen Symptomatik gilt der Test als beweisend.

Risikostratifikation

Bleibt nach der initialen Evaluation/Basisdiagnostik die Ursache der Synkope ungeklärt, dann muss im Rahmen der Risikostratifikation geklärt werden, ob die weiterführende Diagnostik ambulant oder – aufgrund eines vermuteten Gefährdungspotenzials – stationär abgeklärt werden soll. Die Tab. 3 führt Risikomarker auf, welche eine stationäre Aufnahme oder zumindest eine sehr zeitnahe hochspezialisierte Diagnostik erfordern.
Tab. 3
Management von Synkopenpatient*innen mit Hochrisikomerkmalen. (Gemäß ESC-Leitlinien, nach ESC Pocket Guidelines 2018)
Bevorzugt initiales Management auf ED-Beobachtungsstation und/oder rasche Überweisung an Synkopeneinheit
Bevorzugt stationäre Aufnahme
Hochrisikomerkmale UND:
Hochrisikomerkmale UND:
• Stabile, bekannte strukturelle Herzerkrankung
• schwere chronische Erkrankung
• Synkope bei Belastung
• Synkope im Liegen oder Sitzen
• Synkope ohne Prodromi
• Palpitationen während Synkope
• inadäquate Sinusbradykardie oder sinuatrialer Block
• Verdacht auf Devicefehlfunktion oder inadäquate Auslösung
• QRS-Komplex mit Präexzitation
• SVT oder paroxysmales Vorhofflimmern
EKG hinweisend auf eine erbliche arrhythmogene Erkrankung
• EKG hinweisend auf ARVC
• Jede potenziell schwere Begleiterkrankung, die eine stationäre Aufnahme erfordert
• durch Synkope verursachte Verletzung
• Notwendigkeit weiterer dringender Abklärung und Therapie, wenn dies anders (also auf der Beobachtungsstation) nicht möglich ist, z. B. EKG-Monitoring, Echokardiografie, Belastungstest, elektrophysiologische Untersuchung, Angiografie, Gerätefehlfunktion usw.
• Synkope erfordert Therapie

Erweiterte Diagnostik

Die rationale Anwendung erweiterter diagnostischer Maßnahmen ist im Wesentlichen von den Resultaten der initialen Evaluation sowie der Risikostratifikation abhängig. Nachfolgend werden die wichtigsten Neuerungen in der Diagnostik kurz zusammengefasst und weiter unten ausführlicher behandelt:
  • Die Bedeutung des implantierbaren Ereignis-(Loop-)Rekorders (ILR) ist in den neuen ESC-Leitlinien deutlich gestiegen. Der ILR stellt die bevorzugte Methode zum Langzeitmonitoring des Herzrhythmus bei vermuteter rhythmogener Synkope dar.
  • Die Kipptischuntersuchung (KTU) hat – richtigerweise – eine deutliche Herabstufung erfahren: Da die vasovagale Reflexsynkope überwiegend klinisch-anamnestisch diagnostiziert werden kann, kommt der KTU lediglich der Wert eines Bestätigungstests zu.
  • Für die Karotissinusdruckmassage (CSM) sieht die Autorengruppe der DGK (s. auch deutscher Kommentar von Scheidt et al. 2019a) ebenfalls eine lediglich sehr enge Indikationsstellung. Aufgrund der Datenlage wird die in der ESC-Leitlinie aufgeführte Klasse-I-Indikation mit Zurückhaltung bewertet.
  • Eine zerebrale Bildgebung sollte bei korrekt durchgeführter initialer Evaluation und Risikostratifizierung der Synkope eine absolute Ausnahmediagnostik darstellen: Bei Patient*innen mit „echter“ Synkope und fehlendem Hinweis auf Epilepsie oder neurologische Ausfälle steht eine diagnostische Ausbeute von weniger als 2 % im krassen Gegensatz zur aktuell leider immer noch weit verbreiteten Praxis, eine derartige Bildgebung als Standard in der Synkopendiagnostik anzuwenden.

Implantierbarer Ereignisrekorder (ILR)

Die Indikation zum prolongierten EKG-Monitoring beruht bei der Reflexsynkope auf den Daten der ISSUE-3-Studie (Brignole et al. 2012). Ebenso ist der ILR aufgewertet worden in der Anwendung bei Synkopen im Kontext einer strukturellen Herzerkrankung, wenn eine Arrhythmie möglich erscheint, jedoch keine Hochrisikokonstellation zur unmittelbaren Indikationsstellung für eine ICD- oder Herzschrittmacherimplantation besteht.

Externer Ereignisrekorder

Der Nachteil von externen Ereignisrekordern ist, dass der*die Patient*in die Aufzeichnung selbst aktivieren muss, wenn es zu einer Synkope gekommen ist. Insofern ist nur dann mit einer diagnostischen Ausbeute zu rechnen, wenn Patient*innen regelhaft vor Synkope eine Prodromalsymptomatik verspüren. Daher bleiben diese Devices individuell selektionierten Patient*innen vorbehalten.

EKG-Aufzeichnung via Smartwatch (Wearables)

Smartwatch-basierte EKGs nehmen zunehmend eine wichtige Rolle in der Diagnostik von Herzrhythmusstörungen ein. Dies betrifft aktuell Patient*innen ohne Synkope. Derzeit laufen allerdings erste Studien, die mit neu entwickelten Sensoren arbeiten, welche ein Langzeitmonitoring über Smartwatches ermöglichen werden. Diese könnten zukünftig das Potenzial haben, den ILR in verschiedenen klinischen Szenarien hinsichtlich der rhythmologischen Synkopendiagnostik zu ersetzen (Carpenter und Frontera 2016).

Konventionelles Langzeit-EKG

Lediglich bei relativ häufigen Synkopen ist eine Langzeit-EKG-Aufzeichnung über 24 h bis maximal 7 Tage sinnvoll. Die diagnostische Ausbeute ist daher vergleichsweise gering und die Indikation hierzu sollte auf selektierte Patient*innen beschränkt bleiben. Sinnvoll erscheint eine Anwendung beispielsweise bei EKG-Veränderungen im 12-Ableitungs-EKG – insbesondere Störungen der Erregungsleitung, welche eine Exazerbation in höhergradige Rhythmusstörungen wahrscheinlich erscheinen lassen.

Belastungs-EKG

Wenn eine Synkope eindeutig im Kontext einer körperlichen Belastung aufgetreten ist, ist die Durchführung einer Ergometrie sinnvoll. Bei Synkopen während köperlicher Belastung wird nach belastungsinduzierten Rhythmusstörungen gefahndet. Bei Synkopen in der unmittelbaren Ruhephase nach einer Belastung kann eine durch akuten Sympathikusentzug verursachte Hypotonie diagnostiziert werden. Bei Patient*innen ohne Hinweise für eine Belastungsabhängigkeit der Synkope ist die diagnostische Ausbeute des LZ-EKGs gering und sollte daher nicht regelhaft durchgeführt werden.

Echokardiografie

Sofern nach Abschluss der initialen Evaluation der Hinweis auf eine strukturelle Herzerkrankung besteht, ist die Echokardiografie in der diagnostischen Hierarchie sicher die erste weiterführende Untersuchung. Die Tab. 4 führt evidenzbasierte Kriterien der Echokardiografie in der Synkopendiagnostik auf.
Tab. 4
Echkardiografische Kriterien in der Synkopendiagnostik. (Gemäß ESC-Leitlinien)
Empfehlungen
Empfehlungsgrad
Evidenzgrad
Indikationen
Eine Echokardiografie ist angezeigt für die Diagnostik und Risikostratifizierung bei Patient*innen mit Verdacht auf eine strukturelle Herzerkrankung
I
B
Eine Stressechokardiografie mit Doppler während Belastung im Stehen, Sitzen oder in Halbrückenlage zum Nachweis einer provozierbaren Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts ist indiziert bei Patient*innen mit HCM, Synkope in der Vorgeschichte und einem instantanen Peak-LVOT-Gradienten < 50 mmHg in Rune oder unter Provokation
I
B
Diagnostische Kriterien
Aortenstenose, obstruktive Herztumoren oder Thromben, Perikardtamponade und Aortendissektion sind die wahrscheinlichsten Ursachen einer Synkope, wenn das Echokardiogramm die typischen Merkmale dieser Erkrankungen zeigt
I
C

Kipptischuntersuchung (KTU)

Die KTU dient der Diagnosestellung einer reflektorischen vasovagalen Synkope; zudem ist sie sinnvoll in der Abklärung eine orthostatischen Intoleranz (sowohl orthostatische Hypotonie als auch posturales Tachykardiesyndrom). In den aktuellen Leitlinien von 2018 ist die Wertigkeit der Kipptischuntersuchung deutlich von einer Klasse-I- auf eine Klasse-IIb-Indikation herabgestuft worden; dies ist insofern gerechtfertigt, da (1) die Diagnose der vasovagalen Reflexsynkope in der Regel durch eine ordentlich durchgeführte initiale Evaluation in der Mehrheit der Fälle gestellt werden kann und (2) ein negatives Resultat das Vorliegen einer solchen Synkope keinesfalls ausschließt. Insofern wird die KTU lediglich als Bestätigungstest bei nicht ganz sicherer Diagnosestellung gesehen.

Karotissinusmassage (CSM)

Die Indikationsstellung einer CSM sollte auf ein hochselektioniertes Patient*innenkollektiv beschränkt sein, welches nicht nur durch eine eindeutige Anamnese einer reflektorischen Synkope, sondern v. a. auch durch eindeutiges Vorliegen der typischen klinischen Auslöser einer Reizung des Karotissinus charakterisiert ist. Letzterer Aspekt spielt nicht in allen zugrunde liegenden Studien eine prädominante Rolle, sodass es nicht verwundert, dass eine CSM, wenn sie nach der initialen Evaluation bei Patient*innen mit unklarer oder mutmaßlich reflektorischer Synkope durchgeführt wird, bei rund 10 % der Patient*innen eine Symptomatik induziert, jedoch oft lediglich im Sinne eines hypersensitiven Karotissinus. Sie sollte daher – nach Ansicht des DGK-Kommentars der Leitlinien vergleichbar mit der Neubewertung der KTU – besser als Bestätigungstest einer begründeten klinischen Verdachtsdiagnose, nicht aber als Suchtest bei ungeklärter Synkope angewendet werden. Eine generelle Empfehlung zur CSM bei Synkopenpatient*innen über 40 Jahren erscheint daher wenig sinnvoll und ist als aufwendige Untersuchung bei technisch einwandfreier Durchführung in Deutschland auch nicht gebräuchlich. Eine Auskultation der Karotiden sollte im Vorfeld erfolgen, wobei der Nutzen hinsichtlich der Sicherheit aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage eher fraglich erscheint; jedoch sollte bei eindeutigem Hinweis auf höhergradige Stenosierungen eine CSM unterbleiben.

Pharmakologische Provokationstests

Bei Patient*innen mit V. a. rhythmogene Synkopen und einem auffälligen und charakteristischen Rechtsschenkelblockbild im Ruhe-EKG kann der sog. Ajmalin-Test das Auftreten dieser EKG-Veränderung provozieren, und dadurch das Vorliegen einer spezifischen Natriumionenkanalerkrankung, des sog. Brugada-Syndroms, demaskieren. Patient*innen mit Synkopen und einem positiven Ajmalin-Test haben ein erhöhtes Risiko für polymorphe ventrikuläre Tachyarrhythmien und den plötzlichen Herztod.

Elektrophysiologische Untersuchung (EPU)

Die Wertigkeit der invasiven EPU ist hoch, wenn der Verdacht auf eine rhythmogene, insbesondere tachyarrhythmische Ursache einer Synkope besteht. Dies ist v. a. bei möglichen ventrikulären Tachyarrhythmien der Fall. Wenn explizit eine Bradyarrhythmie vermutet wird, ist in den meisten Fällen die diagnostische Ausbeute des ILR (s. o.) höher. Bei Patient*innen mit verbreitertem QRS-Komplex im Ruhe-EKG besitzt allerdings die Bestimmung des HV-Intervalls im Rahmen der EPU prognostische Bedeutung, wenn eine infrahissäre Leitungsverzögerung diagnostiziert werden kann.

Ergänzende Diagnostik

Eine laborchemische Diagnostik gehört zwar nicht zur Basisabklärung von Synkopen; dennoch sind bestimmte Laborwerte sinnvoll, da sie mögliche Hinweise geben können, namentlich Blutbild, Serumelektrolyte, Nieren- und Schilddrüsenfunktion. Kardiale Biomarker sollten bei Verdacht auf eine Lungenembolie oder ein akutes Koronarsyndrom bestimmt werden.
An dieser Stelle kann nicht genug betont werden, dass – sofern nach der initialen Evaluation eine Synkope (gem. der ESC-Definition) eindeutig vorliegt – weder ein EEG noch eine Bildgebung (CT oder MRT) des Schädels sinnvoll sind und daher auch nicht zur erweiterten Diagnostik von eindeutigen Synkopen gehören. Das gleiche gilt für eine regelhafte Duplex-Sonografie der hirnzuführenden Arterien. Hingegen ist eine fachärztliche neurologische Untersuchung dann indiziert, wenn als Ursache einer – meist orthostatischen – Synkope eine neurogene Ursache und entsprechende Grunderkrankung vermutet wird (z. B. „pure autonomic failure“, multiple Systematrophie). Die strikte Adhärenz an die ESC-Leitlinien sollte hier zu einer deutlichen Reduktion unnötiger diagnostischer Verfahren im Sinne der „Choosing-wisely-Initiative“ der DGIM führen.

Differenzialdiagnostik

Vorgehen bei nichtsynkopalem TLOC

Im Prinzip muss bereits früh in der Abklärung – nämlich nach der initialen Evaluation – geklärt sein, ob eine wirkliche Synkope vorliegt oder ein nichtsynkopaler TLOC. Insbesondere sollte früh die differenzialdiagnostische Abgrenzung zur Epilepsie erfolgen (Tab. 5), insbesondere da auch rhythmogene Synkopen zur Konvulsion führen können (z. B. im Rahmen eines Adam-Stokes-Anfalls bei ausgeprägter Bradykardie oder bei Torsade-de-Pointes im Rahmen eines bis dato nicht bekannten Long-QT-Syndroms).
Tab. 5
TLOC: Klinische Merkmale Epilepsie vs. Synkope. (Gemäß ESC-Leitlinien, nach von Scheidt et al. 2019b)
Merkmal
Epilepsie
Synkope
Trigger
Selten
Häufiger
Art des Triggers
Lichtblitze
andere (z. B. Müdigkeit)
Schmerz, langes Stehen, Emotionen, situativ bedingt weitere spezifische Trigger
Prodromalsymptom
Aura
Schwindel, Übelkeit, unscharfes Sehen, Schweißausbruch, (Tachykardie)
Während des TLOC
Tonisch-klonische Bewegungen, Automatismen, Zungenbiss, blaues Gesicht
Klonische Bewegungen, kurz anhaltend
Gesichtsblässe
Nach TLOC
Verzögertes Aufklaren
Rasches Wiederaufklaren, Übelkeit, Erbrechen
TLOC „transient loss of consciousness“, selbstlimitierender transienter Bewusstseinsverlust
Besondere Schwierigkeiten macht gelegentlich die Abgrenzung zu einer psychogenen Pseudosynkope (PPS). Hier ist allerdings bei der Anamnese eine fremdanamnestische Frage von diagnoseweisender Bedeutung, nämlich der Lidstellung während der Synkope. Die Augen sind bei „echter“ Synkope in der Regel geöffnet, hingegen bei der PPS immer geschlossen. In einem solchen Fall ist eine fachpsychiatrische Untersuchung indiziert.

Therapie

In Abhängigkeit von der Ursache ist die Therapie bei nichtkardialen Synkopen darauf gerichtet, weitere Synkopen und dadurch verursachte Komplikationen (z. B. Stürze beim älteren Menschen) zu vermeiden. Bei kardialen Synkopen steht darüber hinaus die Verbesserung der Prognose durch Reduktion der kardiovaskulären Mortalität im Vordergrund.

Reflexsynkopen

Hauptpfeiler ist hier die ausführliche Aufklärung und Beratung über auslösende Faktoren und Mechanismen, um einer Synkope beim Auftreten von Prodromi frühzeitig vorzubeugen. Bei Patient*innen mit regelhaft auftretenden Prodromalsymptomen, insbesondere bei vasodepressorischen oder durch orthostatische Hypotonie verursachten Synkopen, können sog. isometrische mechanische Manöver („counter-pressure manoeuvre“) durchgeführt werden (z. B. Übereinanderkreuzen der Beine und gleichzeitige Anspannung der Beinmuskulatur). Dies führt zu einem Anstieg des Blutdrucks und kann helfen, den Eintritt einer Synkope zu vermeiden.
Die medikamentöse Therapie von Reflexsynkopen ist schwierig; das lange empfohlene generelle Konzept einer ß-Blockade hat sich letztlich in randomisierten Studien als nicht generell empfehlenswert erwiesen.
Eine Schrittmachertherapie ist nach aktueller Datenlage und Leitlinie lediglich für Patient*innen > 40 Jahren mit Reflexsynkopen und eindeutig elektrokardiografisch dokumentierten, ausgeprägten Bradykardien oder Asystolien empfohlen (Brignole et al. 2012). Gleiches gilt für ältere Patient*innen mit nachgewiesen kardioinhibitorischer Reflexsynkope bei Karotissinussyndrom.

Synkope durch orthostatische Hypotonie

Zunächst sollte in dieser Patient*innengruppe nach Auslösern gefahndet werden, die bei älteren Betroffenen häufig pharmakologischer Natur sind. Dies betrifft i. d. R. Diuretika oder vasoaktive Antihypertensiva. Eine zugrunde liegende neurogene Erkrankung verschärft diese Situation noch, im Sinne einer neurogen verursachten Hypotonie. Klinisch bedeutsam, weil relativ häufig, sind hier insbesondere Patient*innen mit fortgeschrittenem M. Parkinson bzw. parkinsonoide Syndrome zu nennen. Bei ausgeprägter orthostatischer Intoleranz mit Synkopen sind auch seltenere neurogene Ursachen (z. B. „pure autonomic failure“ oder andere autonome Funktionsstörungen) in Erwägung zu ziehen. Auch eine sekundäre Dysautonomie bei Diabetes mellitus oder fortgeschrittenem Tumorleiden kann orthostatisch vermittelte Synkopen begünstigen.
In dieser Gruppe kann das in Abschn. 7.1 erwähnte Counter-pressure-Manöver hilfreich sein. Eine hochnormale Flüssigkeitszufuhr und – im Falle von ausgeprägter Hypotonie – auch Kochsalzsupplementierung ist ebenfalls empfehlenswert. Ebenso kann die Anwendung von Kompressionsstrümpfen oder -hosen versucht werden.
Für Patient*innen mit nachgewiesener orthostatischer Hypotonie ist die Gabe von Midodrin, einem peripher wirksamen alpha-1 Mimetikum, empfohlen. Für diese spezielle Patient*innenpopulation existieren mehrere randomisierte Studien. Auch kann hier die Gabe von Fludrocortison hilfreich sein.

Kardiale Synkope

Entsprechend der in Abschn. 2 genannten Ursachen kardialer Synkopen müssen die verursachenden Erkrankungen – Rhythmusstörungen und/oder strukturelle Herzerkrankungen – konsequent behandelt werden. Die Tab. 6 listet die Therapiemaßnahmen bei arrhythmogenen Synkopen auf. Dabei müssen reversible Ursachen von Arrhythmien (z. B. Elektrolytdysbalancen, Hyperthyreose) zuvor laborchemisch ausgeschlossen worden sein. Ebenso müssen pro-arrhythmogene Zustände (z. B. Myokardischämie) bzw. Medikamente identifiziert und behandelt werden (Tab. 7).
Tab. 6
Leitlinienempfehlungen zur Schrittmachertherapie bei Patient*innen mit Synkopen aufgrund intrinsischer Bradykardie. (Nach ESC Pocket Guidelines 2018)
Empfehlungen
Empfehlungsgrad
Evidenzgrad
Bradykardie (intrinsisch)
Eine Schrittmachertherapie ist indiziert, wenn ein etablierter Zusammenhang besteht zwischen einer Synkope und einer symptomatischen Bradykardie aufgrund von:
I
B
• Intrinsischem AV-Block
I
B
Eine Schrittmachertherapie ist indiziert bei Patient*innen mit intermittierendem/paroxysmalem intrinsischen AV-Block III° oder II° (einschließlich AF mit langsamer ventrikulärer Leitung), obwohl keine Korrelation zwischen Symptomen und EKG dokumentiert ist
I
C
Eine Schrittmachertherapie sollte erwogen werden, wenn der Zusammenhang zwischen Synkope und asymptomatischer Sinusknotenfunktionsstörung weniger gut etabliert ist
IIa
C
Eine Schrittmachertherapie ist nicht indiziert bei Patient*innen mit einer Bradykardie aufgrund reversibler Ursachen
III
C
Bifaszikulärer BBB
Eine Schrittmachertherapie ist indiziert bei Patient*innen mit Synkope, BBB und positiver EPU oder ILR-dokumentiertem AV-Block
I
B
Eine Schrittmachertherapie kann bei Patient*innen mit ungeklärter Synkope und bifaszikulärem BBB erwogen werden
IIb
B
BBB (Bundle-branch block); EPU elektrophysiologische Untersuchung; ILR implantierbarer Ereignis-(Loop-)Rekorder
Tab. 7
Leitlinienempfehlungen zur Therapie von Patient*innen mit Synkopen aufgrund intrinsischer Tachyarrhythmie. (Nach ESC Pocket Guidelines 2018)
Empfehlungen
Empfehlungsgrad
Evidenzgrad
Tachykardie
Eine Katheterablation ist indiziert bei Patient*innen mit Synkope aufgrund einer SVT oder VT zur Verhinderung erneuter Synkopen
I
B
Ein ICD ist indiziert bei Patient*innen mit Synkope aufgrund einer VT und einer Ejektionsfraktion ≤ 35 %
I
A
Ein ICD ist indiziert bei Patient*innen mit Synkope und früherem Myokardinfarkt bei EPU-induzierter VT
I
C
Ein ICD sollte bei Patient*innen mit Ejektionsfraktion > 35 % und rezidivierenden Synkopen aufgrund von VTs erwogen werden, wenn eine Katheterablation und/oder eine pharmakologische Therapie fehlgeschlagen sind oder nicht durchgeführt werden konnten
IIa
C
Eine Antiarrhythmikatherapie, auch zur Frequenzkontrolle, sollte bei Patient*innen mit Synkope aufgrund SVT oder VT erwogen werden
IIa
C
EPU elektrophysiologische Untersuchung; ICD implantierbarer Kardioverter-Defibrillator; SVT supraventrikuläre Tachykardie; VT ventrikuläre Tachykardie

Ungeklärte Synkope

Trotz leitlinienbasiertem Vorgehen bleibt bei immerhin bis zu 20 % der Synkopenpatient*innen die Ursache ungeklärt. Hier ist die weitere Risikostratifikation und Einschätzung der Rezidivhäufigkeit von besonderer Bedeutung. Die aktuellen Leitlinien heben die besondere Bedeutung des prolongierten Rhythmusmonitorings mittels ILR in dieser klinischen Situation hervor und empfehlen bei weiterbestehendem Verdacht auf eine Arrhythmie nachdrücklich die Implantation eines solchen Devices. Bei Hochrisikopatient*innen mit struktureller Herzerkrankung oder V. a. arrhythmogener Ionenkanalerkrankung bleibt auch bei fehlendem Arrhythmienachweis immer das Risiko des plötzlichen Herztodes zu kalkulieren und die individuelle Indikation zur ICD-Implantation zu prüfen. Sollte eine solche aus klinischen Gründen oder Patient*innenwunsch nicht erfolgen, sieht die Leitlinie hier ebenfalls klar die Implantation eines ILR vor.

Verlauf und Prognose

Die Prognose einer Synkope hängt von der Grunderkrankung ab. Eine kardiale Synkope stellt in der Regel einen Marker einer verminderten Überlebenswahrscheinlichkeit dar. Beispielsweise führt eine erstmalige Synkope bei einer Aortenklappenstenose zu einem deutlichen Anstieg des Mortalitätsrisikos in den folgenden 12 Monaten. Das gleiche gilt für Synkopen bei ventrikulären Rhythmusstörungen und zugrunde liegender linksventrikulärer Dysfunktion.
Hingegen sind nichtkardiale Synkopen mit einer sehr guten Prognose vergesellschaftet, das Langzeitüberleben unterscheidet sich nicht von dem bei Menschen ohne Synkopen.
Grundsätzlich ist nach erstmaliger Synkope die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Ereignisses erhöht, und die Rezidivhäufigkeit steigt mit der Anzahl bereits stattgehabter Ereignisse. Dies gilt für kardiale wie auch nichtkardiale Synkopen. Insbesondere beim älteren Menschen ist daher eine Rezidiv- und Sturzprophylaxe wichtig, um schwere Verletzungen durch weitere synkopale Sturzereignisse zu vermeiden.
Schließlich ist auch die Einschränkung der Lebensqualität eine prognoserelevante Größe; diese korreliert negativ mit der Anzahl der Synkopen.

Besondere Aspekte

Ältere Menschen

Während Reflexsynkopen häufig im jüngeren Lebensalter auftreten, nehmen bei älteren Menschen Synkopen durch orthostatische Hypotonie oder durch hämodynamisch relevante Arrhythmien deutlich zu. Auch das Karotissinussyndrom, welches im jüngeren Alter praktisch keine Rolle spielt, kann bei älteren Patient*innen als Ursache einer unklaren Synkope ursächlich in Frage kommen und sollte bei entsprechendem klinischen Verdacht dann abgeklärt werden. Beim älteren Menschen kommt schließlich auch der Medikamentenanamnese eine besondere Bedeutung zu, da in dieser Altersgruppe die Rate an pharmakologisch induzierten Synkopen deutlich zunimmt.

Ökonomische Aspekte und Syncope Units

Eine unreflektierte Häufung diagnostischer Maßnahmen und Hospitalisierungen bei Synkopenpatient*innen kann teilweise beträchtliche und v. a. überflüssige Kosten verursachen. Die Ursache hierfür kann klar benannt werden: nämlich der Neglect der ESC-Leitlinien und das dadurch bedingte jeweilige Fehlen institutionalisierter prädefinierter Flowcharts zum Management von Synkopen. So werden hierzulande beispielsweise in nicht zu rechtfertigender Häufung Bildgebungsuntersuchungen (CT/MRT) des Schädels durchgeführt, ohne dass hierfür eine Rationale besteht bzw. ein Nutzen zu erwarten wäre. Hingegen wird der aktive Stehtest (vormals: Schellong-Test) viel zu häufig nicht durchgeführt obwohl er obligater Bestandteil der initialen Evaluation ist, an deren Ende bekanntermaßen festzulegen sein wird, ob eine „echte“ Synkope vorliegt.
Um dieser unnötigen Anwendung überflüssiger Gesundheitsressourcen entgegenzuwirken, kann die Etablierung von spezialisierten interdisziplinären diagnostischen Einheiten, sog. Syncope Units (SU), sehr hilfreich sein (Kenny et al. 2015). Diese sollten in der Nähe von Notaufnahmen angesiedelt sein. Diese idealisierte Versorgungsvorstellung bedingt einen sehr hohen Aufwand an Logistik, Infrastruktur, Koordination und Personal, und ist daher bislang in Deutschland sowie europaweit bis auf wenige Ausnahmen (z. B. ca. 80 SU in Italien) kaum verfügbar. Erste Daten zum medizinischen und ökonomischen Nutzen sind vielversprechend. Bei Fehlen derartiger Einrichtungen sollte die Abklärung von Synkopen unbekannter Ursache nach initialer Evaluation unter kardiologischer Zuständigkeit/Führung erfolgen. Letztlich sollte – so definiert es der DGK-Kommentar zu den ESC-Leitlinien – jeder Internist, niedergelassene Kardiologe und in jedem Fall jede Notaufnahme und internistisch-kardiologische Abteilung eine strikt auf den ESC-Leitlinien basierende, institutionalisierte Arbeitsanweisung zum Management von Synkopen entwickeln. Zukünftig werden solche Flowcharts optimalerweise durch KI-basierte Algorithmen unterstützt werden.

Fahrtauglichkeit

Es hängt wesentlich von der Ursache einer Synkope und einer eventuell zugrunde liegenden Herzerkrankung ab, in wieweit eine – ggf. zeitlich begrenzte – Einschränkung der Fahrtauglichkeit zu konstatieren und damit ein Fahrverbot auszusprechen ist (Tab. 8). Für die Entscheidung bestimmend ist einerseits die Leitlinie zur Fahreignung bei kardiovaskulären Erkrankungen der DGK und andererseits die Fahrerlaubnisverordnung (FEV) bzw. die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung der Bundesanstalt für Straßenwesen (Klein 2018; Gräcmann und Albrecht 2022; Klein et al. o. J.). Seit einigen Jahren sind die medizinischen und die behördlichen Empfehlungen nunmehr dahingehend aufeinander abgestimmt, dass die Begutachtungsleitlinien in speziellen Fragen auf die Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaft verweisen.
Tab. 8
Fahrtauglichkeit. (Modifiziert nach Klein 2018; Gräcmann und Albrecht 2022)
 
Fahrer*in der Gruppe 1
(Privatfahrer*in)
Fahrer*in der Gruppe 2
(Berufsfahrer*in)
Nach erster Synkope
Keine Einschränkung (ggf. Einschränkung bei hohem Rezidivrisiko)
Keine Einschränkung, sofern kein Hinweis auf hohes Rezidivrisiko
Wiederholte (ungeklärte) Synkope
Erneute Diagnostik, Fahreignung frühestens nach 6 Monaten, Einzelfallbeurteilung
In der Regel keine Fahreignung, Einzelfallbeurteilung (z. B. bei geklärtem Mechanismus und sicherer Rezidivprophylaxe)
Detailliertere Angaben sind den entsprechenden Empfehlungen zu entnehmen (ESC Pocket Guidelines 2018; Brignole et al. 2012; Carpenter und Frontera 2016)
Letztlich bleibt festzuhalten, dass insbesondere bei eindeutig arrhythmogen verursachten Synkopen die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs beim Führen eines Fahrzeuges erhöht ist, hingegen bei unselektierten Patient*innen und insbesondere solchen mit eindeutig reflektorisch oder orthostatisch induzierten Synkopen kein generell erhöhtes Unfallrisiko vorliegt.
Literatur
Brignole M, Menozzi C, Moya A et al (2012) (ISSUE-3) Investigators. Pacemaker therapy in patients with neurally mediated syncope and documented asystole: Third International Study on Syncope of Uncertain Etiology (ISSUE-3): a randomized trial. Circulation 125:2566–2571CrossRefPubMed
Brignole M, Moya A, de Lange FJ et al (2018a) 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. Eur Heart J 39:1883–1948CrossRefPubMed
Brignole M, Moya A, de Lange FJ et al (2018b) Practical instructions for the 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. Eur Heart J 39:e43–e80CrossRefPubMed
Carpenter A, Frontera A (2016) Smart-watches: a potential challenger to the implantable loop recorder? Europace 18:791–793CrossRefPubMed
ESC Pocket Guidelines (2018) Diagnostik und Management von Synkopen. https://​leitlinien.​dgk.​org/​files/​11_​2018_​pocket_​leitlinien_​synkope.​pdf. Zugegriffen am 12.03.2023
Gräcmann N, Albrecht M (2022) Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Bundesanstalt für Straßenwesen, Vs. 6/2022. https://​bast.​opus.​hbz-nrw.​de/​opus45-bast/​frontdoor/​deliver/​index/​docId/​2664/​file/​Begutachtungslei​tlinien+2022.​pdf. Zugegriffen am 24.02.2023
Kenny RA, Birgnole M, Dan GA et al (2015) Syncope unit: rationale and requirement – EHRA position statement endorsed by HRS. Europace 17:1325–1340CrossRefPubMed
Klein HH (2018) Fahreignung Synkope. Herzschr Elektrophys 29:214–218CrossRef
Klein HH, Sechtem U, Trappe HJ et al. (o.J.) Fahreignung bei kardiovaskulären Erkrankungen. Pocket-Leitlinie der DGK. https://​leitlinien.​dgk.​org/​files/​14_​2018_​pocket_​leitlinien_​fahreignung.​pdf. Zugegriffen am 20.01.2023
Scheidt W von, Bosch R, Klingenheben T et al (2019a) Kommentar zu den Leitlinien (2018) der European Society of Cardiology (ESC) zur Diagnostik und Therapie von Synkopen. Kardiologe 13:198–215
Scheidt W von, Bosch R, Klingenheben T et al (2019b) Manual zur Diagnostik und Therapie von Synkopen. Kardiologe 13:198–215