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Die Ärztliche Begutachtung
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Publiziert am: 08.11.2023

BK 24 – Durch Strahlen verursachte Erkrankungen

Verfasst von: Lena Kuhne
Als „ionisierende Strahlung“ werden Photonen- oder Teilchenstrahlung bezeichnet, welche in der Lage sind, direkt oder indirekt Elektronen aus Atomen oder Molekülen zu lösen. Die ionisierende Strahlung kann durch radioaktiven Zerfall, durch Röntgenröhren, Beschleuniger oder Reaktoren erzeugt werden. Die Strahlung kann auf verschiedene Arten den Körper exponieren. Befindet sich die Strahlenquelle außerhalb des Körpers, macht die durchdringende Wellenstrahlung den größten Teil der Dosis aus. Bei einer Verunreinigung der Körperoberfläche mit radioaktiven Stoffen sind Betastrahler aufgrund ihrer Eindringtiefe in der Haut zu berücksichtigen. Generell wird zwischen einer deterministischen (zwangsläufigen) bzw. chronischen und einer stochastischen (zufälligen) Schädigung unterschieden. Mit der Festlegung von Grenzwerten für Bevölkerung und beruflich exponierten Personen, sollen schädliche deterministische Effekte vermieden und das Risiko durch Strahlung auf ein tolerables Maß beschränkt werden. Die Überschreitung bzw. Einhaltung der Grenzwerte ist eine wichtiges, jedoch kein alleiniges Begutachtungskriterium der BK 24. Entscheidend bei der Begutachtugn sind immer die persönlichen Daten des Betroffenen. Für die Kausalitätsbeurteilung muss die Strahlendosis immer in dem für die Erkrankung kritischen Organ und die damit verbundene Strahlenempfindlichkeit berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die Kausalitätsfrage in einem Berufskrankheitenverfahren ist ausschließlich die Dosis im erkrankten Organ maßgebend.

Einführung in Ionisierende Strahlung

Als „ionisierende Strahlung“ werden Photonen- oder Teilchenstrahlung bezeichnet, welche in der Lage sind, direkt oder indirekt Elektronen aus Atomen oder Molekülen zu lösen. Die ionisierende Strahlung kann durch radioaktiven Zerfall, durch Röntgenröhren, Beschleuniger oder Reaktoren erzeugt werden. Unter Teilchenstrahlung zählen α-Strahlung (zweifach positiv geladener Heliumkern), β-Strahlung (Elektronen oder Positronen), welche durch den radioaktiven Zerfall von Atomen entstehen und Neutronen (neutral), Protonen welche z. B. in Reaktoren und Beschleuniger entstehen können. Unter Wellen- oder Photonenstrahlung zählt die γ-Strahlung, die nach dem radioaktiven Zerfall aus dem Atomkern ausgesendet wird und die Röntgenstrahlung. Die Einheit Elektronvolt (eV) gibt die Strahlenenergie an und die Zahl der radioaktiven Zerfälle pro Sekunde, die sogenannte Aktivität, wird in der Einheit Becquerel (abgekürzt Bq) angegeben.
Trifft die ionisierende Strahlung auf Materie, werden durch Ionisationen, Anregungen und andere Wechselwirkung Energie, in Joule, auf die Atome in der Materie, pro kg, übertragen. Die Energiedosis Joule je Kilogramm wird in der Einheit Gray (abgekürzt Gy) angegeben.
Trifft die ionisierende Strahlung auf lebendes Gewebe, werden durch Ionisationen, Anregungen und andere Wechselwirkungen Energie auf die Atome oder Moleküle im Gewebe übertragen und dadurch die biologische Funktion verändert.
Die Strahlung kann auf verschiedene Arten den Körper exponieren. Befindet sich die Strahlenquelle außerhalb des Körpers, externe Bestrahlung, macht die durchdringende Wellenstrahlung den größten Teil der Dosis aus. Bei einer Verunreinigung der Körperoberfläche mit radioaktiven Stoffen, eine Kontamination, sind Betastrahler aufgrund ihrer Eindringtiefe in der Haut zu berücksichtigen. Es besteht jedoch auch die Gefahr, dass diese Verunreinigung in den Körper gelangt. Dies kann über Verletzungen (Resorption), durch Verschlucken (Ingestion) oder Einatmen (Inhalation) geschehen und wird Inkorporation genannt.
Die unterschiedlichen Strahlenarten wechselwirken unterschiedlich mit dem biologischen Gewebe. Die Alpha-Strahlung, die aus einem zweifach geladenen Heliumkern besteht, hat eine kurze Reichweite im Gewebe. Schon kurz nach der Entstehung, gibt dieses Teilchen viel Energie auf das umliegende Gewebe ab. Somit werden viele Ionisationen in wenigen Zellen durchgeführt und diese schwer geschädigt. Auf der Hautoberfläche, würde die Alpha-Strahlung schon in der obersten Hornschicht der Haut absorbiert werden und keinen Schaden anrichten. Die Beta-Strahlung, die aus einem Elektron bzw Positron besteht, kann von der Hautoberfläche schon bis in die Stammzellenschicht der Haut vordringen und diese schädigen. Wellenstrahlung wie die Röntgen- und die γ-Strahlung durchdringt den menschlichen Körper und tritt nur dann in Wechselwirkung mit dem biologischen Gewebe, wenn sie ihre Energie ganz oder teilweise auf Elektronen in der Hülle der Atome oder Moleküle übertragen kann. Dies ist ein sehr komplexer Vorgang, je höher die Strahlenenergie ist, desto seltener finden diese Absorptionsprozesse statt.
Um nun die biologische Wirksamkeit der Strahlung, die unterschiedliche Empfindlichkeit der einzelnen Gewebe im Körper zu berücksichtigen und damit eine Bewertung des (stochastischen) zufälligen Strahlenrisikos (Krebs, Leukämie, Erbschäden) auch bei unterschiedlichen Teilkörperexpositionen abzuleiten, wird die effektive Dosis mit der Einheit Sievert verwendet(Sv), diese setzt sich aus der Summe der Organ-Äquivalentdosen zusammen (International Commission on Radiological Protection (ICRP) 2007).
Die Organ-Äquivalentdosis (Sv) ist das Produkt aus der Energiedosis (Gy) im betroffenen Organ, multipliziert mit dem dimensionslosen Strahlungswichtungsfaktor. Dieser Faktor gibt die Ionisationsdichte entlang der Strahlungsspur im Gewebe wieder und so die biologische Wirksamkeit der Strahlenart. Da die Organe und Gewebe im menschlichen Körper unterschiedlich empfindlich sind gegenüber ionisierender Strahlung, wird dies über den dimensionslosen Gewebewichtungsfakor berücksichtigt, welcher mit der Organ-Äquivalentdosis multipliziert wird (International Commission on Radiological Protection (ICRP) 2007).

Erkrankungen durch ionisierende Strahlung

Es wird zwischen einem deterministischen („zwangsläufigen“, akuten), chronischen und einem stochastischen („zufälligen“) Schaden unterschieden.

Stochastische Stahlenschäden

Bei einem stochastischen Schaden geht man davon aus, dass es keine Schwellendosis gibt, denn theoretisch kann jede Wechselwirkung zwischen ionisierender Strahlung mit dem menschlichen Gewebe einen entartung der Zelle induzieren. Der Zusammenhang zwischen der Einwirkung ionisierender Strahlung und der Erkrankung an Krebs oder Leukämie ist durch zahlreiche epidemiologische Studien belegt (SSK Empfehlung, Zusammenhangswahrscheinlichkeit für strahlenbedingte Krebs- und Leukämieerkrankungen 2015). Bisher gibt es keine direkten Belege, dass bei den Menschen vererbbare Erkrankungen bei den Nachkommen ausgelöst werden (International Commission on Radiological Protection (ICRP) 2007). Da dies bisher nur bei Tier-Versuchen in der Vergangenheit beobachtet wurde, dienen diese Daten weiterhin für die Abschätzung von Keimzellenmutationen, die zu nachweisbaren genetischen Wirkungen bei den Nachkommen führen (International Commission on Radiological Protection (ICRP) 2007). Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines stochastischen Schadens steigt mit der Dosis an (ICRP 2016). Das Risiko an einer bösartigen Neubildung infolge einer Strahlenexposition zu erkranken ist von vielen Faktoren abhängig. Der Expositionsdauer, Alter während der Exposition, Geschlecht, der Zeit zwischen Exposition und dem Auftreten der Krebserkrankung (Latenzzeit), der Strahlenart und dem betroffenen Organ (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49–51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402).
Bisher lassen sich die strahleninduzierten Krebserkrankungen weder in histologischen, zytologischen oder molekularen Parametern von einer spontanen Erkrankungen unterscheiden (2011). Da auch in der nicht beruflich strahlenexponierten Bevölkerung alle Krebsarten auftreten, können neben einer möglichen beruflich strahlenbedingten Verursachung auch konkurrierende Faktoren im privaten Bereich wie z. B. Rauchen, Ernährungsgewohnheiten, bestimmte chronische Infektionen, Einnahme von Medikamenten und die natürliche Strahlenexposition ursächlich sein (Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016). Im Durchschnitt erhält der deutsche Bundesbürger eine effektive Dosis von etwa 2 mSv pro Jahr durch natürliche Strahlenexposition (Bundesamt für Strahlenschutz, Grundlagen zur Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung in Deutschland 2021).
Die Bewertung eines Einzelfalls kann nur unter Berücksichtigung der persönlichen Daten erfolgen. Hier werden die Informationen über die Art, Dauer und Höhe der Strahleneinwirkung benötigt sowie das Alter bei Exposition und Alter bei der Diagnose (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402). Zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen Erkrankung und beruflicher Strahlenexposition, wurde hinsichtlich der BK2402 die Konvention getroffen, die sogenannte „Zusammenhangswahrscheinlichkeit“ als eine Entscheidungshilfe heranzuziehen (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402). Liegt diese oberhalb von 50 %, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Erkrankung beruflich bedingt ist größer als diejenige, dass die Erkrankung im nicht beruflichen Bereich verursacht wurde. Die Zusammenhangswahrscheinlichkeit kann für bestimmte Erkrankungen nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse z. B. aus dem Berechnungsprogramm IREP von NIOSH (Programm „Interactive RadioEpidemiological Program NIOSHIREP v.5.8.2 zur Berechnung der Zusammenhangswahrscheinlichkeit vom National Institute for Occupational Safety and Health) berechnet werden. Seit dem Frühjahr 2021 ist auch ein auf deutschen Inzidenzdaten basierendes Programm mit dem Namen „ProZes“ verfügbar, welches vom Bundesamt für Strahlenschutz regelmäßig nach dem neuesten Stand der Wissenschaft aktualisiert wird (ProZES Berechnung der Zusammenhangswahrscheinlichkeit zwischen Krebs und Exposition durch ionisierende Strahlung 2023).

Deterministische Strahlenschäden

Der deterministische Strahlenschaden beruht meistens auf einem Unfall. Erst ab einer Schwellendosis treten deterministische Strahlenschäden auf, die zu akuten Symptomen führen, wie z. B. ab 1 Gy das akute Strahlensyndrom. Je höher die Dosis, desto mehr Zellen werden auf einmal abgetötet oder inaktiviert und der damit einhergehende Funktionsverlust führt zum höheren Schweregrad des Schadens sowie zu früherem Auftreten der ersten Symptome (SSK Empfehlung 2022).
Bei einer Ganzkörperexposition oberhalb von etwa 0,5 bis 1 Gy können deterministische Strahleneffekte mit nachweisbaren Veränderungen im Blutbild beobachhtet werden (SSK Empfehlung 2022).
Akute Schäden an der Haut ab etwa 3 Gy oder Schleimhäuten ab etwa 1,5 Gy zeigen sich zuerst mit einem meist juckenden und schmerzenden Primärerythem innerhalb von Stunden bis Tagen nach der Strahlenexposition (SSK Empfehlung 2022). Bei höheren Dosen kann Haarverlust (Epilation) und ein Sekundärerythem erfolgen, welches mit leichter Schuppung und Hyperpigmentierung abheilen kann. Bei noch höheren Dosen kommt es zur Blasenbildung oder Entwicklung eines langwierigen geschwürigen Gewebszerfalls (Nekrose/Ulcus) (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402).
An den Augen kann sich der akute Schaden als entzündliche Veränderungen an der Bindehaut zeigen (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402). Akute Schädigungen an den Keimdrüsen können zu einer temporäre oder andauernde Sterilität führen (SSK Empfehlung 2022).
Auf die Behandlung und Erkennung von akuten Strahlenschäden gibt es im Allgemeinen viele Fachbücher und Informationen (SSK Empfehlung 2022; Medical Aspects of Radiation Incidents, 4th Edition, Radiation Emergency Assistance Cener/Training Site Oakridge 2017).

Chronische Strahlenschäden

Es gibt auch Strahlenreaktionen die aus einem determisitischen Schaden oder chronischer Exposition resultieren und Latenzzeiten von mehreren Jahren bis Jahrzenten aufweisen, wie das sogenannte Radioderm bei der Haut sowie Strahlenfibrosen in verschiedenen Organen (SSK Empfehlung 2022). Deterministische und stochastische Strahleneffekte können sich überlagern oder der Mechanismusist nicht immer klar zu trennen, wie zum Beispiel bei der Kataraktentstehung (Ainsbury et al. 2016). Hier wurde eine nominelle Schwellendosis für die Kataraktbildung von 0,5 Gy vorgeschlagen (ICRP 2012). Die Latenzzeit für eine Strahlenkatarakt beträgt mindestens ein halbes Jahr bis zwei Jahre, in Abhängigkeit von der Höhe der Strahlendosis und vielen weiteren Faktoren wie z. B. dem Lebensalter bei der Strahlenexposition (Ainsbury et al. 2016).
Die Haut kann bei einer chronischen externen Bestrahlung, die sich auf mehrere Gray aufsummiert, eine Atrophie mit pergamentartiger Beschaffenheit sowie stärkere und ungleichmäßige Pigmentierung aufzeigen (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402). Auch Dauerepilation, trockene Abschilferungen, Rhagadenbildung und Teleangiektasien können auftreten, sowie Trockenheit aufgrund von Störung von Schweiß- und Talgdrüsen (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402). Denn die Schweiß- und Talgdrüsen sind sehr strahlenempfindlich (SSK Empfehlung 2022). Die Hände oder betroffenen Finger können brüchige, längsgeriffelte Nägel aufzeigen, welche im Wachstum beeinträchtig sind (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402).
Gerade bei der Förderung von Pechblende-Erz zeigte sich aufgrund der Radonkonzentrationen und der radioaktiven Stäube ein chronischer Schaden der Atemwege und der Lunge, wie Lungenfibrosen und Lungenkrebs (Kotschy-Lang 2003).
Bei Aufnahme radioaktiver Stoffe in den Organismus (Inkorporation) können sich je nach Aufnahmepfad- und chemischen Eigenschaften die radioaktiven Isotope in bestimmten Organen anreichern oder gebunden werden, wie z. B. in der Schilddrüse radioaktives Jod (The Chernobyl Forum 2003–2005) oder in den Knochen das Radium (Rowland 1995).

Bedeutung der Dosisermittlung für die Begutachtung der BK 2402

Mit der Festlegung von Grenzwerten für Bevölkerung und beruflich exponierte Personen sollen schädliche deterministische Effekte vermieden und das Risiko stochastischer Schäden durch Strahlung auf ein tolerables Maß beschränkt werden (SSK Empfehlung Grenzwerte der Organ-Äquivalentdosen für die berufliche Strahlenexposition 2020). Die Überschreitung der Grenzwerte ist kein Kriterium für die Kausalität der Berufskrankheit sowie eine Einhaltung der Grenzwerte nicht automatisch eine Ablehnung der Kausalität begründet (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402). Für die Kausalitätsbeurteilung muss die Strahlendosis in dem für die Erkrankung kritischen Organ und die damit verbundene Strahlenempfindlichkeit berücksichtigt werden (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402). Um diese abzuschätzen, müssen die Verhältnisse am Arbeitsplatz ermittelt werden. Womit wurde umgegangen, welche Strahlenschutzmaßnahmen wurden durchgeführt und gibt es eine messtechnische Ermittlung von der Orts-, Personendosis oder der Raumluftaktivität.
Bei äußerer Exposition, kann die effektive Dosis bzw. die Augen-, Haut-Extremitätsdosis über den Messwert, der mit den amtlichen Dosimetern bei beruflich strahlenexponierten Personen gemessen wird, abgeschätzt werden (SSK Band 43 -Berechnungsgrundlage für die Ermittlung von Körper-Äquivalentdosen bei äußerer Strahlenexposition 2016). Bei Personen, die in fremden Anlagen tätig werden und dort eine effektive Dosis von mehr als 1 mSv erhalten können, wird ein Strahlenpass geführt, in den die amtlichen Dosiswerte eingetragen werden (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402). Ist von der betroffenen Person kein Dosimeter getragen worden, kann die Belastung ggf. durch Referenzspersonen mit vergleichbaren Tätigkeiten abgeschätzt werden. Es gibt auch die Möglichkeit, durch Messung der Ortsdosis an der Emissionsquelle eine Dosis für die betroffene Person zu bestimmen, wenn die Aufenthaltszeit der Person im Strahlungsfeld bekannt ist. Die retrospektive Bestimmung über die biologische Dosimetrie kann nur zeitlich begrenzt nach einem Vorfall mit höherer Exposition angewendet werden.
Bei einer internen Exposition, sogenannten Inkorporationen, kann die Dosis mittels aufwändiger Berechnungsverfahren abgeschätzt werden. Wenn kurz nach der Inkorporation mittels Ganzkörperzähler, Ausscheidungsanalyse oder Raumluftaktivitätskonzentration die zugeführte Aktivität bestimmt worden ist (International Commission on Radiological Protection (ICRP) 2007; Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402).
Da durch die Aufnahme von Radionukliden in den Körper, eine chronische Exposition durch den Zerfall erfolgt, wird hier die 50-Jahre-Folge-Organ-Äquivalentdosis mit Hilfe von Dosiskoeffizienten und Messwerten der Aktivitäten (in Bq) berechnet (ICRP 2015, 2016, 2017, 2019). Auch die daraus resultierenden und zu dokumentierenden Dosiswerte sind meist Werte der effektiven Dosis. Sie werden zum Zweck der Prävention und zum Vergleich mit den einzuhaltenden Grenzwerten gemäß den Forderungen der Strahlenschutzverordnung, dem Jahr der Zufuhr zugeschrieben. Bei Berufskrankheitenverfahren muss jedoch im Einzelfall geprüft werden, welcher Anteil dieser gesamten Inkorporationsdosis bis zum Zeitpunkt der Diagnose angefallen ist (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402).
Im Hinblick auf die Kausalitätsfrage in einem Berufskrankheitenverfahren ist ausschließlich die Dosis im erkrankten Organ maßgeblich. In Abhängigkeit der Expositionsbedingungen, insbesondere in Abhängigkeit der Energie der Strahlung, kann diese Organ-Äquivalentdosis von der effektiven Dosis deutlich unterschiedlich sein. Im speziellen Einzelfall sollte die Berechnung der relevanten Organ-Äquivalentdosis durch einen erfahrenen Dosimetristen durchgeführt werden, insbesondere wenn Inkorporationen zur Exposition beigetragen haben (Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen“; GMBl 2011; Nr. 49-51; Seite 983 ff, Bek. d. BMAS v. 24.10.2011 – IVa 4-45222-2402).
Literatur
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