Definition, Klassifikation, Epidemiologie und Ätiopathogenese
Kardiomyopathien sind Erkrankungen des Herzmuskels (Abelmann
1984). Die WHO definierte im Jahr 1980
Kardiomyopathien als Herzmuskelerkrankungen
unbekannter Ursache, um eine Kardiomyopathie von einer kardialen Dysfunktion auf dem Boden einer bekannten kardiovaskulären Grunderkrankung, wie z. B.
arterieller Hypertonie, ischämischer Herzerkrankung oder Herzklappenerkrankungen, zu unterscheiden (WHO/ISFC Task Force). In der klinischen Praxis jedoch wurde der Begriff Kardiomyopathie auch für Erkrankungen mit bekannter Ursache verwendet, z. B. als ischämische Kardiomyopathie und hypertensive Kardiomyopathie. Deshalb erweiterte die Task Force der WHO und der International Society and Federation of Cardiology (ISFC) die Klassifikation der Kardiomyopathien: Ab jetzt wurden alle Herzmuskelerkrankungen eingeschlossen unter Berücksichtigung der ätiologischen und dominierenden pathophysiologischen Aspekte (Richardson et al.
1996). In dieser Klassifikation wurden Kardiomyopathien definiert als „Erkrankungen des Herzmuskels, die mit kardialer Dysfunktion einhergehen“.
Unter Berücksichtigung anatomischer und physiologischer Gesichtspunkte wurden folgende Arten der
Kardiomyopathien unterschieden, von denen jede viele unterschiedliche Ursachen aufweisen:
5.
Unklassifizierte Kardiomyopathie
Epidemiologisch ist die
Herzinsuffizienz die gemeinsame Endstrecke der meisten Herzerkrankungen, insbesondere auch der
Kardiomyopathien. Man nimmt an, dass in Deutschland mehr als 2 Mio. Menschen an einer Herzinsuffizienz leiden. Die
Kardiomyopathien sind nach der koronaren Herzkrankheit und der
arteriellen Hypertonie die dritthäufigste Ursache für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz. Da bei allen Kardiomyopathien primär der Herzmuskel betroffen ist, resultiert letzten Endes entweder eine diastolische oder eine
systolische Herzinsuffizienz.
Die
arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie tritt im nordöstlichen Teil Italiens gehäuft auf, ihre
Prävalenz beträgt dort ca. 1/1000 (Nava et al.
1988). Ein weiteres Endemiegebiet findet sich auf der griechischen Insel Naxos (Coonar et al.
1998). In den übrigen Teilen der westlichen Welt wird die Prävalenz der arrhythmogenen rechtsventrikulären
Kardiomyopathie auf etwa 1/5000 bis zu 1/10.000 geschätzt (Fontaine et al.
2001).
Dilatative Kardiomyopathie (DCM)
Die
dilatative Kardiomyopathie ist durch einen progredienten Verlauf mit zunehmender ventrikulärer Dilatation und initial oft mit diastolischer Dysfunktion, später mit abnehmender systolischer Funktion des linken Ventrikels charakterisiert. Die DCM ist in ca. 20–30 % der Fälle genetisch bedingt.
Bisher sind Mutationen in 24 Genen bekannt. Der häufigste Erbgang bei familiärer DCM ist mit 60–70 % ein autosomal-dominanter (Mestroni et al.
1999). Mutationen im kardialen α-Actin-Gen, ferner in anderen Genen wie in
Desmin, d-Sarkoglykan, Phospholamban und Metavinculin verursachen eine reine
dilatative Kardiomyopathie. Diese Gene scheinen allerdings nur selten für die familiäre DCM verantwortlich zu sein (Villard et al.
2005). Die übrigen Krankheitsgene mit Ausnahme von β-Myosin und
Troponin T sind nur selten für eine autosomal-dominante DCM verantwortlich. Dagegen sind Mutationen im β-Myosingen wesentlich häufiger (ca. 9 % der Patienten) bei familiärer dilatativer
Kardiomyopathie ohne skelettmuskuläre Beteiligung und ohne AV-Block (Osterziel und Perrot
2005). Insgesamt sind Mutationen in den Genen von β-Myosin, Troponin T und Lamin A/C sowie Dystrophin relativ häufige Ursachen der familiären dilatativen Kardiomyopathie, während Mutationen in allen anderen Genen selten als Ursache in Frage kommen.
Hypertrophische Kardiomyopathie (HCM)
Die hypertrophische
Kardiomyopathie tritt überwiegend familiär mit autosomal-dominantem Erbgang auf. In der Mehrzahl der Fälle lässt sich eine Mutation in einem der bisher 14 bekannten Krankheitsgene nachweisen (Tab.
1). Morphologisch ist die Erkrankung durch eine lokale, septal-betonte asymmetrische Septumhypertrophie, seltener auch durch eine apikale oder auch generalisierte konzentrische Hypertrophie des linksventrikulären Myokards (Wanddicke ≥15 mm) gekennzeichnet.
β-Myosin-Schwerkette | MYH7 | 15 |
Regulatorische Myosin-Leichtkette | MYL2 | 2 |
Essenzielle Myosin-Leichtkette | MYL3 | 0,1 |
| MYBPC3 | 20 |
| TNNT2 | 2,6 |
Troponin I | TNNI3 | 1,8 |
Troponin C | TNNC1 | <0,01 |
Tropomyosin | TPM1 | 1,2 |
Actin | ACTC | 0,2 |
Titin | TTN | ? |
Myosin-Leichtketten-Kinase 2 | MYLK2 | ? |
Muskel-LIM-Protein | MLP | ? |
Caveolin-3 | CAV3 | ? |
α-Myosin-Schwerkette | MYH6 | ? |
Die Hypertrophie bewirkt bei der Mehrzahl der Patienten eine diastolische Relaxations- und Compliancestörung. Im Hinblick auf die Hämodynamik wird die häufigere
hypertrophisch-nichtobstruktive Kardiomyopathie (HNCM) ohne Druckgradient in der linksventrikulären Ausstrombahn von der bei weniger als 25 % der HCM-Patienten beobachteten
hypertrophisch-obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM) unterschieden, wobei die Septumhypertrophie
eine Obstruktion der Ausstrombahn des linken Ventrikels bewirkt. Der intrakavitäre Druckgradient kann durch systolische Vorwärtsbewegung des vorderen Mitralsegels („systolic anterior motion“, SAM) weiter verstärkt werden. Durch dieses SAM-Phänomen
resultiert eine
Mitralinsuffizienz unterschiedlichen Schweregrades. Histologisch ist die Erkrankung durch einen Strukturverlust der Myozyten und durch eine interstitielle
Fibrose, vor allem des subendokardialen Myokards, gekennzeichnet, in einigen Fällen auch durch eine Verzweigung und Wirbelbildung („disarray“) der Myozyten.
Der linke Vorhof ist einerseits durch die
Mitralinsuffizienz, andererseits aber auch durch die erhöhten Füllungsdrücke aufgrund der hämodynamisch überwiegenden diastolischen Dysfunktion sehr oft vergrößert; dies hat häufig
Vorhofflimmern zur Folge.
Therapieoptionen der Kardiomyopathien
Die Pharmakotherapie der
dilatativen Kardiomyopathie (DCM) mit verminderter linksventrikulärer systolischer Funktion entspricht den Leitlinien zur Therapie der
chronischen Herzinsuffizienz (Hoppe et al.
2005).
ACE-Hemmer werden bei allen Patienten mit linksventrikulärer Auswurffraktion ≤35–40 % unabhängig von der Symptomatik (NYHA I–IV) empfohlen (ACC/AHA-Klasse I-A, Oxford-Graduierung 1a). Weiterhin sind
Betablocker bei allen Patienten mit symptomatischer stabiler
systolischer Herzinsuffizienz im NYHA-Stadium III–IV zusätzlich zu einer Standardtherapie mit ACE-Hemmern und gegebenenfalls
Diuretika indiziert, falls keine Kontraindikationen bestehen (Klasse I-A, Oxford-Graduierung 1a). Derzeit können nur die Betablocker Bisoprolol, Carvedilol und Metoprololsuccinat sowie beim älteren Patienten Nebivolol zur Therapie der chronischen
Herzinsuffizienz empfohlen werden (ACC/AHA-Klasse I-A, Oxford-Graduierung 1a). Diuretika sind bei jeder Herzinsuffizienz mit Flüssigkeitsretention oder ehemals vorgelegener Flüssigkeitsretention indiziert (Klasse I-A, Oxford-Graduierung 1a). Ferner sollten Aldosteronantagonisten niedrig dosiert (12,5–50 mg/Tag) bei schwerer systolischer Herzinsuffizienz (NYHA III–IV)
additiv zu einer Basistherapie mit ACE-Hemmern, Betablockern und Diuretikum verordnet werden (ACC/AHA Klasse I-A, Oxford-Graduierung 1b).
Die medikamentöse Basistherapie (oligo-)symptomatischer Patienten bei
hypertrophischer Kardiomyopathie besteht in erster Linie aus Calciumantagonisten bzw.
Betablockern. Bei höhergradiger
Herzinsuffizienz wird auf die typische Herzinsuffizienztherapie zurückgegriffen (Hoppe et al.
2005). Vor allem hat sich bei der HCM die Kombination nachlastsenkender Medikamente mit Betablockern und – bei Indikation – auch mit Antiarrhythmika bewährt. Bei höhergradiger Obstruktion der linksventrikulären Ausstrombahn stehen die transkoronare Ablation der Septumhypertrophie mittels Alkohol (TASH) bzw. die chirurgische Myektomie zur Wahl. Nur wenige Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz werden einer
Herztransplantation unterzogen.
In Abhängigkeit von der Lokalisation, dem Ausmaß der linksventrikulären oder rechtsventrikulären Hypertrophie und in einigen Fällen auch von der Art der genetischen Ursache ist die Prognose der Patienten mit hypertrophischer
Kardiomyopathie sehr unterschiedlich. Gerade bei Jugendlichen ist der plötzliche Herztod das größte Risiko dieser Erkrankung. Deshalb ist also das wichtigste Ziel der Therapieplanung bei HCM-Patienten die Evaluation des Risikoprofils für einen plötzlichen Herztod. In nachfolgender Übersicht sind die Risikofaktoren für den plötzlichen Herztod aufgelistet. Die Implantation eines Defibrillators (AICD) ist die wirksamste Präventivmaßnahme gegen den plötzlichen Herztod.
Wichtig für die Therapie der
restriktiven Kardiomyopathie ist die Diagnostik der zugrunde liegenden Erkrankung; in Abhängigkeit davon bestehen teilweise palliative Therapieoptionen. In Einzelfällen kann auch hier eine
Herztransplantation in Erwägung gezogen werden.
Die
arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC) verläuft häufig progredient. Patienten mit schwerwiegender Symptomatik (
Synkopen, hämodynamisch beeinträchtigende
ventrikuläre Tachykardien, überlebter plötzlicher Herztod) werden mit einem implantierbaren
Defibrillator (ICD) behandelt. In Einzelfällen kann in Endstadien mit rechts- oder biventrikulärer
Herzinsuffizienz eine
Herztransplantation notwendig werden.
Prognose
Die Prognose der
dilatativen Kardiomyopathie wird durch das Ausmaß der Einschränkung der systolischen/diastolischen links-/rechtsventrikulären Funktion bestimmt (Hoppe et al.
2005).
Bei Patienten mit
hypertrophischer Kardiomyopathie gelten als gesicherte Risikofaktoren: ein überlebter Herzstillstand, ferner nichtanhaltende
ventrikuläre Tachykardien im Langzeit-EKG, ein abnormaler Blutdruck im
Belastungs-EKG,
Synkopen unklarer Genese, ein plötzlicher Herztod in der Familie sowie eine massive Hypertrophie des linksventrikulären Myokards (>30 mm) (McKenna und Behr
2002). Bei Patienten mit hypertrophisch-obstruktiver
Kardiomyopathie mit fehlender oder nur leichter Symptomatik ist die Höhe des Gradienten in der linksventrikulären Ausstrombahn der wichtigste Prädiktor für einen plötzlichen Herztod. Bei Patienten mit ausgeprägter Symptomatik ist das Ausmaß der
Herzinsuffizienz unabhängig von einer Obstruktion der dominierende Prädiktor (Autore et al.
2005; Scheffold et al.
2005).
Die Prognose der restriktiven Kardiomyopathie ist sehr variabel und hängt von der zugrunde liegenden Erkrankung ab. In der Regel handelt es sich um ein progredientes Krankheitsgeschehen mit hoher Mortalität. Da gerade für die primären Formen keine spezifische Therapieoption belegt ist, ist hier die Prognose schlecht.
Die Prognose der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie wird in erster Linie durch die auftretenden ventrikulären Tachyarrhythmien und die Möglichkeit des Auftretens eines plötzlichen Herztodes bestimmt. Bevorzugt ist der plötzliche Herztod bei jungen, sportlich aktiven, bis dahin nicht selten kardial unauffälligen Patienten zu beobachten. Die Erkrankung verläuft häufig progredient.
Das im Jahre 1996 erstmals beschriebene und auch im Herzen nachgewiesene Zell-Zell-Verbindungsprotein Plakophilin
-2 (Mertens et al.
1996) wurde als erste genetische Störung erkannt, die für den plötzlichen Herztod anscheinend gesunder junger Menschen verantwortlich zeichnen kann (Gerull et al.
2006). Dieser Befund konnte auch hinsichtlich anderer desmosomaler Proteine des Herzmuskels, d. h. Desmoplakin, Plakoglobin, Desmoglein-2 und Desmocollin-2, bestätigt werden (Norman et al.
2005; Yang et al.
2006; Pilichou et al.
2006; Heuser et al.
2006; Syrris et al.
2006). So gilt bereits heute mehr als die Hälfte der Genkonstellationen aufgeklärt, die zum plötzlichen Herztod junger Menschen führen.
Gutachtliche Bewertung
Die
versicherungsrechtliche und
sozialmedizinische Beurteilung bei Patienten mit
Kardiomyopathien ist aufgrund der unterschiedlichen, teils auch unsicheren Prognose der jeweiligen Form der
Kardiomyopathie sehr erschwert. So kann vorwiegend bei hypertrophischen Kardiomyopathien der Krankheitsverlauf über lange Zeit (bis zu Jahrzehnten) stabil bleiben, bis plötzlich Verschlechterungen der Hämodynamik bis zur dekompensierten
Herzinsuffizienz mit Symptomen der Stauung im großen bzw. kleinen Kreislauf auftreten. Weiterhin können bei eingeschränkter Pumpfunktion tachykarde Vorhof- oder Kammerrhythmusstörungen auftreten, die innerhalb kurzer Zeit die Hämodynamik gravierend verschlechtern können.
Auch kann bei inflammatorischer
Kardiomyopathie (nach abgeklungenem myokarditischen Schub) sowie z. B. bei der alkoholischen Herzschädigung der Spontanverlauf äußerst unterschiedlich sein: So ist bei einem Drittel der Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion nach langjährigem Alkoholabusus eine weitere Progression der Erkrankung bis zur dekompensierten
Herzinsuffizienz, bei einem Drittel ein Persistieren des Niveaus der eingeschränkten linksventrikulären Funktion, bei einem Drittel der Patienten allerdings eine deutliche Verbesserung der linksventrikulären Funktion zu erwarten.
Alle diese Faktoren bedingen eine allgemeine Unsicherheit in der prognostischen Beurteilung der Kardiomyopathien bei der Einzelbegutachtung. Es ist daher notwendig, die Begutachtung – je nach Erkrankung – in ein- bis zweijährigen Zeitintervallen zu wiederholen. Weiterhin müssen bei der sozialmedizinischen Beurteilung Veränderungen der Dimensionen der Herzkammern und das Vorliegen einer begleitenden Mitral- und/oder Trikuspidalinsuffizienz berücksichtigt werden.
Liegt bei Patienten mit
Kardiomyopathien eine
systolische Herzinsuffizienz vor, ist das Ausmaß der Verschlechterung der Prognose in erster Linie vom Grad der Pumpfunktionsstörung, aber auch von der Symptomatik, der Belastbarkeit und Begleiterkrankungen beeinflusst (Bouvy et al.
2003). Entsprechend epidemiologischer Analysen ist die Prognose bei Patienten mit diastolischer Dysfunktion, aber noch erhaltener Pumpfunktion günstiger als bei systolischer Dysfunktion, sie ist aber gleichzeitig deutlich reduziert im Vergleich zu Herzgesunden (Gustafsson et al.
2003).
In den New-York-Heart-Association-(NYHA-)Stadien III und IV ist die Prognose der Patienten mit
Kardiomyopathien und
Herzinsuffizienz am schlechtesten: So stirbt etwa die Hälfte der Patienten innerhalb eines Jahres. Obwohl durch eine optimierte Herzinsuffizienztherapie (s. oben) und bei Vorhandensein eines Linksschenkelblocks auch durch eine kardiale Resynchronisationstherapie (biventrikuläre Stimulation) in den letzten Jahren eine Verbesserung der Prognose erreicht werden konnte, bleibt die Prognose insgesamt trotzdem schlecht, die Progredienz der Erkrankung kann nur selten aufgehalten werden.
-
Bei einer
Kardiomyopathie ohne unter Ruhe- bzw. Belastungsbedingung nachweisbare links- bzw. rechtsventrikuläre
Funktionsstörung liegt in der Regel eine normale Berufs- und
Erwerbsfähigkeit vor. Dies gilt selbst für Berufe mit schwerer körperlicher Belastung. Aber auch unter dieser primär guten hämodynamischen Ausgangssituation ist eine kurzfristige Überprüfung des kardialen Funktionszustands erforderlich.
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Im
hämodynamischen Stadium I, das durch normale Herzgröße, normale links- und/oder rechtsventrikuläre Funktion sowie unbeeinträchtigtes Leistungsvermögen gekennzeichnet ist, finden sich ausschließlich – oft noch junge – Patienten mit hypertrophischer
Kardiomyopathie:
-
Bei hypertrophischer nichtobstruktiver Kardiomyopathie (HNCM) ist Berufsfähigkeit auch bei Berufen mit leichter und mittelschwerer körperlicher Belastung anzunehmen, nicht jedoch bei Berufen, die im Wesentlichen mit schwerer körperlicher Belastung verbunden sind.
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Patienten mit hypertrophisch-obstruktiver Kardiomyopathie (HOCM) dürfen nur Berufe ausüben, die mit leichter körperlicher Belastung einhergehen, bei denen aber vor allem kein Heben schwerer Gegenstände und kein starkes Pressen erforderlich sind (zur Vermeidung eines Valsalva-Phänomens), da sonst durch Zunahme des Gradienten in der linksventrikulären Ausstrombahn Belastungssynkopen und vital bedrohliche ventrikuläre Arrhythmien auftreten können.
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Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie sind überwiegend im hämodynamischen Stadium II zu finden, das durch vergrößerte links- bzw. rechtsventrikuläre Dimensionen, normale links- und/oder rechtsventrikuläre Pumpfunktion und gute Belastbarkeit charakterisiert ist. Die Prognose dieser Patienten ist aber nicht sicher abzuschätzen. Aufgrund der begrenzten Beeinflussbarkeit des natürlichen Krankheitsverlaufs und der meist zunehmenden Progredienz der Erkrankung bei unterschiedlicher Genese ist es im Allgemeinen nur begrenzt möglich, die Patienten aktiv im Erwerbsleben zu halten, wobei vorübergehend in erster Linie sitzende Tätigkeiten ohne Schichtdienst in Betracht kommen können.
Wenn auch das Ausmaß der linksventrikulären Dimensionen in der Regel eine beschränkte Aussage über die Belastbarkeit von Patienten mit
dilatativer Kardiomyopathie erlaubt, so ist doch wegen der Gefahr einer Über- oder auch Unterschätzung der Einschränkung der Ventrikelfunktion eine Belastungsuntersuchung unter Überwachung durch einen erfahrenen Arzt anzustreben. Eine submaximale Belastung sollte durchgeführt werden.
Wegen der nicht sicher abschätzbaren Prognose besteht bei Patienten mit
dilatativer Kardiomyopathie trotz geringer oder fehlender Symptomatik (z. B. keine Belastungsdyspnoe, keine pektanginösen Beschwerden, keine vermehrten Palpitationen) Berufsunfähigkeit für alle Berufe, die mit mittelschweren und schweren körperlichen Anstrengungen verbunden sind. Die
Erwerbsfähigkeit ist in diesem Stadium der Erkrankung aber grds. noch erhalten, eine teilweise
Erwerbsminderung ist zu prüfen. Der Grad der Behinderung (GdB) ist zwischen 0–10 einzuschätzen.
-
Im NYHA-Stadium III (höhergradige Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit; Erschöpfung, Dyspnoe, Angina pectoris und/oder Rhythmusstörungen schon bei geringer körperlicher Belastung) besteht Berufsunfähigkeit für alle Berufe mit körperlicher Arbeit; auch die Erwerbsfähigkeit ist im Stadium III in der Regel eingeschränkt, sodass eine teilweise oder volle Erwerbsminderung vorliegen kann. Der GdB liegt zwischen 50–70 bei pathologischer Ergometerbelastung mit 50 Watt.
-
Im NYHA-Stadium IV liegt sowohl Berufsunfähigkeit als auch volle Erwerbsminderung vor.
Bei Patienten mit
hypertrophisch-obstruktiver Kardiomyopathie ist die körperliche Leistungsfähigkeit oft besonders stark limitiert, wobei die Einschränkung der Belastbarkeit im Wesentlichen mit der Höhe des Druckgradienten in der linksventrikulären Ausstrombahn und nicht mit den Dimensionen des linksventrikulären Cavums korreliert. Ist aber bereits eine
Dilatation des linken Ventrikels und eine deutliche Vergrößerung des linken Vorhofs eingetreten, muss eine aufgehobene Leistungsfähigkeit festgestellt werden. Bei Fehlen von linksventrikulärer und linksatrialer Dilatation können Patienten mit hypertrophisch-obstruktiver
Kardiomyopathie allerdings geistige und leichte körperliche Arbeiten ausführen.
Weiterhin müssen bei der sozialmedizinischen Beurteilung Erfolge neuer Behandlungsverfahren, wie z. B. die Beseitigung eines hämodynamisch relevanten linksventrikulären Ausstrombahngradienten durch interventionelle Okklusion des ersten septalen Astes des Ramus descendens anterior mittels Alkoholinjektion (TASH-Verfahren, transkoronare Ablation der Septumhypertrophie) oder eines chirurgischen Eingriffs (Myektomie) berücksichtigt werden.
Bei
Kardiomyopathien mit ventrikulären und supraventrikulären
Rhythmusstörungen wird die Leistungsfähigkeit des Patienten in der Regel von der Art und dem Schweregrad der Grunderkrankung determiniert. In der sozialmedizinischen Begutachtung darf deshalb die Rhythmusstörung nicht isoliert betrachtet werden, sondern immer nur im Kontext mit einer begleitenden Erkrankung, z. B. einer koronaren Herzkrankheit, eines durch
Myokardinfarkt oder
Myokarditis erlittenen Myokardschadens, aber auch im Zusammenhang mit einer begleitend auftretenden
arteriellen Hypertonie, einem
Diabetes mellitus oder Alkoholabusus.
Ist bei einem Patienten mit
Kardiomyopathie durch Auftreten einer therapierefraktären terminalen
Herzinsuffizienz eine
Herztransplantation erforderlich geworden, ist direkt nach dem Eingriff eine Heilungsbewährung (im Allgemeinen 2 Jahre) abzuwarten; während dieser Zeit ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 anzusetzen. Danach ist der GdB selbst bei günstigem Heilungsverlauf unter Berücksichtigung der erforderlichen Immunsuppression nicht niedriger als 70 zu bewerten. Heute kann bei
Herztransplantationen von einer 15-Jahres-Überlebensrate von bis zu 75 % ausgegangen werden. Da es sich bei den transplantierten Herzen um primär funktionstüchtige Organe handelt, werden der weitere Verlauf und die Leistungsfähigkeit der Patienten kurz- und langfristig durch Abstoßungsreaktionen, ferner durch eine das Langzeitüberleben nach Herztransplantation bestimmende Transplantatvaskulopathie determiniert. Die daraus sich ergebenden Änderungen der körperlichen Belastbarkeit sind bei einer sozialmedizinischen Beurteilung vor dem Hintergrund der oben skizzierten eingeschränkten
Erwerbsfähigkeit (volle oder teilweise
Erwerbsminderung/Berufsunfähikgeit) zu berücksichtigen.