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Die Ärztliche Begutachtung
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Publiziert am: 27.07.2024

Funktionsprüfungen und Diagnostik in der HNO-Heilkunde – Begutachtung

Verfasst von: Parwis Agha-Mir-Salim
Funktionsprüfungen globaler Natur, zum Beispiel Leistungsprüfungen an einem Ergometer oder Funktionsprüfungen bestimmter Organsysteme oder Funktionskreise, etwa der Atmung, des Herz-Kreislauf-Systems, der Nieren oder der Entgiftungskapazität der Leber werden im Rahmen ärztlicher Begutachtungen durchgeführt, um eingehendere und präzisere diagnostische Aufschlüsse zu gewinnen als sie die Anamnese, die subjektiven Beschwerden, der körperliche Untersuchungsbefund vermitteln. Die Ergebnisse solcher Funktionsanalysen sollen also gemeinsam mit den übrigen Befunden und auf Plausibilität kritisch betrachtet werden mit dem Ziel die gutachterliche Beurteilung nachvollziehbar zu verbessern und sie somit so sicher wie irgend möglich zu gestalten.

Einleitung

Funktionsprüfungen globaler Natur, zum Beispiel Leistungsprüfungen an einem Ergometer oder Funktionsprüfungen bestimmter Organsysteme oder Funktionskreise, etwa der Atmung, des Herz-Kreislauf-Systems, der Nieren oder der Entgiftungskapazität der Leber werden im Rahmen ärztlicher Begutachtungen durchgeführt, um eingehendere und präzisere diagnostische Aufschlüsse zu gewinnen als sie die Anamnese, die subjektiven Beschwerden, der körperliche Untersuchungsbefund vermitteln. Die Ergebnisse solcher Funktionsanalysen sollen also gemeinsam mit den übrigen Befunden und auf Plausibilität kritisch betrachtet werden mit dem Ziel die gutachterliche Beurteilung nachvollziehbar zu verbessern und sie somit so sicher wie irgend möglich zu gestalten.
Die gutachterliche Hals-Nasen-Ohren-ärztliche Untersuchung umfasst die
  • Anamneseerhebung,
  • eine eingehende klinische endoskopische und mikroskopische Untersuchung,
  • die Beurteilung der Kopf-Hals-Region und
  • eine Reihe von Funktionstests.
Die relevantesten Untersuchungen für eine Begutachtung bestehen aus subjektiven (auf Mitarbeit des zu Untersuchenden basierend) und objektiven (ohne Mitarbeit des zu Untersuchenden) Verfahren (Arnold, Ganzer 2011). Zu den Tests zählen
  • am Ohr die subjektive Tonschwellen- und Sprachaudiometrie,
  • objektive Hörprüfungen,
  • die kalorische Vestibularisprüfung und
  • an der Nase die Rhinomanometrie.

Untersuchungen des Ohres

Das Ohr ist für die Perzeption akustischer Reize verantwortlich. Dieser physikalische Stimulus, bestehend aus Schalldruckänderungen unterschiedlicher Form wird durch die Ohrmuschel gesammelt, den Gehörgang mittels Resonanz in bestimmten Frequenzbereichen akzentuiert, durch das Mittelohr verstärkt auf das flüssigkeitsgefüllte Innenohr übertragen. Dort werden diese durch die Sinneszellen, den Haarzellen, in elektrische Impulse transformiert. Diese werden über den Hörnerven auf zentrale Verarbeitungsstationen übertragen und dann individuell sehr unterschiedlich bewusst im Gehirn wahrgenommen. Primär ist dieses komplizierte System auf Sprache ausgerichtet, nimmt aber auch andere Frequenzen wahr.
Grob wird demnach ein äußeres Ohr mit der Ohrmuschel und dem äußeren Gehörgang, das Mittelohr mit Trommelfell und den Gehörknöchelchen, das Innenohr mit den Hörzellen und der retrokochleäre Bereich (z. B. Hörnerv) unterschieden. Entsprechend kann die Ursache einer Hörminderung im äußeren Ohr (z. B. Cerumen obturans), im Bereich des Mittelohrs (z. B. Trommelfellperforation, Unterbrechung der Gehörknöchelchen), im Innenohr (Haarzellverlust) oder retrokochleär (z. B. Akustikusneurinom, Multiple Sklerose) liegen. Diese sehr unterschiedlichen Ursachen einer Schwerhörigkeit müssen bei der Begutachtung genau differenziert und anhand der Funktionstest möglichst sicher und plausibel unterlegt werden.
Das periphere Gleichgewichtsorgan ist ebenfalls Teil des Innenohres, weshalb Störungen der Schnecke (Cochlea) häufig aber keinesfalls zwingend mit Störungen auch des Gleichgewichtstapparates vergesellschaftet sind. Es besteht aus den statischen Organen, dem Sacculus und Utrikulus, die lineare Beschleunigungen wie beispielsweise die Schwerkraft wahrnehmen und der Bogengangsapparat, der Beschleunigungen wie beispielsweise das Abbremsen oder Beschleunigen in einem Fahrzeug oder rotatorische Bewegungsänderungen registrieren.
Störungen einzelner Bereiche können sehr unterschiedliche Symptome und Untersuchungsergebnisse bewirken, weshalb eine gute Kenntnis der Physiologie und gezielte Anamneseerhebung und Funktionsprüfungen zur Begutachtung erforderlich sind.

Anamnese

Typische das Ohr betreffende Fragen umfassen: Hörverlust mit Dauer und in welchen Situationen symptomatisch, Schwindel, Tinnitus, Ohrsekretion, familiäre Schwerhörigkeiten sowie berufliche Lärm- und Noxenexposition (Fritze 1983).

Lokalbefund

Mit einem Ohrtrichter, dem Mikroskop oder dem Endoskop werden der äußere Gehörgang sowie das Trommelfell beurteilt und auch gegebenenfalls fotografisch dokumentiert. Die Funktion der Tuba Eustachii zur Mittelohrbelüftung wird über Trommelfellauslenkungen nach Valsalva-Manöver geprüft. Mit der pneumatischen Lupe (Siegle-Trichter) kann die Beweglichkeit des Trommelfells sowie des Hammergriffs auch ohne diesen Test beurteilt werden.

Orientierende Hörweitenbestimmung

Einen ersten Eindruck über das Hörvermögen kann sich der Gutachter durch die seitengetrennte Untersuchung der Hörweite verschaffen. Das kontralaterale Ohr wird dabei durch Schüttelbewegungen der eigenen Fingerspitze oder einer Hilfsperson im Gehörgangseingang vertäubt. Geprüft werden viersilbige Zahlwörter (z. B. „Vier-und-zwanzig“) in Flüster- und Umgangssprache bis zu einer Distanz von 6 m. Die untersuchende Person spricht die Zahlen vor und die zu untersuchende Person muss sie nachsprechen. Bei Normalhörigkeit werden in 6 m Distanz mindestens 50 % der Zahlen korrekt wiedergegeben. Eine deutliche schlechteres Verständnis von Flüstersprache weist auf eine Hochtonschwerhörigkeit hin.

Stimmgabeluntersuchungen

Die Untersuchungen mit der Stimmgabel werden zur Unterscheidung einer Schallleitungsschwerhörigkeit (Mittelohrschwerhörigkeit) von einer Schallempfindungsschwerhörigkeit (Innenohrschwerhörigkeit) durchgeführt. Die Stimmgabel kann einen Ton von 440 Hz also Kammerton A aussenden und prüft auch nur ausschließlich diese Frequenz.
  • Beim Stimmgabelversuch nach Weber wird die Stimmgabel auf die Mitte des Schädels aufgesetzt. Wird der Ton mittig und durch beide Ohren gleichermaßen wahrgenommen, entspricht dies dem Normalfall. Bei einer Schallleitungsschwerhörigkeit wird den Ton im betroffenen Ohr stärker wahrgenommen, bei einer Innenohrschwerhörigkeit auf dem gesunden, kontralateralen Ohr. Dies wird dann als Lateralisierung bezeichnet.
  • Beim Stimmgabeltest nach Rinne wird die Stimmgabel zunächst auf den Knochen des Mastoids aufgesetzt (Prüfung der Innenohrfunktion), dann vor das Ohr gehalten (Prüfung der Luftleitung). Wird der Ton beim Aufsetzen der Stimmgabel auf das Mastoid lauter gehört als vor dem Ohr, liegt eine Schallleitungsschwerhörigkeit von mehr als 30 dB vor.
Diese subjektiven Tests sind einfach durchführbar, aber nur von orientierendem Charakter und müssen stehts mit weiterführenden Untersuchungen hinsichtlich einer Plausibilitätprüfung kombiniert werden.

Hörtests

Bei den Hörtests werden subjektive Hörtests, bei denen der Patient angeben muss, ob und wann er einen Ton hört, unterschieden von objektiven Hörtests, die unabhängig von der Kooperation des Patienten erfolgen (Laszig und Lehnardt 2009).

Subjektive Hörtests/Überschwellige Hörtests

Tonschwellenaudiometrie
Bei der Tonschwellenaudiometrie wird die subjektive Hörschwelle für Töne zwischen 125 Hz und 10 kHz ermittelt. Über einen Kopfhörer wird die Luftleitung (Gehörgang, Mittel-und Innenohr), über einen Knochenleitungshörer, der auf das Mastoid gesetzt wird, die Schwelle für Knochenleitung (ausschließlich Innenohrhörvermögen) geprüft. Der Patient drückt auf einen Knopf, wenn der entsprechende Ton wahrgenommen wird. Bei einem Hörverlust ist es wichtig das Gegenohr zu vertäuben, damit der Prüfton nicht über den Schädelknochen „überhört“ wird. Dies wird im Tonschwellenaudiogramm stets vermerkt.
Eine Differenz der Hörschwellen für Knochen- und Luftleitung zeigt eine Schallleitungsstörung im äußeren Ohr bzw. im Mittelohr an. Fallen beiden Hörschwellen parallel nebeneinander ab, spricht dies für eine Funktionsstörung im Innenohr oder in den nachgeschalteten neuralen Hörbahnen (sensorineurale Schwerhörigkeit); der genaue Ort der Schwerhörigkeit kann durch ergänzende überschwellige Tests (s. unten) weiter differenziert werden.
Mit Hilfe der überschwelligen Hörtests kann zwischen einer Innenohrschwerhörigkeit und einer retrokochleären Schwerhörigkeit unterschieden werden. Diese Tests basieren auf dem sogenannten Lautheitsausgleich („recruitment“), das heißt, dass auf dem schwerhörigen Ohr bei steigender Lautstärke nicht nur die frequenzspezifischen, sondern auch die umgebenden Haarzellen zunehmend miterregt werden, sodass bei einem überproportionalen Zuwachs der Lautheitsempfindung die Unbehaglichkeitsschwelle schneller erreicht wird. Dies resultiert in einem eingeschränkten Dynamikbereich des Innenohres.
Zu nennen sind hier u. a.
  • der Fowler-Test (bei Verstärkung eines Tons auf beiden Ohren werden auf dem schwerhörigen Ohr geringere Verstärkungen gebraucht als auf dem gesunden Ohr, um eine gleiche Lautheitsempfindung zu erreichen)
  • der SISI-Test (Short Increment Sensitivity Index; Erkennen von 1-dB-Intensitätssteigerungen 20 dB oberhalb der Hörschwelle als Ausdruck eines Innenohrschadens)
  • der Langenbeck-Test (Hörschwellenbestimmung ohne und mit Verdeckungsrauschen).
Bei der Begutachtung genügen gewöhnlich zwei überschwellige Hörtests, um den Sitz der Hörstörung zu lokalisieren (Feldmann und Brusis 2019).
Hörermüdungstests
Eine Hörermüdung, das heißt ein Nachlassen der Hörempfindung eines Dauertons (Carhart-Test, Békésy-Audiometrie) spricht für eine retrokochleäre Schwerhörigkeit.
Insgesamt spielen überschwellige und Hörermüdungstests in der klinischen Beurteilung und vor allem Verifizierung eines Hörverlustes nur noch eine untergeordnete Rolle. Die weiterentwickelten objektiven Hörprüfungen bieten hier wesentlich mehr Sicher- und Zuverlässigkeit.
Sprachaudiometrie
Geprüft wird im Freiburger Sprachtest nach DIN45626 das Verständnis für Zahlen und einsilbige Testworte. Die Sprachaudiometrie ist die entscheidende Grundlage für die Bemessung des Hörschadens. Gemessen wird der Lautstärkepegel, bei dem 50 % der Zahlworte verstanden werden, sowie die Einsilberverständlichkeit bei 60, 80 und 100 dB. Der Normalhörige zum Beispiel versteht die Hälfte der Zahlworte bei 18,5 dB und 100 % der Einsilber bei 50 dB.
Mit den Werten dieses Tests wird nach der Tabelle „Prozentualer Hörverlust aus dem Sprachaudiogramm“ von Boenninghaus u. Röser 1973 (Beitrag „Krankheiten und Verletzungen von Hals, Nase und Ohren“) für jedes Ohr der prozentuale Hörverlust ermittelt, aus dem sich dann die Minderung der Erwerbstätigkeit ergibt.
Simulationstests
Simulationstests (Stenger-Versuch, Lombard-Leseversuch, Lee-Test), die bei Simulation einer Schwerhörigkeit oder Taubheit eingesetzt werden können, werden heute aufgrund der Möglichkeiten der objektiven Hörtests nur noch selten verwendet.

Objektive Hörtests

Alle Hörprüfmethoden, bei denen der Patient das Ergebnis der Untersuchung nicht beeinflussen kann, werden als objektiv bezeichnet.
Impedanzprüfung
Gemessen wird der objektive akustische Widerstand des Trommelfells. Dazu wird die Trommelfellbeweglichkeit bei dynamischer Druckänderung im luftdicht abgeschlossenen Gehörgang mittels eines Prüftones gemessen. Auf diese Weise kann eine normale Trommelfellbeweglichkeit bei lufthaltiger Pauke sowie eine eingeschränkte Trommelfellbeweglichkeit bei Unterdruck oder Erguss im Mittelohr nachgewiesen werden.
Stapediusreflexe
Der Stapediusreflex ist ein muskulärer Schutzmechanismus des Innenohres bei plötzlichen und hohen Schalldrücken. Er führt zu einer Kontraktion des kleinsten menschlichen Muskels zu einer Erhöhung der Impedanz des Mittelohres. Genauso wird er auch geprüft. Es werden eine Impedanzprüfung und gleichzeitig bei verschiedenen Frequenzen ein Prüfton bei verschiedenen Schalldruckpegeln appliziert. Bei einer Impedanzänderung geht man von einem Auslösen des Reflexes aus, was einem Normalbefund entspricht. Fehlt er, liegt entweder ein Problem mit der Gehörknöchelchenkette oder dem Reizleitungssystem des Reflexes, also dem Gesichtsnerven vor. Typischerweise wird er einer Otosklerose oder Kettenunterbrechung geprüft, bei Vorliegen einer solchen Ursache fällt der Reflex aus.
Otoakustische Emissionen
Otoakustische Emissionen sind akustische Signale, die von den kontraktionsfähigen äußeren Haarzellen generiert werden und mit einem Mikrofon im äußeren Gehörgang registriert werden können. Diese äußeren Haarzellen sind für die Schärfung der Wanderwelle im Innenohr verantwortlich. Evozierte otoakustische Emissionen werden durch einen Klickreiz hervorgerufen. Bei einem Hörverlust über 30–40 dB sind diese Emissionen nicht mehr auslösbar. Bei retrokochleären Schäden hingegen sind die Emissionen weiter auslösbar, wenn Mittel- und Innenohr intakt sind.
Dieses Verfahren dient zur Diagnostik kindlicher Hörstörungen, zur Erkennung einer simulierten Schwerhörigkeit und zur Differenzialdiagnose kochleärer und retrokochleärer Schäden.
Distorsionsprodukte otoakustischer Emissionen
Die Cochlea wird hierbei mit einem Differenzton aus 2 Frequenzen (gewöhnlich 2 f1–f2) gereizt. Die Distorsionsprodukte gestatten somit eine frequenzspezifische Untersuchung der Funktion äußerer Haarzellen.
Akustisch evozierte Hirnpotenziale (ERA oder BERA)
Die BERA leitet über Kopfelektroden Hirnströme ab und filtert computergestützt die durch akustische Stimulation ausgelösten Potenziale aus dem Grundrauschen des EEG. Bei Click-Reizen wird vor allem der Frequenzbereich zwischen 2 und 4 kHz getestet. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt ihres Auftretens lassen sich die Potenziale verschiedenen anatomischen Strukturen von der Cochlea bis zur Hirnrinde zuordnen. Auf diese Weise lässt sich eine Bestimmung der Hörschwelle bei kleinen Kindern und nichtkooperativen Patienten durchführen. Diese Untersuchung kann auch frequenzspezifisch durchgeführt werden („notched-noise“ oder Chirp BERA).
Untersuchungen bei Tinnitus
Bei Tinnitus werden vor allem die Lautstärke und die Frequenz des Tinnitus mit Tönen des Tonaudiometers verglichen. Lässt sich der Tinnitus mit Tönen oder Rauschen verdecken, spricht dies eher für einen peripheren Tinnitus cochleärer Genese, eine fehlende Verdeckbarkeit spricht eher für einen zentralen Tinnitus.

Gleichgewichtsorgan

Anamnese

Gefragt wird nach Dreh-, Schwank- oder Liftschwindel, Synkopen, Schwarzwerden vor den Augen, Häufigkeit und Dauer der Schwindelattacken sowie den Auswirkungen auf das tägliche Leben (Fritze 1983).

Untersuchungen

Neben der Otomikro- oder endoskopie wird das Vorliegen eines Nystagmus mit und ohne Frenzel-Brille untersucht. Nystagmus sind unwillkürliche Bewegungen des Augapfels können Zeichen einer Gleichgewichtsstörung sein. Die Lupenbrille nach Frenzel besitzt +30 Dioptrien und verhindert hierdurch das Fixieren eines Punktes mit dem Auge und lässt zuverlässig Rückschlüsse auf unwillkürliche Augenbewegungen zu. Bei peripher vestibulärer Untererregbarkeit einer Seite geht eine langsame Komponente des Nystagmus in Richtung des geschädigten Ohres. Nach der schnellen Rückstellbewegung wird die Richtung des Nystagmus bezeichnet. Beim Ausfall eines Vestibularorgans zeigt dann die schnelle Komponente in Richtung des gesunden Ohres. Dies kann auch mit modernen Videosystemen als Videonystagmographie untersucht und ausgewertet werden.
Die Prüfung des Kopfschüttelnystagmus ist besonders wichtig, weil hierdurch eine natürliche Situation nachgeahmt wird, bei der eine vestibuläre Störung manifest werden kann. Der Nystagmus wird in verschiedenen Lagen und auch bei Lageänderungen (Lagerungsprüfung) überprüft. Der Nystagmus sollte mit Hilfe von Elektroden (Elektronystagmographie) oder auch mit Videosystemen aufgezeichnet werden (Stoll, Matz,Most, Rudolf 1998).
Vestibulospinale Reflexe
Die vestibulospinalen Reflexe prüfen die Koordination, die Fallneigung und Abweichreaktionen bei Störungen des Vestibularapparates. Beim Romberg-Versuch steht der Patient mit geschlossenen Füßen, streckt die Arme nach vorn und hat die Augen geschlossen. Bei einseitigem Vestibularausfall ist die Abweichung zur Seite des kranken Ohrs gerichtet. Abweichreaktionen können auch auf einer elektronischen Kippbühne registriert werden (Posturographie). Tritt der Patient mit geschlossenen Augen auf der Stelle (Unterberger-Tretversuch), weist eine Drehung um die Körperachse (> 45° auf 50 Schritte) auf ein gestörtes Gleichgewichtsorgan hin.
Vestibulookuläre Tests
Hierbei wird mittels Videosystemen die Fähigkeit des Augapfels untersucht schnelle Bewegungen des Kopfes auszugleichen (Kopfimpuls- Test oder HIT). Ist dies gestört spricht dies für eine Störung des peripher vestibulären Systems.
Kalorische Vestibularisprüfung
Bei der kalorischen Prüfung werden die Ohren zunächst mit warmem und anschliessend kaltem Wasser gespült, um das periphere Gleichgewichtsorgan seitengetrennt zu testen. Der Kaltreiz führt zu einer Minderung und der Wärmereiz zu einer Zunahme der vestibulären Aktivität der geprüften Seite. Die Nystagmusschläge werden digital ausgezählt und anschließend in Hinblick auf ein Seiten- oder Richtungsüberwiegen der Nystagmusschläge grafisch dargestellt und ausgewertet. Der Nystagmus wird über eine Videonystagmographie gemessen. Hierbei befindet sich in einer Frenzelbrille eine Kamera, die Augenbewegungen werden aufgezeichnet und digital mittels einer speziellen Software ausgewertet. Ein Seitenüberwiegen bei identischem Reiz spricht für eine Untererregbarkeit des schlechter reagierenden peripheren Vestibularapparats, ein Richtungsüberwiegen findet sich möglicherweise bei zentraler Ursache.
Drehstuhlprüfung
Hierbei (rotatorische Prüfung) werden beide Vestibularapparate gleichzeitig erregt. Diese Untersuchung spielt eine wichtige Rolle bei der Beurteilung des zentralen vestibulären Systems sowie bei Nachuntersuchungen nach peripher vestibulärem Ausfall (zentrale Rekompensation) und kommt nur noch sporadisch zum Einsatz.
Röntgenuntersuchungen des Ohres
Konventionelle Röntgenaufnahmen nach Schüller und Stenvers erlauben zwar eine grobe Beurteilung des Warzenfortsatzes, konventionelle Röntgenaufnahmen spielen in der Praxis keine Rolle mehr. Zur bildgebenden Untersuchung des Ohres vor allem bei Verletzungen sind ausschließlich die Computertomografie und Magnetresonanztomografie aussagekräftig.

Nase und der Nasennebenhöhlen

Anamnese

Gefragt wird nach Nasenatmungsbehinderung, Sekretion, Schmerzen, Blutungen und Niesreiz (Fritze 1983).

Untersuchungen

Eine anteriore Rhinoskopie wird zwar auch heute noch mit Hilfe eines Nasenspekulums durchgeführt. Die flexible Endoskopie und Fotodokumentation sind jedoch heutzutage der Standard. Der Nasenrachen, alle Schlundabschnitte und auch der Kehlkopf werden hierbei untersucht. Am Kehlkopf kann zusätzlich mit einer Lupenendoskopie und Stroboskopie hinsichtlich der Schwingungsfähigkeit der Stimmlippen untersucht werden. Eine Bilddokumentation ist ebenfalls Standard. Eine „Spiegelung“ hat in der täglichen Praxis keinen relevanten Platz mehr.
fotografische Dokumentation
Besonders vor plastisch-chirurgischen Eingriffen im Bereich der äußeren Nase ist eine fotografische Dokumentation der Nase von Bedeutung.
Rhinomanometrie
Bei der Rhinomanometrie wird die Menge der durchströmenden Luft pro Zeiteinheit gemessen. Diese Untersuchung sollte vor Operationen an der Nasenscheidewand wie auch den Nasenmuscheln durchgeführt werden, um den Einfluss einer Nasenmuschelhyperplasie auf die Nasenatmungsbehinderung abschätzen zu können.
Riechprüfungen
Eine Riechprüfung wird bei Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmacksvermögens durchgeführt. Vorher sollte geprüft werden, ob Polypen, Schleimhautschwellungen oder Tumoren die Riechrinne in der Nase verlegen. Geprüft wird mit reinen Geruchsstoffen (z. B. Vanille) sowie Trigeminusreizstoffen (z. B. Essigsäure), welche mit den Riechzellen nicht wahrgenommen werden. Der Simulant würde beispielsweise angeben, auch Trigeminusreizstoffe nicht riechen zu können. Standardisierte Tests liegen zum Beispiel als Riechstifte vor. Eine objektive Olfaktometrie, die über evozierte Hirnstrompotenziale abgeleitet wird, ist nur in wenigen Kliniken verfügbar und kann besonders bei gutachterlichen Fragestellungen wie einem Verdacht auf Simulation eines Riechverlustes eingesetzt werden. Es existieren standardisierte Testreihen, die dies aussagekräftig prüfen.
Bildgebende Verfahren
Konventionelle Aufnahmen der Nasennebenhöhlen spielen in der Beurteilung der Nase und Nasennebenhöhlen keine Rolle mehr. Auch hier ist die moderne CT- und MRT Diagnostik präzise und aussagekräftig.

Mundhöhle und Oropharynx

Anamnese

Gefragt wird nach Schmerzen, Geschmacksstörung, Zungenbrennen, Mundtrockenheit, Alkohol- und Tabakkonsum (Fritze 1983).

Untersuchungen

Die Mundhöhle wird mit einem Zungenspatel und der Lupenbrille, dem Mikroskop oder Endoskop untersucht. Zahnprothesen sollten vorher immer entfernt werden.
Palpation und Sonografie
Eine digitale Palpation ist insbesondere zur Beurteilung von Raumforderungen im Bereich des Oropharynx (Zungengrund, Tonsille) zu empfehlen, der Nasopharynx wird endoskopisch untersucht. Zervikale Lymphknoten werden auf Größe, Druckdolenz und Verschieblichkeit untersucht.
Insbesondere jedoch eine Sonografie der Halsweichteile ist wesentlich präziser bei zu begutachtenden Fragestellungen und gibt präzise Informationen, die auch grafisch dokumentiert werden sollten.
Geschmacksprüfung
Mit standardisierten Lösungen werden auf der Zunge die Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer und bitter seitengetrennt geprüft. Mit der Elektrogustometrie kann die elektrische Wahrnehmungsschwelle bestimmt werden.

Kehlkopf, Stimme und Sprache

Anamnese

Gefragt wird nach Heiserkeit, Schluckstörung, Schmerzen, Rauchen, Alkohol und Noxenexposition am Arbeitsplatz (z. B. Asbeststaub).

Untersuchungen

Standard ist hier erneut die endoskopische Untersuchung mit Kamerasystemen (Lupenlaryngoskop, flexible Optiken). Bei persistierenden Beschwerden kann auch eine Narkoseuntersuchung mit mikroskopischer Beurteilung der Schleimhautverhältnisse über starre Rohre notwendig werden.
Bei Kehlkopflosen gehört auch die Untersuchung des Tracheostomas und der oberen Trachea zu den Aufgaben des HNO-ärztlichen Gutachters (Feldmann, Brusis 2019).
Stimmbeurteilung
Stimmumfang und Stimmdynamik werden als sogenanntes Stimmfeld grafisch aufgetragen. Die Stimme kann nach den Parametern Heiserkeit, Belegtheit und Rauigkeit (HBR-Schema) beurteilt werden.
Stroboskopie
Bei Stimmstörungen können die Stimmlippenschwingungen durch gepulste Lichtblitze lupenlaryngoskopisch sichtbar gemacht werden. Spezielle Untersuchungsverfahren der Stimme sind mit fachärztlicher phoniatrischer Hilfe möglich.
Bildgebende Diagnostik
Sonografisch können Lymphknoten und andere Raumforderungen zur Darstellung gebracht werden. Die Computertomografie beurteilt die Ausdehnung und eventuelle Knochenarrosion von Tumoren. Die Magnetresonanztomografie kann bei der Beurteilung von Weichteiltumoren sehr aussagekräftig sein. Radiologische Schluckuntersuchungen werden bei Schluckstörungen durchgeführt und als Bildserien dargestellt.
Literatur
Arnold W, Ganzer U (2011) Checkliste Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, 5. Aufl. Thieme, Stuttgart/New York
Feldmann H, Brusis T (2019) Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes, 8. Aufl. Thieme, Stuttgart/New York
Fritze E (1983) Lehrbuch der Anamneseerhebung und allgemeinen Krankenuntersuchung, 3. Aufl. Edition Medizin, Weinheim Deerfield Beach/Florida Basel
Laszig R, Lehnhardt E (2009) Praxis der Audiometrie, 9. Aufl. Thieme, Stuttgart/New York
Stoll W, Matz DR, Most E, Rudolf GAE (1998) Schwindel und Gleichgewichtsstörungen. Thieme, Stuttgart/New York