Einleitung
Durch Krankheit entstehen Kosten u. a. für Arzt, Arzneien und Krankenhausaufenthalt, deren Höhe in vielen Fällen die finanziellen Möglichkeiten des privaten Haushaltes übersteigt. Wenn die Krankheit zudem Arbeitsunfähigkeit verursacht, fehlt in der Familie laufendes Einkommen, auf das sie im Regelfall angewiesen ist. Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist es, die Kosten der Krankheit zu decken und den Einkommensausfall auszugleichen.
In der Bundesrepublik Deutschland besteht seit dem 01.01.2009 für die gesamte Bevölkerung die Pflicht, eine Krankenversicherung abzuschließen, grundsätzlich in der gesetzlichen (§ 5 SGB V) oder unter bestimmten Bedingungen in der privaten (§ 193 Absatz 3 Versicherungsvertragsgesetz, VVG) Krankenversicherung.
Unter dem Begriff „Krankenversicherung“ verbergen sich zwei verschiedene Leistungssysteme:
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Einerseits gibt es die private Krankenversicherung (PKV). Bei ihr herrscht der Grundsatz des Gleichgewichts von Leistung und Beitrag („Äquivalenzprinzip“). Die Leistungen der PKV und die zu zahlenden Beiträge richten sich nach der individuellen Ausgestaltung des Versicherungsvertrages. Regelfall ist eine Gesundheitsprüfung vor Vertragsabschluss.
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Im Gegensatz dazu ist die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) nach sozialen Gesichtspunkten ausgerichtet. Die Leistungen bestimmt der Gesetzgeber oder in seinem Auftrag der Gemeinsame Bundesausschuss GBA (§ 91ff SGB V). Der Beitrag hängt nicht vom Krankheitsrisiko ab, sondern orientiert sich prozentual am Einkommen und ist der Höhe nach begrenzt durch die gesetzlich festgelgte Beitragsbemessungsgrenze. Er entspricht also der relativen finanziellen Leistungskraft der Versicherten („Solidaritätsprinzip“). So werden die Beiträge jüngerer, im Durchschnitt daher weniger krankheitsanfälliger Mitglieder dazu verwandt, die überdurchschnittlich hohen Krankheitskosten älterer Mitglieder der Solidargemeinschaft zu tragen: vertikale Umverteilung. Mitgliedern ohne mitversicherte Familienangehörige finanzieren durch ihre Beiträge auch die Leistungen für Familienangehörige anderer Mitglieder mit: horizontale Umverteilung. Die Krankheitskosten werden im Umlageverfahren finanziert, also – im Gegensatz zur privaten Versicherung – ohne Kapitaldeckung.
Die GKV wirkt durch ihre Preis-, Honorar- und Gebührenpolitik auf die Struktur und Leistungsfähigkeit der medizinischen und pharmazeutischen Versorgung ein. Infolge ihrer relativ großen Zahl und ihrer Beratungsstellen haben die Krankenkassen der GKV einen engen Kontakt zu den Versicherten. Hierdurch haben sie die Möglichkeit, das Gesundheitsbewusstsein der Versicherten durch Information und Beratung positiv zu beeinflussen. Andererseits wird der Leistungskatalog auch durch den medizinischen Fortschritt und durch ein verändertes, wachsendes Gesundheitsbewusstsein beeinflusst. Die Leistungen selbst werden vornehmlich von den Heil- und Heilhilfsberufen und den öffentlichen sowie freigemeinnützigen oder privaten Einrichtungen erbracht.
Das System der GKV baut auf der Arzt-Patienten-Beziehung auf, wobei der niedergelassene Vertragsarzt in eigener Praxis und das Krankenhaus Schlüsselfunktionen innehaben. Die GKV bietet ärztliche Dienste, Medikamente, Heil- und Hilfsmittel in eigenen Einrichtungen im Allgemeinen nicht an. Der Sicherstellungsauftrag angemessener ambulanter Versorgung durch niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten liegt bei den Kassenärztlichen Vereinigungen. Wenn diese den Sicherstellungsauftrag nicht erfüllen, können die gesetzlichen Krankenkassen die Versorgung durch Eigeneinrichtungen sicherstellen.
Einen bedeutenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Krankenversicherung haben schließlich die pharmazeutische Industrie, das Apothekenwesen und Wirtschaft und Handel, soweit sie sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Heil- und Hilfsmitteln befassen. Diese vielfältigen, interdependenten Beziehungen mit korrelierenden und konkurrierenden Interessenlagen werfen fortwährend die Frage nach dem Gleichgewicht der Kräfte im Wettbewerb des Gesundheitswesens auf, welches Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Systems zugunsten der Patienten ist.
Die GKV zieht im gesetzlichen Auftrag auch die Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung bei den Arbeitgebern ein und führt für andere Sozialleistungszweige sonstige Auftragsangelegenheiten durch, z. B. die Auszahlung des Verletztengeldes für die gesetzliche Unfallversicherung.
Leistungsarten
Sachleistungsprinzip
Die gesetzliche Krankenversicherung beruht auf dem
Sachleistungsprinzip. Sie beschafft dem Versicherten unmittelbar die Dienste und Güter für den Krankheitsfall. Im Gegensatz dazu ist die
private Krankenversicherung vom
Kostenerstattungsprinzip bestimmt.
Aufgrund des Sachleistungsprinzips nimmt der Versicherte die Dienste von Ärzten, Psychotherapeuten, bzw. Krankenhausbehandlung, Medikamenten usw. in Anspruch, ohne dass ihm die Vergütung berechnet wird. Die Sachleistungen müssen gemäß § 12 Abs. 1 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Die gesetzlichen Krankenkassen erbringen die Sachleistungen nicht selbst durch eigene Krankenhäuser oder angestellte Ärzte, sondern sie schließen Verträge über die Durchführung der Leistungen mit Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern, Apothekern, Optikern usw. Ausnahmen von diesem Sachleistungsprinzip gelten nur für einige wenige besondere Fälle.
Neben den Sachleistungen gewährt die Krankenkasse Geldleistungen, wie z. B. Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit oder Mutterschaftsgeld.
Versicherte können gemäß § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung der Krankenkassen hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln und kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten bis max. 5 % vorsehen. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden. Gemäß § 129 Absatz 1 Satz 6 können Versicherte punktuell gegen Kostenerstattung unter wirkstoffgleichen Arzneimitteln selbst auswählen, solange Wirkstärke und Packungsgröße identisch sind, die Darreichungsform gleich oder austauschbar ist und es für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen ist.
Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind entsprechend ihrer Rechtsgrundlage in Regel- und Mehrleistungen und nach ihrer Rechtsnatur in Rechtsanspruchs- und Ermessensleistungen einzuteilen:
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Regelleistungen sind die gesetzlich vorgesehenen (Mindest-)Leistungen.
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Wird der Umfang gewisser Leistungen durch die Satzung der einzelnen Krankenkasse im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Grenzen erweitert, so spricht man von einer Mehrleistung.
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Von einer Rechtsanspruchsleistung wird gesprochen, wenn sich der Anspruch auf die Leistung bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen als direkte Rechtsfolge aus der Gesetzes- bzw. Satzungsvorschrift ergibt.
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Bei Ermessensleistungen dagegen kann der Versicherte seinen Anspruch nicht unmittelbar aus einer Gesetzes- oder Satzungsvorschrift herleiten. Er hat „nur“ einen Anspruch auf rechtsfehlerfreies Ermessen; die Rechtsvorschrift bestimmt lediglich, dass die Krankenkassen eine Leistung unter bestimmten Voraussetzungen gewähren „kann“ oder „soll“.
Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst gemäß § 11 SGB V Leistungen
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zur Verhütung und Behandlung von Krankheiten,
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zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung von Krankheiten,
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des persönlichen Budgets nach § 29 SGB IX.
Krankheitsverhütung/Prävention
Durch spezielle Leistungen im Bereich der Vorsorge und Prävention soll die Eigenverantwortung der Versicherten gestärkt werden bzw. wollen die Krankenkassen Versicherte, etwa bei Vorsorgeuntersuchungen oder bei Beteiligung an Modellversuchen, belohnen.
Was die
Prävention/
Krankheitsverhütung (§ 20 ff. SGB V) betrifft, so arbeiten die Krankenkassen zur Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren mit den Unfallversicherungsträgern zusammen und unterrichten diese über die Erkenntnisse, die sie über Zusammenhänge zwischen Erkrankungen und Arbeitsbedingungen gewonnen haben.
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Ferner haben die Krankenkassen Selbsthilfegruppen und -kontaktstellen, die sich die Prävention oder Rehabilitation bestimmter Krankheiten zum Ziel gesetzt haben, durch Zuschüsse zu fördern.
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Schutzimpfungen gehören zu den Regelleistungen, soweit von der ständigen Impfkommission (Stiko) beim
Robert-Koch-Institut (RKI) empfohlen und vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossen wurden (§ 20i SGB V).
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Zur Verhütung von Zahnerkrankungen fördern die Krankenkassen für Versicherte, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, im Zusammenwirken mit Zahnärzten und den für die Gesundheitspflege in den Ländern zuständigen Stellen die Durchführung zahnärztlicher Gruppenuntersuchungen insbesondere in Kindergärten und Schulen (Gruppenprophylaxe). Als Individualprophylaxe haben Versicherte ab dem 6. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres einmal in jedem Kalenderhalbjahr Anspruch auf eine zahnärztliche Untersuchung.
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Als weitere Vorsorgeleistung sind die
Präventionskuren zu nennen. Diese werden gewährt, um eine Schwächung der Gesundheit zu beseitigen, einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken oder
Pflegebedürftigkeit zu vermeiden und wenn entsprechende ambulante Maßnahmen am Wohnort nicht ausreichen. Bei einer
ambulanten Vorsorgekur beteiligt sich die Krankenkasse neben den medizinischen Leistungen (ärztliche Behandlung, Arznei- und Heilmittel usw.) an den übrigen Kosten der Kur – je nach Satzungsbestimmung – mit einem Zuschuss je Tag. Reicht eine ambulante Vorsorgekur nicht aus, kann die Kur
stationär in einer entsprechenden Einrichtung durchgeführt werden. Die Krankenkasse übernimmt hier auch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Allerdings hat der Versicherte je Kalendertag der Kur eine Zuzahlung zu leisten. Vorsorgekuren können auch in Einrichtungen des Müttergenesungswerks oder ähnlichen Einrichtungen durchgeführt werden, wobei in der Satzung zu regeln ist, ob lediglich ein Zuschuss gezahlt wird oder die Kosten in voller Höhe übernommen werden.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten (§ 25 f. SGB V) sollen vor allem dazu dienen, möglichst frühzeitig bereits entstandenen Krankheiten entgegenwirken zu können, um die Chancen einer Therapie zu erhöhen und entsprechende Heilmaßnahmen einzuleiten. Die Ansprüche sind in Früherkennungsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (z. B. „Richtlinie über die Früherkennung von Krebserkrankungen“ und „Richtlinie über die Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten“) festgelegt.
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Für Versicherte, die das 35. Lebensjahr vollendet haben, besteht in jedem 3. Jahr ein Anspruch auf eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung („Check-up“), insbesondere zur Früherkennung von Herz-, Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie
Diabetes, und in jedem 2. Jahr zur Früherkennung von Hautkrebs.
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Frauen haben vom Beginn des 20. Lebensjahres für die Gebärmutter, für die Brust ab dem Alter von 30 Jahren sowie zusätzlich für ein
Mammografie-Screening ab dem Alter von 50 Jahren bis zum Ende des 70. Lebensjahres einen Anspruch auf Früherkennungsuntersuchungen.
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Männer haben vom Beginn des 45. Lebensjahres an einen Anspruch auf eine jährliche Untersuchung zur Krebsfrüherkennung (Prostata und äußeres Genital).
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Zusätzlich wurden in den letzten Jahren Früherkennungsmaßnahmen bei Hautkrebs ab dem 35. Lebensjahr und kolorektalem Karzinom ab dem 50. Lebensjahr eingeführt.
Zuzahlungen müssen normalerweise bis zu einer Belastungsgrenze von 2 % des Einkommens gezahlt werden. Für chronisch Kranke gilt eine reduzierte Belastungsgrenze von 1 %. Dies jedoch nur dann, wenn nach bestimmten Stichtagen Geborene regelmäßig an Früherkennungsmaßnahmen teilgenommen haben.
1.
Für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres werden Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, die ihre körperliche oder geistige Entwicklung in nicht geringfügigem Maße gefährden, gewährt.
2.
Zwischen dem vollendeten 13. und vollendeten 14. Lebensjahr besteht Anspruch auf eine
Jugendgesundheitsuntersuchung. Sie soll insbesondere dazu dienen, frühzeitig psychische und psychosoziale Risikofaktoren, die zu Fehlentwicklungen in der
Pubertät führen können, sowie gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen zu erkennen.
Einzelheiten über die Art der jeweiligen Untersuchungen sind in den entsprechenden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthalten.
Leistungen bei Krankheit
Die Leistungen bei Krankheit (§§ 27 bis 52a SGB V) sind die zentralen und kostenträchtigsten Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie sind unterteilt in Krankenbehandlung und Krankengeld.
Die Leistungen der
Krankenbehandlung werden gewährt, wenn sie notwendig sind, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung beinhaltet
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ärztliche Behandlung einschließlich
Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
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zahnärztliche Behandlung sowie Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
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Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
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häusliche Krankenpflege, außerklinische
Intensivpflege und Haushaltshilfe,
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Krankenhausbehandlung,
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Leistungen zur medizinischen zur Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Leistungen der GKV in einzelnen
Ärztliche, zahnärztliche und psychotherapeutische Behandlung
Die ärztliche, zahnärztliche und psychotherapeutische Behandlung umfasst die Tätigkeit des Arztes/Psychotherapeuten, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Sie wird, von Notfällen abgesehen, von den zur Kassenpraxis zugelassenen Ärzten („Vertragsärzte“), Zahnärzten und deren Hilfspersonen unter ärztlicher Leitung ausgeführt. Zu dieser vertragsärztlichen Behandlung gehören auch alle Maßnahmen, die unmittelbar mit ihr in Verbindung stehen, wie z. B. die Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, die Überweisung in Krankenhausbehandlung, die Ausstellung von Bescheinigungen und Berichten, die für die Krankenkassen und den Medizinischen Dienst zur Durchführung von gesetzlichen Aufgaben und zur Inanspruchnahme der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber benötigt werden. Die Anspruchsberechtigung weist der Versicherte durch Vorlage seiner Krankenversichertenkarte nach.
Zum Umfang der zahnärztlichen Behandlung gehört auch die kieferorthopädische Behandlung sowie die Versorgung mit Zahnersatz. Kieferorthopädische Behandlung wird in der Regel nur Versicherten gewährt, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Während der Dauer der kieferorthopädischen Behandlung übernehmen die Krankenkassen 80 % (bzw. 90 % bei gleichzeitiger kieferorthopädischer Behandlung eines zweiten oder weiteren Kindes) der kalendervierteljährlich entstehenden Kosten. Der zunächst vom Versicherten zu tragende Differenzbetrag in Höhe von 20 % bzw. 10 % der Kosten wird ihm erstattet, wenn die Behandlung in dem zuvor geplanten medizinischen Umfang abgeschlossen worden ist.
Bei der Versorgung mit Zahnersatz leisten die Krankenkassen einen Festzuschuss in Höhe von 60 % bezogen auf die Regelversorgung. Der Zuschuss erhöht sich auf 70 % (bzw. 75 %), wenn der Versicherte während der letzten 5 (bzw. 10) Jahre vor Beginn der Behandlung die für Versicherte bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres vorgesehenen halbjährlichen Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch genommen hat bzw. in späterem Lebensalter sich zumindest einmal in jedem Kalenderjahr zahnärztlich hat untersuchen lassen.
Die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit wird gemäß § 28 SGB V durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach den §§ 26 und 27 des Psychotherapeutengesetzes und durch Psychotherapeuten nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Psychotherapeutengesetzes (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 SGB V durchgeführt.
Wählen Versicherte eine Versorgung, die über die Regelversorgung hinausgeht, so haben sie die Mehrkosten gegenüber dem Regelversorgungs-Festzuschuss selbst zu tragen.
Arznei- und Verbandmitteln
Bei Arznei- und Verbandmitteln hat der Versicherte ab Vollendung des 18. Lebensjahres eine Zuzahlung zu leisten. Sie hängt vom Abgabepreis ab, beträgt 10 vom Hundert des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 € und höchstens 10 €; allerdings jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Ist für ein Arzneimittel ein Festbetrag bestimmt und wird ein Arzneimittel gewählt, dessen Preis über dem Festbetrag liegt, muss der Versicherte neben dieser Zuzahlung auch die Differenzkosten zwischen Festbetrag und tatsächlichem Preis tragen.
Heil- und Hilfsmittel
Heilmittel sind Dienstleistungen nichtärztlicher Therapeuten, die auf Anordnung eines Arztes erbracht werden, wie z. B. Bäder, Massagen, Krankengymnastik usw. Hier beträgt die Zuzahlung für Versicherte ab Vollendung des 18. Lebensjahres 10 vom Hundert der Kosten sowie 10 € je Verordnung. Die Zuzahlung bei Massagen, Bädern und Krankengymnastik ist auch zu entrichten, wenn diese Leistungen in der ärztlichen Praxis oder im Rahmen der ambulanten Behandlung in Krankenhäusern, Rehabilitations- oder anderen Einrichtungen erbracht werden.
Im Gegensatz zu Heilmitteln sind Hilfsmittel sächliche Mittel. Zu ihnen gehören insbesondere Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für Hilfsmittel in Höhe der vertraglich vereinbarten Preise bzw. in Höhe ggf. bestimmter Festbeträge. Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, betragen 10 vom Hundert des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 € und höchstens 10 €. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert je Packung, höchstens jedoch 10 € für den Monatsbedarf je Indikation.
Die Krankenkasse kann die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen und die Bewilligung davon abhängig machen, dass die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.
Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie auf Grund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung, auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92 SGB V, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfasst nicht die Kosten des Brillengestells.
Von der Versorgung zu Kassenlasten sind gemäß § 34 SGB V für Versicherte ab Vollendung des 18. Lebensjahres Bagatellarzneimittel (sog. Negativliste, insbesondere Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten, Abführmittel, Arzneimittel gegen Reisekrankheit) ausgenommen.
Von der Versorgung sind außerdem
Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine
Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der
erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen.
Darüber hinaus kann das Bundesgesundheitsministerium durch Rechtsverordnungen unwirtschaftliche Arzneimittel (insbesondere Mittel, die wegen der Vielzahl der enthaltenen Wirkstoffe nicht mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden können oder deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist) sowie Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (z. B. Leibbinden, Augenklappen, Badestrümpfe) aus der Versorgung zu Kassenlasten ausschließen.
Digitale Gesundheitsanwendungen
Gemäß § 33a SGB V haben Versicherte Anspruch auf eine Versorgung mit
Medizinprodukten niedriger Risikoklasse, die die Erkennung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen mittels digitaler Technologien unterstützen sollen, sofern diese im Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen aufgenommen wurden und entweder nach Verordnung des behandelnden Arztes oder des behandelnden Psychotherapeuten oder mit Genehmigung der Krankenkasse angewendet wird.
Häusliche Krankenpflege
Häusliche Krankenpflege wird gemäß § 37 SGB V gewährt, wenn dadurch Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt werden kann, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder die häusliche Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ambulanten ärztlichen Behandlung erforderlich wird. Haushaltshilfe gemäß § 38 SGB V erhalten Versicherte, wenn ihnen insbesondere wegen einer stationären Behandlungsmaßnahme, während häuslicher Krankenpflege oder einer medizinischen Vorsorgeleistung die Weiterführung ihres Haushalts nicht möglich ist. Voraussetzung ist ferner, dass im Haushalt ein Kind lebt, das das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist.
Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe besteht im Übrigen nur, soweit eine im Haushalt lebende Person die Pflege und Versorgung des Kranken bzw. die Weiterführung des Haushalts nicht sicherstellen kann.
Zur Durchführung der häuslichen Krankenpflege und Haushaltshilfe ist von der Krankenkasse eine entsprechende Fachkraft zu stellen. Ist dies nicht möglich oder besteht Grund, davon abzusehen, sind dem Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten.
Krankenhausbehandlung
Die Krankenhausbehandlung
ist eine weitere wichtige – von ihrer finanziellen Bedeutung her die wichtigste – Untergruppe der Krankenbehandlung. Ca. 1/3 der jährlichen Leistungsausgaben der Krankenkassen werden für Krankenhausbehandlung aufgewandt. Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie in besonderen Fällen ambulant erbracht.
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Vollstationäre, stationsäquivalente bzw. tagesstationäre Behandlung ist zu gewähren, wenn sie nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Bei vollstationärer Behandlung im Krankenhaus haben Versicherte ab Beginn des 18. Lebensjahres für längstens 28 Tage innerhalb eines Kalenderjahres einen Betrag (derzeit 10 €) zuzuzahlen.
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Teilstationäre Behandlung kommt vor allem bei psychisch Kranken in Betracht, gewinnt aber zunehmende Bedeutung z. B. auch in der Onkologie.
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Vor- und nachstationäre Behandlung kann gemäß § 115a SGB V durchgeführt werden, um die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten bzw. im Anschluss an eine vollstationäre Krankenhausbehandlung den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen. Die vorstationäre Behandlung ist auf längstens 3 Behandlungstage innerhalb von 5 Tagen vor Beginn der stationären Behandlung begrenzt. Die nachstationäre Behandlung darf in der Regel 7 Behandlungstage innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung der vollstationären Behandlung nicht überschreiten.
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Die
ambulante Behandlung im Krankenhaus umfasst im Wesentlichen ambulante Operationen entsprechend spezifischen Verträgen mit der GKV gemäß § 115b SGB V oder für Disease-Management-Programme, hoch spezialisierte Leistungen und die Behandlung
seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Behandlungsverläufen gemäß § 116b SGB V, bei denen die sächlichen und personellen Voraussetzungen des Krankenhauses besonders notwendig sind. Im Falle der Unterversorgung (d. h. die Kassenärztliche Vereinigung kann ihren Sicherstellungsauftrag nicht erfüllen) kann der Zulassungsausschuss Krankenhäuser gemäß § 116a SGB V zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ermächtigen.
Rehabilitationsmaßnahmen
Reichen ambulante Maßnahmen der Krankenbehandlung nicht aus, um das Ziel der Behandlung zu erreichen, kann die Krankenkasse gemäß § 40 SGB V ambulante oder stationäre Rehabilitationsmaßnahmen gewähren.
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Bei ambulanten Rehabilitationsmaßnahmen in Kurorten übernimmt die Krankenkasse die medizinischen Leistungen (insbesondere ärztliche Behandlung, Arznei- und Heilmittel).
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Reicht auch eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme nicht aus, kann die Krankenkasse stationäre Rehabilitationsmaßnahmen mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung erbringen.
In beiden Fällen haben Versicherte ab Vollendung des 18. Lebensjahres je Kalendertag 10 € zuzuzahlen. Bei spätestens innerhalb von 14 Tagen nach einer Krankenhausbehandlung beginnenden stationären Rehabilitationsmaßnahmen (
Anschlussheilbehandlung) sowie bei bestimmten Indikationen liegt die Zuzahlung kalendertäglich für längstens 28 Tage je Kalenderjahr niedriger. Stationäre Rehabilitationsmaßnahmen können von der gesetzlichen Krankenversicherung nur gewährt werden, wenn kein entsprechender Anspruch gegenüber anderen Trägern der Sozialversicherung besteht.
Als weitere spezielle Leistungen zur Rehabilitation haben Versicherte gemäß § 42 SGB V Anspruch auf Belastungserprobung und Arbeitstherapie, allerdings nur, wenn solche Leistungen nach dem für andere Sozialleistungsträger geltenden Recht nicht gewährt werden können. Darüber hinaus können die Krankenkassen als ergänzende Leistungen zur Rehabilitation den Rehabilitationssport fördern und sonstige Leistungen erbringen, die unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um das Ziel der Rehabilitation zu erreichen oder zu sichern.
Leistungen zur beruflichen und sozialen Teilhabe dürfen von den Krankenkassen nicht erbracht werden.
Krankengeld
Zur Krankenbehandlung zählt auch das Krankengeld, das die wirtschaftliche Versorgung des Versicherten und seiner Familie während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder während einer stationären Behandlung zu Lasten der Krankenkasse sicherstellt. Krankengeld wird nach Ablauf der – in der Regel sechswöchigen – Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber gezahlt. Das Krankengeld beträgt 70 % des Bruttoarbeitsentgelts, höchstens aber 90 % des Nettoarbeitsentgelts, das zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit bezogen wurde.
Allerdings sind auch vom Krankengeld Beiträge zur Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu zahlen. Diese Beiträge sind vom Versicherten und von der Krankenkasse zu tragen. Berechnungsgrundlage für die Beiträge sind 80 v. H. des der Krankengeldberechnung zugrundegelegten Bruttoarbeitsentgelts. Der Versicherungsanteil wird allerdings nur aus der Hälfte des Krankengeldes berechnet. Er wird von der Krankenkasse bei Auszahlung des Krankengeldes einbehalten und an die zuständigen Träger abgeführt.
Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung liegt vor, wenn der Versicherte nicht oder nur unter Gefahr der Verschlimmerung seiner Krankheit in der Lage ist, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit weiter zu verrichten.
Auch Rentner können, wenn sie noch eine Erwerbstätigkeit ausüben, durch Krankheit im Rechtssinne arbeitsunfähig werden. Arbeitsunfähigkeit besteht gemäß der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie des G-BA auch bei Arbeitsverhinderung infolge medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, bei einer durch Krankheit erforderlichen
Sterilisation sowie bei einem unter den Voraussetzungen des § 218a Absatz 1 StGB vorgenommenen
Schwangerschaftsabbruch (Beratungsregelung), schließlich auch bei Dialysebehandlung oder während der Reparaturzeit eines defekt gewordenen Körperersatzstückes (GBA
2023).
Bei der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit sind körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheitszustand gleichermaßen zu berücksichtigen. Deshalb darf die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nur aufgrund ärztlicher Untersuchung erfolgen. Die Bescheinigungen von Arbeitsunfähigkeit sind gutachterliche Aussagen, die der Arzt auf der Grundlage seines medizinischen Wissens, seiner Erfahrung und seines Einfühlungsvermögens in die besondere Situation des Kranken unter Berücksichtigung der Anforderungen des jeweiligen Berufs treffen muss. Der Arzt hat den Versicherten über Art und Umfang der durch die berufliche Tätigkeit bedingten Anforderungen und Belastungen zu befragen und das Ergebnis der Befragung bei der Beurteilung von Grund und Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigen. Der Arzt haftet bei Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für deren Richtigkeit.
Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS) hat gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband eine Begutachtungsanleitung Arbeitsunfähigkeit (BGA AU 2021) gemäß § 282 SGB V verabschiedet.
Bei wochen- oder monatelang fortbestehender Arbeitsunfähigkeit kann auch bei weiterhin notwendiger Behandlung eine stufenweise Wiedereingliederung gemäß § 74 SGB V und § 44 SGB IX in den Arbeitsprozess sinnvoll sein. Ziel ist es, insbesondere Langzeitkranke schrittweise wieder an die volle Arbeitsbelastung heranzuführen und dadurch die dauerhafte Wiedereingliederung in das Erwerbsleben – möglichst am alten Arbeitsplatz – sicherzustellen. Die Wiedereingliederungsphase soll in der Regel einen Zeitraum von 6 Monaten nicht überschreiten. Während der stufenweisen Wiedereingliederung besteht Arbeitsunfähigkeit im Rechtssinne fort. Dem Versicherten wird also für die Dauer der Wiedereingliederungsmaßnahme weiterhin Krankengeld gezahlt, das ggf. um das vom Arbeitgeber während der stufenweisen Wiedereingliederung gezahlte Arbeitsentgelt gekürzt wird.
Die stufenweise Wiedereingliederung erfordert die intensive Zusammenarbeit zwischen dem Versicherten, dem Arzt, dem Arbeitgeber, der Arbeitnehmervertretung, dem Betriebsarzt, der Krankenkasse und auch dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Ohne die Zustimmung des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers ist eine stufenweise Wiedereingliederung nicht durchführbar. Einzelheiten bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und von Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung sind den vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen erlassenen Richtlinien zu entnehmen.
Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit
Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme 3-mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist. Anspruch besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Die Krankenkasse übernimmt 50 vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden.
Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft
Diese Leistungen bestehen aus der ärztlichen Betreuung und Hilfe sowie der Hebammenhilfe, in der Versorgung mit aus Anlass der Schwangerschaft notwendigen Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (ohne Zuzahlungen), in der Aufnahme in ein Krankenhaus zur Entbindung und für die Zeit nach der Entbindung (ohne pathologische Komplikationen längstens für 6 Tage) in der häuslichen Pflege und Haushaltshilfe. Dazu gehören die ausreichende und zweckmäßige Betreuung während der Schwangerschaft und während der Entbindung sowie die nach der Entbindung notwendigen Untersuchungen.
Die einzelnen Leistungen sind also:
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ärztliche Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft,
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vorbeugende Maßnahmen und Vorsorgeuntersuchung einschließlich laborärztlicher Untersuchungen und Beratungen während der Schwangerschaft gemäß der Mutterschaftsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, auch über Ernährung und Hygiene,
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Untersuchungen der Mutter während des
Wochenbetts und etwa 6 Wochen nach der Entbindung,
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vorbeugende medikamentöse Maßnahmen,
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Erstellung eines Mutterpasses,
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ärztliche Hilfe bei der Entbindung,
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Erstellung von Unterlagen und Bescheinigungen im Zusammenhang mit der Geburt,
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Untersuchungen und Behandlungen des neugeborenen Kindes im Rahmen der Vorsorge.
Frauen, die als Arbeitnehmerinnen krankenversichert sind, erhalten für die letzten 6 Wochen vor der Entbindung und für die ersten 8 Wochen, bei Mehrlings- oder
Frühgeburten für die ersten 12 Wochen nach der Entbindung kalendertäglich Mutterschaftsgeld gemäß § 24i SGB V. Die Differenz zum ggf. höheren Arbeitsentgelt ist als Zuschuss zum Mutterschaftsgeld vom Arbeitgeber zu zahlen. Arbeitslose Frauen, die Arbeitslosengeld erhalten, haben ebenfalls Anspruch auf Mutterschaftsgeld in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes.
Leistungen zur Empfängnisverhütung
Diese Leistungen umfassen gemäß § 24a SGB V ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung sowie die erforderlichen Untersuchungen und die Verordnung von empfängnisregelnden Mitteln. Kosten für empfängnisregelnde Mittel werden von den gesetzlichen Krankenkassen nur für versicherte Frauen bis zum 22. Lebensjahr übernommen, sofern diese ärztlich verordnet wurden; die Zuzahlungsregelungen für Arzneimittel gelten auch hier.
Leistungen bei Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation
Diese Leistungen beinhalten gemäß § 24b SGB V Sachleistungen (ärztliche Beratung und Behandlung, Arzneien, Krankenhausbehandlung usw.) sowie Krankengeld, soweit die Leistungen im Zusammenhang mit einer nicht rechtswidrigen
Sterilisation oder einem nicht rechtswidrigen (medizinische oder kriminologische Indikation)
Schwangerschaftsabbruch erforderlich werden. Bei einem nach § 218a Abs. 1 StGB rechtswidrigen, aber straffreien Schwangerschaftsabbruch (Beratungsregelung) ist die Leistungspflicht der Krankenkassen auf die vor oder nach dem Abbruch erforderlichen Leistungen eingeschränkt; die Vornahme des Abbruchs selbst wird von den Krankenkassen nicht finanziert.
Fahrtkosten
Bei stationären Leistungen, Rettungsfahrten zum Krankenhaus und Transporten in Krankenkraftwagen übernehmen die Krankenkassen die notwendigen Fahrkosten. Allerdings ist vom Versicherten ein Eigenanteil je Fahrt zu zahlen. Dies gilt auch für ambulante Leistungen, die anstelle einer an sich gebotenen Krankenhausbehandlung oder im Rahmen vor- oder nachstationärer Krankenhausbehandlung bzw. ambulanter Operationen im Krankenhaus gewährt werden. Darüber hinaus werden Fahrkosten zur ambulanten Behandlung nur in besonderen Ausnahmefällen und nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse übernommen. Die Genehmigung gilt u. a. als erteilt, wenn ein Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“ vorliegt oder eine Einstufung in Pflegegrad 3, 4 oder 5 vorliegt. Bei einer Einstufung in Pflegegrad 3 muss zusätzlich eine dauerhafte Beeinträchtigung der Mobilität vorliegen.
Belastungsgrenze bei Zuzahlungen
Versicherte haben gemäß § 62 SGB V die Zuzahlungen zu Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie die Fahrkosten nur bis zur Belastungsgrenze zu tragen. Diese beträgt 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen aller Haushaltsmitglieder, reduziert um Freibeträge für das zweite und weitere Haushaltsmitglieder. Bei chronisch Kranken, die sich wegen derselben Erkrankung in Dauerbehandlung befinden, beträgt die Belastungsgrenze 1 % von den jährlichen Bruttoeinnahmen. Eine Befreiung von weiteren Zuzahlungen erfolgt auf Antrag bei der Krankenkasse.
Modellvorhaben
Mit dem Ziel der Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Versorgung können die Krankenkassen im Übrigen Modellvorhaben gemäß § 63 SGB V zur Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen der Leistungserbringung durchführen bzw. mit den Leistungserbringern vereinbaren. Modellvorhaben sind zu Leistungen der Verhütung und Früherkennung von Krankheiten, zur Krankenbehandlung sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft möglich, soweit sie noch nicht als Kassenleistung anerkannte Leistungen umfassen.
Ebenso können Modellvorhaben vorsehen, dass Angehörige der im Pflegeberufegesetz, im Krankenpflegegesetz und im Altenpflegegesetz geregelten Berufe Verordnungen von Verbands- und Pflegemitteln vornehmen. Weiterhin können u. a. Modellvorhaben zur Arzneimittelversorgung und zur Versorgung psychisch kranker Menschen durchgeführt werden. Die Modellvorhaben sind wissenschaftlich zu begleiten und auszuwerten. Ein von unabhängigen Sachverständigen zu erstellender Bericht über die Ergebnisse der Auswertung muss veröffentlicht werden.
Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung
Die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf die gesetzlichen Krankenkassenarten nicht gleichmäßig. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen und Ersatzkassen haben die meisten Versicherten. Die Zahl der Krankenkassen ist stark zurückgegangen (GKV-Spitzenverband
2023), in vielen Fällen durch Fusionen. Hintergrund für diese Entwicklung ist insbesondere der verstärkte Wettbewerb innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Ausgaben aller Kassen werden seit 01.01.2009 durch einen Gesundheitsfonds gedeckt, der aus Versicherten- und Arbeitgebergrundbeiträgen (allgemeiner Beitragssatz) ebenso wie aus Steuermitteln (Bundeszuschuss) gespeist wird. Daraus erhalten die Kassen eine an der unterschiedlichen Morbidität orientierte Versichertenpauschale. Die Grundpauschale und die alters, geschlechts- und risikoadjustierten Zu- und Abschläge dienen zur Deckung der standardisierten Leistungsausgaben der Krankenkassen. Vereinfacht gesagt geschieht im Rahmen des Risikostrukturausgleichs
(Morbi-RSA) ein Ausgleich der Beitragseinnahmen zwischen den einzelnen Krankenkassen bezüglich der Versichertenmorbidität und des Versicherteneinkommens. Zusätzliche Einnahmen erlangen die Krankenkassen durch den Zusatzbeitrag (Simon
2021, S. 72), der von den Kassen individuell festgelegt wird und ohne Umweg über den Gesundheitsfonds direkt bei den Kassen landet. Er wird, ebenso wie der allgemeine Beitragssatz, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch gezahlt.
Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007 haben die Krankenkassen ihre Beitragshoheit über die Festlegung des allgemeinen Beitragssatzes (den Beitragssatz selbst festzulegen) verloren. Der allgemeine Beitragssatz wird seit 2008 gesetzlich festgelegt und beträgt derzeit 14,6 % der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. 7,3 % dieses Beitrages werden von den Arbeitnehmern getragen, 7,3 % von den Arbeitgebern. Zusätzlich wird ein krankenkassenindividueller Zusatzbeitrag erhoben, der am Gesundheitsfonds vorbei direkt an die Krankenkassen gezahlt wird. Auch dieser wird paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlt. Für Mitglieder, die keinen Anspruch auf Krankengeld haben, gilt ein ermäßigter Beitragssatz. Dies gilt ebenso für Wehr- und Zivildienstleistende, Studenten, Praktikanten und ALG-II-Empfänger.
Die Versicherten können zwischen der Ortskrankenkasse ihres Beschäftigungs- oder Wohnorts, jeder Ersatzkasse oder – wenn sie in einem Betrieb beschäftigt sind, für den eine Betriebs- oder Innungskrankenkasse besteht – diese Betriebs- oder Innungskrankenkasse frei wählen. Betriebs- und Innungskrankenkassen können sich für alle Versicherten öffnen. Für die gewählte Kasse besteht Kontrahierungszwang. Versicherungspflichtige Mitglieder sind an die gewählte Krankenkasse 18 Monate gebunden. Ein Sonderkündigungsrecht innerhalb dieser Frist besteht bei Beitragserhöhungen.
Ein entscheidendes Element der gesetzlichen Krankenversicherung ist wie bei den anderen sozialen Versicherungen die von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern gestaltete Selbstverwaltung (Simon
2021, S. 76) Dies bedeutet, dass – abgesehen von gesetzlichen Regelungen – die Sozialpartner die Satzungen und die laufende Geschäftsführung der gesetzlichen Krankenkassen gestalten und nicht der Staat.
Die Selbstverwaltung wird bei den Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie bei den Ersatzkassen vom Verwaltungsrat wahrgenommen. Die Zahl der – ehrenamtlichen – Mitglieder des Verwaltungsrats ist in der Satzung der Krankenkasse zu bestimmen, darf aber gem. § 217c SGB V 52 Personen nicht überschreiten. Der Verwaltungsrat ist meist je zur Hälfte von Versicherten- und Arbeitgebervertretern zu besetzen, bei einige Krankenkassen überwiegen allerdings die Versichertenvertreter, beispielsweise bei der r BARMER GEK, bei der der Verwaltungsrat aus 27 Mitgliedervertretern und nur drei Arbeitgebervertretern besteht (Barmer GEK
2023). Der Verwaltungsrat ist in freier und geheimer Wahl aufgrund von Vorschlagslisten von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen oder durch die Mitglieder direkt zu wählen. Er bestimmt im Gesetzesrahmen über die Satzung der Krankenkasse und damit nicht nur über den Haushaltsplan, sondern auch über die Ausgestaltung der Leistungen, insbesondere der Mehrleistungen (Simon
2021, S. 114). Weitere Aufgaben des Verwaltungsrats sind vor allem die Abnahme der Jahresrechnung sowie Entscheidungen über grundsätzliche Angelegenheiten der Krankenkasse.
Der Verwaltungsrat verdeutlicht die Eigenständigkeit jeder einzelnen Krankenkasse. Wenn auch der bei weitem überwiegende Teil der Leistungen vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist, so sind doch bei der Ausgestaltung der hierüber hinausgehenden Leistungen und der Art der Erbringung von Leistungen durchaus Möglichkeiten zu spezifischen, das Profil der einzelnen Krankenkasse prägenden Wegen gegeben. Mit seinen Befugnissen kann der Verwaltungsrat daher die Geschicke der Krankenkasse maßgeblich beeinflussen.
Die Leitung der Verwaltung der Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie der Ersatzkassen obliegt einem hauptamtlichen Vorstand, der gem. § 35a (4) SGB IV je nach Zahl der Kassenmitglieder aus bis zu drei Personen besteht. Die Mitglieder des Vorstands werden vom Verwaltungsrat gewählt. Die Amtszeit der Vorstandsmitglieder ist auf 6 Jahre beschränkt; Wiederwahl ist möglich. Der Vorstand ist dem Verwaltungsrat gegenüber berichtspflichtig. Er besorgt die Ausführung der Beschlüsse des Verwaltungsrats, vertritt die Krankenkasse gerichtlich und außergerichtlich, insbesondere auch bei Verträgen mit Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern sowie anderen Leistungserbringern, und stellt die Durchführung der laufenden Geschäfte sicher.
Krankenkassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Rechtsaufsicht über die landesunmittelbaren Allgemeinen Ortskrankenkassen liegt beim jeweiligen Landesministerium für Gesundheit/Soziales, für die bundesunmittelbaren Betriebs- und Innungskrankenkassen und die Ersatzkassen beim Bundesversicherungsamt (BVA). Darüber hinaus obliegt dem BVA die Durchführung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs, die Verwaltung des Gesundheitsfonds, die Durchführung des Finanzausgleichs in der sozialen Pflegeversicherung, die Abrechnung der Zahlungen des Bundes an die Rentenversicherung sowie die Zulassung von Behandlungsprogrammen für chronisch Kranke (Disease-Management-Programme).
Zur Wahrnehmung überregionaler und gemeinsamer Interessen sind die Krankenkassen zu Verbänden auf Landes- und Bundesebene zusammengeschlossen. Seit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007 gibt es einen Spitzenverband Bund (§ 217a ff SGB V) als Körperschaft des öffentlichen Rechts, dem alle gesetzlichen Krankenkassen (und Pflegekassen) als Mitglieder angehören und der die Rahmenbedingungen für einen intensiveren Wettbewerb um Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung regelt. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen führt den Namen „GKV-Spitzenverband“. Kassenartenspezifische Dachverbände, wie beispielsweise der Verband der Ersatzkassen (vdek) bleiben möglich und vertreten ihre Mitglieder in den Fragen, die nicht gemeinsam und einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu regeln sind.
Zusammenwirken zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern
Die Versicherten können ihre Bedürfnisse im Krankheitsfall als Sachleistungen decken, d. h. sie können Arzt oder Krankenhaus aufsuchen und Heilmittel erwerben, ohne unmittelbar für die dabei entstehenden Kosten aufkommen zu müssen. In der gesetzlichen Krankenversicherung gilt somit traditionell das Sachleistungsprinzip (Wasem
2000, S. 472). Dies wird nur möglich durch ein umfangreiches System von Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen als Leistungsträgern mit den verschiedenen Leistungserbringern im Rahmen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen.
Da die Krankenkassen verpflichtet sind, Sachleistungen zu erbringen, schließen sie Verträge ab, um ihren Versicherten den freien Zugang zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen zu eröffnen. Verträge mit Apotheken, Krankenhäusern, Massagepraxen, Physiotherapiepraxen, Hebammen usw. sind privatrechtlicher Natur. Die vertragsärztliche und -zahnärztliche bzw.
psychotherapeutische Versorgung dagegen ist öffentlich-rechtlich geregelt. Ärzte, Zahnärzte und Krankenkassen wirken zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten und ihrer Angehörigen zusammen. Unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse und dem einzelnen Arzt bestehen nicht, mit Ausnahme von Verträgen zu „integrierter Versorgung“ (§ 140a ff SGB V), hausarztzentrierter Versorgung (§ 73b SGB V) und den Disease-Management-Programmen (§ 137f SGB V). Grundlage ihrer Beziehungen sind öffentlich-rechtliche Mitgliedschaftsverhältnisse, und zwar einerseits des Versicherten zur Krankenkasse und andererseits des Vertragsarztes zu seiner Kassenärztlichen Vereinigung. Unmittelbare Vertragspartner sind hier also lediglich die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenversicherungen (Simon
2021, S. 163 f.)
Kassenärztliche Vereinigungen
Die Kassenärztliche Vereinigungen werden grundsätzlich für den Bereich eines Bundeslandes durch die Vertragsärzte gebildet und sind Körperschaften des öffentlichen Rechtes. Es gibt 17 Kassenärztliche Vereinigungen, in jedem Bundesland eine. Lediglich in Nordrhein-Westfalen gibt es zwei Kassenärztliche Vereinigungen: eine für Nordrhein und eine für Westfalen-Lippe (Simon
2021, S. 174). Die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder bilden die
Kassenärztliche Bundesvereinigung, ebenfalls Körperschaft des öffentlichen Rechtes (Fitzner
2021, S. 291), die, wie die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder, in der äußeren Organisation der Staatsaufsicht untersteht. Die innere Organisation ist durch Selbstverwaltung geprägt: Vertreterversammlung, auf sechs Jahre gewählter Vorstand, durch die Vertreterversammlung beschlossene Satzung, Sanktionsmöglichkeiten gegenüber ihren Mitgliedern bei Pflichtverletzung sowie Fortbildungsmaßnahmen für die ärztlichen Mitglieder.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenärztlichen Vereinigungen haben die den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung der Versicherten und ihrer Familienangehörigen sicherzustellen (
Sicherstellungsauftrag) (Simon
2021, S. 176). Sie haben für eine bedarfsgerechte und gleichmäßige sowie ausreichende, Not- und Bereitschaftsdienste umfassende, moderne und wirtschaftliche ärztliche Versorgung in zumutbarer Entfernung zu sorgen. Um es noch einmal zu verdeutlichen:
Die Kassenärztlichen Vereinigungen und nicht einzelne Vertragsärzte selbst sind den Kassen gegenüber verpflichtet, die von der Krankenversicherung geschuldeten, vorgenannten ärztlichen Leistungen bereitzustellen.
Durchgeführt wird die vertragsärztliche Versorgung
von:
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zugelassenen Ärzten und Psychotherapeuten,
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ermächtigten Ärzten,
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ärztlich geleiteten Einrichtungen, beispielsweise Medizinischen Versorgungszentren.
Vertragsärztliche Tätigkeit setzt also eine
Zulassung voraus. Um Zulassung kann sich jeder Arzt bzw. Psychotherapeut mit einem entsprechenden Antrag bewerben, wenn er die Voraussetzungen für die Eintragung in das Arztregister der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) des Zulassungsbezirkes besitzt, wie sie in der Zulassungsverordnung für Ärzte bzw. Zahnärzte des Bundesministeriums für Arbeit mit Zustimmung des Bundesrates niedergelegt sind. Über die Zulassung entscheidet gemäß den Voraussetzungen ein Zulassungsausschuss, der paritätisch aus Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen gebildet wird. Gegen die Entscheidung dieses Ausschusses besteht eine Widerspruchsmöglichkeit bei einem Berufungsausschuss. Gegen diesen ist der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit gegeben.
Durch die Zulassung wird
der Vertragsarzt ordentliches Mitglied der für seinen Vertragsarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung und erwirbt Recht und Pflicht zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Die Pflichten veranlassen ihn, am Vertragsarztsitz Sprechstunden zu halten und seine Wohnung entsprechend zu wählen.
Ermächtigung
Bei der Ermächtigung ist zu unterscheiden zwischen ermächtigten Ärzten in persona und ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtungen als Institution.
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Ermächtigte Ärzte sind Krankenhausärzte, die vom Zulassungsausschuss ermächtigt sind, persönlich an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Grund sind u. a. besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten, die von niedergelassenen Ärzten nicht im ausreichenden Maße erbracht werden können, oft um Unterversorgung abzuwenden.
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Das gleiche gilt für ärztlich geleitete Einrichtungen mit Institutsvertrag. Sie dürfen als Institution, also nicht gebunden an einzelne Personen, kassenärztliche Leistungen erbringen. Psychiatrische Krankenhäuser und Krankenhäuser mit selbstständigen psychiatrischen Abteilungen sind durch Gesetz (§ 118 SGB V) ermächtigt, psychisch Kranke durch Institutsambulanzen zu versorgen, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung der ambulanten Behandlung durch diese Einrichtungen bedürfen; diese Einrichtungen bedürfen also keiner Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss.
Verträge
Die bedarfsgerechte und gleichmäßige (§ 70 SGB V), ausreichende, zweckmäßige, und wirtschaftliche (§ 12 SGB V) Versorgung der Kranken wird geregelt durch Gesamtverträge zwischen den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen. Den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge vereinbart die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen in sogenannten Bundesmantelverträgen (§ 87 SGB V).
Gegenstand dieser Verträge sind hauptsächlich die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte gegenüber den Versicherten und den Krankenkassen sowie Vergütung der ärztlichen Leistung. Teilweise sind diese Verträge auf Landesebene zwischen den Arbeitsgemeinschaften der Krankenkassenverbände und den Kassenärztlichen Vereinigungen zu konkretisieren. Kommen Verträge auf Landes- oder Bundesebene nur teilweise oder gar nicht zustande, sind Schlichtungsstellen paritätisch aus Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen sowie unparteiischen Mitgliedern zusammengesetzte Schiedsämter berechtigt, den verweigerten Vertragsinhalt festzulegen.
Landesausschüsse, gebildet von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Landesverbänden der Krankenkassen, sowie ein gleichartig gebildeter
Gemeinsamer Bundesausschuss GBA
(§ 91 SGB V) sind für die inhaltliche Ausgestaltung der Verträge zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von erheblicher Bedeutung. Der Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien (§ 92 SGB V) für die Gewährung der medizinischen Leistungen, so insbesondere für die Verordnung von Arznei- und Heilmitteln sowie für ausreichende Maßnahmen zur Früherkennung und zur Durchführung der Bedarfsplanung der vertragsärztlichen Versorgung. Gegenstand der genannten Verträge ist auch die angemessene
Vergütung der ärztlichen Leistung. Die Krankenkassen entrichten für die gesamte vertragsärztliche Versorgung eine Gesamtvergütung an die Kassenärztliche Vereinigung, die diese an die Vertragsärzte weiterverteilt. Die Honorarverteilung wird – separat für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung – zwischen Krankenkassenverbänden und der einzelnen Kassenärztlichen bzw. Kassenzahnärztlichen Vereinigung vertraglich vereinbart (§ 85 SGB V).
Überwachung der Wirtschaftlichkeit
Auf die Festsetzung und Berechnung der Vergütung für die ärztlichen Tätigkeiten gemäß Bundesmantelvertrag (§ 87 SGB V) entsprechend dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM)
kann hier nicht näher eingegangen werden. Ausdrücklich vermerkt werden soll aber die Überwachung der Wirtschaftlichkeit (§ 106 SGB V) der vertragsärztlichen Versorgung durch die von der Kassenärztlichen Vereinigung gemeinsam mit den Landesverbänden der Krankenkassen eingerichtete Prüfungsstelle. Die Prüfung bezieht sich auf die gesamte Tätigkeit eines Vertragsarztes, also die ärztliche Behandlungsweise einschließlich der Verordnungs- und Bescheinigungsweise. Der Modus Operandi der Prüfung wird zwischen den regionalen Vertragspartnern, also den Landesverbänden der Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbart. Bei nachgewiesener Unwirtschaftlichkeit erteilt die Prüfungsstelle dem Arzt entsprechende Hinweise oder setzt, bei nicht als geringfügig anzusehenden Überschreitungen, Honorarkürzungen fest. Gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle kann von allen Beteiligten, also Krankenversicherungen, Kassenärztlicher Vereinigung und Ärzten, der Beschwerdeausschuss angerufen werden (KBV
2023).
Zusammenschluss der Kassenärztlichen Vereinigungen
Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin (▶) Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, Köln (▶)
Medizinischer Dienst/Begutachtung
Die Krankenkassen sind verpflichtet, nur solche Leistungen zu bewilligen, die zweckmäßig, notwendig und wirtschaftlich sind (§ 12 SGB V). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dabei dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 und § 70 SGB V).
Um die Krankenkassen in die Lage zu versetzen, dieser Verpflichtung nachkommen zu können, ist es unerlässlich, dass im Einzelfall der bewilligende Sachbearbeiter auf das erforderliche sozialmedizinische Wissen zurückgreifen kann. Dieses Wissen wird den Krankenkassen mit § 278 SGB V über einen fachlich unabhängigen Gutachterdienst zur Verfügung gestellt, den Medizinischen Dienst. Der föderal organisierte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK
) wurde 1989 in den alten Bundesländern aus dem damaligen vertrauensärztlichen Dienst heraus entwickelt, in den neuen Bundesländern neu gegründet. Diese unterschiedliche Historie erklärt, warum die MDK der alten Bundesländer Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, die MDK der neuen Bundesländer aber zunächst als e. V. gegründet wurden. Diese Trennung wurde im Jahr 2021 beendet. Seitdem gibt es die 15 regionalen Medizinischen Dienste in den Bundesländern (Schleswig-Holstein und Hamburg sowie Berlin und Brandenburg sind zusammengefasst, Nordrhein-Westfalen hat zwei Medizinische Dienste).
Der Medizinische Dienst Bund ist die Interessenvertretung der Medizinischen Dienste auf Ebene des Bundes. Alle Medizinischen Dienste sind nun Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Objektivität und Unabhängigkeit
Bei der Schaffung der organisatorischen Rahmenbedingungen wurde darauf geachtet, dass diese zwar die organisatorische Einbindung in die gesetzliche Krankenversicherung berücksichtigen, gleichzeitig aber die fachliche Unabhängigkeit fördern. So waren die Träger der MDK nicht die Krankenkassen als Hauptauftraggeber, sondern die Landesverbände der Krankenkassen (erst seit 2008 sind auch die Ersatzkassen Träger des MDK). Die Kranken- und Pflegekassen finanzieren die Medizinischen Dienste paritätisch. Der Verwaltungsrat
der Medizinischen Dienste hat je 23 Mitglieder (§ 282 (2), SGB V), von denen 16 aus der Selbstverwaltung kommen. In den Aufgabenfeldern gemäß § 275 SGB V, in denen der Medizinische Dienst zu einzelfallbezogenen Fragestellungen zu Rate gezogen wird, erfolgt also keine auftrags- oder nutzerbezogene Vergütung des Medizinischen Dienstes. Dies verdeutlicht den gesetzgeberischen Willen nach einer objektiven Begutachtung. Die Ärzte des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die ärztliche Behandlung einzugreifen (§ 275 Absatz 5 SGB V).
Für die Umsetzung der dem einzelnen Medizinischen Dienst übertragenen Aufgaben ist der jeweilige Vorstand verantwortlich, der durch den MDK-Verwaltungsrat gewählt wird. In den Medizinischen Diensten werden vorrangig ärztliche und pflegerische Gutachter eingesetzt.
Begutachtungs- und Beratungsfelder
Die Begutachtungs- und Beratungsfelder des Medizinischen Dienstes umfassen alle Leistungsbereiche der gesetzlichen Krankenversicherung, bei denen medizinische Fragen im Rahmen der Leistungsbewilligung zu beantworten sind. Diese betreffen den ambulanten Versorgungssektor ebenso wie den stationären. Die Fragestellungen sind vielfältig. Sie betreffen z. B. fachlich-medizinische und sozialmedizinische Aspekte zu medizinischen Leistungen, die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit sowie solche Abrechnungsfragen, die spezifische Kenntnisse von Diagnosen- und Prozedurklassifikationen erfordern.
Der Medizinische Dienst wird von den Krankenkassen sowohl vor der Erbringung der Leistungen gefragt (z. B. bei Hilfsmitteln und neuen Behandlungsmethoden) als auch nach der Leistungserbringung (z. B. zu Abrechnungs- und Qualitätssicherungsfragen). Ein wesentliches Aufgabenfeld für den Medizinischen Dienst ist neben der gesetzlichen Krankenversicherung auch die soziale Pflegeversicherung. Der Medizinische Dienst hat dort die Aufgaben, die Begutachtungen zur Einstufung der
Pflegebedürftigkeit der Versicherten vorzunehmen und die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen auf ihre Qualität hin zu prüfen.
Einheitliche Begutachtung
Wesentlich für die gesetzliche Krankenversicherung und die Medizinischen Dienste ist die Sicherstellung einer einheitlichen Begutachtung. Aus diesem Grunde wurde die Koordination verschiedener organisatorischer und inhaltlicher Aufgaben mit § 281 SGB V dem Medizinischen Dienst Bund übertragen. Er organisiert beispielsweise die Fort- und Weiterbildung der Gutachter des Medizinischen Dienstes.
Ein weiterer Baustein zur Sicherstellung einer einheitlichen Begutachtung, die den anerkannten Stand der Medizin berücksichtigt, sind durch die Medizinischen Dienste festgelegte Begutachtungsanleitungen sowie Begutachtungsrichtlinien des GKV-Spitzenverbandes. Letztere betreffen auch die Zusammenarbeit der Krankenkassen mit den Medizinischen Diensten; sie sind für beide Seiten bindend.