Die Lungenembolie (LE) ist Komplikation einer Thrombose irgendwo im Venensystem, wenn auch weit überwiegend in den tiefen Beinvenen. Venösen Thrombosen liegt eine Vielzahl von Risikofaktoren zugrunde, darunter führend Alter, Immobilisierung, Adipositas, aber auch genetische oder erworbene Thrombophilien. Spezifische Risikofaktoren begründen die Notwendigkeit der Thromboseprophylaxe mit Antikoagulanzien. Bis zu 90 % der LE bleiben symptomlos, andererseits liegt die Letalität der LE bei 12 % (Robert Koch-Institut (RKI) in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt (2009) Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 44, Venenerkrankungen der Beine), wobei die Todesursachenstatistik nur bedingt verlässlich sein kann. Die Symptome, so die LE symptomatisch ist, sind weitgehend unspezifisch, insbesondere abrupte Minderung der körperlichen Belastbarkeit. Die Diagnose der akuten LE mit hämodynamischer Instabilität infolge Rechtsherzüberlastung wird echokardiografisch gesichert, wobei auch die venöse Emboliequelle duplex-sonografisch identifiziert werden muss, und mit systemischer Thrombolyse oder, wenn diese kontraindiziert oder deren Erfolg nicht abgewartet werden kann, mittels kathetergestützter lokaler Thrombolyse oder Thrombektomie behandelt, gefolgt von Erhaltungstherapie mit Antikoagulanzien. Nur wenn Zeitverzug vertretbar ist, wird die Diagnose mittels computertomografischer (CT) Pulmonalisangiografie und Ventilations- und Perfusions-Szintigrafie bestätigt. Die Diagnose der akuten, hämodynamisch stabilen LE wird mittels computertomografischer (CT) Pulmonalisangiografie und/oder Ventilations- und Perfusions-Szintigrafie gesichert, die venöse Emboliequelle duplex-sonografisch identifiziert, und primär mit Antikoagulanzien behandelt. Venöse Thrombosen und damit LE neigen zu Rezidiven. Gutachterlich ist eine bei gegebenem Risiko indizierte aber nicht durchgeführte Thromboseprophylaxe oder eine nicht leitlinienkonforme Diagnostik (Befunderhebungsfehler) oder Therapie grundsätzlich als Behandlungsfehler zu würdigen und der Schaden nach dessen Ausmaß (Tod, Post-Lungenembolie-Syndrom (PLS), Chronische thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) mit Dyspnoe und eingeschränkter Belastbarkeit, Chronische thromboembolische Lungenerkrankung mit eingeschränkter Belastbarkeit) zu entschädigen. Analog zu entschädigen sind die bleibenden Funktionsstörungen, wenn die venöse Thrombose und konsekutiv die LE – ausnahmsweise – mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge eines Arbeitsunfalls ist. Im sozialen Entschädigungsrecht bestimmt sich der GdS/GdB analog den Einschränkungen der Herzleistung mit 10–100 i. V. m. Krankheiten der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion (0–100). Zusätzlich ist ggf. das postthrombotische Syndrom (0–50) als Folge der für die LE ursächlichen venösen Thrombose zu würdigen.
Gemäß Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes verstarben im Jahr 2021 n = 4959 Personen (Abb. 1) an einer Lungenembolie, assoziiert mit steigendem Lebensalter und in geringem Maße weiblichem Geschlecht. Die Todesursache Lungenembolie kann als Diagnose in der Todesursachenstatistik nur bedingt verlässlich sein (RKI 2009). Ansonsten fehlen gemäß Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie“ (vom 14.02.2023) der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA) für Deutschland epidemiologische Daten. Gemäß InEK DatenBrowser wurden im Jahr 2022 in öffentlichen Krankenhäusern (§ 17b KHG) n = 109.642 Fälle mit einer Lungenembolie stationär behandelt, bei n = 59.970 als Hauptdiagnose, bei n = 49.672 als Nebendiagnose (Abb. 2), wobei sich die bekannte Assoziation mit steigendem Alter zeigt. Abweichend von der in der Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie“ der DGA Bevorzugung des weiblichen Geschlechts ist das Geschlechterverhältnis in dieser Inanspruchnahmepopulation i.W. ausgeglichen. Daten zur Häufigkeit der ambulant behandelten Lungenembolie in Deutschland sind nicht öffentlich zugänglich, auch wenn die Daten zumindest der gesetzlich Krankenversicherten beim Forschungsdatenzentrum nach §§ 303a ff SGB V des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Auswertungen zugänglich sind.
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Ätiopathogenese
Per Definition setzt eine Lungenembolie eine Thrombose im Venensystem voraus. Gemäß InEK DatenBrowser, aber nur grundsätzlich übereinstimmend mit der Literatur (siehe Leitlinie der DGA 2023), waren Lungenembolien im Jahr 2022 weit überwiegend mit Thrombosen der unteren Extremitäten assoziiert und hier bevorzugt des Unterschenkels (Abb. 3). Bei kaum mehr als der Hälfte wurde die mutmaßliche Emboliequelle kodiert. Da es sich um Abrechnungsdaten handelt, ist das ist nicht gleichzusetzen mit einer derart begrenzten Detektion der Emboliequelle. Immerhin wäre aber wenig plausibel anzunehmen, daß in solchem Umfang eine tatsächlich detektierte venöse Emboliequelle nicht dokumentiert worden wäre. Lungenembolien im Kontext einer Schwangerschaft wurden im Jahr 2022 nicht mit einem ICD-Kode aus O22. – dokumentiert. Jedoch fanden sich bei 0,09 % des weiblichen Geschlechts ICD-Kodes aus O09. –, also Schwangerschaften. Die Diskrepanz dürfte am ehesten unscharfem Kodieren zuzuordnen sein. Mit Lungenembolien assoziierte Vorhofthromben waren im Jahr 2022 Raritäten.
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Eine Reihe von Risikofaktoren prädisponieren zu venösen Thrombosen und konsekutiv zur Lungenembolie. Dazu gehören Immobilisierung infolge operativer Eingriffe besonders im Becken-Bauch-Bereich, Immobilisierung z. B. durch Frakturen oder Operationen (Tab. 1), Mobilitätsdefizite infolge Adipositas, schließlich Malignome und Infektionskrankheiten. Gemäß InEK DatenBrowser ließ sich im Jahr 2022 die Assoziation mit Übergewicht nicht replizieren; die kodierte Prävalenz lag im einstelligen Prozentbereich, was im Widerspruch zu epidemiologischen Daten steht und am ehesten einer mangelnden Erfassung des Übergewichts – da weitgehend nicht entgeltrelevant – zuzuschreiben sein dürfte. Übergewicht scheint derart alltäglich zu sein, daß es kaum der Dokumentation wert ist. Auch Malignome und Infektionen waren als Nebendiagnosen und operative Prozeduren nur im einstelligen Prozentbereich vertreten. Die durch derartige Risikofaktoren erklärte Varianz dürfte also begrenzt sein. Folglich dürfte bei der gutachterlichen Bewertung Kausalzusammenhänge nachzuweisen zwischen etwaigen Schädigungen (z. B. Fraktur infolge Arbeitsunfalls) einerseits und einer Venenthrombose und konsekutiver LE andererseits schwerfallen. Eine Thrombose hat eine multifaktorielle Genese, bei der es nicht „den einen“ Auslöser gibt. Weiterhin gilt die Virchow’sche Trias: Interaktion von Verlangsamung des Blutflusses, Endothelschaden und Veränderung der Blutgerinnung als Quelle der Thrombose. Erst die Koinzidenz mehrerer Faktoren führt zu einer Thrombose und konsekutiv zur LE.
Zu den Risikofaktoren gehören auch die Thrombophilien. Dazu gehören Mangel an einem der Gerinnungsinhibitoren Protein C und Protein S, der sowohl angeboren als auch erworben sein kann. Dem Antithrombin III-Mangel liegen Mutationen in SERPINC1 (Prävalenz 1:500 bis 1:5000) zugrunde, was bei Heterozygotie zu einem 5–20fach erhöhten Thromboserisiko führt (Homozygotie ist mit dem Leben unvereinbar). Die Faktor V-Leiden Mutationen (APC-Resistenz; 5 % der Bevölkerung in Europa) bewirken eine Resistenz des Gerinnungsfaktors V gegenüber dem aktivierten Protein C, woraus ein 5–8fach erhöhtes Thromboserisiko resultiert. Der Erbgang ist autosomal-dominant. Die Mutation g.G20210A im Prothrombin F2-Gen führt zu einer vermehrten Prothrombin-Aktivität im Blut, was zu einem 3–5fach erhöhten Thromboserisiko führt (Übersichten: Asmis und Hellstern 2023; Arachchillage et al. 2022). Beispiel für eine erworbene Thrombophilie ist das Antiphospholipid-Syndrom, eine Autoimmunkrankheit auch sekundär zu anderen Autoimmunkrankheiten (z. B. Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis). Werden ursächliche Zusammenhänge zwischen einer Schädigung und Lungenembolie geltend gemacht, so indiziert insbesondere eine familiäre Belastung mit Venenthrombosen eine detaillierte (kostspielige) Diagnostik auf Thrombophilien. Der Nachweis einer Thrombophilie macht einen ursächlichen Zusammenhang mit exogenen Schädigungen unwahrscheinlich.
Gemäß InEK DatenBrowser wurden im Jahr 2022 als Nebendiagnosen bei LE die Kodes D68.5 (Primäre Thrombophilie mit den Inklusiva Mangel an Antithrombin, Protein-C, Protein-S, Prothrombin-Gen-Mutation, Resistenz gegen aktiviertes Protein C [Faktor-V-Leiden-Mutation]) und D68.6 (Sonstige Thrombophilien mit den Inklusiva Antikardiolipin-Syndrom, Antiphospholipid-Syndrom, Vorhandensein des Lupus-Antikoagulans) selten kodiert (Abb. 4). Dies ist nicht als Prävalenz bei LE zu interpretieren, sondern „nur“ als Behandlungsprävalenz, soweit sie denn kodiert wurde, bei LE.
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Diagnostik
Die Symptome, so die LE denn symptomatisch ist, sind weitgehend unspezifisch, insbesondere abrupte Minderung der körperlichen Belastbarkeit. Die Diagnose der akuten LE mit hämodynamischer Instabilität infolge Rechtsherzüberlastung (ICD-10-GM: I26.0) wird echokardiografisch gesichert, wobei auch die venöse Emboliequelle duplex-sonografisch identifiziert werden muss. Nur wenn Zeitverzug vertretbar ist, wird die Diagnose mittels computertomografischer (CT) Pulmonalisangiografie und ggf. Ventilations- und Perfusions-Szintigrafie bestätigt. Die Diagnose der akuten, hämodynamisch stabilen LE (ICD-10-GM: I26.9) wird mittels computertomografischer (CT) Pulmonalisangiografie und ggf. Ventilations- und Perfusions-Szintigrafie gesichert, die venöse Emboliequelle duplex-sonografisch identifiziert. Laborchemisch wird die Diagnose durch Erhöhung der D-Dimere (Spaltprodukte des Fibrins) im Zitratblut gestützt. Die DGA-Leitlinie (2023) bietet detaillierte Hinweise zum diagnostischen Algorithmus.
Gemäß InEK DatenBrowser unterschieden sich im Jahr 2022 die spezifischen diagnostischen Maßnahmen zwischen hämodynamisch instabilen (ICD-10-GM: I26.0) und stabilen (ICD-10-GM: I26.9) Patienten nicht bedeutsam: Bei etwa 70 % erfolgte eine Computertomografie des Thorax mit Kontrastmittel (OPS 3-222), bei 10–15 % eine „Komplexe differenzialdiagnostische Sonographie des Gefäßsystems mit quantitativer Auswertung“ (OPS 3-035), bei 3–9 % eine Transösophageale Echokardiografie [TEE] (OPS 3-052), bei etwa 3 % „Komplexe differenzialdiagnostische Sonographie mittels Tissue Doppler Imaging [TDI] und Verformungsanalysen von Gewebe [Speckle Tracking]“ (OPS 3-034). Die übrigen LE-spezifischen diagnostischen Maßnahmen wurden bei unter 1 % durchgeführt.
Therapie
Therapieziel ist, weiteres appositionelles Wachstum des venösen Thrombus und weitere Embolisierung in die Pulmonalarterien zu verhindern, und die Pulmonalarterien, aber auch zwecks Prophylaxe eines postthrombotischen Syndroms, auch die thrombosierten Venen zu rekanalisieren. Die akute LE mit hämodynamischer Instabilität infolge Rechtsherzüberlastung wird – abgesehen von der intensivmedizinischen Sicherung der Vitalparameter – mit systemischer Thrombolyse behandelt oder, wenn diese kontraindiziert oder deren Erfolg nicht abgewartet werden kann, mittels kathetergestützter lokaler Thrombolyse oder Thrombektomie, gefolgt von Erhaltungstherapie mit Antikoagulanzien, ggf. gefolgt von Sekundärprophylaxe mit Antikoagulanzien, da venöse Thrombosen und LE zu Rezidiven neigen. Die akute, hämodynamisch stabile LE wird primär mit Antikoagulanzien behandelt. Die DGA-Leitlinie (2023) bietet detaillierte Hinweise zum therapeutischen Algorithmus. Grundsätzlich konform mit der DGA-Leitlinie (2023) erfolgte im Jahr 2022 (InEK DRG-Browser) bei Lungenembolie mit Angabe eines akuten Cor pulmonale (I26.0) deutlich häufiger als bei Lungenembolie ohne Angabe eines Cor pulmonale (I26.9) eine Systemische Thrombolyse (OPS 8-020.8; ca. 13 % vs 1,5 %) und Selektive Thrombolyse der Pulmonalarterie (OPS 8-838.60; ca. 3 % vs 0,3 %). Pulmonale Embolektomien fanden bei unter 1 % statt.
Prognose
Laut DGA-Leitlinie (2023) erleiden etwa 20–50 % Patienten nach einer tiefen Beinvenenthrombose ein klinisch relevantes postthrombotisches Syndrom (PTS). Gemäß InEK-Datenbrowser wurden im Zusammenhang mit einer – hier allerdings akuten – LE bei < 4 % ein PTS oder eine Venöse Insuffizienz (chronisch, peripher) kodiert. Wird die akute LE überlebt, so besteht bei etwa 60 % eine hohe Restthrombuslast oder eine persistierende Venenobstruktion noch nach 6 Monaten, was mit einem 1,3fach erhöhten Risiko künftiger Thromboserezidive verbunden sei (DGA-Leitlinie 2023). Dauer und Dosis der Sekundärprophylaxe mit Antikoagulanzien hängen vom individuell zu bestimmenden Rezidivrisiko gemäß Algorithmus der DGA-Leitlinie (2023) ab.
Laut DGA-Leitlinie (2023) entwickeln etwa 16 % nach akuter symptomatischer LE binnen zwei Jahren ein Post-Lungenembolie-Syndrom (PLS), definiert durch Dyspnoe und/oder reduzierte körperliche oder mentale Leistungsfähigkeit. Ein nicht belastbar quantifizierbarer Anteil entwickelt eine Chronische thromboembolische Lungenerkrankung (CTEPD) mit eingeschränkter Belastbarkeit bei normalem mittleren pulmonalarteriellen Druck (mPAP) oder gar eine Chronische thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) mit Dyspnoe und eingeschränkter Belastbarkeit. In Deutschland lag die Inzidenz der pulmonal arteriellen Hypertonie im Jahr 2014 bei 3,9 pro 1 Mio. Erwachsener; die Prävalenz betrug 25,9 pro 1 Mio. Erwachsener (Hoeper et al. 2017), also etwa 2200 Betroffene. Gemäß DRG-Datenbrowser wurden im Jahr 2022 1714 Fälle unter der Hauptdiagnose und 2476 Fälle unter der Nebendiagnose I27.20 (Pulmonale Hypertonie bei chronischer Thromboembolie) stationär behandelt.
Bei CTEPH besteht die Indikation für eine chirurgische oder endovaskuläre Endarteriektomie der Pulmonalarterien, mit der etwa 70 % der Patienten geheilt werden (Olsson et al. 2014). Seit 2014 ist mit Riociguat auch eine Pharmakotherapie zugelassen.
Gutachterliche Bewertung
Die Begutachtung der Funktionsstörungen infolge LE hat ggf. diejenigen der Venenthrombose einzubeziehen. Wie die epidemiologischen Daten nahelegen, hinterlässt die LE in der Regel keine Funktionsstörungen.
Die wegen einer Lungenembolie notwendige Behandlung mit Antikoagulanzien als Erhaltungstherapie bzw. ggf. Sekundärprophylaxe rechtfertigt isoliert keine Erwerbsminderung. Gemäß Anlage der Versorgungsmedizinverordnung ist eine „Behandlung mit Antikoagulanzien bei der Grundkrankheit (z. B. bei Herzklappen- und Gefäßprothesen, Thrombophilie) berücksichtigt. Wenn die Grundkrankheit nicht mehr besteht bzw. keinen GdS mehr bedingt, aber eine Weiterbehandlung mit Antikoagulantien erforderlich ist, kann – analog den sonstigen Blutungsleiden – in der Regel ein GdS von 10 angenommen werden.“
Im Falle einer LE mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als Folge eines Arbeitsunfalls würde sich dies in entsprechender MdE niederschlagen, in der Regel mit Annahme einer Heilungsbewährung. Gemäß § 56 SGB VII leistet die gesetzliche Unfallversicherung erst Rentenzahlungen, wenn die MdE 20 % erreicht. Damit gewinnen ggf. bestehende weitere Funktionsstörungen Relevanz.
Die Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ der Versorgungsmedizinverordnung (Stand Mai 2020) nennt die LE nicht. Der GdS/GdB bestimmt sich also analog den Einschränkungen der Herzleistung mit 10–100 i. V. m. „Krankheiten der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion“ (0–100): Bei einer „Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (z. B. forsches Gehen [5–6 km/h], mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 W (wenigstens 2 min) GdS/GdB 20–40“. Bei einer „Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z. B. Spazierengehen [3–4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 W (wenigstens 2 min) GdS/GdB 50–70. Bei einer „Leistungsbeeinträchtigung bereits in Ruhe (Ruheinsuffizienz, z. B. auch bei fixierter pulmonaler Hypertonie) GdS/GdB 90–100“. Dem entsprechen im wesentlichen die Richtwerte für „Krankheiten der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion“.
Zusätzlich – aber nicht additiv – ist ggf. das postthrombotische Syndrom als Folge der für die LE ursächlichen venösen Thrombose zu würdigen: Bei erheblicher Ödembildung, mit häufig (mehrmals im Jahr) rezidivierenden Entzündungen GdS/GdB 20–30, bei chronischen rezidivierenden Geschwüren, je nach Ausdehnung und Häufigkeit (einschließlich arthrogenes Stauungssyndrom) GdS/GdB 30–50.
Bei CTEPH kann sich die Frage stellen, inwieweit die ggf. indizierte pulmonale Endarteriektomie dem Versicherten zumutbar sein kann im Sinne einer Schadenminderungsverantwortung gemäß § 63 (Heilbehandlung) SGB I: „Wer wegen Krankheit oder Behinderung Sozialleistungen beantragt oder erhält, soll sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers einer Heilbehandlung unterziehen, wenn zu erwarten ist, daß sie eine Besserung seines Gesundheitszustands herbeiführen oder eine Verschlechterung verhindern wird.“ Gemäß § 65 (Grenzen der Mitwirkung) SGB I können Behandlungen und Untersuchungen abgelehnt werden, bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten. Im wenn auch irrationalen Konfliktfall dürfte nicht von einer Duldungspflicht einer pulmonalen Endarteriektomie auszugehen sein, wenn diese auch absehbaren Tod zu vermeiden erlaubt (Olsson et al. 2014).
Eine bei gegebenem Risiko indizierte – z. B. perioperative – aber nicht sachgerecht durchgeführte Thromboseprophylaxe oder eine nicht leitlinienkonforme Diagnostik (Befunderhebungsfehler) oder Therapie ist grundsätzlich als Behandlungsfehler zu würdigen (Schelling 2008) und der Schaden nach dessen Ausmaß (Tod, Schmerzen der Venenthrombose und LE, Post-Lungenembolie-Syndrom (PLS), Chronische thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) mit Dyspnoe und eingeschränkter Belastbarkeit, Chronische thromboembolische Lungenerkrankung mit eingeschränkter Belastbarkeit) zu entschädigen (Damm 2023).
Bei einer perioperativ gebotenen aber nicht sachgerecht durchgeführten Thromboseprophylaxe im Kontext eines Arbeitsunfalls mit perioperativ eingetretener Venenthrombose und LE gehen die Entschädigungsansprüche gegen die (gesetzliche) Unfallversicherung diesbezüglich auf den Arzt über.
Wenn sich bei einer sachgerecht durchgeführten perioperativen Thromboseprophylaxe, unter der sich dennoch eine Venenthrombose mit LE ereignete, weil die Wirkung der Thromboseprophylaxe auch abhängig von der konkreten Risikokonstellation ist (relative Risikoreduktion etwa 50–70 %) post hoc ergibt, daß ein familiär erhöhtes Thromboserisiko bestand (und sich eine Thrombophilie objektivieren ließ), dann kann ein Anamnesefehler (Befunderhebungsfehler) vorgelegen haben, aus dem ein Aufklärungsfehler resultiert, der eine Haftung des Arztes auslösen kann, obwohl eine „bessere“ Thromboseprophylaxe nicht möglich gewesen wäre.
Arzthaftungsverfahren im Zusammenhang von Thromboseprophylaxe und Venenthrombose mit Lungenembolie scheinen in den letzten Jahren häufiger zu werden.
Damm F (2023) Behandlungsfehler und der Beweis für die verursachte Gesundheitsschädigung. Ein Fall aus der Gutachter- und Schlichtungsstelle bei der LÄKH. Hessisches Ärzteblatt 4:220–221
Robert Koch-Institut (RKI) in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt (2009) Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 44, Venenerkrankungen der Beine, Berlin
Schelling P (2008) Haftungsrechtliche Aspekte bei der Thromboseprophylaxe und -therapie. Vasc Care 14:44–51