Probleme bereiten immer wieder sogenannte luzide Intervalle, d. h. die Behauptung, der Erblasser habe genau im Zeitpunkt der Testamentserrichtung einen lichten Moment gehabt, in dem er voll testierfähig war. Luzide Intervalle werden bei demenziellen Syndromen, die so ausgeprägt sind, dass sie dauerhafte
Geschäftsunfähigkeit bedingen, in der klinischen Praxis nicht gesehen, wenngleich sie früher in der juristischen Literatur häufig als Grundlage für freie Willensbestimmung trotz Geschäftsunfähigkeit behauptet wurden (Foerster et al.
2020, S. 549 f.). Die neuere Rechtsprechung scheint sich dieser medizinisch-wissenschaftlichen Auffassung zunehmend anzuschließen und dies nicht nur für Demenzerkrankungen, sondern auch für andere chronisch-progredient verlaufende Störungen. Wenn eine monatelang bestehende Erkrankung aufgrund von chronisch-psychopathologischen Symptomen belegt sei, die eine
Testierunfähigkeit zur Folge hätte, seien kurzfristige luzide Intervalle mit echter Symptomfreiheit und Wiedererlangung der Urteilsfähigkeit nach den Erkenntnissen der modernen Medizin so gut wie ausgeschlossen. Im Falle einer
Demenz sei zusätzlich zu beachten, dass während der Zeit ihres Bestehens viele Informationen gar nicht oder nicht realitätsgerecht aufgenommen, verarbeitet und abgespeichert werden. Selbst im Falle einer unterstellten Besserung bestünden somit erhebliche Lücken und Verzerrungen in der geistigen und psychischen Repräsentanz der relevanten Umweltinformationen und eigenen Biografie, welche erst geschlossen werden müssten. Dies ermögliche aber die Einflussnahme Dritter in unkontrollierbarer Weise (OLG Hamburg 2 W 63/17, Beschluss vom 20. Februar 2018, juris,; OLG Celle, Urteil vom 07. Januar 2021 – 6 U 22/20 –, juris). Die Behauptung eines luziden Intervalls, darf für den Sachverständigen aber kein einfacher Ausstieg aus seiner Verantwortlichkeit bedeuten. Vielmehr hat er sich damit auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob sich im Einzelfall ggf. doch Anhaltspunkte für einen entsprechenden Nachweis ergeben, und welche Folgen dies für die Testierfähigkeit hat.