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Die Anästhesiologie
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Publiziert am: 05.05.2017

Anästhesie und Immunreaktivität

Verfasst von: Vera von Dossow-Hanfstingl
Die inflammatorische Antwort nach einem operativen Eingriff stellt wahrscheinlich das biologische Bindeglied zwischen Operationen, dem anästhesiologischen Management und dem Outcome dar. Der operative Eingriff und die Wahl des Anästhesieverfahrens per se können ebenfalls die Immunreaktivität multifaktoriell und komplex beeinflussen. Klinisch manifestiert sich eine systemische inflammatorische Entzündungsreaktion („SIRS“), die neben günstigen Effekten wie der verbesserten Wundheilung oder Geweberegeneration auch komplexe immunsuppressive Wirkungen aufweist. Die Folge ist eine überschießende und/oder abgeschwächte Immunreaktivität unmittelbar postoperativ mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen.
Einleitung
Die inflammatorische Antwort nach einem operativen Eingriff stellt wahrscheinlich das biologische Bindeglied zwischen Operationen, dem anästhesiologischen Management und dem Outcome dar. Unterstützt wird diese Hypothese durch die in den letzten Jahren zunehmend bedeutsamer gewordene Rolle der Immunreaktivität im Rahmen der Pathogenese vieler chronischer Erkrankungen, z. B. der Arteriosklerose oder auch der Autoimmunerkrankungen [16]. Der operative Eingriff und die Wahl des Anästhesieverfahrens per se können ebenfalls die Immunreaktivität multifaktoriell und komplex beeinflussen [7, 8]. Diese Faktoren inkludieren Angst, Gewebezerstörung, Hypothermie, Medikamente, Bluttransfusionen, Schmerz, Infektionen und Hyperglykämie, die zu einer ausgeprägten neuroendokrinen Stressimmunantwort führen können. Klinisch manifestiert sich eine systemische inflammatorische Entzündungsreaktion („SIRS“), die neben günstigen Effekten wie der verbesserten Wundheilung oder Geweberegeneration auch komplexe immunsuppressive Wirkungen aufweist [1, 810]. Die Folge ist eine überschießende und/oder abgeschwächte Immunreaktivität unmittelbar postoperativ mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen [10, 11].
Die protektive Immunreaktivität bildet die Grundlage, die abhängig von einer adäquaten T-Zellreaktivität, einer intakten Makrophagen/Monozyten-T-Zellinteraktion sowie einer angemessenen Zytokinbalance in der unmittelbar postoperativen Phase ist [1215]. Der operative Eingriff bedingt eine Störung dieses Interaktionsgleichgewichts und verursacht somit eine Auflösung des komplexen Regulationssystems. Die Folge ist eine veränderte Immunreaktivität. Eine prolongierte Imbalance der Immunreaktivität, z. B. erhöhte IL-6-, IL-8- und IL-10-Konzentrationen unmittelbar postoperativ, kann mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Infektion einhergehen [11, 1619]. In einem tierexperimentellen Modell zeigte sich im Sinne einer „Second-hit“- Theorie eine 4-fach erhöhte Letalität bei Tieren mit Operation und Pneumonie im Vergleich zu Tieren mit Pneumonie ohne vorherige Operation [17].

Grundlagen des Immunsystems

Die Abwehr von Krankheitserregern erfolgt mehrstufig. Die erste Abwehr wird von Barrieren gebildet wie z. B. den Epithelien des Darms oder der Haut. Überwinden Bakterien, Viren oder Pilze diese Schranken, so erfolgt die Elimination der Erreger durch das Immunsystem.
Das Immunsystem lässt sich in einen unspezifischen und einen spezifischen Teil aufteilen. Diese beeinflussen sich gegenseitig.
Der Begriff der Spezifität bezieht sich darauf, inwieweit die Immunität angeboren ist oder erst durch Exposition mit dem Erreger erworben werden muss.
Typisches Beispiel für spezifische Immunität ist das Vorhandensein protektiver Immunglobuline nach Impfung.

Unspezifisches Immunsystem

Dieser Teil des Immunsystems setzt sich aus löslichen oder humoralen Faktoren und aus zellulären Komponenten zusammen.

Humorale Faktoren

Zu den humoralen Faktoren zählt das Komplementsystem. Es besteht ähnlich wie das Gerinnungssystem aus plasmatischen Eiweißen, die z. B. durch Bakterienoberflächen aktiviert werden können.
Man unterscheidet einen alternativen von einem klassischen Aktivierungsweg. Im ersten Fall erfolgt der Start direkt durch bakterielle Zellwandbestandteile, im zweiten mit Hilfe angelagerter Immunglobuline.
Der alternative Weg beginnt mit der proteolytischen Spaltung des Komplementfaktors C3. Das größere Spaltstück C3b bleibt als Opsonin an der Bakterienoberfläche haften, während das kleinere C3a in Lösung verbleibt und als Chemotaxin dient. Opsonine sind Moleküle, die sich z. B. auf Bakterien anlagern und die Aufnahme der Mikroorganismen in Phagozyten erleichtern. Dies wird durch besondere Opsoninrezeptoren auf der Oberfläche neutrophiler Granulozyten erreicht [2, 11].

Zelluläre Komponenten

Makrophagen, neutrophile Granulozyten und natürliche Killerzellen (NK-Zellen) sind die zellulären Komponenten des unspezifischen Immunsystems.
Haben Mikroorganismen z. B. im Bereich von Wunden oder des Darms die körpereigenen Barrieren überwunden, so werden sie aus den Geweben durch die Phagozyten, Makrophagen und neutrophilen Granulozyten eliminiert. Die neutrophilen Granulozyten werden bereits in ihrer endgültigen zellulären Differenzierung aus dem Knochenmark ausgeschwemmt. Makrophagen hingegen gelangen zunächst als Monozyten in die Blutbahn. Nach ihrem Übertritt über das Endothel bzw. die Gefäßwand differenzieren sie sich in Gewebsmakrophagen (Abb. 1).
Phagozyten setzen Stoffe frei, die zur Elimination von Mikroorganismen dienen, zum Abbau abgestorbener Gewebe beitragen und so die erste Phase der Reparation einleiten. Viele der sezernierten Stoffe sind starke Stimulatoren der Fibroblasten, welche die Gewebeneubildung fördern. So wichtig granulozytäre Sekretionsprodukte für die Gewebereparation sind, so negativ kann sich eine unkontrollierte Abgabe z. B. während Sepsis auswirken.
Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen einer starken Aktivierung der neutrophilen Granulozyten und dem Auftreten eines Multiorganversagens.
So besteht eine enge Korrelation zwischen der Konzentration granulozytärer Sekretionsprodukte in der bronchoalveolären Flüssigkeit und dem Auftreten eines Lungenversagens bei Sepsis (Abb. 2).
Natürliche Killerzellen zählen ebenfalls zum unspezifischen System. Morphologisch ähneln NK-Zellen den Lymphozyten. Sie verfügen über zytotoxische Aktivität. Auf ihrer Oberfläche tragen NK-Zellen sog. aktivierende und deaktivierende Killerrezeptoren.
Die deaktivierenden Rezeptoren interagieren mit dem „major histocompatibility complex I“ (MHC I). Dieser befindet sich auf nahezu allen Körperzellen. Interagiert die NK-Zelle über ihre aktivierenden Killerrezeptoren mit einer Zelle, auf der kein MHC-I exprimiert ist, so kommt es zu einer zytotoxischen Lyse der Zelle. Befindet sich auf der Zelle jedoch MHC-I, so bleibt die NK-Zelle inhibiert [2, 11]. Die NK-Zellfunktion ist u. a. im Bereich der Tumorzellabwehr und der frühen Abwehr viraler Infektionen von Bedeutung.

Spezifisches Immunsystem

Im Zentrum des spezifischen Immunsystems steht die Produktion von löslichen oder zellständigen Antikörpern gegen definierte Antigene.
Zentrale Zellen bei der Bildung spezifischer Antikörper sind Lymphozyten und Monozyten bzw. Makrophagen.

Antigenpräsentation und Induktion der Antikörperbildung

Im Rahmen der unspezifischen Sofortantwort wandern Makrophagen zum Ort der Entzündung, nehmen dort Fremdproteine wie z. B. bakterielle oder virale Proteine auf und verarbeiten diese. In einem zweiten Schritt werden die prozessierten Eiweiße bzw. Antigene den B-Lymphozyten präsentiert.
Neben dem eigentlichen Antigen exprimieren die Monozyten bzw. Makrophagen den „major histocompatibility complex II“ (MHC II). Das Vorhandensein dieses Molekülkomplexes ist unerlässlich für die Induktion der Antikörperbildung. Die Expression des MHC II ist auf die antigenpräsentierenden Zellen beschränkt. Zu diesen gehören neben den Monozyten bzw. Makrophagen die dendritischen Zellen [2, 11].
MHC II setzt sich aus 2 Proteinketten zusammen, die die HLA-D-Genloci repräsentieren. Man unterscheidet HLA-DQ, HLA-DP und HLA-DR. Eine Verminderung des HLA-DR auf der Oberfläche weist auf eine Deaktivierung der Monozyten/Makrophagen hin. HLA steht für „Human-leukocyte-locus-A-System“. Der HLA-Gen-Komplex befindet sich auf dem Chromosom 6.
Der für die NK-Zellfunktion und die Funktion zytotoxischer T-Lymphozyten wichtige MHC-I-Komplex, der auf nahezu allen Zellen exprimiert wird, besteht dagegen aus einer einzigen Proteinkette und repräsentiert Genloci HLA-A, HLA-B und HLA-C.

Antikörperproduktion

Nach Antigenpräsentation durch Monozyten oder dendritische Zellen unter Mitwirkung der T-Helfer-Lymphozyten bilden die B-Lymphozyten zunächst IgM- und später IgG-Antikörper.
Funktion der T-Helferzellen
Die T-Helfer-Lymphozyten produzieren zur Stimulation der B-Lymphozyten Interleukin-2 (IL-2).
Unter Einfluss des IL-2 und weiterer Zytokine differenzieren sich die T-Helferzellen in 2 Subtypen, die Th 1 - und die Th 2 -Zellen [2022]:
  • Th1-Zellen fördern die Entzündungsreaktion durch Sekretion von Interferon-γ (IFN-γ). IFN-γ hemmt die Th2-Zellen, induziert eine verstärkte Expression von HLA-DR auf Monozyten und verbessert so die Antigenpräsentation. Es hemmt die IgE-Produktion.
  • Th2-Zellen hemmen die Entzündung und sind so Gegenspieler der Th1-Zellen. Sie produzieren überwiegend antiinflammatorisch wirksame Zytokine. Dies sind u. a. IL-4, IL-5, IL-10 und IL-13.
  • IL-4 und IL-13 stimulieren B-Lymphozyten zur Produktion von IgE und spielen so u. a. bei allergischen Krankheitsbildern eine große Rolle.
  • IL-5 führt zur Proliferation der B-Lymphozyten und regelt die Differenzierung zu Plasmazellen. Diese sind reich an rauhem endoplasmatischem Retikulum, in dem die Immunglobuline gebildet werden.
  • IL-10 wirkt in vielen Bereichen dämpfend auf das Immunsystem und senkt die Aktivität neutrophiler Granulozyten und die Expression von HLA-DR. Die Fähigkeit, der Monozyten/Makrophagen Antigene zu präsentieren, nimmt ab.
Im Rahmen der Abregulierung der Immunantwort werden Gedächtniszellen angelegt. Die Gedächtniszellen stellen sicher, dass die Antikörperproduktion bei erneuter Antigenexposition schneller erfolgen kann und liefern darüber hinaus ein Grundniveau protektiver Antikörper im Blut.
Subtypen der T-Lymphozyten
Alle T-Lymphozyten exprimieren CD3 auf ihrer Oberfläche. CDs „cluster of differentiation“ sind Moleküle, mit deren Hilfe Leukozyten eindeutig bestimmten Subtypen zugeordnet werden können.
Die molekulare Funktion einzelner CDs kann sehr verschieden sein. So steht CD14 für einen Endotoxinrezeptor während CD64 für einen Antikörperrezeptor steht.
Die T-Helferzellen sind neben dem Vorhandensein von CD3 auf der Zelloberfläche durch die Expression von CD4 gekennzeichnet [2].
Eine weitere Subpopulation der T-Lymphozyten exprimiert CD8 auf ihrer Oberfläche. Es handelt sich um die zytotoxischen T-Zellen (Tc-Zellen). Tc-Zellen agieren ähnlich den bereits beschriebenen NK-Zellen. Der wesentliche Unterschied ist jedoch, dass die Zytolyse, die durch die Tc-Zellen induziert wird, durch membranständige Antikörper vermittelt und deshalb an spezifische Antigene gebunden ist.
Befindet sich auf der Oberfläche einer Zelle neben dem MHC-I-Komplex das zu den Antikörpern der Tc-Zelle passende Antigen, so kommt es zur Aktivierung der Tc-Zelle und zur Zytolyse der betreffenden Zelle. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu den NK-Zellen, die durch eine Kopräsentation des MHC-I-Komplexes gehemmt werden. Tc-Zellen spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Tumorzellen und Virus-infizierten Zellen.
Wie bei Th-Zellen lassen sich auch bei Tc-Zellen 2 Subtypen unterscheiden: Tc1- und Tc2-Zellen. Tc2-Zellen hemmen die Tc1-Zellen. Tc2-Zellen wurden vermehrt bei HIV-Patienten gefunden und scheinen für Viruserkrankungen und Tumoren zur prädisponieren. Für Verlauf und Ausprägung der HIV-Erkrankung ist das Verhältnis von Th- zu Tc-Zellen von entscheidender Bedeutung. Es wird als CD4/CD8-Verhältnis innerhalb der T-Lymphozyten, d. h. der CD3-positiven Lymphozyten angegeben. Eine geringe Zahl an CD4-positiven T-Lymphozyten begünstigt z. B. bei an Aids erkrankten Patienten das Auftreten opportunistischer Infektionen.

Perioperative neuroendokrine Immunstressantwort

Neuroendokrine Stressachse unmittelbar postoperativ

Die Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und der sympathoadrenalen Achse sowie die direkte Stimulierung der Nebennierenrinde durch den operativen Eingriff führen zu einer Freisetzung von Glukokortikoiden und Katecholaminen [23, 24]. Die durch diese Mediatoren ausgelösten vielfältigen Reaktionen werden auch unter dem Begriff der neuroendokrinen Stressantwort zusammengefasst [18, 23]. Operativer Stress ist einer der potentesten Aktivatoren der adrenokortikotrophes Hormon (ACTH)- und Kortisolausschüttung. Bereits wenige Minuten nach Operationsbeginn kann ein Anstieg beider Hormone nachgewiesen werden [23]. ACTH selbst stimuliert die Glukokortikoidsekretion aus der Nebennierenrinde und induziert folglich die Kortisolanstiege im Plasma. Eine hohe Kortisolplasmakonzentration hemmt üblicherweise über einen Feedbackmechanismus die weitere ACTH-Sekretion [23].
Dieser Mechanismus scheint in der frühen postoperativen Phase (24–48 h) ineffektiv zu sein: Unmittelbar postoperativ sind beide Hormone erhöht; am ersten postoperativen Tag fällt die ACTH-Konzentration auf präoperative Werte ab, während erhöhte Kortisolspiegel bis zum zweiten bzw. dritten postoperativen Tag nachgewiesen werden können [23, 24]. Kortisol hat überwiegend immunsuppressive Effekte. Es konnten bidirektionale Interaktionen sowie ein negativer Feedbackmechanismus zwischen dem neuroendokrinen System und dem Immunsystem nachgewiesen werden [25]. Kortisol induziert sowohl den Anstieg des vorwiegend antiinflammatorischen Zytokins IL-10 als auch gleichzeitig die Inhibition der proinflammatorischen Zytokine. Es kommt zu einer Abnahme der Lymphozytenzahlen bei Veränderung der einzelnen Lymphozytenpopulationen [26]. Unter hohen Kortisolkonzentrationen zeigt sich ferner auch eine Verschiebung der lymphozytären Zytokinproduktion in Richtung eines T-Helferzellen(H)-Typ-2-Profils [5].
Ein postoperativ erhöhter Kortisolspiegel ist mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung postoperativer Infektionen assoziiert [27]. Spies et al. [28] fanden in einer kontrollierten Interventionsstudie bei chronisch-alkoholkranken Patienten nach Tumorresektion des oberen Aerodigestivtrakts, dass die perioperative Gabe von Ketokonazol (4 × 200 mg/Tag p.o.), Morphin (15 μg/kgKG/h) oder Alkohol (0,5 kgKG/Tag) die Kortisolspiegel im Plasma als auch die postoperative Pneumonierate (von 39 % auf 5,7 %) signifikant reduziert. Eine signifikant erhöhte Kortisolkonzentration im Plasma am dritten postoperativen Tag war prädiktiv (AUC: 0,74 [0,50–0,98]) für die Entwicklung einer postoperativen Pneumonie.
Die Aktivierung des sympathischen Nervensystems führt gleichzeitig zur Ausschüttung der Katecholamine Noradrenalin und Adrenalin aus der Nebennierenrinde und Ausschüttung von Noradrenalin aus den präsynaptischen Nervenenden in die Zirkulation, die sich auf die Immunreaktivität unmittelbar postoperativ auswirken können [26]. Es konnte sowohl die Existenz sympathischer Nervenfasern in Lymphknoten als auch adrenerger Rezeptoren auf murinen T-Zellen nachgewiesen werden [26]. Bislang ist aber unklar, ob die Parameter Noradrenalin und Adrenalin eine prädiktive Aussagekraft hinsichtlich postoperativer Infektionen haben.

Perioperative Veränderungen der zellvermittelten Immunreaktivität

Frühe T-Zellaktivierung
In der frühen postoperativen Phase kommt es zunächst zu einer Aktivierung der T-Lymphozyten (Abb. 2); [4]. Hierbei ist die Aktivierung der CD4 + −T-Helferzellen größer als die Aktivierung der CD8 + −zytotoxischen T-Zelle. Nach großen abdominalchirurgischen Eingriffen lässt sich bereits 24 h postoperativ die Expression von Markern der T-Zellaktivierung nachweisen [4]. Die CD69-Induktion in T-Zellen triggert die Produktion des proinflammatorischen Zytokins IL-2 und die Expression des IL-2-Rezeptors (CD25). Die Autoren postulierten, dass T-Lymphozyten in der frühen postoperativen Phase in der Lage sind, eine normale antigeninduzierte Antwort zu initiieren und durch kompetente CD25-T-Lymphozyten reguliert zu werden.
Th1/Th2-Shift
Die frühe T-Zellaktivierung induziert aber auch die folgende Anergie und Apoptose der T-Zellen mit konsekutiver Suppression der Th1-Zytokinproduktion, d. h. einer verminderten Synthese des proinflammatorischen Zytokins IFN-γ [29]. Es zeigt sich eine Abnahme der CD4 + −Helferzellpopulation bei weitgehend normaler oder erhöhter Anzahl von CD8 + −T-Zellen mit zytotoxischer Funktion. Daneben ist die lymphozytäre Proliferation durch das Monozyten-Makrophagen-System nach einem operativen Eingriff reduziert. Innerhalb der T-Helferzellpopulation kommt es, ebenfalls unter dem modulatorischen Einfluss aktivierter Monozyten, zu einer Verschiebung der T-Helfersubpopulationen in Richtung auf den Th2-Subtyp. Die Folge ist ein supprimiertes Th1/Th2-Verhältnis postoperativ. Mehrere Studien belegen, dass ein erniedrigtes Th1/Th2-Verhältnis unmittelbar postoperativ (24–48 h) signifikant häufiger mit der Entwicklung einer postoperativen Infektion assoziiert ist [18, 22].
HLA-DR Expression
Ferner kommt es postoperativ zu einer deutlichen Abnahme der Humanen-Leukozyten-Antigen- (HLA-DR)-Expression mit Verlust der Antigenpräsentation sowie einer Reduktion der TNF-α-Sekretion nach ex vivo Lipopolysaccharid- (LPS-)Stimulation aus den Monozyten und Makrophagen [30]. Eine Abnahme der HLA-DR Expression <30 % des Ausgangswerts ging in einer klinischen Studie mit dem gehäuften Auftreten postoperativer Infektionen einher [30], ein Zusammenhang, der sich in anderen Studien bislang jedoch nicht bestätigt hat [31, 32].

Perioperative Veränderungen der zytokinvermittelten Immunreaktivität

Bei der Initiierung der Immunreaktivität im Rahmen eines operativen Eingriffs spielen die Makrophagen und Monozyten eine Schlüsselrolle. Diese setzen auf lokaler Ebene nicht nur das Zytokin Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), den frühesten Mediator der proinflammatorischen Kaskade, sondern auch weitere pro- und antiinflammatorischen Mediatoren, die Zytokine IL-1β, IL-8, IL-6 (pro- und antiinflammatorische Wirkung) und IL-10, frei [33, 34]. Infolge der systemischen Aktivierung des Makrophagen-Monozyten-Systems führt dies zu einer systemischen Freisetzung der Zytokine mit klinischer Manifestation eines SIRS [19]. So konnten Miyaoka et al. [19] nachweisen, dass die Entwicklung eines SIRS mit signifikant erhöhten IL-6-Plasmakonzentrationen am ersten postoperativen Tag nach einem elektiven chirurgischen Eingriff assoziiert ist. Am dritten postoperativen Tag waren die SIRS-Kriterien bei keinem Patienten mehr nachweisbar und es zeigte sich auch gleichzeitig eine signifikante Reduktion der IL-6 Konzentrationen im Plasma. Eine unmittelbar postoperativ erhöhte IL-6-Konzentration im Plasma korrelierte mit der Entwicklung von Komplikationen (Infektionen, Sepsis, Multiorganversagen; [35]).
Ferner waren signifikant erhöhte IL-6 Konzentrationen im Plasma bei Patienten am ersten postoperativen Tag nachweisbar, die sich einem operativen Eingriff der Pankreatikoduodenektomie unterzogen und im weiteren postoperativen Verlauf eine Wundinfektion entwickelten [13]. Auch nach herzchirurgischen Eingriffen unter Verwendung der Herz-Lungen-Maschine korrelierten erhöhte IL-6- und IL-10-Konzentrationen im Plasma am ersten postoperativen Tag mit einem signifikant erhöhten postoperativen Infektionsrisiko [27, 36, 37]. Ein Anstieg des Interleukins IL-8 im Plasma 36 h nach einem abdominalchirurgischen Eingriff korrelierte mit der Entwicklung eines Multiorgandysfunktionssyndroms [13, 38]. Auch 24 h postoperativ nach Leberresektionen waren signifikant erhöhte IL-6- und IL-10-Konzentrationen prädiktiv für die Entwicklung einer Infektion [12].
In der überwiegenden Mehrzahl der Studien konnte dagegen für die Zytokine TNF-α und IL-1β keine Korrelation mit dem postoperativen klinischen Verlauf nachgewiesen werden. Dies ist im Wesentlichen durch die kurzen Halbwertszeiten des TNF-α (12–16 min) und IL-1β (6 min) zu erklären. Der Nachweis dieser beiden Plasmazytokine wird dadurch deutlich unwahrscheinlicher als der Nachweis des Zytokins IL-6, das 4–48 h nach operativen Eingriffen die höchste Plasmakonzentration erreicht.
Die Bestimmung des IL-6/IL-10-Verhältnisses bildet möglicherweise die Veränderung der Immunreaktivität unmittelbar postoperativ eindeutiger ab als die Einzelbestimmung der pro- und antiinflammatorischen Parameter [22, 36, 39, 40]. So ließ sich unmittelbar nach einem Thorax- und Abdominaltrauma ein erhöhtes IL-6/IL-10-Verhältnis nachweisen, das mit dem „Severity-of-Injury“-Score korrelierte (p = 0,0067; [41]). Auch zum Zeitpunkt einer schweren Sepsis zeigte sich ein erhöhtes IL-6/IL-10-Verhältnis [38, 42]. Im Gegensatz dazu fanden Sander et al. [36] eine signifikante erhöhte Infektionsrate, wenn bei den Patienten das IL-6/IL-10-Verhältnis am ersten postoperativen Tag supprimiert war.
Die frühe postoperative Phase ist geprägt von einem Th2-Shift sowie einer deutlichen Abnahme der HLA-DR Expression.
In Abhängigkeit vom operativen Trauma, Begleiterkrankungen des Patienten (z. B. Tumorerkrankungen, chronische Herzinsuffizienz, Immunsuppression etc.) erfolgt eine überschießende oder abgeschwächte pro- und antiinflammatorische Zytokinantwort mit konsekutiver Folge einer Imbalance der Immunreaktivität und erhöhtem Risiko für die Entwicklung postoperativer Infektion.

Einfluss des Operationsverfahrens

Während minimal-invasive operative Eingriffe die Immunreaktivität kaum oder nur wenig beeinflussen [43], können große operative Eingriffe ein anhaltendes Ungleichgewicht der Immunreaktivität unmittelbar postoperativ zur Folge haben.
Die Invasivität des Operationsverfahrens, z. B. konventionell vs. minimal-invasiv, hat erheblichen Einfluss auf die perioperative Beeinträchtigung des Immunsystems.

Beeinflussung der perioperativen Immunreaktivität durch Anästhetika und Opioide

Intravenöse und inhalative Anästhetika

Der Einfluss der verschiedenen intravenösen und inhalativen Anästhetika auf die perioperative Immunreaktivität ist trotz einer Vielzahl von In-vitro- und In-vivo-Studien bislang unklar. Neben einer Beeinflussung der hypothalamo-hypophysär-adrenalen Achse können Anästhetika eine Vielzahl von Veränderungen der Immunreaktivität induzieren. Eine endgültige Bewertung der Rolle von einzelnen Anästhetika bei der perioperativen Immunmodulation ist daher bislang nicht möglich.

Neuroendokrine Stressachse unmittelbar postoperativ

Das i.v.-Anästhetikum Propofol und das Inhalationsanästhethikum Isofluran können erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Aktivierung der neuroendokrinen Stressachse aufweisen [1, 29, 44]. So zeigte sich in mehreren Studien unter Anästhesie mit Isofluran signifikant höhere Kortisol- und Katecholaminspiegel im Serum im Vergleich zu Propofol unmittelbar postoperativ [1, 29]. In einer Studie waren die Kortisol- und Katecholaminkonzentrationen im Plasma unter Isofluran nicht nur postoperativ, sondern bereits intraoperativ signifikant erhöht im Vergleich zu einem kombinierten Anästhesieverfahren mit Isofluran plus thorakaler Epiduralanästhesie [44].
Das i.v.-Anästhetikum Propofol scheint die neuroendokrine Stressantwort stärker abzuschwächen als das Inhalationsanästhetikum Isofluran.

Zellvermittelte Immunreaktivität unmittelbar postoperativ

Der Einfluss der Anästhetika Propofol und Isofluran auf die zellvermittelte Immunreaktivität unmittelbar postoperativ ist bislang nur in wenigen Studien untersucht worden [1]. So fand sich bei Patienten, die sich neurochirurgischen Eingriffen (Aneurysmablutung mit Kraniotomie) unter Anästhesie mit Isofluran unterzogen hatten, eine signifikante Suppression des Th1/Th2-Verhältnisses am ersten postoperativen Tag, während dieser Effekt unter Anästhesie mit Propofol nicht auftrat [1]. In einer weiteren klinischen Studie war unter Isofluran, jedoch nicht unter Propofol, eine signifikante Reduktion der T-Zellsubpopulation bei gleichzeitig signifikant erhöhtem Kortisolspiegel im Plasma über die Zeit (Hautschnitt bis zum ersten postoperativen Tag) nachweisbar [45]. Unterstützt werden diese Ergebnisse durch In-vitro-Daten von Salo et al. [46]: Propofol in klinischer Dosierung hatte einen Anstieg des IFN-γ/IL-4-Verhältnisses in mononukleären Leukozyten nach Concanavalin-A-Stimulation zur Folge, während unter Thiopenthal in klinischer Dosierung eine signifikante Suppression des IFN-γ/IL-4-Verhältnisses beobachtet wurde. Bislang konnte für Propofol keine Induktion der Apoptose der Lymphozyten in klinischer Dosierung nachgewiesen werden [41]. Eine Relevanz in Hinblick auf das klinische Outcome ergab sich hieraus bislang nicht.
Propofol beeinflusst im Vergleich zu Isofluran die zellvermittelte Immunreaktivität möglicherweise nur gering oder gar nicht.

Plasmazytokine unmittelbar postoperativ

Der Einfluss von Anästhetika auf die postoperative Zytokinfreisetzung ist trotz einer Vielzahl klinischer und experimenteller Untersuchungen noch weitgehend ungeklärt [1, 47, 48]. So zeigt sich z. B. unter einer Anästhesie mit Isofluran ein signifikanter Anstieg der IL-6 Konzentrationen im Plasma mit Erreichen des Maximalwerts eine Stunde postoperativ, unter Anästhesie mit Propofol hingegen keine Veränderung der IL-6-Konzentrationen im Plasma [47]. Im Gegensatz dazu konnte unter einer Anästhesie mit Propofol vier Stunden postoperativ ein signifikanter Anstieg der IL-10-Konzentration im Plasma im Vergleich zu einer Anästhesie mit Isofluran festgestellt werden [29, 48]. Bei Patienten, die sich einem operativen Eingriff der offen-chirurgischen Cholezystektomie unterzogen und eine TIVA mit Propofol und Remifentanil erhielten, waren am Ende der Operation sowie zwölf Stunden postoperativ signifikant erhöhte IL-10-Konzentrationen im Plasma nachweisbar im Vergleich zu den Patienten, die eine Anästhesie mit Isofluran erhielten [29].
Die Bewertung des Einflusses von Anästhetika auf die inflammatorische Immunantwort nach Operationen wird auch dadurch erschwert, dass es im perioperativen klinischen Kontext nicht möglich ist, zwischen den Wirkungen der Anästhetika und der Wirkung des chirurgischen Traumas zu unterscheiden. So ist der postoperative Anstieg der pro- und antiinflammatorischen Mediatoren, insbesondere des Zytokins IL-6, häufig Ausdruck der Gewebeschädigung und somit im Hinblick auf den Einfluss durch die Anästhetika möglicherweise nicht mehr verwertbar. Die Aussagekraft einer einmaligen Bestimmung pro- und antiinflammatorische Zytokine postoperativ wird weiter dadurch limitiert, dass die Immunreaktivität neben Anästhetika auch durch Faktoren wie Komorbiditäten, Narkosetiefe, Hypotension, Blutverlust und chirurgische Maßnahmen im Einzelnen moduliert wird. Die Bestimmung des IL-6/IL-10-Verhältnisses scheint dabei Veränderungen der Immunreaktivität unmittelbar postoperativ besser abzubilden als die Einzelbestimmung der pro- und antiinflammatorischen Parameter.
So konnte gezeigt werden, dass ein supprimiertes IL-6/IL-10 Verhältnis am ersten postoperativen Tag nach einer elektiven Tumoroperation mit einer signifikant erhöhten Infektionsrate assoziiert ist [36, 39]. Von Dossow et al. [48] konnten ebenfalls ein supprimiertes IL-6/IL-10 Verhältnis am ersten postoperativen Tag unter Verwendung von Isofluran im Vergleich zu Propofol bei Patienten mit einer Tumorresektion des oberen Gastrointestinaltrakts nachweisen. Auch in einem tierexperimentellen Sepsismodell fand sich nach LPS-Stimulation bei Narkose mit Isofluran ein supprimiertes IL-6/IL-10 Verhältnis [1].
Isofluran scheint die Inflammation stärker zu beeinflussen als Propofol und wirkt sich somit auf die perioperative Immunreaktivität entsprechender Patientenkollektive deutlicher aus.

Opioide

Im Vergleich zu anderen in der Anästhesie eingesetzten Substanzen zeichnen sich die Opioide durch pharmakologisch gut definierte Ligand-Rezeptor-Interaktionen aus [49]. Durch die Klassifizierung in mu- (μ)-, delta- (δ)-, kappa- (κ-)Rezeptoren lassen sich nicht nur zentralnervöse, sondern auch periphere Effekte der Opioide durch Bindung an spezifische Rezeptoren erklären. Seit langem ist bekannt, dass Opioide durch Bindung an Opioidrezeptoren die Funktion von Immunzellen beeinflussen [40, 49].
Zwei grundsätzliche Mechanismen der opioidinduzierten Immunmodulation werden unterschieden: Während bei In-vitro-Experimenten zahlreiche direkte Effekte auf Immunzellen beobachtet werden, postulieren zahlreiche In-vivo-Studien nicht nur einen direkten, sondern auch einen indirekten Einfluss der Opioide auf die Immunfunktion über das zentrale Nervensystem. Über zentrale Opioidrezeptoren wird insbesondere die lymphozytäre Funktion, die Aktivität der natürlichen Killerzellen (NK) und die Lymphozytenproliferation, aber auch die zelluläre und humorale Immunreaktivität beeinflusst. Die immunsuppressiven Wirkungen von Morphin sind bislang am ausführlichsten untersucht worden.

Neuroendokrine Stressachse unmittelbar postoperativ

Einen wichtigen zentralen Wirkmechanismus der Opioide stellt die Modulation der neuroendokrinen Stressantwort über die hypothalamo-hypophysäre Achse dar [6, 11]. So wurden im Tierversuch nach intrazerebroventrikulärer Morphingabe erhöhte Kortisol- und Noradrenalinplasmaspiegel beobachtet [11]. Die intrathekale Gabe von Morphin bei herzchirurgischen Patienten führte zu signifikant geringeren Kortisolkonzentrationen im Plasma unmittelbar postoperativ im Vergleich zur Kontrollgruppe, keine Unterschiede ergaben sich hinsichtlich der Katecholaminkonzentrationen im Plasma [50]. Unter Remifentanil konnte eine signifikante Abschwächung der neuroendokrinen Stressachse im Vergleich zu Fentanyl  nachgewiesen werden, d. h. erniedrigte ACTH- (p <0,0001) und Kortisolplasmaspiegel (p = 0,027) unmittelbar postoperativ [51].
Das bedeutet, dass Opioide in klinischen Dosierungen die neuroendokrine Stressantwort möglicherweise nicht vollständig unterdrücken können.
Tierexperimentelle Studien deuten darauf hin, dass die immunologischen Opioidwirkungen sowohl zentral als auch direkt auf den Immuneffektorzellen vermittelt werden. Opioide scheinen dabei jedoch in klinischen Dosierungen die neuroendokrine Stressantwort nicht vollständig zu unterdrücken.

Zellvermittelte Immunreaktivität nach Operationen

Morphin
Morphin hemmt die Funktionen sämtlicher Immunzellen (Makrophagen, Monozyten, NK-Zellen, T-Zellen). So supprimiert Morphin in aktivierten Th1-Zellen die IL-2- und IFN-γ-Expression und steigert die IL-4-Expression [20].
Fentanyl
Die Wirkungen von Fentanyl auf die zellvermittelte Immunreaktivität sind bislang unzureichend geklärt. Es wird aber vermutet, dass Fentanyl nicht in der Lage ist, die aktivierte zellvermittelte Immunreaktivität, die mit dem operativen Eingriff assoziiert ist, zu regulieren [5255].
Remifentanil
Remifentanil, ein reiner μ-Agonist, wird innerhalb weniger Minuten abgebaut. Die entstehenden Metaboliten sind am μ-Rezeptor nahezu unwirksam [40, 42, 49, 54]. Aufgrund dieser pharmakologischen Besonderheit ist eine hochdosierte opioidbasierte Anästhesie mit Remifentanil intraoperativ möglich, ohne dass mit einem postoperativen Opioidüberhang gerechnet werden muss. Der Einfluss von Remifentanil auf die unmittelbar postoperative Immunreaktivität ist unklar. Es gilt als gesichert, dass Remifentanil überwiegend immunsuppressive Wirkungen, d. h. Hemmung der NK-Zellaktivität und der Lymphozytenproliferation hat [56]. Im Vergleich zu Fentanyl fand sich unter Remifentanil bei herzchirurgischen Patienten eine stärkere Hemmung der T-zellvermittelten proinflammatorischen Immunreaktivität [51]. Dies war zusätzlich mit einer signifikant kürzeren Intensivstationären Aufenthaltsdauer assoziiert. Klinische Daten zum Einfluss von Sufentanil auf die T-zellvermittelte Immunreaktivität liegen bislang nicht vor.

Plasmazytokine unmittelbar postoperativ

Klinische Studien zum Einfluss von Opioiden auf den Verlauf der Zytokine im Plasma existieren überwiegend für herzchirurgische Operationen [51, 57]. Mehrere Studien [40] konnten für Fentanyl eine dosisabhängige Suppression der IL-6- und IL-10-Plasmaspiegel im Blut herzchirurgischer Patienten nachweisen. Unter morphinbasierter Anästhesie zeigte sich nach herzchirurgischen Eingriffen eine stärkere Suppression von IL-6 im Plasma als nach fentanylbasierter Anästhesie [57]. Auch für Remifentanil und Fentanyl konnte eine Hemmung der LPS-induzierten IL-6-und IL-10-Produktion im Vollblut nachgewiesen werden [51]. Dabei zeigten sich nach kontinuierlicher Infusion von Remifentanil bei herzchirurgischen Patienten postoperativ signifikant geringere IL-6- und IL-8-Konzentrationen im Plasma als nach Applikation von Fentanyl [51].
Immunologische Wirkungen von Opioiden
  • Im Rahmen eines SIRS nach großen operativen Eingriffen (z. B. herzchirurgische Eingriffe unter Verwendung der Herz-Lungen-Maschine) erweisen sich Opioide in Kombination mit einer Inhalationsanästhesie vorteilhaft, da sie zu einer stärkeren Suppression der übermäßig aktivierten Immunreaktivität unmittelbar postoperativ führen.
  • Allerdings kann eine postoperative Immunsuppression nach elektiven tumorchirurgischen Eingriffen durch Opioide möglicherweise verstärkt werden.
  • Ob einzelne Opioide gegenüber anderen für bestimmte Eingriffe Vorteile bieten, ist wegen fehlender Daten derzeit unklar.

Effekte von Anästhesietechniken auf die Tumorrezidivrate bei chirurgischen Tumorpatienten

Die chirurgische Manipulation bei malignen Tumoroperationen kann zu einer signifikanten Ausschüttung von Tumorzellen führen [58]. Ob durch diese Zellen eine Metastasierung induziert werden kann, hängt wesentlich von der Aggressivität der Tumorzellen und der Immunkompetenz des Patienten ab [59]. Chirurgischer Stress, Anästhetika und Opioide sowie weitere perioperative Faktoren (z. B. Bluttransfusionen, Hypothermie etc.) können die Immunkompetenz kompromittieren und die Immunbalance einschränken [33]. Präklinische und klinische Studien konnten negative immunmodulatorische Effekte der Opioide zeigen [9, 36, 46, 56, 6062]. Eine dauerhafte Verwendung von Opioiden bei Tumorpatienten ist mit einer schnelleren Tumorprogression sowie eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen assoziiert [61]. Endgültige Aussagen zu immunsuppressiven Effekten von Anästhetika, v. a. der Inhalationsanästhetika, sind angesichts der in verschiedenen Studien gewählten, unterschiedlichen Dosierungen bei unterschiedlichen Tumorpatientenkollektiven sowie der widersprüchlichen Datenlage schwierig.
Retrospektive Analysen konnten für unterschiedliche Studienpopulationen einen Überlebensvorteil bei Verwendung einer Regionalanästhesie versus Allgemeinanästhesie zeigen [63, 64]. Die Regionalanästhesie scheint dabei den Immunstatus des Patienten über mehrere Wege zu beeinflussen:
1.
Durch Senkung des Sympathikotonus wird die neuroendokrine Stressachsenaktivierung durch den chirurgischen Eingriff abgeschwächt.
 
2.
Opioide können eingespart werden bei gleichzeitiger Verwendung einer Regionalanästhesie.
 
3.
Die Kombination einer Regional- und Allgemeinanästhesie ermöglicht die Reduktion der Anästhetika und damit deren potenziell immunsuppressiven Effekte.
 
Andererseits konnte eine Cochrane-Metaanalyse [11] mit insgesamt 746 Patienten [10, 6567] die obigen Befunde nicht bestätigen. Zusammenfassend lassen sich derzeit keine Schlussfolgerungen zum Einfluss von Anästhesieverfahren auf die Metastasierungsrate, die Tumorrezidivrate, postoperative Wundinfektionen sowie das Langzeitüberleben treffen.
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