Qualitäts- und Risikomanagement in der Anästhesiologie
Verfasst von: Wolfgang Hölz
Qualität und Sicherheit sind zentrale Anliegen bei der anästhesiologischen, intensivmedizinischen und schmerztherapeutischen Versorgung unserer Patienten. Das Qualitäts- und Risikomanagement zielt darauf ab und stellt Methoden für eine qualitätsorientierte Führung und Organisationsentwicklung zur Verfügung. Es kann dazu beitragen, die Orientierung an den zentralen Bedürfnissen unserer Patienten und Mitarbeiter nicht aus den Augen zu verlieren.
Die 2023 aktualisierte Qualitätsmanagement-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) macht das Qualitäts- und klinische Risikomanagement für Kliniken und Praxen verpflichtend.
Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin hat sowohl für die Anästhesiologie wie für die Intensivmedizin Qualitätsindikatoren entwickelt, um Fortschritte messbar zu machen. Das Risikomanagement gewinnt aktuell auch mit neuen Ansätzen an Bedeutung.
Eine kreative Umsetzung der geforderten Maßnahmen kann in Zeiten des Fachkräftemangels dazu beitragen, die Attraktivität unserer Kliniken und Abteilungen für unsere Mitarbeiter zu erhöhen und neue Mitarbeiter zu gewinnen.
Einführung
Frankfurter Rundschau 2019:
„Weil in der Uniklinik … eine Blutkonserve vertauscht wurde, stirbt ein Patient. Die Klinikleitung spricht von einem „bedauerlichen Zwischenfall“… „Die Mitarbeiter sind total schockiert“… Die Verwechslung erklärt er mit „individuellem menschlichem Versagen“.“ (Coordes 2019 )
Welt Online 2008:
„Frau am Darm statt am Bein operiert. Das OP-Team sei unmittelbar danach vom Dienst freigestellt worden. Der Staatsanwalt ermittelt … Chefärzte fristlos gekündigt.“ (Welt 2008)
Zwei Zwischenfälle aus der Presse – sie könnten sich an vielen Kliniken ereignet haben. Viele Kolleginnen und Kollegen dürften sich an Beinahe-Verwechslungen erinnern, die im Idealfall rechtzeitig erkannt wurden und zu keinem Schaden führten. Die Beispiele zeigen drei wichtige Aspekte von Sicherheit in der Anästhesiologie: Sicherheit bedeutet Sicherheit des Patienten, Sicherheit des Mitarbeiters (z. B. Sicherheit vor Fehlern mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen) und Sicherheit der Institution (z. B. beschädigtes Renommee, Haftpflichtschaden).
Die Rechtsprechung wertet solche Zwischenfälle in der Regel als menschliches Fehlverhalten und sanktioniert sie. Die Ursachen davon sind meist multifaktoriell. Nur durch die unglückliche Verkettung mehrerer Ereignisse und das Versagen von Sicherheitsschritten kommt es überhaupt zu solchen Zwischenfällen (Hoffmann und Rohe 2010). Das Qualitäts- und Risikomanagement dient dazu, systematisch die Qualität unseres ärztlichen und pflegerischen Handelns zu verbessern und solche Risiken weiter zu minimieren. Es bietet hierfür geeignete Tools.
Begriffe
Qualitätsmanagement (QM) hat zum Ziel, systematisch und kontinuierlich an der Verbesserung der Qualität unter Berücksichtigung der Anforderungen zu arbeiten.
Qualitätsanforderungen stellt in erster Linie der Patient. Anforderungen an eine anästhesiologische Klinik/Abteilung stellen aber auch die operativen Partner, das OP-Management, die Logistikbereiche, die Verwaltung, die Kostenträger und nicht zuletzt die eigenen Mitarbeiter. Das Qualitätsmanagement versucht, diese Anforderungen zu identifizieren, die Prozesse entsprechend zu planen und zu steuern. QM verfolgt dabei einen systemischen Ansatz (Planung – Umsetzung – Überprüfung der Effizienz – Nachsteuern) (Hölz et al. 2005).
Grundsätzlich werden seit Donabedian (1966) drei Qualitätsdimensionen im Gesundheitswesen unterschieden (Coburn et al. 2016):
1.
Strukturqualität: z. B. die personelle oder technische Ausstattung
2.
Prozessqualität: Ein Prozess ist ein definierter Ablauf von Aktivitäten, der geplant und dokumentiert ist, gesteuert abläuft, regelmäßig überprüft und weiter verbessert wird. Prozesse werden in der Regel in Verfahrensanweisungen oder Ablaufplänen beschrieben.
Ein Beispiel kann der Ablauf vom Abruf eines Patienten in den OP bis zum Beginn der Anästhesie sein, mit Prüfschritten vor dem Einschleusen (Vorhandensein der Einwilligung, Nüchternheit usw.). Kennzahlen (Qualitätsindikatoren) ermöglichen eine Bewertung.
3.
Ergebnisqualität (Outcome): z. B. als objektive Zahl die Letalität oder Komplikationsraten, als subjektive Ergebnisqualität die Patientenzufriedenheit, die beispielsweise als „patient-reported outcome“ durch strukturierte Befragung erhoben werden kann.
Diese Qualitätsdimensionen spiegeln sich in den unterschiedlichen QM-Systemen in den Kliniken wider, die im Folgenden Erwähnung finden.
Risikomanagement (RM) bedeutet, Risiken systematisch zu erfassen, zu bewerten und durch gezielte Maßnahmen zu minimieren (Hoffmann und Rohe 2010; APS 2016). Das Ziel ist ein Optimum an Sicherheit. Eine pragmatische Definition von Sicherheit lautet:
Sicherheit = Freiheit von nicht akzeptablen Risiken.
Qualitäts- und Risikomanagement – Pflicht oder Kür?
Der Gesetzgeber verpflichtet Krankenhäuser und Vertragsärzte zum Qualitätsmanagement (SGB V § 135a). Die Ausgestaltung hat er dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) übertragen, in dem unter anderem die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vertreten sind. In seiner 2023 aktualisierten Richtlinie fordert der GBA konkrete Maßnahmen des Qualitäts- und Risikomanagements. Diese sind für alle ambulanten und stationären Leistungserbringer verbindlich. Die Vorgaben betreffen sehr direkt auch die Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie.
Qualitäts- und Risikomanagement mit System
Qualitäts- und Risikomanagement (QRM) sind in Hochrisikobereichen wie dem OP und in der Intensivmedizin unverzichtbar (GBA 2023; APS 2016). Es ist sinnvoll, QM und RM gemeinsam zu betrachten. Qualität entsteht nur dort, wo Risiken minimiert werden, Sicherheit nur dort, wo qualitativ hochwertige Arbeit geleistet wird. Klug umgesetzt trägt QRM zu mehr Sicherheit und Qualität, aber auch zu ökonomischer Effizienz in OP, Intensivmedizin und Schmerztherapie bei. Entsprechende Maßnahmen, beispielsweise im Bereich der innerbetrieblichen Weiterbildung, steigern dabei durchaus die Attraktivität unseres Faches.
Worauf lässt sich aufbauen?
Qualitätsmanagementsysteme sind im deutschsprachigen Raum inzwischen in der Mehrzahl der Kliniken und in vielen Praxen etabliert (Hotz 2023). Sie tragen bei intelligenter Umsetzung in vielen Kliniken und Abteilungen zu einem strukturierten Vorgehen im Management bei und sind Teil moderner Führungsstrukturen.
Die DIN EN ISO 9001 ist das am weitesten verbreitete QM-Modell, insbesondere in größeren Kliniken (Hotz 2023). Sie bietet einen international bewährten Leitfaden zum Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems für ganze Krankenhäuser aber auch für einzelne anästhesiologische Kliniken bzw. Abteilungen (DIN 2015). Alternativen sind die Modelle der Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen (KTQ) (KTQ 2024), der European Foundation for Quality Management (EFQM 2014) oder der Joint Commission (JointCommission 2024) sowie für Praxen das QEP-Modell der Kassenärztlichen Vereinigungen (KBV 2024). Wie ein QM-System nach der ISO 9001 in einer Klinik/Abteilung für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin etabliert wird und welche Vorteile und möglichen Probleme sich dabei ergeben, ist in der Literatur beschrieben (Hölz et al. 2005; Volk et al. 2005). Einzelmaßnahmen des Risikomanagements sind an vielen Kliniken implementiert. Durch diese bereits etablierten QM- und RM-Systeme stehen den anästhesiologischen Klinken und Abteilungen bereits viele der geforderten Systembausteine, wie z. B. Fehlererfassungssysteme, zur Verfügung (Hotz 2023).
Viele Kliniken gehen mit der externen Zertifizierung ihres QRM-Systems über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Bei der Zertifizierung eines QRM-Systems prüfen externe Auditoren in einem Audit (lat. audire = zuhören), ob das QM-System die Anforderungen beispielsweise der ISO 9001 erfüllt und ob Ziele und Projekte konsequent verfolgt und durchgeführt werden. Die Audits erzeugen internen Druck, das QM-System sinnvoll weiterzuentwickeln und zeigen durch die neutrale Sicht der Auditoren Verbesserungspotenziale auf. Das Zertifikat kann als Nachweis qualitätsorientierten Arbeitens nach außen dienen.
Derzeit gewinnen in allen QM-Systemen Maßnahmen des Risikomanagements weiter an Bedeutung, da diese auch seitens der Politik mit Nachdruck gefordert werden.
Welche neuen Aspekte sind zu beachten?
Die 2023 aktualisierteRichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses verpflichtet Krankenhäuser, ein klinisches Risikomanagement zu betreiben. Der GBA schreibt hierzu: „Risikomanagement dient dem Umgang mit potenziellen Risiken, der Vermeidung und Verhütung von Fehlern und unerwünschten Ereignissen und somit der Entwicklung einer Sicherheitskultur. Dabei werden unter Berücksichtigung der Patienten- und Mitarbeiterperspektive alle Risiken in der Versorgung identifiziert und analysiert sowie Informationen aus anderen Qualitätsmanagementinstrumenten, insbesondere die Meldungen aus Fehlermeldesystemen, genutzt. Eine individuelle Risikostrategie umfasst das systematische Erkennen, Bewerten, Bewältigen und Überwachen von Risiken sowie die Analyse von kritischen und unerwünschten Ereignissen, aufgetretenen Schäden und die Ableitung und Umsetzung von Präventionsmaßnahmen. Ein relevanter Teil der Risikostrategie ist eine strukturierte Risikokommunikation“ (GBA 2023 ). „Instrumente des klinischen Risikomanagements im Krankenhaus sind z. B. Fehlermeldesysteme, Risikoaudits, Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen oder Fallanalysen“(GBA 2023).
Auch die WHO hat sich des Themas Patientensicherheit angenommen. Sie legt für die von ihr ausgerufene Dekade der Patientensicherheit von 2021 bis 2030 einen ambitionierten Aktionsplan vor, der auf die Reduzierung vermeidbarer Schäden in der Gesundheitsversorgung zielt. Er fordert von allen Akteuren im Gesundheitswesen konkrete Maßnahmen und stellt einen Werkzeugkasten internationaler Best Practices für die jeweiligen Aufgaben zur Verfügung (WHO 2021).
Für den klinischen Bereich hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit einen Leitfaden zur Implementierung eines solchen klinischen Risikomanagements publiziert (APS 2016). In der Literatur finden sich Beispiele für die praktische Umsetzung (Bartz 2023 ; Speer et al. 2023). An einzelnen Kliniken werden Task Forces als interdisziplinäre Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich des Themas Patientensicherheit annehmen.
Der planvolle Umgang mit Risiken und damit das Risikomanagement kann als Teilaspekt des Qualitätsmanagements betrachtet werden. Doppelstrukturen von Qualitäts- und Risikomanagement sind zu vermeiden. Auch die aktuelle GBA-Richtlinie von 2023 empfiehlt die Integration von Qualitäts- und Risikomanagement (GBA 2023).
Qualitäts- und Risikomanagement (QRM) in der Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie – Was ist zu tun?
Verpflichtend umzusetzen sind die Forderungen der GBA-Richtlinie 2023, die in Tab. 1 dargestellt sind (GBA 2023). Abschn. 5 geht im Folgenden schwerpunktmäßig auf diese Forderungen ein.
Tab. 1
Methoden und Instrumente nach der GBA-Richtlinie 2023
Methoden und Instrumente nach der GBA-Richtlinie 2023
Messen und Bewerten von Qualitätszielen
Erhebung des Ist-Zustandes und Selbstbewertung
Regelung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten
Prozess- bzw. Ablaufbeschreibungen
Schnittstellenmanagement
Checklisten
Teambesprechungen
Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen
Patientenbefragungen
Mitarbeiterbefragungen
Beschwerdemanagement
Patienteninformation und -aufklärung
Risikomanagement
Fehlermanagement und Fehlermeldesysteme
Notfallmanagement
Hygienemanagement
Arzneimitteltherapiesicherheit
Schmerzmanagement
Maßnahmen zur Vermeidung von Stürzen bzw. Sturzfolgen
Prävention von und Hilfe bei Missbrauch und Gewalt
Einige wesentliche GBA-Forderungen sind meist bereits durch krankenhausweite Lösungen abgedeckt. Anforderungen aus klinikeigenen QM-Systemen beispielsweise nach der DIN EN ISO 9001 oder KTQ® können jedoch noch hinzukommen (ISO 2015; KTQ 2024).
Digitale, webbasierte QM-Dokumentationssysteme, CIRS-Systeme, Fehler- und Beschwerdeerfassungssysteme werden häufig krankenhausweit vorgehalten und von allen Kliniken/Abteilungen genutzt. Patienten- und Mitarbeiterbefragungen können ebenso übergreifend durchgeführt werden wie Maßnahmen zur Sturzprophylaxe.
In diesem Fall können sich Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie auf die fachspezifisch relevanten Anforderungen fokussieren.
Die Präsidien der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) haben durch eine Arbeitsgruppe des Forums „Qualitätsmanagement und Ökonomie“ Qualitätskriterien und diesen zugeordnete Qualitätsindikatoren (Kennzahlen) für die Anästhesiologie erarbeiten lassen und bereits 2016 publiziert (Coburn et al. 2016), vgl. Tab. 2.
Tab. 2
Qualitätskriterien Anästhesiologie der DGAI/des BDA
Nr.
Qualitätskriterium
1
Sicherheitsprotokolle entsprechend der Helsinki-Deklaration
Bezüglich der oben empfohlenen Qualitätskriterien ist der Umsetzungsgrad im deutschsprachigen Raum sehr heterogen (Hotz 2023; Ziemann et al. 2021). Die WHO-Safe-Surgery-Checkliste ist in über 50 % der Kliniken umgesetzt, ebenso wie Sicherheitsprotokolle (SOP) zu einzelnen Themen (Hotz 2023). Die Themen Patient-Blood-Management, Temperatur-Management sind bisher nur an einem Viertel der Kliniken in SOP beschrieben und klinisch umgesetzt (Hotz 2023). Sie werden auch in der Initiative „Klug entscheiden“ propagiert (Rossaint 2017 ). Eine postoperative Visite bei jedem Patienten ist an den meisten größeren Kliniken aufgrund limitierter personeller Ressourcen derzeit nicht realisierbar. Die anästhesiologischen Qualitätsindikatoren bedürfen inzwischen einer Aktualisierung, um den aktuellen Entwicklungen Rechnung zu tragen.
So sollten neben der Behandlungsqualität und der Patientensicherheit auch die Bedürfnisse und Interessen der Mitarbeiter in den Fokus gerückt werden. In Zeiten schwieriger Fachkräftegewinnung sind eine hohe Behandlungsqualität und Patientensicherheit nur mit einer ausreichenden Anzahl zufriedener und gut qualifizierter Mitarbeiter realisierbar. Dies spiegelt sich bereits in der aktuellen GBA-Richtlinie 2023 wider.
In der Intensivmedizin wurden seitens der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) zehn Qualitätsindikatoren etabliert und detailliert erläutert (vgl. Tab. 3) (Kumpf et al. 2023). Diese bewerten relevante Behandlungsprozesse. Beispiele sind das Analgesie-, Sedierungs- und Delir-Management oder die patientenadaptierte Beatmung beim schweren Lungenversagen. Die Qualitätsindikatoren bilden die Grundlage für das Peer-Review-Verfahren. Dabei überprüfen und bewerten externe Experten (Peers) die Prozesse und Strukturen vor Ort.
Tab. 3
DIVI Qualitätsindikatoren 2022
DIVI Qualitätsindikatoren 2022
I
Tägliche multiprofessionelle und interdisziplinäre Visite mit Dokumentation von Tageszielen
Strukturierte Kommunikation mit Patienten und Angehörigen
IX
Frühmobilisation
X
Leitung der Intensivstation
Für die Schmerztherapie wurde eine eigene GBA-Richtlinie publiziert, die ebenfalls bindenden Charakter hat (Meissner et al. 2022).
Anforderungen des GBA an das QRM in Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Der GBA-Beschluss von 2023 ist für alle Kliniken und Vertragsärzte und damit für das Qualitäts- und Risikomanagement der jeweiligen Klinik, Abteilung oder Praxis verbindlich. Daraus ergeben sich die im Folgenden dargestellten Anforderungen.
Ziele
Qualitäts- und Risikomanagement sind Führungsaufgabe (DIN ISO 9001:2015).
Ziele für die Klinik/Abteilung für Anästhesiologie sind zu benennen, den Mitarbeitenden transparent zu machen und zu evaluieren (GBA 2023; ISO 2015; KTQ 2024). Häufig werden umfangreichere Ziele als Projekte geplant und realisiert. In bestehenden QRM-Systemen wird hier oft klinikweit einheitlich vorgegangen.
Verantwortlichkeiten
Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten werden durch Organigramme transparent dargestellt und auch in Prozessbeschreibungen den jeweiligen Personen zugeordnet.
Prozesse, Standards (SOP) und Risikomanagement
Die wesentlichen Prozesse der Patientenversorgung werden idealerweise interdisziplinär analysiert, beschrieben und gezielte Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet (Arnal-Velasco 2022). Die Prozesse sind an den fachlichen Standards sowie den gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen auszurichten (GBA 2023 ). Dabei sind die Verantwortlichkeiten, besonders für alle sicherheitsrelevanten Prozesse, zu beschreiben.
Das fachspezifische Risikomanagement erfordert, Risiken in der Versorgung unter Berücksichtigung der Patienten- und Mitarbeiterperspektive zu identifizieren, zu analysieren, zu bewerten und Maßnahmen zu ergreifen. Diese sind hinsichtlich ihrer Effizienz und Effektivität zu prüfen. Informationen aus anderen Qualitätsmanagement-Instrumenten, insbesondere die Meldungen aus Fehlermelde- und Critical Incident Reporting Systemen (CIRS-Systemen) sowie von Schadensfällen sind zu berücksichtigen (GBA 2023; Bartz 2023). Sinnvoll ist es, beim Entwurf der Prozessbeschreibungen spezielle Risikopunkte zu kennzeichnen (APS 2016).
Die Prozessbeschreibungen stehen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern idealerweise im Intranet zur Verfügung und werden in festzulegenden Abständen überprüft und gegebenenfalls angepasst (GBA 2023). Hierzu können Datenerhebungen sowie interne und externe Audits dienen. Erkenntnisse aus der internen und externen Qualitätssicherung sollen in das einrichtungsinterne Qualitätsmanagement einfließen (GBA 2023). Im Idealfall ergibt sich ein geschlossener Verbesserungskreislauf: Maßnahmen planen, umsetzen, überprüfen und erneut nachjustieren (Plan-Do-Check-Act, PDCA).
Ein Beispiel aus der Anästhesiologie stellt das Management des erwartet oder unerwartet schwierigen Atemwegs dar. Idealerweise werden solche hochrelevanten Abläufe als Standard Operating Procedures(SOP) beschrieben und durch interne Schulungen oder Workshops vermittelt. Komplexere Prozesse können in Simulationsszenarien im Team trainiert werden. In vielen großen Kliniken sind inzwischen Simulationszentren etabliert.
Zusammenarbeit an Schnittstellen der Versorgung
Schnittstellen der Versorgung stellen immer ein Risiko dar. Hier ist eine gezielte Kommunikation und abgestimmte Zusammenarbeit nötig. Auch abteilungsintern sind diese so zu gestalten, dass alle erforderlichen Informationen zeitnah zur Verfügung stehen und eine koordinierte Versorgung gewährleistet ist (GBA 2023; Arnal-Velasco 2022).
Bei Prozessen, die mehrere Fachdisziplinen betreffen, ist es sinnvoll interdisziplinäre Festlegungen zu treffen, die dann beispielsweise für die operative Abteilung und die Anästhesiologie gelten. Dies kann etwa die Alarmierung zur Sectio caesarea betreffen. Dabei empfiehlt es sich, alle am Prozess beteiligten Berufsgruppen einzubeziehen, in diesem Beispiel neben den Anästhesisten und Gynäkologen auch die Hebammen, die Kinderärzte, die Anästhesie- und OP-Pflege und das OP-Management.
Der Erfolg vieler ERAS-Programme (Enhanced Recovery after Surgery) zeigt, dass ein interdisziplinär abgestimmtes Vorgehen von der Planung der Operation über die perioperativen Abläufe bis zur Entlassung und Rehabilitation Prozesse stabiler, sicherer, ökonomischer und für den Patienten komfortabler machen kann (Arnal-Velasco 2022).
Darüber hinaus soll das Qualitäts- und Risikomanagement dazu beitragen, die Zufriedenheit aller am Prozess Beteiligten zu erhöhen (GBA 2023). QRM sollte daher nicht nur top-down durch Entscheidungen der Führungskräfte entwickelt werden, sondern bietet die Möglichkeit, Mitarbeiter aller beteiligten Berufsgruppen auch in unterschiedlichem Ausbildungsstand einzubinden (Bottom-up-Ansatz).
Für die Mitarbeiter gewinnt ein QM-System an Wert, wenn aktuelle anästhesiologische Standards (Standard Operating Procedures – SOP) als interne Leitlinien für die Anästhesieführung für jedes operative Fachgebiet und für besondere Risikokonstellationen definiert sind und im Intranet an jedem Arbeitsplatz zur Verfügung stehen (Hölz 2010). In der Deklaration von Helsinki wurden seitens der Europäischen Gesellschaft für Anästhesiologie schon im Jahr 2010 SOP gefordert, unter anderem für die Überprüfung von Geräten und Medikamenten, für die schwierige bzw. misslungene/nicht mögliche Intubation und für das Management der malignen Hyperthermie (Mellin-Olsen et al. 2010, 2014).
Ein Beispiel zur Verminderung von Risiken durch Informationsverluste stellen geordnete Übergaben vom Anästhesisten an den Nachbehandelnden dar. Diese können nach dem SBAR-Schema oder dem leichter zu merkenden IDEALE-Schema erfolgen (Hölz 2017; Muller et al. 2018).
Umfangreichere Schnittstellenregelungen zum OP-Management oder zum Management der Intensivbettenvergabe werden häufig in einem OP-Statut oder Intensivstatut zusammengefasst.
Checklisten
In Checklisten werden Einzelaspekte eines sicherheitsrelevanten Prozesses systematisiert, um dessen verlässliche Umsetzung zu gewährleisten (GBA 2023 ). Ein Beispiel sind einrichtungsspezifische OP-Checklisten in Anlehnung an die „Safe Surgery Checklist“ der WHO, die alle Beteiligten am Eingriff einbeziehen sollen (WHO 2008). Sie dienen der Erkennung von Risiken und der Vermeidung unerwünschter Ereignisse, wie z. B. Patienten-, Eingriffs- und Seitenverwechslungen.
Auch hier ging die Entwicklung weiter. An verschiedenen Kliniken wurde beispielsweise eine modulare Checkliste im Klinikinformationssystem integriert, die bei den Kontrollen auf Station beginnt und weiterführt über Kontrollen vor dem Einschleusen, über das operative Team-Time-Out bis zu Kontrollschritten nach der OP-Beendigung (Abb. 1).
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Solche scheinbar kleinen Schritte können eine große Wirkung haben: Die Reduktion wesentlicher Komplikationen durch eine „Chirurgische Sicherheitscheckliste“ konnten Haynes et al. nachweisen (Haynes et al. 2009). Übersichtsarbeiten bestätigen die Effektivität solcher Checklisten, die die perioperative interdisziplinäre Zusammenarbeit unterstützen und damit zu deutlich mehr Sicherheit führen als manche teure pharmakologische Intervention (Gillespie et al. 2014).
Regelmäßige strukturierte Teambesprechungen
Regelmäßige strukturierte Teambesprechungen, die allen Mitarbeitern ermöglichen, aktuelle Themen und Probleme anzusprechen, sind durchzuführen (GBA 2023). Regelmäßige Mitarbeitergespräche mit jedem einzelnen Mitarbeiter sind darüber hinaus sinnvoll und in vielen QM-Systemen aus gutem Grund gefordert.
Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen
Auch Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen mit unmittelbarem Bezug zur eigenen Tätigkeit sind nicht mehr ins Belieben des Trägers gestellt, sondern in der GBA-Richtlinie gefordert. Art und Umfang werden mit der Leitung der Einrichtung abgestimmt und in ein auf die Mitarbeiter abgestimmtes Konzept eingebunden (GBA 2023).
Critical Incident Reporting System (CIRS)
Die Einführung eines Systems zur Erfassung von kritischen Zwischenfällen und Beinahe-Zwischenfällen (Critical Incident Reporting System, CIRS) kann einen wichtigen ersten Schritt darstellen, um Risiken zu identifizieren und zu bearbeiten. Meist können auch präventiv erkannte Risiken ohne Zwischenfallcharakter erfasst werden, um dann bearbeitet zu werden. Der systematische Umgang mit solchen Ereignissen und Fehlern („Fehlermanagement“) ist Teil des Risikomanagements.
Handelt es sich um klinikübergreifende Systeme, erlauben diese zusätzlich das Lernen aus den Ereignissen an anderen Kliniken (Arnal-Velasco 2022; Bartz 2023; Liberman et al. 2020). Viele Kliniken nutzen das System CIRSmedical-Anästhesiologie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI 2024). Es erlaubt die anonyme Erfassung von kritischen Zwischenfällen und Beinahe-Zwischenfällen. Die Analyse, Risikobewertung und Empfehlungen können entweder im eigenen Hause erfolgen oder durch eine externe Arbeitsgruppe der DGAI. Wichtig ist es, Konsequenzen zeitnah umzusetzen und an die Mitarbeiter zu kommunizieren. Nur so entsteht die erforderliche Motivation, an einem CIRS mitzuwirken.
Ein Fehlerberichts- und Lernsystem muss fach- und berufsgruppenübergreifend niederschwellig zugänglich und einfach zu bedienen sein. Risiken werden bewertet und nach Prioritäten bearbeitet, Maßnahmen umgesetzt und in ihrer Auswirkung evaluiert. Das Lernen aus kritischen Ereignissen und Beinahe-Ereignissen dient der Prävention künftiger Fehler. Eine Voraussetzung ist die Etablierung einer Fehlerkultur in der eigenen Klinik, die den offenen Umgang mit Fehlern ermöglicht. Nur wenn Mitarbeiter offen mit ihren jeweiligen Vorgesetzten über Fehler sprechen können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, werden sie diese berichten (GBA 2023). Hier bedarf es eines schriftlichen Statements der Klinikleitung (APS 2016). Unter solchen Rahmenbedingungen tragen sinnvoll eingesetzte Critical Incident Reporting Systeme zu kontinuierlichen Verbesserungen der klinikinternen Abläufe bei.
Ein Beispiel: Von verschiedenen Kliniken wurde in CIRSmedical berichtet, dass mit Lokalanästhetika bestückte Spritzenpumpen versehentlich über Luer-Lock-Anschlüsse an zentrale Venenkatheter oder Venenkanülen angeschlossen wurden. Dies war Anlass zur Normung und Einführung der NR-Fit®-Konnektoren, die inzwischen an vielen Kliniken Standard sind (Frank 2019).
Notfallmanagement
Auch das Management von Notfällen ist gefordert, mit entsprechender Notfallausstattung und Notfallkompetenz, die durch regelmäßiges Notfalltraining aktualisiert wird (GBA 2023). In der Regel fällt dies zumindest für den operativen Bereich in die Kernkompetenz anästhesiologischer Abteilungen und der Intensivmedizin, zumal an vielen Kliniken die Organisation der Reanimationsteams zum Aufgabenbereich gehört. Erweitert wird dieser an einigen Kliniken durch Medical Emergency Teams, die bereits alarmiert werden, wenn eine Reanimationssituation droht. Sinnvoll ist die Mitwirkung am von der DGAI mitgetragenen Deutschen Reanimationsregister (Seewald 2023; DGAI 2024).
Monitoring-Daten und weitere anästhesiologische Prozessdaten einschließlich der Laborparameter stehen in den Klinikinformationssystemen zunehmend digital zur Verfügung. Künftig dürfte es mittels Algorithmen der künstlichen Intelligenz möglich werden, aus der Kombination von Informationen frühzeitig Warnsignale zu generieren, z. B. zur Sepsis-Früherkennung (Duran et al. 2023). Auch ist eine Überwachung von Patienten nach Verlegung von Intensiv- oder Intermediate-Care-Stationen auf die Normalstation denkbar (Preckel et al. 2020).
Hygienemanagement
Das Hygienemanagement für die Anästhesiologie und Intensivmedizin findet im Idealfall in enger Absprache mit der Klinikhygiene-Abteilung statt, ebenso wie die sachgerechte antimikrobielle Therapie oder Maßnahmen gegen die Verbreitung multiresistenter Erreger (GBA 2023; Kumpf et al. 2023).
Arzneimitteltherapiesicherheit
Die Arzneimitteltherapiesicherheit zielt darauf ab, Medikationsfehler und damit vermeidbare Risiken für die Patienten bei der Arzneimitteltherapie zu verringern (GBA 2023).
Auch in der Deklaration von Helsinki der European Society of Anaesthesiology und in den Qualitätsindikatoren der DGAI betreffen zentrale Forderungen das diesbezügliche Risikomanagement. Beispielsweise sind ISO-Etiketten zur sicheren Kennzeichnung von Spritzen (nach ISO 26825) inzwischen an vielen Klinken Standard (Rossaint 2017; Arnal-Velasco 2023). Absprachen, dass die Pflegenden vor der Medikamentenapplikation der Narkoseinduktionsmedikamente die vom Arzt angegebene Dosierung im Sinne eines Doppelchecks wiederholen, sichern die Verabreichung der korrekten Dosis. SOP zum Vorgehen bei anaphylaktischen Reaktionen werden empfohlen.
Schmerztherapie
Zur postoperativen Schmerztherapie wurde durch den GBA eine eigene Qualitätsmanagement-Richtlinie erlassen (Meissner et al. 2022; Erlenwein et al. 2021). Auch die aktuelle Richtlinie von 2023 verpflichtet zur Einführung und Umsetzung von Akutschmerzmanagementkonzepten für die postoperative Schmerztherapie (GBA 2023).
QUIPS (Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie) als von BDA und DGAI initiiertes Benchmark-Projekt steht zum Vergleich der postoperativen Schmerztherapie zwischen verschiedenen Kliniken deutschlandweit zur Verfügung (BDA DGAI 2024; Meissner 2022 ).
Die Einrichtungen, sprich Krankenhäuser oder niedergelassene Anästhesisten, haben die Umsetzung und Weiterentwicklung ihres Qualitätsmanagements im Sinne einer Selbstbewertung regelmäßig zu überprüfen. Die Ergebnisse der Überprüfung sind für interne Zwecke zu dokumentieren (§ 5 GBA 2023). Für niedergelassene Ärzte erfolgt dies als stichprobenhafte Befragung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen.
Die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser berichten in ihren strukturierten Qualitätsberichten gemäß § 136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V über den jeweiligen Stand der Umsetzung und Weiterentwicklung des einrichtungsinternen Qualitätsmanagements (GBA 2023). Die Aussagekraft der Qualitätsberichte für die Anästhesiologie ist dabei häufig gering.
Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) führte 2010 den neuen Kerndatensatz für die Anästhesiologie und gemeinsam mit dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) den Kerndatensatz Intensivmedizin ein (Heinrichs et al. 2010). Die Erfassung der Datensätze ermöglicht die Teilnahme an der externenQualitätssicherung.
Viele Abteilungen/Kliniken unterliegen im Rahmen des Krankenhauses freiwilligen externen Zertifizierungsverfahren, beispielsweise nach DIN EN ISO 9001 oder KTQ® und werden daher regelmäßig durch externe Auditoren auch bezüglich fachspezifischer Festlegungen auditiert (DIN 2015; Hotz 2023; JointCommission 2024; KTQ 2024).
Für Teilbereiche des Fachgebiets wurden eigene Zertifizierungsverfahren, z. B. das oben erwähnte modulare Zertifikat Intensivmedizin der DGAI etabliert (Kumpf et al. 2023). Die Qualitätsindikatoren der DIVI stellen konkret umsetzbare Maßnahmen dar. Sie bilden die Basis des Peer-Review-Prozesses, der hier weitere Verbesserungen anstoßen kann.
In der Notfallmedizin konnten sich länderübergreifende Qualitätsmanagementmaßnahmen aufgrund der uneinheitlichen Gesetzeslage erst später durchsetzen (Fischer 2023). Inzwischen sind im nationalen Reanimationsregister über 350.000 Reanimationen seit 2007 dokumentiert (DGAI 2024; Seewald 2023). Es ermöglicht die Erfassung und Auswertung der eigenen Einsätze und den Vergleich der Ergebnisse mit anderen Leistungserbringern.
Qualitäts- und Risikomanagementsysteme können im Laufe ihrer Entwicklung umfangreich werden. Wichtig ist es, trotz aller Anforderungen Qualitätsmanagementsysteme schlank zu dimensionieren, um sie aktuell halten zu können. Die Dokumentation sollte Intranet-basiert zur Verfügung stehen (Hölz et al. 2005).
Zu Analysezwecken sollten möglichst nur solche Daten digital erhoben werden, die für Optimierungs- oder Forschungszwecke tatsächlich analysiert werden und zu Verbesserungen führen. Andernfalls ist zu beobachten, dass qualifiziertes ärztliches und pflegerisches Personal der Patientenversorgung entzogen wird und hohe Kosten verursacht werden, wie dies insbesondere in den USA der Fall ist (Iyer 2024). Dort sind Qualitätsdaten stark vergütungsrelevant.
Mitarbeiterorientierung
Immer wichtiger wird es, neben dem primären Ziel einer möglichst hohen Versorgungsqualität und Patientensicherheit die Perspektiven der an der Gesundheitsversorgung beteiligten Akteure zu berücksichtigen (GBA 2023 ).
Der Personalmangel schränkt an vielen Kliniken die Zahl betreibbarer Operationssäle und Intensivbetten merklich ein. Nur Kliniken und Abteilungen, die im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter aller Berufsgruppen attraktiv sind, können in Zeiten des Personalmangels ihre Patientinnen und Patienten zeitgerecht und qualitativ hochwertig versorgen. QM-Maßnahmen, wie gut nutzbare klinikinterne Standard Operating Procedures (SOP, Leitlinien), eine geregelte Einarbeitung, die Etablierung von internen Workshops, Verbesserungen der Supervision, eine offene Fehlerkultur und regelhafte Mitarbeitergespräche, tragen hierzu bei.
Angesichts ökonomischer Zwänge engagieren sich der BDA und die DGAI auch für eine ausreichende Personalausstattung anästhesiologischer Abteilungen und Kliniken als wichtige Voraussetzung für eine adäquate Behandlungsqualität und für die Sicherheit der Patienten (DGAI 2015). Hier wird beispielsweise eine dreimonatige Doppelbesetzung zur Einarbeitung neu in die Weiterbildung startender Ärzte gefordert.
Neuere innovative Ansätze
Einige der bisher zitierten Risikomanagementansätze generieren Erkenntnisse überwiegend aus der Analyse gemeldeter unerwünschter Ereignisse oder Beinahe-Ereignisse. Dies wird auch als Safety-I-Ansatz bezeichnet. Dieser ist potenziell mit einem Rückschaufehler verbunden: negative Ereignisse können überbewertet werden. Denkbar ist, dass der Fokus hierdurch auf potenziell falsche Schwerpunkte gelenkt wird (Liberman et al. 2020; Ham 2021; Speer et al. 2023).
Solche unerwünschte Ereignisse sind jedoch eher die Spitze eines Eisbergs. Liberman publizierte in 2020 eine Studie zur Inzidenz und Klassifikation von „Nonroutine Events“. Definiert wird ein nicht routinemäßiges Ereignis als jeder Aspekt der klinischen Versorgung eines Patienten in einer klinischen Situation, der als Abweichung von der optimalen Versorgung wahrgenommen wird. Das Team analysierte Videoaufzeichnungen von anästhesiologischen Behandlungssituationen mit Zustimmung der Patienten und beteiligten Personen. Nicht-routinemäßige Ereignisse, beispielsweise hypotensive Phasen, ereigneten sich in 22 % der Fälle, bei einem von 15 Patienten mit einem gewissen Grad der Schädigung des Patienten. Die Videoanalyse erlaubte es, die Ereignisse direkt im klinischen Kontext zu bewerten und sensibler Risikomuster zu erkennen (Liberman et al. 2020).
Neuer ist auch der Safety-II-Ansatz, bei dem Ursachen für überwiegend positive Behandlungsverläufe untersucht werden. Ziel ist es, die Anpassungsfähigkeit des Systems unter unerwarteten Bedingungen zu erhöhen (Resilience Engineering) (Speer et al. 2023).
Aus- und Weiterbildung im Qualitäts- und Risikomanagement
Um Methoden und Modelle des Qualitäts- und Risikomanagements sinnvoll einsetzen zu können, bedarf es einer fundierten Ausbildung. In Deutschland ermöglichen die Landesärztekammern den Erwerb der Zusatzbezeichnung „Ärztliches Qualitätsmanagement“. Viele Hochschulen und Universitäten bieten betriebswirtschaftliche Weiterbildungsstudiengänge an, die eine Ausbildung im Qualitäts- und Risikomanagement umfassen. Auch in der Pflege existiert ein umfangreiches Weiterbildungsangebot.
Darüber hinaus ist eine Qualifizierung zum Gutachter in den verschiedenen Qualitätsmanagementmodellen möglich, z. B. zum Auditor bei der ISO 9001:2015 oder zum Visitor beim KTQ-Verfahren.
Zusammenfassung
Qualität und Sicherheit sind Kerninteressen in Anästhesiologie und Intensivmedizin.
Intelligent genutzte Qualitäts- und Risikomanagementsysteme leisten über die Erfüllung der gesetzlichen Auflagen hinaus einen konkreten Beitrag, um die Qualität, Sicherheit und Effizienz in Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie zu erhöhen. Durch die Bereitstellung interner Leitlinien, durch interne Fort-, Aus- und Weiterbildungsangebote und das Streben nach kontinuierlichen Verbesserungen tragen sie dazu bei, als Klinik oder Abteilung attraktiv für die eigenen Mitarbeiter und potenzielle Bewerber zu sein.
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